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Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 16-20

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"Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 16-20"
Veröffentlicht am 12. Juni 2014, 214 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;) Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern ...
Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 16-20

Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 16-20

Wer wir sind, und was wir zeigen

Teliankas - die silberne Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 14. Stunde 'Ich wurde positiv überrascht. Einige der Rekruten sind aus brauchbarem Holz geschnitzt. Es bedarf noch viel Arbeit, bevor sie die Disziplin eines gewöhnlichen Soldaten erlernen. Manche besitzen die besten Voraussetzungen. Ser Ronak ist begabt darin, gutes Material zu finden. Ihn zu ersetzen wird nahezu unmöglich. Jetzt, da sein Ruhestand näher rückt, ist es unabdingbar, sich mit dieser Aufgabe

auseinanderzusetzen.Ich schob es auf. Voltrin ist ein edler Mann. Es erfüllt mich mit Wut, wenn ich daran denke, wie die Leute hinterrücks sprechen. Sie wissen nicht, was sie ihm verdanken. Es gibt Tage, das ist das dekadente Gewürm ermüdender. Sie strotzen vor Unwissen. Hegen keinerlei Ahnung über das Leben innerhalb des Militärs. Stattdessen vergeuden sie unser aller Zeit mit irgendwelchen stupiden Festen, die nur den Sinn verfolgten zu imponieren. Sollte-' Das Klopfen ließ die Feder auf dem Pergament abrutschen, machte die letzten Zeilen zunichte. Thrassk sah vom Tisch auf. Er runzelte die Stirn, ehe

er das Schriftstück zusammenknüllte. Er schien auch im eigenen Arbeitszimmer keine Ruhe genießen zu dürfen. Mit einer feinen Handbewegung wurde der Müll aus dem Fenster befördert, ehe er zur Tür schritt. „Ich dachte mir, dass du hier bist. Ist es unpassend?“ Dumats Augen ruhten auf dem Hünen. Das Haar des Hauptmanns war zerzaust. Die Kleidung zerknittert. Er beäugte den Schwarzhaarigen. Der Blick fiel auf die Pergamentrollen in Vaherans Händen. Er öffnete die Tür genug, damit der Andere hindurchtreten konnte. „Du hast meinen Eintrag

ruiniert.“ „Verzeih mir. Ich bin ein wenig im Stress. Du scheinst zu wissen, wovon ich spreche. Wie lange arbeitest du?“ Ihm wurde ein Stuhl angeboten. Der triste Himmel draußen wirkte abneigend. Das heutige Wetter war kalt und klamm. Einzig die Kerzen an den Wänden des Zimmers spendeten Wärme. „Bald 17 Stunden. Wenn ich diesen Berg von Dokumenten sehe, wird es dauern, bis ich nach Hause komme.“ „Orivier verschwendet keine Zeit. Das sind die ersten Entwürfe für die Sicherheitsbestimmungen auf dem Wettbewerb der Prinzessin. Bei derart Anlässen benehmen sich die Menschen

viel zu paranoid. Sie befürchten an jeder Ecke ein Attentat.“ Alliser schritt zum Schrank. Daraus holte er eine Flasche darkonischen Wein hervor. „Es ist fragwürdig, dass jemand Individuen wie Dothras ermordet. Er wird die Lage verwenden, um Kapital zu schlagen. So wie immer“, erklärte er und goss zwei Becher ein. Vaheran streckte die Glieder aus. „Es sollte nicht überraschen. Wie dem auch sei. Die Liste der Streiter wächst stetig an. Die Leute pochen auf Ruhm. Caius Sohn wird ebenfalls am Fest teilnehmen. Prinz Sirous bestätigte die Zusage vorhin. Es sieht so aus, als nutze

vor allem der Adel die Situation aus.“ Dumat breitete das Pergament aus dem Tisch aus. Dann genehmigte er sich einen Schluck aus dem Kelch und ließ das Getränk einen Augenblick lang wirken. „Es überrascht mich, wie du an solch edle Tropfen gelangst.“ „Die Nekomata. Erinnerst du dich? Sie hatten ein paar erlesene Waren dabei. Außerdem bin ich in der Position mir durchaus etwas gönnen zu dürfen.“ Damit setzte er zum Trinken an. Sein Gegenüber fuhr mit der Hand durch das rabenschwarze Haar und warf einen Blick aus dem Fenster. „Hesh und die anderen Händler aus Horas

werden uns auf der Veranstaltung mit ihrer Anwesenheit beehren. Der Handelsvertrag zwischen unseren Ländern ist aufgesetzt und wurde vom König akzeptiert. Auf Dothras nahm ich keine Rücksicht. Er besitzt nicht das Fingerspitzengefühl, geschweige denn die nötigen Sprachkenntnisse um mit den Nekos zu verhandeln.“ „Man dürfte das von einem Mann wie ihm erwarten.“ Vaheran winkte ab und schüttelte den Kopf. „Er ist viel zu beschäftigt mit persönlichen Belangen. Das wissen wir beide. Wie ich hörte, versuchte er erneut Fareena zu einer Verlobung mit

Iven zu überreden.“ Thrassk grinste. Er ließ den Blick auf die Schriftrollen gleiten. „Das bestätigt meine Theorie über die Intelligenz dieses Fettsacks. Er wird niemals Ruhe geben. Dennoch verfügt Arienne über ein eisernes Gemüt. Sie sollte ihm einen Tritt in den Allerwertesten verpassen. Womöglich könnte ihn das wachrütteln.“ „Irgendwann wird Fareena von selbst Partei für sich ergreifen. Sie hat viel von ihrer Mutter. Außerdem weiß sie, dass sie für einen Mann wie Iven viel zu gut ist. Zumindest sollte man das annehmen. Wie macht sie sich eigentlich im

Unterricht?“ Alliser goss sich einen weiteren Kelch ein. „Sie ist begabt. Das Problem ist nur, dass sie sich leicht ablenken lässt. Manchmal da träumt sie vor sich hin. Achtet gar nicht darauf, was sie tut. Ärgerlich. Sie hat eine Menge Potenzial. Die Musik ist allerdings auch etwas Befreiendes für das Mädchen. Das braucht sie, wenn man bedenkt, was für Umständen sie täglich ausgeliefert ist.“ „Sie ist dir täglich ausgeliefert.“ »Sowie ich dir. Wir können uns unsere Gesellschaft selten aussuchen.« Er lächelte, bevor er begann, die Schriftrollen durchzugehen. Ein

herzhafter Gähner bahnte sich den Weg aus seiner Kehle. Dumat tippte mit dem leeren Kelch gegen die Weinflasche, worauf der Hauptmann ihm nachschenkte. »Also. Iven, die Prinzen Sirous und Velkan sowie ein paar unwichtige Ritter aus der Gegend. Nicht gerade die Entourage, aber es dürfte genügen, um das Volk zu belustigen. Hauptsache diese Farce ist vorbei, damit wir uns wieder dem normalen Leben zuwenden dürfen. Es ist sowieso absurd, dass ein einfacher Gastbesuch aus dem Ausland für so viel Furore sorgt.« »Nun. Es ist immerhin die Königsfamilie aus

Niat.« Thrassk seufzte. »Selbst wenn es der armathische Kaiser persönlich wäre, könnte ich mich kaum weniger dafür begeistern. Davon abgesehen, dass Prinzessin Laneema die Dinge überstürzt. Vier Tage. Ein kürzeres Zeitfenster ist ihr nicht eingefallen? Da hätte sie dem Prinzen auch direkt die Lanze in die Hand drücken können, als er vom Pferd abstieg. Hättest du meine Zusammenfassung nicht ruiniert, hätte ich eine dortige Passage gut als Anekdote nutzen können. Die Menschen achten immer nur auf sich. Egal wie sehr sie vorgeben edel zu

sein.« Der dritte Kelch wurde befüllt und so langsam wurde er dösig. Dazu kam die Erschöpfung. Er konnte die Ränder unter seinen Augen spüren. Dennoch war an eine Pause nicht zu denken. Es gab niemanden sonst, der diese Arbeiten zuverlässig erledigte. Zumindest hatte er gute Gesellschaft. »Du siehst diese Angelegenheit aus dem falschen Blickwinkel. Denk an die Folgen. Für das Land könnte eine Verbindung zwischen Laneema und Oran nicht besser sein. Jeder sieht das. Das Einzige, was du tust, ist dich zu beschweren.« Thrassk winkte

ab. »Dabei vergisst jeder, dass das auch mehr Verantwortung bedeutet. Vor allem für das Militär. Ich kann meine Augen nicht überall haben. Daran denkt jedoch keiner. Höchstens dann, sobald das Essen knapp wird und daraus resultierend die Kriminalität steigt. Das ist das Problem der Versianer. Sie denken die Dinge nie zu Ende, sondern sehen nur die guten Seiten. Negativität ist bei ihnen nicht willkommen, obwohl das immer der erste Ansichtspunkt sein sollte. Die Nachteile.« »Wenn man immer nur das abwägte, würde niemand von uns irgendwelche Entscheidungen treffen. Manchmal kann

impulsives Handeln von Vorteil sein.« Alliser griff nach seiner Feder und unterschrieb Oriviers Formulare. Eine Weile war nur das Knistern der Kerzen, sowie das Kratzen auf dem Pergament zu hören. Dumat stand auf und schritt zum Fenster, wo er die Handflächen auf dem Sims ablegte. Vor ihm lagen die Dächer der Stadt. Selbst hier konnte man das Treiben der Städter hören, die ihren Tag verlebten. »Es würde dir gut tun ebenfalls an dem Wettbewerb teilzunehmen.« Die Feder rutschte über das Dokument. »Und dir täte es gut, wenn du solche Gedanken nicht immer gleich aussprichst. Ich werde mich mit

Sicherheit nicht dazu herablassen, an diesem perfiden Spiel Anteil zu nehmen. Du kannst dich gerne vor dem Hof zum Narren machen. Außerdem benötigt man mich, um die Ordnung zu wahren.« Alliser rollte alles wieder zusammen. Er griff nach einem Wachsblock um die Unterlagen zu versiegeln. Langsam schmolz das Wachs und tröpfelte auf die Enden der Rolle, um sie zu verbinden. »Ich zwinge dich zu nichts. Ich sagte nur, dass es dir gut bekäme. Du siehst furchtbar aus. Ein wenig Zerstreuung schadete noch niemandem.« »Jeglicher Versuch der Überredung ist sinnlos. Ich verschaffe mir auf meine eigene Art Ablenkung. Hier gehen schon

genügend absurde Dinge vor. Da muss ich nicht zugehören.« Dumat wandte sich zu ihm um. »Inwiefern?« »Abgesehen davon, dass Dothras seit ein paar Tagen Gefallen an Stadtspaziergängen gefunden hat? Er verhält sich merkwürdig. Noch sonderbarer. Ich kenne ihn lange genug, um zu wissen, dass er etwas ausbrütet. Frag nur nicht was. Entweder hat es was mit den nekomatischen Händlern zu tun, oder er versucht das Wohlwollen der Niater auf sich zu ziehen. Was anderes erwarte ich von dieser Schlange nicht.« Der Hauptmann legte die Rolle beiseite

und erhob sich. Mit dem Kelch in der Hand schritt er neben den Schwarzhaarigen ans Fenster und sah nach draußen. »Mich beschleicht ein seltsames Gefühl. Wie eine dieser Vorahnungen die einen nicht loslassen.« Vaheran grinste. »Wie war das mit der Paranoia? Immerhin sprichst du hier von Caius. Verschlagenheit ist das Letzte, was ich ihm zutrauen würde. Der macht sich eher Sorgen darüber, wie voll sein Teller beim Essen ist. Wo wir davon sprechen: Du siehst aus, als könntest du dringend etwas vertragen.« Damit griff er nach Allisers Mantel.

