Noch'n Tag
Der einzige Irrsinn
meines Lebens
besteht aus Warten.
Warten auf die Post.
Warten auf die Liebe,
auf den Geburtstag von Tante Hilde,
auf den Urlaub,
auf die Handwerker.
Warten auf Erkenntnis,
auf Vergebung.
Warten auf Ideale
und
Resignation.
Ich warte wie eine Idiot
auf die ganzen Dinge,
die mich nie befriedigen.
Ich warte auf eine Antwort.
Auf eine Idee,
schönes Wetter,
die Nachrichten.
Auf die ersten Fragen,
den Frühling,
den Sommer,
den Herbst,
den
Winter.
Ich warte auf meinen Tod
und auf die Neugeborenen.
Ich warte auf das Warten,
auf den Lottogewinn,
auf Sonne,
auf Kaffee,
auf Mittagessen,
auf Regen,
auf den neuen Tarantino.
Zwischen dem Warten
warte ich auf
eine Inspiration zum Schreiben,
einen Einfall,
eine
Eingebung,
eine Erleuchtung.
Ich warte auf den Abend.
Auf deinen Körper.
Auf die Wildgänse im Frühjahr
und die Wolken.
Ich warte auf den Paketdienst,
auf den Feind,
auf mein Buch
und die Müllabfuhr.
Der ganze Wahnsinn
manifestiert sich im Warten.
Auf
Oma,
auf Opa und Kurt.
Ich warte auf die Nachbarn,
auf die Gäste,
auf die neue Druckpatrone,
Ich warte auf Entschuldigungen
und Antworten.
Auf Kuchen und Sahne.
Ich warte und warte.
Ich warte auf Christine.
Ich warte auf den Zug,
auf den Bus,
auf die Strassenbahn
und auf den Flieger.
Ich warte bei Aldi, bei Plus, bei
Karstadt.
Ich warte beim Amt,
bei der Bahn,
beim Arzt
und im Möbelhaus.
Alle warten mit.
Ich warte mit dir
und mit Laura.
Ich warte auf den Kollegen
und die Hotelgäste.
Ich warte mit Kunden
und Demonstranten.
Ich warte mit Pastoren und Göttern.
Mit Heilern und
Mördern.
Ich warte mit Eremiten
und Predigern.
Mit Kurzarbeitern
und Vollbeschäftigten.
Mit Arbeitslosen und Köchen.
Wir warten und warten.
Warten als Lebensideologie,
als Ersatz für Liebe,
als Placebo.
Warten als Imitation des Lebens,
als Fake des Bewusstseins.
Warten als Domina
meiner Wünsche.