ZUR BLAUEN STUNDE IM PARK
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Direkt an der Neiße, nur eine halbe Stunde von meinem Heimatort entfernt, liegt von
weitläufigen aromatisch duftenden Kiefernwäldern umgeben, das verschlafene Städtchen Bad Muskau.
Selbst als Kurort kann es seine Bedeutungslosigkeit nicht ablegen, wäre da nicht sein berühmter Sohn, der dank seines Bekanntheitsgrades auch heute noch die Aufmerksamkeit im In- und Ausland auf sich zieht.
Den am 30. Oktober 1785 geborenen Herrmann Heinrich Graf von Pückler Muskau kennt wohl jeder, und sei es nur durch die schmackhafte eisige Köstlichkeit in den 3 Farben gelb, rosa und braun, die er kreierte und die später nach ihm benannt wurde.
Der General, Schriftsteller, Abenteurer, Weltreisende, Charmeur und
Frauenversteher war in erster Linie aber ein begnadeter Landschaftsgärtner, dem wir den sein Schloss umgebenden 830 Hektar großen Park verdanken, einen der schönsten in Europa, da sind sich die Gartenexperten einig.
Ein Drittel der Fläche befindet sich heute auf
deutschem, der größere Teil des Unesco-Kulturerbes auf polnischer Seite. Auf Grund der Größe habe ich es in all den Jahren noch nicht geschafft, den polnischen Teil vollständig zu erkunden. Dabei ist das wie zu Pücklers Zeiten mit der Pferdekutsche ganz einfach möglich. Aber auch per Fahrrad und verschiedentlich mit dem Boot lassen sich idyllische Touren unternehmen.
Am Freitag betrat ich zur „Blauen Stunde“ den Park und begegnete zu meiner größten Überraschung dem Fürsten, am Arm selbstverständlich eine junge Dame.
Wenig später traf ich ihn in seiner orientalischen Tracht, welche die Damen stets
so amüsant fanden, unter einer alten Kastanie mit seiner Cousine Helmine plaudernd.
Er hatte einer Angebeten in Berlin zum Zeichen seiner Wertschätzung und Zuneigung
ein paar Heringe, nebst inniglicher Zeilen zukommen lassen. Selbige Fische galten als ausgesprochene Delikatesse, schon das Blau ihrer Haut ließ auf die Tiefe der Gefühle schließen. Jedoch sandte die hohe Dame das Geschenk postwendend zurück. Der Fürst grämte sich sehr ob dieses, für ihn unerwarteten „Korbes“.
Da fand Bettina von Arnim, die ebenso intelligente wie lebenslustige und kesse Dichterin schon eher bei ihm Gehör. Als sie allerdings zu aufdringlich auf einer beständigen Verbindung bestand, schickte er die „Klette“ kurzerhand in die Wüste.
Nein, zu aufdringlich durften die Weibsbilder nicht sein. Eher hübsch und zierlich, einfach lieblich, so wie die junge Engländerin Sophie, der er den Weg zur „Liebeshöhe“, ein künstlich angelegter Hügel mit einer hübschen halbrunden weißen Holzbank darauf, widmete.
Der Weg beginnt direkt hinter der „Blauen Brücke“ im „Blauen Garten“
und führt hinauf zur Liebeshöhe. Gelbe, nach Vanille/ Zimt duftende Azaleen und lila Rhododendren säumen den Weg. Leise
plätschert das Wasser des kleinen Flusses, der künstlich von der Neiße abgezeigt wurde, das Schloss umfließt, um wieder in die Neiße zurück zu gelangen.
Blau, die Farbe steht in der Romantik für Sehnsucht und Liebe, für die Lust nach Ferne
und Tiefe. Der Fürst lebte sie aus und gab sie in seinem Gartenwerk wieder.
Heute stehen mächtige Baumriesen in Gruppen zusammen, unterschiedliche
Laubfarben bilden vielfältige Kontraste. Die Baumgruppen geben weitläufige Sichtachsen vom Schloss her frei, eröffnen so Weite, begrenzen Wege.
Inmitten einer Wiese wächst die mächtigste
Strauchkastanie Europas. Wie ein großes grünes Ufo bedeckt der Baum die Fläche und verschlingt die winzigen Menschen in seinem Inneren. Bald werden Millionen kleine weiße Blüten an ihr blühen.
Wir kriechen durch sie hindurch, ihr kühles Inneres lässt uns die herannahende Nacht spüren.
Noch liegt der Park im letzten Gold der untergehenden Sonne. Einige der Baumriesen sind mit Stahlseilen verankert. Spannt sich eines der Seile, heißt das, der Baum fällt. Dann ist seine Lebenszeit hier im Park abgelaufen Unter unseren
Klimaverhältnissen werden auch meterdicke Bäume nicht extrem alt.
Wir gelangen über den weit ausladenden, mit Mandarinen- und Zitronenbäumchen bestandenen hinteren Zugang zum Schloss.
1945 in Folge eines Brandes zur Ruine geworden, baute man es 1995 wieder im Stil der Neorenaissance auf. Gern wollte Pückler den Plänen seines Freundes Schinkel folgend, einen klassizistischen Familiensitz errichten lassen, allein die finanzielle Lage verhinderte diese kühnen Ideen. Auch der Park blieb unvollendet, ja Pückler musste Muskau sogar als größte seiner Gemarkungen verkaufen, um danach auf
Schloss Branitz bei Cottbus zu wohnen. Auch der dortige Park trägt seine Handschrift.
Ich hoffe, ich habe mit meinem Buch Neugier geweckt. Der Park und das abenteuerliche Leben des Fürsten sind in jedem Fall eine Reise wert.
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