Widerspruch war ungeduldet. Seufzend wandte sich Thrassk vom Fenster ab. Er leerte den letzten Wein aus dem Kelch und trat mit dem anderen hinaus auf den Flur. Den Hunger hatte er bis jetzt ignoriert. Nun da Dumat so offen davon sprach, machte sich das Magengrummeln bemerkbar. Sie erreichten den Thronsaal. Das Mittagessen war bereits lange vorüber, aber die Diener des Königs stellten immer zwischendurch Speisen auf den Tischen ab. Zielstrebig lief Thrassk auf ein Tablett mit Trauben zu. Er schob sich ein paar davon in den Mund, ehe er den Blick entlang der Sitzreihen

schweifen ließ. Carus Darmand saß am Ende einer der Tafeln. Er döste. Sein Schnarchen dröhnte durch den Saal. Dienerinnen tuschelten miteinander. Sie kicherten über den alten Mann. Die drei Throne lagen verwaist vor ihnen. In letzter Zeit war Detharion kaum anwesend. Er hatte viel zu tun. Meistens sah man ihn abends mit Varon Xavelle, dem Berater des niatischen Prinzen, wie sie angeregt diskutierten. Alliser vermutete, dass er am Tag schlief. Müde nahm er auf einem der Stühle Platz und griff sogleich nach der Weinkanne. Dumat beäugte ihn lächelnd. »Ist das wirklich die richtige Tageszeit, um sich zu

betrinken?« »Für so etwas braucht es keine angemessene Uhrzeit. Das werdet ihr irgendwann auch noch feststellen, ehrenwerter Freund. Das ist meine Art von Zerstreuung, die ich mir verschaffe. Sie ist angenehmer, wie die eigene zur Schau Stellung auf einem Wettbewerb. Wie du also siehst, ist die Teilnahme daran keinesfalls erforderlich.« Vaheran nickte. Er gab sich geschlagen. Er konnte Thrassk nicht überzeugen. Dafür war er einfach zu stur. Wenigstens hatte er das Arbeitszimmer verlassen. Ein kleiner Fortschritt. In den vergangenen Tagen arbeitete der

Grünhaarige bis in die Nacht. Das wusste der Hüne, da sein Quartier direkt nebenan lag. Oft ging Alliser in den frühen Morgenstunden nach Hause, wenn er nicht in der Feste übernachtete. Immerhin gönnte er seinem Körper eine Pause von der Arbeit. »Außerdem könntest du dann nicht an der Weintafel sitzen.« »Durchaus. Wie du bemerkst, gibt es keinerlei Vorteile für mich. Genug jetzt davon. Das langweilt mich. Es ist nicht deine Art, Interesse an solchen Dingen zu zeigen.« Die Traubenschale war geleert. Ebenso wie zwei weitere Kelche des Weins, wobei der darkonische besser mundete.

Er war süß. Der Tropfen aus Ebris, den der König bevorzugte, war deutlich herber. »Werter Herr? Wünscht ihr noch etwas zu essen?« Er wandte die Aufmerksamkeit zu der elfischen Dienerin, die auf die beiden zukam. Sie war hübsch. Ihre Figur ebenmäßig. Das grüne Haar strahlte förmlich im Licht der Kronleuchter. Er schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf das Gefäß in seiner Hand, ehe er es ihr reichte. »Ihr dürft mir nachschenken. Setzt euch. Trinkt mit uns.« Die junge Frau wirkte ein wenig unsicher

darüber. »Es ist Mythandriel untersagt Herr. Die Prinzessin sieht es ungern.« Der 30-Jährige beugte sich nach vorne, um den Raum zu inspizieren. Dann ließ er sich wieder gegen die Lehne sinken. »Die Prinzessin ist abwesend. Demnach stet dem nichts im Wege. Seht es als Auszeit an, oder muss ich es euch als Hauptmann befehlen?« Sie verneinte. Dumat seufzte. Sein Freund war betrunken. Die Elfe ließ sich zögerlich neben den beiden nieder. Sie griff nach der Kanne, doch Alliser übernahm die Aufgabe des Eingießens. Misstrauisch begutachtete die Dienerin den Kelch in ihrer Hand, ehe sie einen

Schluck daraus nahm und zu husten begann. »Es schmeckt bitter Herr.« »Wie wahr. Der ebresische Wein ist kein Gaumenkitzler. Ich habe einen guten horasischen in meinem Quartier.« »Soll Mythandriel ihn holen Herr?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr könnt mich dorthin begleiten.« »Das ist unangebracht Ser. Mythandriel hat Arbeit zu verrichten.« »Ihr könntet mein Arbeitszimmer aufräumen. Beruhigt das euer Gewissen?« Sie schien einen Augenblick darüber nachzudenken und wandte den Blick zu den anderen Dienern im Saal. Dumat

konnte ihr ansehen, dass sie verunsichert war. Thrassk übte sich nicht gerade in Zurückhaltung. Eigentlich verlangte der Anstand etwas dagegen zu sagen, aber er hatte es aufgegeben, seinen Freund moralisch zu kritisieren. Es machte wenig Sinn. So sah er einfach nur zu und trank Wasser aus einem Becher. Den Wein ließ er weg. Die Kelche in Thrassk Arbeitszimmer hatten ihn träge genug gemacht. »Nein Ser. Das wird gehen. Mythandriel kümmert sich um das Zimmer des Herrn.« »Gut. Nur den Wein darf Mythandriel dabei nicht vergessen. Dumat? Wir sehen

uns dann später.« Der Rückweg dauerte nicht halb so lang. Er hielt die Dienerin bei der Hand und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Die Kerzen waren beinahe heruntergebrannt. Eine kühle Brise empfing die beiden. Der Hauptmann schritt direkt zum Tisch und goss den Wein ein. Mythandriel richtete mit schnellen Fingern das Bett in der Ecke her, welches vollkommen zerwühlt war. Dann wandte sie die Aufmerksamkeit dem Schreibtisch zu. Ehe sie allerdings soweit kam, fasste er sie am Handgelenk und zog sie auf den Stuhl. Umsichtig schob er den Kelch zu ihr

herüber. »Trinkt. Ihr werdet sehen: Er ist weitaus lieblicher auf der Zunge.« Zögernd nickte sie und nahm das Getränk bei den Händen. Sie wirkte unschuldig. Sie erinnerte ihn an Fareena mit ihrer schüchternen Art. Jedoch war sie älter als die 13-Jährige. Reifer. Sie führte den Kelch zu den Lippen und nahm einen kleinen Schluck daraus. »Es ist wirklich besser Herr.« Alliser lächelte. »Das sagte ich ja. Trinkt. Ziert euch nicht.« Und sie trank. Innerhalb weniger Züge war der Wein geleert. Sogleich schenkte er nach. Das hier war angenehmer, als

über irgendwelchen Unterlagen zu brüten. Das war seine Art, die Dinge entspannter anzugehen. »Wo kommt ihr her, Mythandriel?« Die Elfe nippte an dem Kelch und starrte auf den Tisch vor sich. Die wagte es nicht einmal, ihn direkt anzusehen. »Mythandriel stammt aus dem Norden Ser. Bélas ist ihre Heimat. Als kleines Kind gab es die Gelegenheit für die Familie des Königs zu arbeiten. Seitdem ist Mythandriel in der Hauptstadt und dient Lady Laneema.« Er nickte nur. Mit seiner Hand fuhr er über den Arm. »Euer Kleid ist

schön.« »Die Herrin verlangt immer, dass Mythandriel hübsch aussieht.« Er setzte den Kelch ab. Laneema hatte seltsame Anforderungen, was die Diener betraf. Mythandriel sah aus wie eine zurechtgemachte Puppe. Welchen Sinn das wirklich hatte, war ihm schleierhaft. Wahrscheinlich wollte die Prinzessin damit nur deutlich machen, dass die Elfe ihr Besitz war. Ein wenig grotesk, wie er zugeben musste. Innerlich wirkte sie wie ein Kind im Körper einer erwachsenen Frau. Ein absurdes Bild. Thrassk gähnte. Der Raum drehte sich leicht. »Leben eure Verwandten in der

Stadt?« Sie schüttelte den Kopf. »Mythandriels Familie ist in der Heimat. Sie sind stolz darauf, dass ihre Tochter der Prinzessin dient. Es ist eine Ehre Ser.« »Habt ihr jemals daran gedacht, frei zu sein?« Sie sah ihn perplex an. »Wie meint ihr das?« »So wie ich es sage. Euer eigenes Leben. Ihr müsstet niemandem mehr außer euch selbst dienen. Keine Verpflichtungen. Man würde euch nicht wie ein Werkzeug behandeln.« »Mythandriel ist kein Werkzeug Ser. Die Herrin ist Mythandriels

Freundin.« Sie begann nun damit den Tisch aufzuräumen. Nachdenklich betrachtete er sie. Es klang so wahr aus ihrem Mund. Sie war davon überzeugt. Allerdings war sie in den Augen der anderen nichts weiter als eine Dienerin. Ein Mittel zum Zweck, wenn man so wollte. Die Leute sah ihresgleichen nicht als gleichgesinnte. Man stellte Sklaven nicht auf gleicher Stufe mit dem Adel. Er fragte sich, ob die Elfe das wusste, oder diesen Umstand einfach nur ignorierte. So nahm er einen weiteren Schluck Wein zu sich. Die Dienerin faltete das Pergament ordentlich und legte es in eines der

Regale. »Mythandriel ist fertig. Möchte der Herr noch ein wenig Wein mit ihr trinken?« »Mythandriel ist fertig. Möchte der Herr noch ein wenig Wein mit ihr trinken?« Er überlegte und reichte ihr den Kelch. Stumm ließ sie sich neben ihm nieder. »Hat der Herr Familie?« Thrassk hielt inne und starrte auf das Holz des Tisches vor sich. »Hat Mythandriel etwas Falsches gesagt?« »Nein. Keine Sorge. Ich habe keine Familie. Ich bin der Hauptmann der Armee. Dafür bleibt mir keine Zeit. Ich muss mich um andere Dinge kümmern wisst ihr? Neue Rekruten ausbilden die

unser Land schützen. Ich muss die Sicherheit der Stadt gewährleisten.« Nachdenklich wiegte er den Kelch in seinen Händen hin und her. Die Frage hatte ihn überrascht. »Familie ist wichtig. Das hat Mythandriels Vater immer gesagt. Sie geben halt und behüten. Auf so das sollte der Herr nicht verzichten. Auch wenn er eine Bürde trägt. Jene die am Nächsten stehen sind wichtig. Man braucht sie. Niemand sollte nur für sich sein.« »Sehe ich allein aus?« Sie trank vorsichtig und nickte dann. »Mythandriel sieht den Herrn oft alleine. Er wirkt sehr einsam. Manchmal traurig.

