Romane & Erzählungen
Lebensretter - Teil 3 - Gibt es ein unsichtbares Band zwischen zwei Seelen?!?

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"'Er ist nicht mein Freund', beeilte ich mich zu sagen, 'nur mein Lebensretter.'"
Veröffentlicht am 17. Juni 2014, 18 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte. Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( ...
'Er ist nicht mein Freund', beeilte ich mich zu sagen, 'nur mein Lebensretter.'

Lebensretter - Teil 3 - Gibt es ein unsichtbares Band zwischen zwei Seelen?!?

Teil 3

Von der Brücke aus sah ich mich um, sah den Wagen halten und die Typen, die ausstiegen. Ich erkannte keinen von Ihnen, aber sie kamen mir halbseiden genug vor, als dass ich nicht doch lieber das Weite suchte! Heute war es ausreichend warm und ich fuhr mit der S-Bahn ein Stück aus der Stadt. In einem kleinen Vorort kannte ich eine kaum genutzte Scheune, in der Heu gelagert wurde und die immer offen war, die nutzte ich oft als Nachtlager. 'Gebadet' hatte ich für heute ja schon. Am nächsten Tag ging es mir aber dann ziemlich dreckig, wahrscheinlich machten sich die gestrigen Anstrengungen bemerkbar. Aber es nutzte ja nichts, wenn ich meinen kleinen Job

nicht verlieren wollte, dann musste ich jetzt los. Ich fühlte mich regelrecht verkatert, in der Bahn konnte ich mich fast nicht darauf konzentrieren, auf mögliche Kontrolleure zu achten. Hunger hatte ich auch schon wieder, dieser blöde Embryo verlangte nach Nahrung. Wieder einmal stiegen mir heiße Tränen der Wut in die Augen, wenn ich an dieses unselige Kind und an die Umstände seiner Zeugung dachte, aber ich sah einfach keinen Weg für mich. Zur Polizei hatte ich mich damals nicht getraut, da ich wusste, Toni hatte viele der Bullen in seinem Netz der Korruption gefangen. Selbst wenn ich an einen sauberen geraten wäre, mein Peiniger hätte sicher davon erfahren – und dann wäre ich echt geliefert gewesen! Mittlerweile hatte es eh keinen Zweck mehr, zuviel Zeit war vergangen. Mit diesem Bastard im Bauch war ich eingeschränkt und nicht frei.

Erst wenn das erledigt war, würde ich endgültig weit weg flüchten können und ein neues Leben beginnen. Jedenfalls redete ich mir das ein. Am Nachmittag, zum Glück pünktlich, tauchte ich bei der schäbigen Kneipe auf, in der ich schwarz in der Küche als Spülerin und Mädchen für alles arbeiten konnte. Hier bekam ich wenigstens ein paar Mark sowie eine warme Mahlzeit am Tag, nur am Ruhetag wie gestern nicht. Und es stand ständig auf der Kippe, ob Walter mich morgen noch beschäftigen würde … Heute war er aber gut gelaunt und es wurde ein guter Tag, abgesehen von gelegentlichen Schmerzen. Nach der Arbeit hatte ich dann leider nicht so viel Glück. Ich war auf dem Rückweg, da begann

es in Strömen zu regnen und ich kam vollkommen durchnässt in der Scheune an, aus der ebenfalls alle Wärme entwichen war. Zitternd rollte ich mich in das Heu und schloss die Augen, versuchte einen schönen Gedanken zu finden, an den ich mich beim Einschlafen klammern konnte. Plötzlich hatte ich ein Gesicht vor mir stehen, überragt von unnatürlich blonden Haaren, der Ausdruck der Besorgnis in den grünbraunen Augen darin um so aufrichtiger … Erschrocken zuckte ich hoch. Es war lange her, dass ein Mann mir ein gutes Gefühl gegeben hatte, aber dieser hier war, obwohl eine Nervensäge, doch sehr nett zu mir gewesen. Was er wohl gerade machte? °Wahrscheinlich schlafen in irgendeinem sündhaftteuren Loft inmitten der Stadt und keinen Gedanken mehr an dich verschwenden, du

blöde Kuh°, schalt ich mich, °und das solltest du auch tun!!° Da hatte meine innere Stimme recht, so bemühte ich mich, ein paar der seltenen schönen Kindheitserinnerungen herauf zu beschwören, um dann endlich einzuschlafen. Doch mitten in der Nacht schreckte ich schweißgebadet auf. Natürlich, ich hatte wieder von ihm geträumt, von Toni, wie er mich … Plötzlich wurde mir kotzübel und ich schaffte es gerade noch vor die Tür der Scheune. Oh, wie sehr ich mir wünschte, die Frucht seiner Tat ebenfalls einfach auskotzen zu können! Aber nicht einmal eine Abtreibung war jetzt noch möglich, es war schon zu lange her – das Datum würde ich schließlich nie vergessen! - und die Ärztin hatte mir bestätigt, dass 12 Wochen das Maximum waren. War ich doch leider zu doof zum Lügen gewesen,

