Journalismus & Glosse
Warteraum 3 - Blut und Ökonomie

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"Warteraum 3 - Blut und Ökonomie"
Veröffentlicht am 19. Juni 2014, 4 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
© Umschlag Bildmaterial: stillkost - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Warteraum 3 - Blut und Ökonomie

Warteraum 3 - Blut und Ökonomie

Blut und Ökonomie

Im Riesenpulk der Chefvisite steht dieser Arzt immer ganz weit hinten. Als Iraki fällt er unter bleichen Deutschen dennoch auf. Also er soll heute Blut zapfen. Stauen ... Vorbereitung der Instrumente ... Anstich ... nix, daneben. Na ja, ich sagte ihm doch, meine Venen sind zickig, Er versucht es tapfer weiter: höher, tiefer, andere Winkel, andere Nadeln, Armbeuge, Handgelenk, Handrücken. Ich liege ja im Bett, kann also wenigstens nicht umfallen wie früher oft beim Kinderarzt. Durchhaltevermögen hat dieser Arzt in der Tat (Arzt? Doch, laut Schildchen). Nur Mühe allein genügt nicht, Aroma fehlt. Triumphierend legt er schließlich doch ein halbvolles Röhrchen zu seinem

ganzen Abfall in die Nierenschale und stellt sie auf den Tisch des Raumes -- vors Fenster in die pralle Sonne. Ich sage ihm, damit ende unsere Geschäftsbeziehung. Auch ein Kassenpatient hat irgendwelche Rechte. Mit der Dritten Welt hat das nichts zu tun. Überall gibt es halt Ärzte, die gut in Forschung, Pathologie, Lobbyarbeit oder Geldzählen sind und nicht im Handwerklichen. Ich verkünde auch beim behandelnden Arzt, den Künstler muß er nicht mehr zu mir schicken. Seitdem versteckt sich dieser völlig hinter dem Visitepulk. Ja aber. Wenn Krankenhäuser nun mal Profit abwerfen sollen, ist dieser Arzt natürlich nur der Anfang des preiswerten Trends ... Wir

lassen in Bangladesh nähen und in Polen programmieren, da wird doch wohl der Irak einen Platz finden in unserer Wertschöpfung. Und süße Roboter werden mir sicher mal die Waschschüssel bringen, wegen der individuellen menschlichen Anatomie aber niemals Blut abnehmen. Oder gerade doch. Schlimmer kann das nicht werden, und wen scherts, wenn Qualen nur ein Veilchenbeet und ein halbes Röhrchen erbringen -- Geld ist immer dicker als Blut.



© 2014 Brubeckfan

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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PhanThomas Ganz starker Text! Die beiden ersten waren auch schon gut, der hier ist hervorragend. Irgendwann nehmen sie dir die kaputten Teile raus, gucken sie im Licht des Mammon noch mal genauer an und stellen fest, dass die ja noch gehen, dass man die anderswo noch mal benutzen könnte. Also raus damit per Expressdienst. Qualität ist zweitrangig, ist alles Profit.

Beste Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Jeder kann auf Anhieb einige Stellen aufzählen, wo Geld keine Rolle spielt und in Mengen hübsch verbrannt wird. Dagegen bei Themen wie Medizin wird gerechnet und gerechnet.
Das Verrückteste ist ja, daß kranke Kubaner oder Inder sich alle Finger nach unseren Bedingungen lecken würden. Zu ergebener Dankbarkeit finde ich aber trotzdem nicht.

Gesundheit!
wünscht Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Nee, ich find da auch nicht zur Dankbarkeit. Hier nebenan tritt sich ja grad ein Flughafen fest, der inzwischen so viel Geld verschlungen hat, dass man davon vermutlich alle Berliner Krankenhäuser hätte vergolden können. Ob das steril gewesen wäre, weiß ich zwar nicht, ansonsten wär's aber auch nicht schlechter angelegt gewesen. Alternativ ein Privatpatienten-Jahres-Abo für alle.
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Doch, wäre steril, siehe Goldplomben; bloß würden ständig Klinken fehlen, weil Patienten beim Heimgang dran hängen blieben und so das schöne Wort Volkseigentum inflationssicher reanimierten.
Vor langer Zeit - Antworten
FrozenScorpion Leider steckt viel zu viel Wahrheit in deinem Text. Auch viele Therapeuten in Kliniken denken genauso. Habe nur sehr wenige getroffen, die nicht nur den Willen sondern auch die Kompetenzen haben um einem zu helfen. Sind leider sehr rar gesät. Du hast es wirklich auf den Punkt gebracht.
Lg.
Frozen*Scorpion
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Vielen Dank!
Über Physiotherapeuten kann ich nach etlichen Jahren fast nur Gutes sagen. Die Seelenklempner sind eine andre Sache, ich finde, zu lange sollte man die nicht besuchen.
Alles Gute jedenfalls,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Bei mir ist es deshalb so schwierig, weil ich durch die Muskelschwäche nicht pumpen kann. Aber irgendwie kriegen "wir`s" dann doch immer hin ;-)))
Blut abnehmen im Krankenhaus? Ja, lieber Gerd, da schicken sie immer die, die grad am Lernen sind. Sei gnädig mit ihnen, die sind in der Ärztehierarchie noch ganz weit unten. Ich kann Deine Kritik an dem System sehr gut verstehen, allerdings habe ich miterlebt, dass speziell die Ärzte in Kliniken ganz arme Schw...... sind. Ein ungeheurer Druck, der da in Punkto Zeit- und Kosteneffizienz auf sie ausgeübt wird. Ich habe mich bei meinem letzten Aufenthalt tatsächlich ertappt, dass ich Mitleid mit ihnen empfunden habe.
Denn sie müssen das ausbaden, was uns die letzte Gesundheitsreform beschert hat. Seit es die Fallpauschalen gibt, werden Fälle konstruiert und es wird operiert auf Deibel komm raus.. Für viele Kliniken geht es da ums nackte Überleben.
Ein brisantes Thema hast Du da aufgerissen, lieber Gerd!!!
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ja, liebe Merle, da kann man kaum was ergänzen. Wenn Geld das Maß für alles ist, dann soll ein OP eben kalkulierbar wie eine Autoreparatur sein, und selbst da lauert Risiko. Und zum Geldverdienen wird dann gern Unnötiges angestellt, z.B. unnötige Kunstgelenke.
Na ja, bei den Amis geht's anders rum, kennst Du den Film von Michael Moore?
Vielen Dank für alles!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Was soll ich dazu sagen ...

Einmal bewahrheiten sich auch hier solche Sprichwörter, wie "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen" oder "Übung macht den Meister".
Wenn er nun bei keinem mehr ran darf, wird er es nie lernen!
Doch wer möchte schon das Versuchskarnickel sein?

Zum andern gibt es natürlich auch "Naturtalente", solche mit leichtem Händchen, scheinbar angeborener Geschicklichkeit ...
So einen wünsche ich dir beim nächsten Mal, oder besser noch - dass du immer hübsch gesund bleibst und es gar kein nächstes Mal gibt :-)

Unblutige Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Heutzutage hat Kaisers doch so viele verschiedene Fleischstücke zum Üben...
Ja danke, ich geb mir doch Mühe. Allerdings, die nächste Vorsorgeroutine naht ... Ich weiß nicht, soll ich mir Mut antrinken oder die zapfende Schwester ;-)
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
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