Genau wie jetzt. Der Herr wirkt bedrückt.« Er lächelte. »Ihr seid eine aufmerksame Beobachterin. Ich bin nicht allein. Ich besitze Freunde. Ihr seid bei mir. Ich umgebe mich mit guter Gesellschaft.« »Der Herr muss Mythandriel nicht anlügen. Sie versteht es sehr gut, warum manche Menschen Kummer leiden. Besonders die reichen. Die sind eigentlich die, die immer alleine sind, Sie füllen ihre Taschen mit Gold und Juwelen. Sie hoffen, das Loch in ihrem Herzen zu stopfen. Sie schaffen es nie. Sie lügen, um es für sich besser zu

machen.« Sie nahm ihn bei der Hand und sah ihn mitfühlend an. Sie war eine zarte Seele. Das konnte er sofort erkennen. Eine Weile lang sah er nur in ihre grünen Augen. Schien sich beinahe gänzlich darin zu verlieren, ehe sie näher an ihn heran rutschte. »Wenn der Herr es wünscht, kann Mythandriel ihm Trost spenden.« Ein Lächeln wanderte auf seine Lippen. Den Wein stellte er auf dem Tisch ab und stand auf. Er reichte der Elfe die Hand und zog sie zu sich. Behutsam legte er ihr beide Hände auf die Schulter und betrachtete sie. Langsam nährte sie sich seinem Gesicht. Er konnte ihren

warmen Atem auf den Wangen spüren. Ihre Hand fuhr seine Brust entlang und ruhte dort, wo sein Herz schlug. Sie war nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt. Ihr warmer Körper schmiegte sich an seinen und ehe sie sich versah, umarmte er sie einfach. »Danke. Ihr habt mir schon geholfen. Ihr dürft gehen wenn ihr möchtet.« Sie wirkte verunsichert. »Hat Mythandriel etwas falsches gesagt?« »Nein. Alles ist gut. Ich muss nur ein wenig nachdenken.« Damit schickte er sie fort und blieb alleine in seinem Arbeitszimmer zurück. Resümierte die letzten Minuten in seinem

Kopf. Dann schritt er zum Schrank und holte eine leere Rolle Pergament hervor. Die Feder war schnell in der Tinte befeuchtet und tänzelte über das Papier. ›Es ist überraschend, wie sehr einen kleine Gesten oder Worte nachdenklich stimmen können. Wir sind oft viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt, um das zu sehen. Wir sind oft zu egoistisch und-‹ Es klopfte. Alliser saß erneut über einem ruinierten Schriftstück. Die Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich. Zaghaft blickte Fareena durch die Tür. In der Hand hielt sie eine Violine. Er ließ die Weinkanne unter dem Tisch verschwinden und wies sie an

hereinzukommen. »Ich hoffe. Ich komme nicht ungelegen.« »Nein.« Damit schritt er zu einer Truhe an der Wand und holte sein eigenes Instrument hervor. Bedächtig legte er sie an den Hals an. Die 13-Jährige tat es ihm gleich. »Also. Wir haben das letzte mal den Takt geübt. Du hattest so deine Schwierigkeiten. Ich kann mich eigentlich nur wiederholen: Ein ruhiges und sanftes Spiel ist alle Male wertvoller als eine stürmische Ballade.« Und damit spielten sie. Alliser schloss die Augen und ließ sich von der Melodie tragen. Solche Augenblicke waren

wichtig. Nicht die Arbeit, oder das ganze damit verbundene Leben. Ab und an verlangte es auch an etwas Zeit für die eigenen Vorlieben. Genau wie Mythandriel es sagte. Es war nicht immer leicht und wenn er ehrlich war, musste er noch eine Menge lernen, was das anging. Heute allerdings hatte er das Gefühl, wieder einen Schritt in die richtige Richtung gemacht zu haben.

Was war und was ist

Dorf Faron - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 14. Stunde »Elias. Tu das nicht!« Er schreckte aus dem Schlaf hoch. Schweißgebadet. Der Atem ging flach. Irritiert sah sich der Knabe um. Die gewohnten Holzwände seines zu Hauses begrüßten ihn. Eine Kerze brannte am Nachttisch. Die Decke bis zum Hals nach oben gezogen, zog er sie fort, um frische Luft an die Haut zu lassen. Er brauchte einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. Draußen war es hell. Mittags vielleicht. Wenige Sekunden

später eilte bereits Adane herbei. Sorgevoll rutschte sie an die Seite ihres Sohnes. »Bei der Göttin! Endlich bist du wach!« Sie umschlang ihn in einer stürmischen Umarmung. Die Tränenflut brach aus ihr heraus. Der Junge war viel zu überrascht, um zu reagieren. Im Kopf drehten die Gedanken. Es war, als seien sie aus den Verankerungen gerissen. Wie war er überhaupt hierher gelangt? Stumm starrte er auf die gegenüberliegende Wand. Sein Schädel dröhnte. »Mutter«, brachte er krächzend hervor. Der Hals lag trocken. Sie gab ihm einen Becher Wasser, den er in einem Zug

leerte. »Was ist geschehen?« Adanes Blick hing voller Sorge. Die Tränen liefen ungehindert die Wangen der Frau hinab. Mit einem Lappen, der in einer Schüssel neben dem Bett lag, wischte sie ihm über die Stirn. »Wir fanden dich im Wald. Zwei Tage warst du reglos. Ich dachte, du stirbst!« Perplex sah er sie an. Langsam krochen die Erinnerungen in ihm hoch. Die Lichtung. Er war dort gewesen. Allerdings war er nicht mehr sicher, warum es so war. Alles wirkte schemenhaft im Kopf des Knaben. Verwundert sah er sich um. »Wo ist Freia

Mama?« Sollte sie nicht eigentlich auch hier bei ihm sein? Er hatte damit gerechnet, sie an seinem Bett vorzufinden. Von dem lebhaften Mädchen war keine Spur. Das verwunderte ihn. Adane sah ihn mit diesem seltsamen Ausdruck an. Er merkte, wie Unbehagen in ihm aufkeimte. Vorsichtig ergriff sie ihren Sohn bei der Hand. »Elias. Freia ist verschwunden. Sie wird vermisst. Wir fanden nur dich auf der Lichtung.« Fassungslos starrte er sie an. »Was? Sie ist weg?« Langsam nahmen die Bilder klare Form an. Etwas tauchte vor seinem geistigen

Auge auf. Mückie war schreiend in den Wald gerannt. Noch nie zuvor hatte er Sie so hilflos gesehen, wie in jenem Augenblick. Da war mehr. Harvin. Im Gedanken daran musste er sich übergeben. Sofort war Adane aufgeschreckt. Behutsam legte sie ihm einen Arm um die Schulter. »Ist schon in Ordnung mein Junge. Ich bin hier. Komm zur Ruhe.« Das war unmöglich. Zu sehr drangen diese Erinnerungen auf ihn ein. Er war ihr nachgelaufen. Immer wieder hatte er sie beim Namen gerufen. Sie hatte einfach nicht geantwortet. Er wusste, dass er sie eingeholt hatte. Er konnte bis zu dem Moment genau sagen, was

passiert war. Aber danach war es dunkel. Alles wirkte so schwammig. Es schien in entfernter Distanz auf ihn einwirken. »Harvin. Er ist tot.« Die simple Feststellung der Tatsache sorgte für Schweigen. Sie mied seinen Blick. Trauer wanderte in ihre Züge. Erneut brach die Maske. Glitzernd liefen die Perlen an den Wangen hinab. Das bedurfte keiner Worte mehr. Boros hatte ihn getötet. Sie sahen es mit eigenen Augen. Er wollte Seristan beschützen und bezahlte den Preis dafür. Niemand von den Anderen war für ihn eingetreten. Sie ließen ihn sterben. Er stand auf. Schwindel überkam ihn. »Wo willst du

hin?« Er zog sich etwas über. Elias eilte hinaus, wo ihn die strahlende Mittagssonne empfing. Er konnte jetzt nicht hier bleiben. Mit hastigen Schritten stürzte er durch das Gestrüpp nahe dem Wald. Die Rufe der Mutter blieben unbeantwortet. Bereits nach wenigen Sekunden spürte er die Kraftlosigkeit im Körper. Er zwang sich weiter voran durch das Unterholz. Wieder tauchten die Bilder auf. Er war hier entlang gekommen. Eine Stimme bohrte sich in seinen Kopf. »Bleib stehen Junge! Ich will nur deine kleine Freundin! Du hast damit, nichts

zu tun.« Er konnte den Leibwächter des Bürgermeisters beinahe vor sich sehen. Dieser furchteinflößende Hüne. Er war den beiden in den Wald gefolgt. Der Knabe lief weiter. Er war unsicher darüber, wohin ihn der Weg führte, aber seine Füße schienen genau zu wissen, in welche Richtung sie gehen wollten. »Mach es nicht unnötig kompliziert! S ie wird überhaupt nichts spüren!« Die Erinnerungen donnerten wie Blitze auf ihn ein. Es war unmöglich sich dagegen zu wehren. Es war, als würde er alles noch einmal erleben. Er erreichte die Lichtung. Die einzige Hoffnung etwas zu finden schwand. Nur

was vor dem Vasallen Darons übrig war. Mehr fand er nicht. Der Magen drehte sich ihm um. Andere, düstere Worte dröhnten in ihm. „Sahaquiel! Darga et thrâs!“ Diese fremde unbekannte Stimme. Er kannte sie. Während des Schlafes vernahm er sie beinahe jede Sekunde. Unklar und verschwommen summte sie in seinen Ohren. Der Blick auf den Teich war klar. Das letzte Mal, hatte der Nebel jegliche Sicht genommen. Er sackte zusammen. Die Augen glitten über den Laubboden vor ihm. Sie war wirklich fort. Warum? Wieso war sie gegangen? Dann wurde es ihm wieder bewusst. Er war dafür verantwortlich.

Im Dorf hätte Freia nicht bleiben können. Zu viel war geschehen. Daron kannte kein Mitleid. Er wäre mit ihr genauso verfahren, wie mit Harvin. Kälte kroch seine Beine empor. Der Wind fegte ein paar Blätter durch die Luft. Es war komplett still. Nicht die kleinste Zikade. Kein Vogel war zu hören. Schritte auf dem Waldboden. Ein düster Schatten, der sich über ihm senkte. »Dich verbinden wertvolle Erinnerungen mit diesem Ort. Gute und schlechte. Ich habe sie alle in deinem Innern gesehen. Der Platz ist eine Zuflucht für dich. Das war er auch für sie.« Er sah sie nicht an. Sein Blick war

weiterhin auf den Boden vor ihm gerichtet. »Wo ist sie?« »In Sicherheit. Das versprach ich dir doch. Sie befindet sich an einem Ort, weit entfernt von diesem. Ihr Leben wird nun eine andere Richtung einschlagen als deine.« Ihre Stimme klang kalt. Als würde es sie gar nicht kümmern. »Bring mich zu ihr!« Ein eisiges Lachen flötete ihm ins Ohr. Er kannte es noch zu gut. »Das ist wohl kaum möglich. Wir haben eine Abmachung, schon vergessen? Meine Aufgabe war es für das Wohlergehen des Mädchens zu sorgen.

