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Warteraum 5 - Kunstfehler -- keine Kunst

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"Warteraum 5 - Kunstfehler -- keine Kunst"
Veröffentlicht am 21. Juni 2014, 6 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
© Umschlag Bildmaterial: Giuseppe Porzani - Fotolia.com
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Warteraum 5 - Kunstfehler -- keine Kunst

Warteraum 5 - Kunstfehler -- keine Kunst

Kunstfehler − keine Kunst

Definition Ein Kunstfehler ist die Gesundheitsschädigung eines Patienten aus Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit oder Vorsicht und zuwider allgemein anerkannter Regeln der Heilkunde. Rudolf Virchow


Ärztliche Kunstfehler können ganz unspektakulär sein. Zwei Beispiele aus dem Hausarztleben.

Eine Frau kommt mit Brech- und Durchfallattacken in die Praxis; keine Nahrung verweilt mehr lange. Der Hausarzt weiß sofort

Rat: Sie sind Mitte Vierzig, da spukt es gern im Ohr und das irritiert den ganzen Körper. Darum verordnet er Bewegungsübungen, welche Kalkpartikelchen aus dem Labyrinth schütteln werden. Im Ergebnis kann die Patientin nicht mal mehr einen Schluck Wasser zu sich nehmen. Hilflos sieht die Umgebung zu, wie sich die Frau dem Verhungern und Verdursten nähert. Als über persönliche Kontakte endlich gründliche Untersuchungen zustandekommen, ergeben die eine nicht unübliche böse Diagnose außerhalb der Ohren. Doch der Feind hat nun einen Namen und man kennt Gegenmittel. Nach etwas Nachdenken hätte der Hausarzt besser sofort eine Überweisung zum Spezialisten ausgefüllt.

Ein Mann klagt über dauerhafte Schlafstörungen, erst ein Jahr euphorisch im gefährdeten Projekt in der gefährdeten Firma, danach ein Jahr ganz sinnlos ohne Anlaß, und wünscht sich eine Schlafkur. Alle üblichen Hausmittel sind ausgereizt, und er findet seine Reaktionen auf die Umwelt immer öfter durchaus seltsam. Der Hausarzt entscheidet augenblicklich: Zunächst eine Psychotherapie, denn mit Schlafen verschütte man ja die inneren Probleme. Nun beginnt so eine Therapie aber schematisch beim Rezensieren der eigenen Zeugung und Lossagen vom Kindergarten und arbeitet sich anstrengend langsam zur Gegenwart durch. Besserem Schlafe ist nicht dienlich, sämtliche Traumata aus dem großen Wurstkessel zu fischen:

Hätte der Patient noch einen Anstoß zum Suizid gebraucht, hier ist er zuverlässig zu haben. Da staunt der Therapeut ...


Beide Fälle wären zu vermeiden gewesen, hätte der Arzt seine Grenzen gekannt oder der Patient die Grenzen des Arztes erahnt − Welcher aber auf dem Zahnfleisch kreuchet, ist selten voll der Widerrede ...

Fazit: Macht bloß nicht jeden gut gemeinten Kram mit. Ein Hausarzt ist gut bei Grippe, Verstauchung, Fußpilz und sehr vielen anderen Massenphänomenen; doch verlangt nicht zuviel. Seid kritisch, lehnt ab, verlangt eine Überweisung. Über Euch wißt noch immer Ihr selbst am besten Bescheid, selbst

wenn Ihr eben daran gerade heftig zweifelt.



© 2014 Brubeckfan

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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PhanThomas Wahre Worte. Ich habe noch keine größere Behandlung an mir erlebt, die nicht hinterher korrigiert werden musste. Waren zwar nur drei, quasi sechs also, aber immerhin. Da könnte man auf den Gedanken kommen, im Umkreis gäbe es nur Kurpfuscher. Fazit natürlich: Am Ende geht man gar nicht mehr zum Arzt. Dr. Google hilft ja auch, selbst wenn der einem jedes Mal Krebs diagnostiziert.

Beste Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan O weh ... Es gibt ja Menschen, die zu jedem Stichwort sofort eine Schublade ziehen und Dir schon vor Deinem letzten Komma antworten. Bloß Arzt dürften die unbedingt nicht werden.
Da ich nicht jeden Monat zum Schwatz beim Hausarzt gehe, kennt der mich halt quasi nicht. Ein KI-Programm (gibt es die Disziplin KI überhaupt noch?) könnte das auch, was meiner tut: Symptome abfragen und eintüten. Wenn Fieber, drücken Sie die Vier, wenn ohnmächtig, die Null ...
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Es tut mir leid, wenn du negative Erfahrungen mit (d)einem Hausarzt gemacht hast, doch du solltest das nicht verallgemeinern.
Es kommt nicht auf die Spezialisierungsrichtung des Arztes an, sondern auf seine Grundeinstellung. (Auch ein Hausarzt hat eine ca. 5jährige Facharztausbildung) Ein gewissenhafter Arzt weiß selbst, wann er einen Patienten zu überweisen hat.
Das - nicht nur aus meiner Sicht - fehlstrukturierte Gesundheitssystem unseres Staates macht es den Ärzten nicht gerade leichter ...
Bin froh, dass ich es hinter mir habe!

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan "wann er zu überweisen hat", das ist es ja. Und nicht oberflächlich werden (oder medizinisch-arrogant), wenn sein Warteraum ständig übervoll ist und er ominöse Punkte abrechnen muß, die am Tag X irgendwie zu Geld werden.
Und allgemein muß ich doch bei jedem Menschen herausfinden, wozu ist der gut und was geht mit dem nicht. Warum sehn wir so zu Ärzten herauf?

Genieße Deine Ruhe und die großen Flüsse der Welt (ach du nasser Amazonas?). Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
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