aber das wäre wahrscheinlich eh aufgekommen. Und ohne Papiere … Da schloss sich wieder der Kreis, ich würde einfach meinen ursprünglichen Plan verfolgen müssen: Das Kind austragen, irgendwo heimlich werfen und dann in eine Babyklappe legen. Erst dann wäre ich endlich frei, um ganz weit abzuhauen … Gerädert schleppte ich mich wieder in meine Arbeit, leider schien auch Walter schlecht geschlafen zu haben. Er raunzte mich in einer Tour an, nichts konnte ich heute recht machen und zum Schluss meinte er, ich bräuchte morgen gar nicht erst wieder kommen. Ich brach in Tränen aus, was ich eigentlich gar nicht wollte, er schien aber davon berührt zu sein. Unbeholfen tätschelte er meine Hand, rückte näher an mich heran. „Nanana, ist ja nicht so schlimm, vielleicht überleg ich es mir ja noch mal … Wenn du ein bisschen lieb zu mir

bist, dann-” Weiter kam er nicht, denn ich war schon aufgesprungen und mit meinem Bündel halb zur Tür raus. „Steck dir deinen verdammten Job in den Arsch!”, schrie ich noch über meine Schulter. „Eher verrecke ich, als mich noch mal von dir anfassen zu lassen!” „Dann hau doch ab!”, rief er mir gekränkt hinterher und ich wusste, hier konnte und wollte ich mich nie wieder sehen lassen. Ich sehnte mich plötzlich nach einer Dusche, weil ich mich total schmutzig fühlte. Sollte ich es wagen, zu einer der Obdachlosenunterkünfte zu gehen? Als extrem junge Frau hatte man da es nicht sonderlich leicht, aber heute war es mir egal, ich wollte endlich mal wieder in einem Bett schlafen! Und etwas zu essen brauchte ich auch

… Heute hatte ein noch junger Mann Dienst am Einlass, er wollte ganz nach Vorschrift einen Ausweis sehen. Diese Regel machte das Ganze für mich immer wieder zu einer Zitterpartie. Ich hielt ihm meinen Führerschein unter die Nase und erwartungsgemäß schüttelte er den Kopf. „Ich bräuchte schon deinen Perso.” „Den hab ich aber verloren”, insistierte ich und er sah mich an. Die Ausweisregel sollte ja in erster Linie verhindern, dass sich hier stadtbekannte Verbrecher breit machten und er schien die Möglichkeit zu überdenken, ob ich wohl dazu gehörte. Also versuchte ich möglichst lieb und naiv auszusehen und er drehte meinen Lappen unruhig zwischen seinen Fingern. „Du bist ganz schön jung für eine Obdachlose”, murmelte er

dann. „Aber ich bin kein minderjähriger Ausreißer, das siehst du doch an meiner Fahrerlaubnis”, lächelte ich ihn an. Endlich gab er nach und reichte mir eine Essenskarte, eine Bettbenutzungserlaubnis und eine Duschmarke rüber. Erleichtert bedankte ich mich und verzog mich schnell in den Duschraum für die Frauen. Noch war es früh genug, dass man hier voraussichtlich nicht belästigt wurde … Nachdem ich mich gründlich geschrubbt hatte, holte ich mir etwas zu Essen und verzog mich bald darauf ins Bett. Mein kümmerliches Hab und Gut umklammerte ich eisern und hoffte wie immer, rechtzeitig zu bemerken, wenn mich jemand bestehlen wollte. Allerdings war heute mit mir nur eine zahnlose Alte im Frauenzimmer, die ihren Rausch ausschlief, da hatte ich wahrscheinlich Glück.

So ging es ein paar Wochen weiter, ich pendelte zwischen der Scheune und diversen Unterkünften hin und her, versuchte tagsüber, einen neuen Job zu bekommen. In einer Bar hatte ich dann Glück, ich durfte die Teller und Gläser waschen. Der Nachteil war, dass der Betriebsschluss hier weit nach den Öffnungszeiten der Unterkünfte war. Dort hatte man um spätestens halb Neun da zu sehen, danach war Schicht. Aber es war Sommer und warm, da setzte ich lieber darauf, etwas Geld zu verdienen. Deshalb schlief oft in der Scheune und ab und zu, wenn sogar die letzte S-Bahn weg war, auf einer versteckt gelegenen Bank in einem der Parks. Man lernt halt, sich durch zu schlagen, aber die Leute in der Bar waren nett, das glich

vieles wieder aus, und auf der Toilette konnte ich mich notdürftig, aber ausreichend waschen. Ein paar Nächte später, es war Wochenende und entsprechend viel los, waren wir überraschend früh fertig mit dem ersten großen Schwung. Früher gehen war natürlich trotzdem nicht drin, aber wir gönnten uns eine Pause im Innenhof. Rainer zückte ein Päckchen Zigaretten und bot mir eine an, aus einer früheren Gewohnheit heraus griff ich zu. Und ja, die ersten paar Züge fühlten sich irgendwie gut an, auch wenn ich schnell das Gefühl von Nebel in meinem Kopf hatte. Neben uns ging die Hintertür des Gastraums auf und ein paar Gäste kamen heraus getorkelt, na, jedenfalls einer torkelte, der andere, größere, versuchte ihn zu stützen. „Menno Alldder, isch brauch keine frissse Luft!”, nölte der Kleine und klang dabei gut