Das tat ich. Dir ist doch bewusst, dass dein Weg und ihrer einander nie mehr kreuzen werden.« Er fühlte sich, als entglitt ihm der Boden unter den Füßen. So wie sie sprach, wusste er, dass sie die Wahrheit sagte. Er würde Freia niemals wieder sehen. Er hatte einen Vertrag mit dieser Frau geschlossen, von dem er unschlüssig darüber war, was er eigentlich beinhaltete. »Nie?« »Nie. Dein Weg ist jetzt ein anderer mein Freund. In jenem Augenblick hast du selbst die Zukunft für dich geschrieben. Sieh es positiv. Du wirst

eine Menge lernen. Irgendwann wirst du an der Spitze stehen und das Gefüge bestimmen. Das ist dein Schicksal.« »Mein Schicksal? Wie soll ich das positiv sehen? Freia ist weg und das für immer.« Noch immer ruhte ihre Hand auf seiner Schulter. »Ich weiß. Dieser Verlust sitzt tief. Du kommst darüber weg. Vor allem, da dein Leben nun eine vollkommen neue Richtung einschlagen wird.« Er hob den Kopf. »Was meinst du damit?« Sie lachte. »Das wirst du noch früh genug herausfinden. Es wäre ziemlich

langweilig, würde ich dir jetzt schon die Pointe verraten. So ist es doch weitaus interessanter. Außerdem erklärte ich ja, ich benötige dich erst in baldiger Zukunft. Bis dahin hast du allerdings genügend Zeit zu wachsen und zu gedeihen. Erinnerst du dich daran, was ich zu dir sagte?« »Ich bin nicht sicher. Alles ist so verworren.« Er erhob sich langsam vom Boden und wandte sich zu ihr um. Nun allerdings waren die dämonischen Flügel, die er beim ersten Treffen sah verschwunden. Das Haar war vollkommen anders. Die Farbe war dasselbe blau, nur waren sie länger und zu Zöpfen verflochten. Sie

wirkte wie ein normaler Mensch. Die Augen jedoch stets gelb leuchtend. »Du hast noch viel zu lernen. Kleiner Elias. Ich sagte doch, dir werden besondere Fähigkeiten zu Teil. Ein Stück von mir, ist nun in deinem Innern. Lerne dies zu nutzen. Es wird dir Vorteile bringen. Glaube mir.« Der Blick war absolut düster. Etwas so Niederes lag in ihrem Ausdruck. Elias war gar nicht fähig, das zu beschreiben. Er wankte. War kaum in der Lage sich auf den Beinen zu halten. Dennoch konnte er spüren, dass es ihm langsam besser ging. »Nein.« Sie sah ihn überrascht

an. »Nein?« Er versuchte stark zu wirken. Allerdings hielt das nicht lange. Er hatte keinerlei Ahnung davon, was sie wirklich war. Nur trübe erinnerte sich der Knabe daran, wie sie dieses seltsame Wesen auf Boros losließ. Wer wusste schon, welch finstere Mächte sie noch beherrschte? Der Junge bemühte sich um Fassung. »Du hast mein Leben zerstört!«, presste er hervor. »Freia ist fort. Nichts ist mehr so wie vorher. Und wer weiß schon, was für ein Monster du aus mir gemacht hast?« Wie von unsichtbarer Hand gepackt, flog

er durch die Luft. Er schlug hart am nächsten Baum auf. Der Schmerz durchzuckte seine Glieder. Ächzend kauerte er auf dem Boden, während die junge Frau auf ihn zutrat. »Du solltest ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen. Ohne mich, wären du und deine Freundin mit aller Wahrscheinlichkeit tot. Ich rettete euch und das nur aus allergrößter Herzensgüte. Gib Mir nicht die Schuld an dem, was passiert ist. Das ist so typisch für euch Menschen. Immer sucht ihr die Fehler bei anderen um es für euch selbst einfacher zu machen. Ihr meidet den Blick in den Spiegel, weil ihr denkt, es wäre leichter. Ihr widert mich an mit eurer Arroganz.

Und du? Du hast dein Leben ganz allein zerstört. Du warst bereit den Pakt abzuschließen. Ich habe nur meinen Teil erfüllt. Halte dir das im Hinterkopf, Elias.« Sie beugte sich zu ihm herab. Noch nie hatte ihn so jemand angesehen. Voller Abscheu. Nicht einmal Daron. »Woher kennst du meinen Namen?« Sie grinste süffisant. »Nun. Wie ich schon sagte. Ein Teil von mir ist jetzt auch ein Teil von dir. Ich kenne die tiefsten Wünsche und Ängste deines Geistes. Das innerste Verlangen deines Herzens liegt offen vor mir ausgebreitet. Du dienst mir und ich werde dir den Weg weisen. Du wirst

keinerlei Geheimnisse mehr haben. Was dir gehört, gehört auch mir.« Sein Herz raste vor Angst. Je länger er mit ihr zusammen hier war, desto eher wollte er weg von diesem Ort. »Was bist du eigentlich?« Wieder schallte das kalte Lachen über die Lichtung. Sie wuschelte ihm mit der Hand durch den Kopf. »Mein kleiner Freund. Ihr Menschen versucht immer, eine Begründung zu finden. Du musst lernen, dass man manche Dinge mit Logik nicht erklären kann. Sie sind einfach. Unantastbar in ihrer Endgültigkeit. Sowie auch ich. Du darfst mich Illyriel nennen, auch wenn ich den Sinn dahinter nicht erkenne.

Deinesgleichen braucht immer Namen um einander zu betiteln.« Er ging einen Schritt auf sie zu. »So lernt man sich kennen. Daraus schließt man Freundschaft.« »Freundschaft?« Sie kicherte. »Sinnlos. Ihr kennt keine richtige Freundschaft. Egal wie sehr ihr euch es gegenseitig vorheuchelt. Ihr denkt im Innern nur an euch selbst. Genau wie Du. Nehmen wir zum Beispiel dieses Mädchen. Freia? Du mochtest sie. Mehr sogar noch.« Er errötete. »Das kannst du nicht wissen.« »Und ob. Wie ich schon sagte. Ich bin

jetzt ein Teil von dir. Ich weiß alles über dich. Du kannst nichts vor mir verbergen, egal wie sehr du es versuchst.« Ihre Gestalt veränderte sich mit einem Mal vollständig. Das blaue Haar färbte sich urplötzlich in ein helles Blond. Der Knabe erstarrte, als seine beste Freundin vor ihm stand. Lächelnd. »Deine Gefühle kannst du nicht leugnen. Du hast dir immer mehr gewünscht als das was war. Du warst wütend, weil sie es nie gesehen hat.« »Das ist nicht wahr!« »Oh doch. Du willst es nur nicht zugeben. Oberflächlich mochtest du immer mit ihr gelacht und gescherzt

haben. Im Innern hast du geschrien und dich gefragt, wann sie es endlich merkt.« Mit einem Schritt stand sie vor ihm, küsste ihn auf die Lippen. Er wich einen Schritt zurück. »Und als sie das tat. Das war der schönste, aber zugleich auch der schlimmste Augenblick für dich.« Zorn quoll in ihm auf. Er ballte die Hand zur Faust. »Hör auf damit! Hör auf so auszusehen wie sie! Dazu hast du gar kein Recht! Du weißt gar nichts.« Er zitterte regelrecht. Eine Mischung aus Wut und Trauer breitete sich in seinem Herzen aus. Illyriel spielte mit

ihm. Es war ihr doch sicherlich egal, wie er sich im Augenblick fühlte, oder was er dachte. Er hatte seine beste Freundin verloren und ihr fiel nichts besseres ein als Witze darüber zu reißen. Natürlich hatte ihre Tat folgen. Unweigerlich musste er daran denken, wie er vor einigen Tagen mit Freia unbeschwert auf dieser Lichtung stand. Ihren ersten Kuss hatte sie ihm geschenkt. Er würde niemals den Grund erfahren. Alles war auf einmal anders. Er fühlte sich verloren. Nichts blieb ihm, bis auf die Frau, Illyriel. Sie nahm wieder ihre alte Gestalt an. Das

blauhaarige Mädchen stand vor ihm und sah ihn mit diesen unschuldigen Augen an. »Mach dir nichts draus. Eigentlich solltest du mir dankbar dafür sein, dass sich die Dinge so entwickelt haben. Ansonsten wäre dein Leben genau so langweilig verlaufen, wie das der übrigen Dörfler. Wer weiß das schon? Vielleicht wäre aus eurer Bindung etwas tieferes entstanden. Womöglich hättet ihr ein paar Kinder, die dämlich lachend über die Wiese hüpfen. Ist das deine Idee von einer Zukunft?« »Für mich schon.« Illyriel fuhr sich mit der Hand durch die langen Haare und senkte den Blick.

Daraufhin lehnte sie sich gegen einen der Bäume und musterte ihn. »Niedlich. Da mag wohl jemand die Vorstellung von einem Happy End. Du solltest aus diesem Traum aufwachen Junge. Die Welt ist nicht so nett und lieblich, wie du denkst. Genauso wenig wie die Leute, mit denen du dich umgibst, aber das versuchte ich dir ja bereits zu erklären. Noch früh genug wirst du das für dich selbst herausfinden. Mich interessiert viel mehr, was Du nun vorhast.« »Wieso?« »Nun. Glaubst du nicht, dass es für die anderen sonderbar ist, dass du als Einziger aus dem Wald zurückgekehrt

bist?« Er sah sie an. »Was meinst du damit?« Illyriel seufzte. »Du bist wirklich keine helle Leuchte, oder? Versetze dich in ihre Lage. Ein Junge, beinahe noch ein Kind überlebt als einziger eine Situation im Wald. Dieser Kerl, was war er? Ein Soldat? Schon seltsam, dass er die einzige Leiche hier ist. Genau das werden sich die Menschen fragen. Und deine Freundin? Die bleibt verschwunden. Skepsis kann gefährlich sein. Misstrauen umso mehr.« Der Junge setzte sich auf den Boden und legte die Hände in den Schoß.

Fragend sah er die Blauhaarige an. Wollte sie ihm Angst machen? Allerdings hatte sie auch Recht. Die Situation mochte für die Leute im Dorf sonderbar wirken. Er hatte sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie er es erklären sollte, dass er der Einzige war, der zurückkehrte. Jedoch wollte er nichts schlechtes denken. »Sie werden es verstehen.« »Oh, wirklich? Was willst du ihnen sagen? ›Ein Cerberus hat Boros aufgefressen und Freia wurde von einer Waldhexe in eine andere Dimension gezaubert?‹ Du hast Recht! Das klingt vollkommen plausibel. Wieso gehst du nicht direkt

zum Bürgermeister und erklärst ihm das? Er scheint ja ein sehr netter Mann zu sein. Ich bin mir sicher, dass du mit ihm reden kannst.« Sie lachte ihn aus, als wäre er irgendein dummer Spund. »Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« »Belüge sie. Das könnt ihr Menschen am besten. Außerdem spielt das keine Rolle. Du kannst nicht weiter machen wie bisher. Was hält dich noch hier? War es nicht dein Traum in die Welt hinaus zu ziehen? Jetzt hättest du die Chance.« Er schüttelte den Kopf. »Klar. Ich gehe einfach, und lasse Mutter und meine Freunde

zurück.« Der Gedanke war absurd. Er hatte schon Freia verloren. Seine Familie würde er wohl kaum aufgeben. Illyriel kniete vor ihm und sah ihn an. Etwas seltsames lag im Ausdruck des Mädchens. Dieses falsche Lächeln jagte ihm einen Schauer über den Rücken. »Du hast hier keine Freunde mehr.« »Doch!« Sie schmunzelte. »Meinst du etwa das bald von Daron? Wie hieß sie noch? Jelena. Genau! Lustig. Glaubst du wirklich, eine Unterhaltung im Mondschein macht euch zu Freunden? Du bist naiv.« Und einmal mehr schockte es ihn, wie

viel sie eigentlich wusste. Sie hatte Recht. Er würde wohl überhaupt nichts vor ihr verstecken können. Er fühlte sich hilflos. Sie nahm ihn bei der Hand. »Eigentlich solltest du sie hassen. Immerhin war es ihr Vater, der ursprünglich für deine Misere verantwortlich ist. Es ist sowieso lächerlich, wie ihr alle vor ihm im Dreck kriecht. Vor allem jetzt, wo sein Schoßhund fort ist, stellt er doch keine Bedrohung mehr für euch dar. Ihr könntet ihn stürzen. Frei sein. Ist es nicht das, was ihr Menschen tut? Oder toleriert ihr Neurdings die Herrschaft von

Tyrannen?« »Das ist nicht so einfach. Wir können nichts gegen Daron machen. Er wurde vom König eingesetzt. Was er sagt, ist Gesetz.« Sie musste lachen. »Ach. Ihr hört wirklich auf einen König, der eine halbe Welt entfernt in seinem Thronsaal sitzt? Wahrscheinlich weiß noch nicht einmal, dass du oder die Anderen existieren. Ich glaube, nichts könnte ihm gleichgültiger sein. Außerdem würde er den Bürgermeister ersetzen. So ist das doch. Wenn eine Schachfigur geschlagen wird, nimmt eine andere ihren Platz ein. Daron ist nur ein kleines Rad im Getriebe, aber ihr

seht ihn als das größte Übel an. Dabei sind es jene, die hinter ihm stehen. Sie sind diejenigen, die gegen seine Taten einschreiten müssten und dennoch sehen sie zu, wie ihr leidet. Ist das etwas, was du als Fairness bezeichnest? Diese Adeligen sitzen in ihren Hallen aus Stein und führen ihr dekadentes Dasein. Sie sind blind für das Leid der Anderen. Könige sind bei weitem nicht so edel, wie sie sein wollen. Glaub mir.« »Und trotzdem kann ich dagegen nichts machen.« »Nein. Du willst nichts dagegen machen. Das ist der kleine Unterschied. Du akzeptierst es einfach. Genau wie du versuchst, die neue Situation einfach zu

akzeptieren. Dabei solltest du deinen Nutzen daraus ziehen. Die Welt steht dir offen. Außerdem: Deine Mutter müsste sich glücklich schätzen, wenn du fort wärst. Sie hätte ein Maul weniger zu stopfen.« Er holte zum Schlag aus, fand sich jedoch schnell im nächsten Baum wieder. Der Schmerz begrüßte ihn. Er war mit dem Kopf aufgeschlagen. Sein Schädel dröhnte. Ächzend rappelte er sich auf und musterte Illyriel, die grinsend auf ihn zukam. Mit einem Fingerstrich wischte sie ihm das Blut aus dem Mundwinkel. »Du kannst ja richtig niedlich sein, wenn du wütend bist, Junge. Nun denn.

Glaubst du, du hättest eine Wahl? Ich gebiete über dich, schon vergessen? Wenn ich will, dass du dieses Kaff verlässt, dann wirst du es tun. Ich wollte lediglich so nett sein und dich in dem Glauben lassen, dass du eine Wahl hättest.« »Sehr nett«, presste er sarkastisch hervor und hielt sich die Rippen. Der Schmerz blieb allerdings nicht lange, sondern war schon bald wieder abgeklungen. Seine Mutter würde sich schon genug darüber wundern, woher er die Schürfwunden und Prellungen hatte. Da musste er sich nicht halbtot über die Türschwelle schleppen. Er lehnte mit dem Rücken gegen den Stamm des

Baumes und starrte einen Augenblick ins Leere. »Hab ich wirklich keine Wahl?« »Nein. Unter anderen Umständen vielleicht, aber schon bald, wird sich eine Gelegenheit für dich ergeben.« Fragend sah er sie an. »Was meinst du damit schon wieder?« Sie grinste. »Sagen wir einfach, es ist eine Gelegenheit für dich, deine Kräfte zu entdecken.« Sie schien nie wirklich sagen zu wollen, was eigentlich vor sich ging. Sie führte ihn an der Nase herum. Solche Leute mochte er nicht. »Was für Kräfte meinst du? Du hast mir

noch überhaupt nichts gesagt. Was hast du mit mir gemacht?« Eine ihrer zierlichen Hände wanderte auf seine Schulter. »Etwas gutes. Sei nicht so neugierig. Du wirst es noch früh genug herausfinden. Es wäre langweilig, wenn ich dir jetzt schon das Ende verraten würde. So ist es amüsanter.« »Ich bin nicht deine Ratte in ihrem kleinen Labyrinth.« »Doooch. Genau das bist du. Du läufst in die Richtung, die ich für dich angebe.« Elias knirschte mit den Zähnen. »Dein Sklave?« »Hahaha. Der war gut, aber nein. Ein

Sklave hat keinerlei Kontrolle über sein Leben.« »Ist es nicht dann genau das, was ich bin?« Sie schüttelte den Kopf. »Du besitzt gewisse Freiheiten. Ich sagte nur, dass du mir dienst. Nicht dass ich dein komplettes Leben bestimme. Es ist mir egal, was du tust. Mit wem du dich umgibst. Alles deine Entscheidung. Du musst nur damit rechnen, dass ich nicht tolerieren werde, wenn du versuchst, mich zu hintergehen. Ansonsten, kann ich deine beste Freundin sein. Das wolltest du oder? Dass wir Freundschaft schließen.« »Ich weiß überhaupt nicht, was ich noch

will. Mein ganzes Leben ist ein Chaos. Das einzige was du machst, ist dich über mich lustig machen.« Sie streichelte ihm über die Wange. »Aber aber. Warum denn so ernst? Das steht dir überhaupt nicht, du kleiner Brummbär. Wenn du dich nur damit beschäftigst zu sehen, was hinter dir liegt, wirst du niemals in der Lage sein, was eigentlich noch vor dir liegt. Vergiss war war, auch wenn es schwer ist. Glaube mir. Damit bist du besser dran.« »Wenn du das sagst.« Er rappelte sich auf und ging ein paar Schritte. Sie folgte ihm. »Du bist wirklich kein einfacher Fall

Junge. Ständig beklagst du dich. Du bist viel zu sehr damit beschäftigt, was war. In der Vergangenheit zu leben, hat noch nie jemandem geholfen. Am Ende verlierst du nämlich alles, wenn du nicht lernst loszulassen. Deshalb wirst du diesen Ort verlassen. Du musst lernen, wie diese Welt wirklich tickt. Du kannst nicht immer der kleine unbefangene Junge sein.« Er blieb stehen. Konnte er das wirklich? Einfach gehen und seine Heimat zurück lassen? Sie hatte gar keine Ahnung davon, wie er sich im Augenblick fühlte, auch wenn sie so sehr beteuerte, dass sie alles über ihn wüsste. Wenn dem so wäre, würde sie nicht so etwas

von ihm verlangen. Illyriel wandte sich zu ihm um. »Du hast Zeit darüber nachzudenken. Heute Abend komme ich wieder. Bis dahin: Stell dir einfach eine Frage: Was hält dich wirklich noch hier?« Und damit war sie verschwunden. Der Junge blieb allein. Umgeben vom flüstern des Windes und der sanften Wärme der Mittagssonne auf seiner Haut. Noch verwirrter als zu vor. Den Kopf voller fragen.

Was wir verbergen

Teliankas – Kasernenhof - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 14. Stunde Der Bolzen schlug mit voller Geschwindigkeit in der Zielscheibe ein. Er verfehlte dabei nur knapp das Zentrum. Velkan reichte die Armbrust an seinen Diener, einem hageren Elfen. Man hatte ihm den Knaben am gestrigen Abend zugeteilt, obwohl der Prinz oft genug betont hatte, ihn nicht zu benötigen. Er verzog das Gesicht. Der kühle Wind rüttelte an der Langtunika

des Adeligen. Im Kasernenhof herrschte Stille. Einige der Rekruten beobachteten den Blauhaarigen beim Training. Arysa stand etwas entfernt. S hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Denkst du wirklich, dass so viel Vorbereitung nötig ist? Es ist nur ein Fest, kein Turnier, in dem es darum geht, die Anderen zu übertrumpfen. Es ist für Oran. Die Prinzessin bemüht sich stark dafür.“ Der 18-Jährige grinste und ließ den zweiten Bolzen aufziehen. „Das bedeutet dennoch nicht, dass ich auf Spaß verzichten muss. Unser Bruder bekommt ausreichend Aufmerksamkeit. Außerdem sollte jemand den Versianern die Disziplin

des niatischen Volkes zeigen. Ich gehe davon aus, dass meine Teilnahme am Wettkampf so manchen anspornen wird.“ Der nächste schlug unweit des letzten ein und grub sich tief in das Ziel. Ein Raunen wanderte durch den Hof. Sir Ronak und Sir Esthir sahen ihm bereits eine Weile zu. Die Rekruten hatten ihr Training mittlerweile vollkommen vergessen. Das lag wohl auch daran, dass Ser Alliser sie heute nicht überwachte. Die beiden schienen weniger Ehrfurcht und Respekt zu versprühen wie der Hauptmann. Eigentlich schlecht für die Gesamtmoral der Männer. Allerdings lag es nicht an ihm, sich darüber ein Urteil zu bilden.

Ihn kümmerte es wenig, mit was für Methoden die Militärs die Soldaten ausbildeten. Er war ohnehin nicht mehr lange in Versia. Diese ganze Farce würde schnell vorübergehen. Dann wäre er wieder daheim in Shisaria. Noch immer konnte er sich nicht für diesen Ort begeistern. Egal wie sehr seine Geschwister auf ihn einwirkten. „Und was erhoffst du dir davon Bruder? Es geht nicht immer nur darum sich zu beweisen. Das hat dir Oran schon oft genug erklärt. Du könntest die Zeit anderweitig nutzen.“ Er lächelte und schüttelte dabei den Kopf, während der dritte Bolzen sein Ziel

fand. „Und wofür? Soll ich jemandem den Hof machen? Mich näher mit diesem Pack anzufreunden ist etwas, bei dem ich sogar noch die Pest vorziehe. Vermisst du nicht auch unser zu Hause? Diese Welt hier ist nichts für uns. Das solltest du am ehesten merken Schwester. Versia hat nichts für uns.“ Erzürntes Murmeln schlich sich durch die Reihen der Rekruten. Ein paar musterten Velkan mit finsterem Ausdruck. Dennoch hielt ihn dies nicht davon ab ihre Kultur weiter mit Füßen zu treten. Er fühlte sich von ihnen nicht bedroht. Sie waren Insekten im Vergleich zu ihm.

Größtenteils Bauern, die wenig Anstand kannten. Die meisten traten dem Militär nur bei, weil sie auf Ruhm und Ehre hofften. Lächerlich. Arysa seufzte und bedachte ihn mit einem traurigen Blick. Sie sorgte sich sehr um ihren Zwilling. Oft genug hatte sie erlebt, wie Menschen mit seiner Arroganz ein schnelles Ende fanden. Sie wollte nicht, dass ihn dieses Schicksal ebenfalls ereilte. Oran und sie hatten gehofft dass dieser Monat ihm helfen würde, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Er war zu verschlossen. Die Mauer schon zu dick, als dass jemand ihn wirklich erreichen konnte. Auch ihr eigener Einfluss auf ihn schien immer

mehr zu verblassen. „Was ist los mit dir? Haben die Adeligen dir bereits den Kopf verdreht Schwester? Vergiss sie. Vergiss diese Leonora. Glaubst du, sie seien ein guter Umgang für uns? Sie mögen von hohem Stand sein, aber haben nichts mit uns gemein. Das werden sie auch nie. Du solltest nicht ignorieren, wo deine Wurzeln liegen. Denk daran.“ „Warum muss alles hier automatisch so schlecht sein? Ich sehe keine Niedertracht in den Leuten. Sie sind wie du und ich. Du willst es nur nicht sehen!“ Der Kommentar verblüffte ihn. Er reichte die Armbrust dem Diener, ehe er

auf die junge Frau zuschritt und sie bei den Schultern fasste. Ein unangenehmer Schauer durchfuhr die Blinde. Sie zitterte leicht. „Ganz im Gegenteil Schwester. Die waren Absichten dieses Volkes sind mir offen ausgebreitet. Was glaubst du, warum wir wirklich hier sind? Man sieht uns als Prestige das man ausschlachten kann. Wir bedeuten ihnen nichts. Sie benutzen uns nur. Du musst noch eine Menge über Politik lernen Arysa. Der Mensch an sich ist bedeutungslos. Es geht immer nur darum was man mit ihm erreichen kann. Wir sind in ihren Augen nur Schachfiguren, die sie auf dem Brett hin und herschieben, bis wir unseren Zweck

erfüllen.“ Sein griff wurde stärker. Sie japste auf. „Velkan du tust mir weh!“ Die Blinde entzog sich seinem Griff. Seitdem sie hier waren, hatte er sich verändert. Der Mensch, dem sie sich immer anvertrauen konnte, schien verschwunden und hatte einem Fremden den Weg bereitet. Das machte ihr Angst. „Das reicht jetzt! Lasst ab von ihr!“ Der Prinz wandte seinen Blick um. Ein hagerer Bursche mit orangeblondem Haar schritt auf ihn zu. Er trug einen schulterfreien Harnisch. Langsam baute er sich vor Velkan auf und sah ihn ernst an. Die blauen Augen auf ihn fixiert. Der niatische Adelige grinste. Jemand