angeheitert. „Oh, das denke ich aber doch, du Dödel. Du hast gerade einen Transvestiten angemacht, ohne es zu merken und ich bin mir doch ziemlich sicher, dass du hetero bist und auf richtige Frauen stehst.” „Achdu bisja nur neidisch, weil isch üverall Schanxen hahbe ...”, krakeelte der Betrunkene weiter, während sein Kollege ihn zusammen mit einem weiteren Mann gegen die Wand lehnte. Wir beobachteten die Szene amüsiert aus dem Dunkeln heraus, es war eh selten genug, dass wir was von den Gästen mit bekamen. Rainer reichte mir noch einmal die Zigarette und ich griff blinzelnd danach, weil in diesem Moment wieder die Hintertür auf ging und wir für einen Moment in grelles Licht getaucht waren. Im nächsten Augenblick fühlte ich mich heftig zur Seite gerissen und jemand pflückte mir die

Zigarette aus der Hand. „Bist du wahnsinnig? Du bist schwanger!”, hörte ich es Zischen und erkannte dann, dass der lange Lulatsch vor mir niemand anderes war als Rollen D. Rubel, der Nervtöter. „Was?!”, gab ich perplex zurück. „Das war der erste Zug seit einem Jahr”, verteidigte ich mich automatisch, dann erkämpfte sich die Wut die Oberhand. „Ach was soll der Scheiß, das geht dich gar nichts an und überhaupt, warum brüllst du es nicht noch ein wenig lauter in der Gegend rum, es hat wohl noch nicht jeder gehört!” Eigentlich wollte ich auch weg von ihm, aber er hielt mein Handgelenk wie in einer Schraubzwinge, ich zerrte vergeblich daran. „Jetzt beruhig dich doch erst mal”, bat er mich, selber schon etwas ruhiger und ich schnaufte

durch. „Alles in Ordnung, Kitty?”, fragte Rainer von der Seite und beäugte den um mindestens zwei Köpfe größeren Mann misstrauisch. „Ja, nur ein alter Bekannter, der militanter Nichtraucher ist, nicht wahr?”, sagte ich, schaute dabei Rollen warnend an, der gehorsam mein Handgelenk los ließ. „Na gut, wir gehen dann mal wieder rein, bleib nicht zu lange, hörst du?!” „Keine Bange, ich bin in einer Minute bei euch.” Immer noch wütend war ich ihm schon einen halben Schritt gefolgt, als Rollen plötzlich sagte „Warte bitte. Kitty, richtig?” Dieser Name hier war so gut wie alle anderen, deswegen nickte ich stumm. „Es … es tut mir leid, wenn ich grade etwas heftig reagiert habe, aber ich sah dich mit der Zigarette und da musste ich dran denken, dass du doch-”, er sah sich um, ob

noch jemand zuhörte und vollendete dann leise „ein Kind erwartest.” „Das ich eigentlich nicht haben will, du erinnerst dich?!” „Jeden Tag”, war seine mehr als überraschende Antwort. „Was?” „Es vergeht echt kein Tag, an dem ich nicht an unsere kleine Eskapade da im Wasser denke und wie es dir wohl geht.” „Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen”, gab ich zurück, konnte aber nicht verhindern, dass es ein wenig sarkastisch klang. „Ich geh jetzt wieder rein, ja? Dein Kumpel scheint dich auch zu brauchen.” Damit wandte ich mich schnell ab und huschte durch den Personaleingang. Drinnen drückte ich mich schwer atmend gegen die Tür. Dieser Mann

war echt meine Nemesis, oder wie nannte sich das? Damoklesschwert? Jedenfalls war die Stadt klein genug, um immer wieder auf ihn zu treffen, was mir in Hinblick auf Toni mal wieder einen Heidenschreck einjagte. Und trotzdem sagte eine kleine Stimme in mir, siehst du, es gibt ja doch einen, der sich ein wenig um dich sorgt. °Na wenigstens etwas°, dachte ich ätzend dagegen, °wenn es nicht mal die eigene Mutter tut!°

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Hörbuch

Über den Autor

QueenMaud
Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte.

Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( http://www.amazon.de/Verrat-und-Vertrauen-ebook/dp/B007OH3DXI/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1332863393&sr=1-1 ), vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen ... Eine Leseprobe von "Verrat und Vertrauen" findet ihr auch in meiner Bücherliste.

Ansonsten gebe ich zu, eher einen Hang zum Happy-Ending zu haben, aber auch nicht immer, wie die Leser meines "Klassentreffen" sicher bestätigen können :-)

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Montag "Bettbenutzungserlaubnis", ein neues Wort, für meinem Wortschatz. Interessante Geschichte.
LG Montag
Vor langer Zeit - Antworten
QueenMaud Schön, gell?! Wäre vielleicht auch ein Märkchen, dass man beim Speed-Dating verteilen könnte ... *räusper*
Danke für den Kommentar und dein Abo!
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