hier hatte tatsächlich den Mut ihm gegenüber zu treten. „Und mit wem habe ich hier das Vergnügen?“ „Iven Caius und ich glaube kaum, dass es angebracht ist eure Schwester so zu behandeln, Velkan Yavieren.“ Der Blauhaarige lachte auf und fuhr sich mit der Hand durch das Kurze Haar. Angriffslustig fixierte er den Knaben vor sich. „Ich habe viel von Euch gehört Caius. Ihr seid der Sohn dieses fetten Händlers, der ständig versucht euch mit Lady Lavette zu verkuppeln. Ist es nicht ein Verdruss, dass niemand an euch Gefallen findet? Ihr sollt nicht gerade

mit Intelligenz gesegnet sein wie ich hörte, was allerdings nicht verwunderlich ist bei diesem Auftritt. Das geht euch nichts an. Es ist eine Sache zwischen meiner Schwester und mir.“ Iven schüttelte den Kopf. Die anderen sahen gebannt auf die Situation. Esthir und Ronak wirkten alarmiert, schritten jedoch nicht ein. Alle schienen gespannt auf die Entwicklung dieser Situation. „Sie mag vielleicht eure Schwester sein, aber dennoch gibt euch das nicht das Recht sie so zu bedrängen.“ Ein düsteres Grinsen bildete sich auf den Lippen des Niaters. „Nun, wenn das so ist. Warum klären

wir diese Differenz nicht in einem kleinen Wettstreit? Ihr wirkt auf mich wie ein....talentierter Kämpfer. Seht es positiv: Wir könnten den Rekruten direkt zeigen, was man dabei beachten sollte, wenn man sich im Duell gegenübersteht. Was haltet ihr davon?“ Iven schüttelt den Kopf. „Auf dieses Spiel lasse ich mich nicht ein. Plustert euch woanders auf.“ Ganz so einfach sollte es doch wohl kaum werden, den Knaben zu Fall zu bringen. Das wusste Velkan. Vielleicht mochte er nicht der Hellste sein, was aber nicht bedeutete, dass er vollkommen naiv war, und sich deshalb leicht provozieren ließ. Allerdings hieß

das natürlich nicht, dass er sich in private Angelegenheiten einmischen durfte, die ihn nichts angingen. „Hm. Wie ihr meint. Dennoch sollte ein Mann von Adel, wie ihr es seid wissen, wann ihr euch lieber im Hintergrund halten solltet. Wie ich bereits sagte: Das ist eine Familienangelegenheit. Geht und spielt mit euren Schwertern.“ Und damit zog er die Blinde vom Kasernenhof, wobei der junge Soldat ihm nur nachblickte. Arysa war deutliches Unbehagen anzusehen. In einer Gasse etwas entfernt vom Hof ließ er sie los und seufzte. „Dieser Narr weiß wirklich nicht, was heutzutage eine gute Sitte ist. Man hätte meinen

können er wolle dir imponieren. Zu dumm nur, dass er niemals eine Chance bei dir hätte. Vor allem bist du viel zu gut für jemanden von seinem eher minderen Format.“ Sie presste die Lippen zusammen und starrte ins Leere. Velkan tat einen Schritt auf seine Zwillingsschwester zu. „Sei nicht so missmutig Schwester. Tut mir leid, wenn ich ein wenig ruppig war. Ich habe es nicht so gemeint. Du hast natürlich Recht. Ich könnte meine Zeit auch anders nutzen. Jedoch finde ich einen solchen Wettkampf einfach interessant. Ich kann da nichts dran ändern. Es weckt den Sportsgeist in

mir.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß Bruder. Es ist einfach nur, dass ich mir Sorgen um dich mache. Generell mache ich mir Sorgen. Ich muss ständig an meine Träume denken. An den einen, den ich hatte, bevor wir hier ankamen. Er lässt mich nicht los.“ „Die Blume, die von Schlangen verzehrt wird, bevor sich alles in Schwärze verwandelt. Ich weiß, was du meinst. Ich frage mich ständig, was das bedeuten kann. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich unser Bruder hier mit Dingen einlässt, die er nicht kontrollieren kann. Nicht der Prinzessin wegen. Es gibt Leute, die eine solche

Verbindung nicht dulden. Das ist einfach so. Teliankas ist ein raues Pflaster. Wir können nur erahnen, was wir mit unserer Anwesenheit wachgerüttelt haben. Ich versuche nur, mir die Anspannung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Das ist alles.“ Auch er hatte oft an ihre Vision gedacht. Was hatte sie wirklich mit Oran zu tun? War sein Bruder in Gefahr? Es gab viele offene Fragen, die er nicht klären konnte. Das war einer der Gründe, warum er an diesem Wettbewerb teilnehmen wollte: So konnte er sich einen Überblick verschaffen. Abwägen wer ihnen vielleicht böses wollte. Er hatte sogar

darüber nachgedacht, seinem Vater einen Brief zu schreiben, aber diesen Gedanken hatte er schnell wieder verworfen. Es gab keinen Grund den König zu beunruhigen, sofern es keine Beweise gab. Das einzige was er im Augenblick tun konnte, war abzuwarten, auch wenn ihm das noch weniger zusagte. „Denkst du das Oran in Gefahr sein könnte?“ Sie suchte seine Hand und hielt sie fest. Er schloss die Augen und dachte einen Moment nach. „Oran ist immer in Gefahr. Du weißt wie er ist Schwester. Vater sagt schon

immer er sei einfach zu nett für diese Welt und so langsam glaube ich das auch. Er versucht immer das gute in den Leuten zu sehen, auch wenn es überhaupt nicht vorhanden ist. Seine Gutgläubigkeit ist seine größte Schwäche.“ Eine Spur von Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. Arysa hatte den Kopf gesenkt. Nicht sicher darüber, was sie darauf erwidern sollte. „Ich würde mir für ihn einfach nur wünschen, dass er sein Glück findet. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir diese Laneema mögen oder nicht. Hierbei geht es nicht um uns.“ Die Blinde nickte auf die Worte ihres

Zwillingsbruders. Für einen Moment war der alte Velkan zurückgekehrt, der zwar vor Zynismus nur so sprudelte, aber dennoch diese einfühlsame Art besaß. Er war wahrscheinlich gar nicht fort, sondern hatte einfach nur Schwierigkeiten, sich an diese neue Situation zu gewöhnen. Das musste es sein. Ein Lächeln glitt über die Lippen der Prinzessin. Sie setzen ihren Weg fort und bogen in die belebten Straßen des Adelsviertels ein. Ein kühler Wind zog leicht an der Tunika des Prinzen, der seine Schwester an der Hand hielt und durch die Masse führte. Ein paar Barden spielten ein Lied, während Männer und Freuen um sie

herum standen und tanzten. Stumm lauschte Arysa den Versen. „Was ist das?“ „Ein Volkslied im alten versianisch. Ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Die Leute haben sich zwar eine neue Schrift angewöhnt, aber was ihre Lieder angeht, so bleiben sie stets den alten Bräuchen treu.“ Sein Blick fiel auf ein paar Frauen mit Tamburins, Glocken und Trommeln, die der Musik zusätzliche Würze verliehen, während die Barden auf ihren Lauten zupften und mit ihren tiefen Stimmen eine Geschichte zum Besten gaben: „It theres day nuthran

dâr, (einst ein kleiner Knabe sang,) mayrush vat thel ne var. Von der Welt und ihrem Klang.) Dir, dir, dir cagéran! (sing, sing, sing, junger Mann!) Tél ût mayrush var. (zeig der Welt den Klang!) Dir, dir, dir cagéran! (sing, sing, sing, junger Mann!) Tél ût mayrush var. (zeig der Welt den Klang!) Sie schienen ausgelassen. Losgelöst von all ihren Problemen, auch wenn es nur ein kleiner Moment des Friedens war, den sie sich hiermit erkauften. Durchaus

beeindruckend, wie Velkan zugeben musste. Sie mochten vielleicht primitiv sein, was dennoch nicht hieß, dass sie vollkommen unkultiviert waren. Er verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. Ein Mann zog eine junge Frau zu sich und drückte ihr ganz ungezwungen einen Kuss auf. Der Junge lachte. „Diese Leute schaffen es immer wieder, für eine Überraschung zu sorgen. Meinst du nicht auch Schwester?“ Er suchte sie, musste jedoch feststellen, dass eines der Mädchen sie bereits geschnappt und in den Tanz eingebunden hatte. Die Blauhaarige lachte und ließ sich einfach davon

treiben. Seit langem wirkte sie gelöst und frei. Ein seltener Anblick für ihren Zwillingsbruder. Wenigstens hatte einer von ihnen Spaß. Auf ihn kam ebenfalls eine junge Frau zu, die ihn sanft am Arm fasste und lächelte. „Schenkt ihr mir diesen Tanz Ser?“ Er lächelte. „Verzeiht mir, wenn ich im Moment einfach nur zusehe. Solch wilde Musik ist für mich nichts. Ich versäume es immer, den richtigen Rhythmus zu finden“, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen. Sie kicherte nur. Sie musste die 20 bereits überschritten haben. Dennoch war sie hübsch und zierlich. So wie die meisten hier. Graues

Haar hing in langen Strähnen bis über die Schultern hinab. Die blauen Augen musterten ihn mit diesem liebreizenden Ausdruck. Sie wirkte nicht wie eine dieser normalen Bauern. Ihre Kleidung war feiner und sauberer. Vom Hof allerdings schien sie nicht zu kommen, denn sonst hätte er sie dort gesehen. Sie wirkte voller Feuer und Energie und dennoch besaß ihr Ausdruck etwas unschuldiges. Eine interessante Mischung. „Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Sie verneigte sich vor ihm. Süß. Ohne Zweifel. „Ihr dürft mich Eliana nennen Ser. Ihr seid Prinz Velkan Yavieren aus Niat. Ein

Mann, bei dem es unnötig ist, dass er sich vorstellt. Gefällt euch die Hauptstadt?“ Da hatte jemand seine Hausaufgaben gemacht. Fragte sich nur, ob sie mit ihm anbandelte, weil er von Adel war. Solche Menschen gab es zu Hauf. Sie versuchten sich mit der höheren Klasse gutzustellen. Allerdings machte sie nicht den Eindruck, als würde es bei ihr darum gehen. Seine Menschenkenntnis hatte ihn diesbezüglich noch nie enttäuscht. So erwiderte er ihre Verneigung und nahm vorsichtig ihre Hand. Er hauchte einen Kuss auf ihre Haut. Wieder lächelte sie. „Die Hauptstadt ist trist, ebenso das

Wetter Mylady, aber es gibt durchaus Dinge, die den Aufenthalt hier angenehm gestalten.“ Sie hob die Braue und grinste. „Mylord. Flirtet ihr etwa mit mir?“ „Möglich. Lebt ihr hier im Adelsviertel?“ Ein Kopfschütteln war die Antwort. „Nein. Ich stamme aus Melena und bin ein paar Tage in der Hauptstadt. Kürzlich erfuhr ich von dem Turnier, das die Prinzessin für euren Bruder ausrichtet. Ich nehme daran teil. Wie sieht es mit euch aus?“ „Ich wusste gar nicht, dass Frauen sich zu solchen Anlässen hingezogen fühlen. Nun, wie dem auch sei. Auch ich beabsichtige dieser Veranstaltung

beizuwohnen. Mit euch als Konkurrenten wird es sicherlich amüsant. Könnt ihr mit einer Armbrust umgehen?“ Sie wirkte beleidigt. „Nur weil ich so zierlich aussehe, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht weiß wie die Dinge funktionieren Ser. Ich treffe einen Keiler auf 300 Metern bei voller Geschwindigkeit. Könnt ihr das von euch behaupten, oder seid ihr eher der Mann, der nur auf unbewegliche Ziele schießt die sich nicht wehren können?“ Sie hatte ein loses Mundwerk. Das gefiel ihm sehr. Sie legte den Arm um seine Hüfte und zog ihn ein wenig fort

von dem Tanz. Velkan warf einen letzten Blick auf seine Schwester, die sich prächtig amüsierte. „Nun, das müsst ihr wohl im Wettbewerb herausfinden.“ „Oho. Ein Mann, ein Mysterium. Witzig. Die Männer mögen es wohl, diese Geheimniskrämerei. Ich hab das nie verstanden. Wollt ihr euch damit interessanter machen? Jemand wie ihr habt das doch gar nicht nötig, oder etwa doch?“ Sie ließ von ihm ab und tänzelte kichernd um ihn herum. Ihre Zunge war genau so lose, wie das Haar, das sanft im Wind wehte. Der 18-Jährige genoss diese Unterhaltung. Es war etwas

anderes, als sich immer nur mit diesem dekadenten Volk zu umgeben. Dessen war er mittlerweile überdrüssig, so dass eine Abwechslung durchaus willkommen war. Besonders, wenn sie sich als so liebreizend herausstellte. „Wie alt seid ihr?“ Sie hob den Finger, als wolle sie ihn tadeln. „Nanana. Hat euch eure Amme nicht beigebracht, dass man eine Dame nicht nach ihrem Alter fragt? Oder sind die Sitten bei euch daheim anders?“ Ein süffisantes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Ihr mögt vielleicht oberflächlich gesehen eine unschuldige Dame sein,

aber ich glaube selbst meine Schwester würde sehen, dass ihr mehr darunter tragt, als ihr zeigt.“ Sie legte ihm wieder eine Hand auf die Schulter. „Ah. Ihr wollt also wissen, was ich unter meiner Oberfläche trage. Geziemt sich das denn für einen Mann eures Standes?“ „Mit Nichten. Es war einzig die Neugierde, die mich beflügelte. Ihr wirkt nicht wie eine Dame, die sich davon beleidigt fühlt.“ Sie grinste. „Nein. Nun, ich habe meine 23. Dekade im letzten Monat überschritten. Und

ihr?“ „18. Ich bin 18!“ Verwunderung bildete sich auf ihrem Gesichtsausdruck ab. „Wirklich? Ihre Sprechweise lässt euch älter wirken. Und doch, seid ihr noch vollkommen grün hinter den Ohren. Das ist allerdings interessant.“ „Der Schein trügt öfters, als man denkt, Mylady.“ Stimmte ja auch. Eliana verbarg sicher eine Menge vor ihm. Er konnte dieses Mädchen nicht so Recht einordnen. Ein Umstand, der überhaupt erst dazu führte, dass sie sein Interesse geweckt hatte. Seine Schwester war inzwischen vollkommen vergessen. Seine gesamter

Aufmerksamkeit galt nun dieser grauhaarigen Schönheit die vor ihm stand und die Hände vor dem üppigen Busen verschränkte. „Und wie ist es bei euch? Ich hörte ihr sollt ein ziemlich unangenehmer Zeitgenosse sein. Ist das nur Gerede, oder versucht ihr gerade einfach nur, mir zu imponieren? Verwunderlich wäre es ja nicht. Die Männer waren sich noch nie zu schade dafür, Lügen zu erzählen, damit eine Frau ihre Beine für sie öffnet.“ Das entlockte ihm ein Lachen. Diese Unverfrorenheit. Dieses Feuer. Er musste wirklich aufpassen, dass er sich nicht daran verbrannte. Sie spielte ihre

Reize gut aus. Dennoch hielt er sich ein wenig zurück. Immerhin war er nicht für derlei Dinge nach Versia gekommen. Vor allem war kein Freund von solchen Bindungen. Sie nahmen ihm die Objektivität. Hierbei, war es jedoch besonders schwierig diesem Prinzip treu zu bleiben, denn sie wusste genau, welche Hebel sie bei ihm ziehen musste. „Ihr haltet wirklich viel von euch, Eliana. Arroganz steht euch nicht. Sie lässt eure unschuldige Scharade vollkommen verblassen. Wie dem auch sei. Jeder hat so seinen Makel, nicht wahr? Die einen mehr, die anderen weniger.“ Ein solches Spiel konnte er ebenfalls

spielen. Er war nicht der Typ, der sich einfach so aus der Reserve locken ließ. Schon gar nicht, von einem so jungem Ding. Sie hingegen nahm das ganze mit Fassung und setzte einen verspielten Gesichtsausdruck auf. Diese Spannung zwischen den beiden, war deutlich zu spüren. Sie hatte etwas belebendes an sich. Wieder verneigte sie sich vor ihm und lächelte. „Nun denn, werter Prinz. Entschuldigt mich. Eine Dame muss sich auch um sich selbst kümmern dürfen. Es war mir eine Freude, euch kennen zu lernen. Ich freue mich schon darauf, euch im Wettbewerb zu schlagen. Vergesst mich bis dahin

nicht.“ Mit diesen Worten gab sie ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe sie in der Menge verschwunden war. Einen Moment lang sah er ihr nach, bevor er sich wieder dem fröhlichen Treiben der Barden zuwandte. Schnellen Schrittes hatte sich Eliana von dem Tanzen und Singen der Leute entfernt und stromerte die Gasse entlang. Ihre Weg führte sie schnell fort vom Adelsviertel. Auf der Brücke zur mittleren Insel der Stadt fand sie, was sie suchte. Der Mann bemerkte sie nicht sofort, so dass sie sich von hinten an ihn heran schleichen konnte. Flink

umfasste sie seine Schultern. „Ihr habt was verpasst. Die Musik der Gaukler ist gar nicht so schlecht. Ihr solltet mal etwas von eurem Missmut verlieren und euch für so etwas öffnen, anstatt immer nur darauf zu achten, euren Reichtum und euren Wanst zu vergrößern.“ Der Bärtige zuckte zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen wandte er sich zu ihr um und warf ihr einen finsteren Blick zu. „Ich hasse es wenn ihr das tut!“ Sie lachte. „Das macht es doch gerade so amüsant. Ihr solltet etwas entspannter werden. Diese grimmige Visage passt nicht zu

euch, oder sind etwa alle Händler so verbohrt?“ Dothras verschränkte die Arme vor der Brust und warf einen Blick auf den Felon, der sich tosend unter ihm durch die Stadt zog. „Ihr habt mich warten lassen, während ihr euch mit diesen Bauern vergnügtet.“ Seine Stimme klang gereizt. Ein Grund mehr, warum sie grinste. Sie legte einen arm um den fülligen Bauch des Mannes und sah auf die Dächer der Stadt. Er würde sich wohl niemals ändern, egal wie oft sie auf ihn einredete. „Als hätte euch das geschadet. Außerdem muss ich euch nicht an den Plan erinnern oder? Ich sagte ja, wir

müssen mit Bedacht vorgehen und das gehört nun mal dazu. Man muss das Gebiet kennen, in dem man wildert mein Freund. Ihr müsstest das am besten wissen. Oder seid ihr eifersüchtig, weil ihr selbst nicht wisst wie man sich richtig amüsiert?“ Er verzog das Gesicht zu einer Fratze. Caius war wirklich kein Mann, der mit Lebensfreude gesegnet war. Sie fand er war einfach zu steif, dass er mal lockerer werden müsste, aber bevor das geschah würde die Welt wahrscheinlich vollkommen von Eis umschlossen werden. „Ich versuche objektiv zu bleiben. Bei euch bin ich mir da nicht so sicher. Was

haben wir davon, wenn ihr mit den Yavieren-Zwillingen herumturtelt? Unser Ziel ist Prinz Oran, oder habt ihr das schon wieder vergessen? Er ist es, um den ihr herumtänzeln solltet!“ Die junge Frau seufzte und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wisst ihr dass es auf Dauer ziemlich nervig ist, dass ihr keinerlei Weitblick besitzt mein dicker kleiner Freund? Ihr solltet dringend damit aufhören in eurer kleinen Nussschale zu leben. Muss ich es denn wirklich für euch erklären? Ich dachte ihr seid schlau, oder war das ein Irrtum? Obwohl, wenn ich euren Sohn so sehe-“ „Passt auf was ihr sagt! Ihr mögt

vielleicht von mir angeheuert sein. Das erlaubt euch trotzdem nicht, euch alles herauszunehmen was ihr wollt.“ Sie hob die Braue. Jetzt traute er sich aber was. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Dothras. Habt ihr etwa unser Gespräch schon wieder vergessen?“ Sie zog ihn hinter sich her. Schnell war eine etwas dunklere Ecke gefunden, wo sie ihn gegen die Mauer drückte. Die raubtierartigen Augen fixierten den dicken Mann. Ein Dolch ruhte jetzt an seiner Wange. Caius quiekte wie ein Schwein und zappelte dabei nervös herum. „Bitte! Was tut

ihr?!“ „Ich lege die Rangordnung fest. Schon wieder. Ihr Mundwerk ist noch größer als ihr fetter Wanst und es wäre mir ein Vergnügen ihn aufzuschlitzen. Vielleicht mach ich das auch. Es ist mir egal wer ihr seid. Ich brauche euch nicht um diesen Auftrag zu Ende zu führen. Daran solltet ihr denken. Ihr lebt noch, weil ich euch gut leiden kann, mein Freund. Haltet euch das im Hinterkopf. Andernfalls...“ Die klinge sauste nach oben und trennte den linken Teil des Schnurrbarts vom Gesicht des Händlers. Schockiert blickte er auf das Haar, das zu Boden segelte, während er sich selbst

einnässte. Erst sah sie ihn einfach nur stumm an, ehe sie losprustete. Die Waffe verschwand wieder im Innern ihres Umhangs. Die Nase rümpfte sie sich. „Dothras. Ich dachte ihr seid von Adel. Wer hat euch denn ein solches Benehmen beigebracht?“, spottete sie, woraufhin er sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut ansah. „Verrottet in den Tiefen des Abgrunds!“ Sie trat etwas näher an ihn heran, wobei sich der beißende Gestank einen Weg in ihre Nase bahnte. „Das werde ich sicher irgendwann, aber ihr werdet mir folgen. Wir alle fahren in den Abgrund, oder denkt ihr wirklich,

dass auch nur einer dieser Leute hier lammfromm wäre? Sie alle tragen Sünde in sich. Manchmal größer, manchmal kleiner. Die meisten sehen es nicht, aber wir alle sind auf einem heißen Ritt in die Finsternis unterwegs. Viele wollen es nur nicht wahrhaben. So wie ihr auch!“ Damit klopfte sie ihm auf die Schulter, ehe sie zufrieden seufzte und die Gliedmaßen von sich streckte. „Nun, wo war ich? Ach ja! Der Plan. Fragt euch doch einmal selbst: Wie kommt man am besten an den Prinzen heran? Seine Geschwister kennen alle Geheimnisse. Sie wissen wie er tickt, was seine Ängste und größten Wünsche sind. Haben sie in den Lehrstunden als

kleiner junge nicht aufgepasst, oder sind sie wirklich so dumm? Sie sollten-“ Ihr Blick glitt von ihm ab, die Gasse entlang hinaus auf die Straße. Jemand beobachtete sie. „Entschuldigt mich.“ Sie löste sich von dem Händler, während sie dem Anderen nun folgte. Er schien nicht bemerkt zu haben, dass sie ihn durchschaut hatte. Ungezwungen bewegte er sich wieder die Straße entlang. Der Uniform nach ein einfacher Soldat. Noch sehr jung. Gedankenverloren schlenderte er einige Meter vor ihr durch die Gassen. Geschickt verringerte sie immer wieder den Abstand zu ihm, während er nun in

die nächste Gasse einbog. Eine Abkürzung zum Adelsviertel zurück. Hier war außer ihnen niemand. Eine schnelle Handbewegung, ein kaum hörbares Surren und er ging japsend in die Knie. Der Dolch bohrte sich in seinen Unterschenkel. Mit zwei weiteren Schritten war sie bei ihm und hatte ihn auf den Rücken gedreht. „Was haben wir denn hier? Ein neugieriges Vögelchen. Man hat dich auf Dothras angesetzt, nicht wahr?“ Er sah sie nichtssagend an und schwieg. Witzig. Immer dachten sie, sie könnten dadurch das schlimmste verhindern. Sie griff an den Dolch und drehte ihn einmal herum. Er schrie vor

Schmerz. „Ah. Geht doch. Nur leider nicht der Ton den ich hören wollte. Also, noch einmal ganz in Ruhe kleiner Mann: Wer hat dich beauftragt den Händler zu beschatten?“ Er blieb stur. Zumindest für den Moment. Das mochte sie. Es war immer noch schönsten, wenn sie sich sträubten und wehrten. So griff sie an ihren Gürtel und holte ein Fläschchen mit blauer Flüssigkeit daraus hervor. „Sagt ihnen Eiswasser etwas? Ein sehr nettes Getränk. Die Rathak haben es gebraut. Die Mixtur ist sagen wir...heikel.“ Sie träufelte etwas davon auf seine

Hand, ehe sie den Dolch aus seinem Schenkel zog und mit einer schnellen Bewegung auf dem Handrücken versenkte. Wieder schrie er. Sie zeigte sich unberührt davon. „Nicht nur ein Gaumenkitzler nein. Die Mischung enthält auch ein langsam wirkendes Gift. Wenn man es trinkt vollkommen ungefährlich für die meisten. Wenn es allerdings in die Blutbahn gerät, wird es hässlich. Die Nerven ziehen sich zusammen. Die Adern verkrampfen und ganz langsam beginnen die Blutgefäße zu platzen. Kein toller Anblick!“ Er begann bereits sich zu versteifen. Das Gift zeigte erste Wirkung. Unter

ihrem Mantel holte sie nun eine kleine Phiole mit gelblicher Flüssigkeit hervor. „Das Gegengift. Es ist Euer. Ich will einfach nur die Antwort auf eine Frage. Wer war es? Die Königin? Eines ihrer Kinder?“ Er schien nachzudenken und schließlich entkamen die Worte seiner Kehle. „A-alliser...Ser Alliser...“ Sie lächelte zufrieden und ließ die Flasche wieder unter ihrer Kleidung verschwinden. „Gut. Das war doch gar nicht so schwer. So einfach ist das. Wenn man den Menschen Hoffnung gibt, dann vergessen sie ihre Prinzipien. Danke für deine Mitarbeit. Ich werde diesem Alliser

Grüße von euch ausrichten. Keine Sorge. In wenigen Sekunden lähmt das Gift die Atmung und dann schläfst du ein.“ Sie gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn. „Also dann. Wiedersehen.“ Und damit verließ sie die Gasse wieder und ließ den Jungen zurück. Wie es schien hatten sich die Gegebenheiten geändert. Sie suchte Caius und fand ihn immer noch an dem Ort, an dem sie ihn zurückgelassen hatte. Verwundert sah er sie an. „Wo habt ihr gesteckt?“ Sie lächelte. „Habt ihr mich etwa schon vermisst? Wie

süß. Einer von den Soldaten hat uns beobachtet. Keine Angst. Der erzählt keinem mehr was. Allerdings hat sich unser Plan ein klein wenig geändert. Keine Sorge, der Prinz ist weiterhin unser Hauptaugenmerk. Im Augenblick, gilt es jedoch sich um jemand anderen zu kümmern.“ Sie beugte sich wieder zu ihm und sah ihm tief in die Augen. „Sagt mir mein Freund, was wisst ihr alles über Alliser Thrassk?“

Was wir offenbaren

Teliankas – Die silberne Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 17. Stunde „Er hätte schon vor einer Stunde zurück sein müssen. Sein Bericht ist überfällig!“ Thrassk schritt aufgeregt in seinem Arbeitszimmer hin und her. Sir Ronak und Esthir standen nahe der Tür an einer Wand und musterten den Hauptmann. Inzwischen war der Raum wieder genauso unaufgeräumt wie vorher. Die Elfen-Dienerin hatte umsonst so hart gearbeitet. Der Grünhaarige seufzte. Nach der Probe mit

Fareena hatte er einen jungen Rekruten Namens Tarith losgeschickt um Caius zu beschatten. Seitdem war er nicht zurück gekehrt. Ronak legte die Stirn in Falten. „Ich denke nicht, dass hier ein Grund zur Sorge besteht Alliser. Ihr wisst wie die Rekruten manchmal sind. Sicher hat ihn etwas abgelenkt und er wird gleich durch die Tür schreiten.“ Thrassk fixierte ihn. „Und wenn er das tut, kann er gleich wieder gehen. Unfassbar! Man kann sich auf niemanden mehr verlassen.“ „Was hat euch eigentlich dazu veranlasst Caius zu beschatten?“, wollte Sir Esthir wissen, der sich beiläufig am

Kinnbart kratzte. Alliser nahm auf seinem Stuhl platz und legte die Beine übereinander. Noch immer surrte der Wein leicht in seinem Hinterkopf. „Es ist einfach ein Gefühl. Etwas stimmt in letzter Zeit nicht mit diesem Fettsack! Habt ihr nicht bemerkt, wie schreckhaft er neuerdings ist? Er sieht sich immer zweimal um, bevor er irgendwo hingeht. Ein paar Wachposten haben ihn zu den ungewöhnlichsten Plätzen gehen sehen. Was macht ein Händler in der gebrochenen Klinge? Vor allem Caius! Der ist bei weitem zu faul um quer durch die Stadt zu wandern, nur um einen Krug Bier zu heben!“ Er schlug mit der Faust auf den

Eichenholztisch. Die Situation war schon angespannt genug wegen des Wettbewerbs. Die Stadtwache und das Militär arbeiteten hierbei eng zusammen. Jeder konnte einen solchen Anlass für ein Attentat nutzen. Da brauchte er nicht noch Dothras, der irgendwelche krummen Dinger drehte. So legte er die Hände ineinander und sah seine beiden Kollegen an. „Ich schwöre bei der Göttin, sollte er in irgendetwas verstrickt sein, dann verfrachte sich seinen Allerwertesten bis zur nächsten Ära in die Mienen!“ Mit wütendem Gesichtsausdruck wiegte er eine Schreibfeder zwischen Zeige- und Mittelfinger hin und her und sah

dabei auf den Tisch vor sich. Der Schein der Kerzen verliehen seinem Antlitz etwas fahles. Einen Augenblick wirkte der Hauptmann wie tot und verharrte in seiner Position. Die Augen wanderten langsam zu den beiden Militärs vor ihm. Seufzend erhob sich Thrassk und schritt zum Fenster nach draußen, wo er einen Blick auf den wolkenverhangenen Himmel warf. „Ist es euch nicht euch ein Gräuel? All diese Dekaden versucht man die Ordnung im Land zu wahren. Dabei opfert man so manches und steht dennoch aufrecht, weil man glaubt man tue das Richtige. Und doch scheint es immer wieder dass es nur ein kleines

Rütteln am gesamten Konstrukt braucht, um vorangegangene Erfolge leer und bedeutungslos erscheinen zu lassen.“ Er legte eine Hand an die Karge Mauer seines Arbeitszimmers und lauschte einem Moment lang dem Knistern der brennenden Fackeln, ehe er seine Hand über die Flamme legte. Ein melancholisches Lächeln wanderte auf seine Züge. „Genauso ist es mit der Zeit. Gestern noch waren wir jung und unerfahren. Heute wissen wir immer noch nicht, wie wir manchen Aufgaben im Leben gegenübertreten sollen. Stets gibt es etwas neues. Wildvölker, Adelige aus Niat, deren Besuch die Leute vollkommen

verrückt werden lässt. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass es schwerer ist als früher. Findet ihr nicht auch?“ Er blickte zu Esthir und Voltrin. Der Weißhaarige nickte und legte die Hände an die Hüfte. Seine Rüstung schimmerte leicht im schwachen Licht. „Man kann es sich nicht immer aussuchen Sir. Dennoch gibt es immer wieder Überraschungen, wie zum Beispiel euch, wie ihr nachdenkt und euch wirklich Gedanken macht. Sonst schient ihr das immer abzuschütteln. Es tut gut zu wissen, dass ihr nach allem auch nur ein Mensch seid.“ Dabei grinste der alte Soldat, was von

Sir Alliser süffisant erwidert wurde. Sir Esthir ließ sich auf einem der Stühle nieder und legte seine Hand auf den Eichenholztisch. „Manche Entscheidungen sind nun mal notwendig, auch wenn sie nicht dazu dienen, dem eigenen Wohl zu helfen. Natürlich gibt es Tage, an denen man daran denkt, wie es wohl wäre, hätte man die Dinge anders gemacht. Dennoch ist es die Pflicht, die uns daran hindert, weil wir wissen, dass es wichtigeres gibt als nur das eigene Leben. Sonst wäre ich sicher noch im Süden und würde mein Dasein in Faron fristen.“ Ronak wandte sich ihm

zu. „Ich erinnere mich. Es gab dort eine Frau, die ihr verließt als sie mit eurem Kind schwanger war.“ Der Ritter nickte und stützte das Kinn auf der Faust ab. „Mittlerweile müsste es 14 sein. Damals war alles nicht einfach. Die Spannungen mit dem Wildvolk. Es wurde immer kritischer und schließlich musste ich in den Norden zurückkehren. Teilweise wollte ich es auch. Das Leben hier schien mir wohl wichtiger. Letztendlich blieb ich in Teliankas. Ich habe Adane nie wieder gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob ich einen Sohn oder eine Tochter habe. Allerdings glaube ich auch

nicht, dass sie mich sehen wollen. Es ist zu viel Zeit vergangen.“ Ronak nickte. „Ich kenne das. Mein Bruder, Boros, er verließ die Armee schon früh. Die Gier hatte dafür gesorgt, dass er dem Bürgermeister von Faron diente. All die Jahre. Ich habe es nie wirklich verstanden. Allerdings hat diese grausame Art des Dorfhalters sich wohl langsam auf ihn übertragen. Ich habe ihn ein paar Mal besucht. Ich versuchte, auf ihn einzureden. Ihn zu überzeugen in die Hauptstadt zurück zu kehren. Wir stritten und sahen nie wieder. Heute Morgen kam ein Falke, mit einer Nachricht von Daron

Ramelle. Vor zwei Tagen starb mein Bruder in Ausübung seiner Pflicht heißt es. Die näheren Umstände werde ich wohl niemals erfahren. Es ist nur bitter. Ich konnte mich nie ihm versöhnen.“ Wehmütig starrte der alte Mann ins leere, während die beiden anderen ihn musterten. Esthir wusste, dass Ronak einen Bruder im Süden hatte. Dass er ausgerechnet im selben Dorf wie die Mutter seines Kindes lebte, wusste er nicht. Manchmal fragte er sich, was aus den beiden geworden war. Die Tatsache mit dem Bruder des alten Mannes ließ sein Gemüt nachdenklich werden. All die Zeit fragte man sich, was aus diesen

Leuten geworden war. Irgendwann war es zu spät die Dinge noch zu ändern. Er seufzte, während Thrassk sich vom Fenster abwandte. „Ein wenig Nostalgie schadet zwar nicht, aber im Augenblick kommt es mir so vor als stünde ich mit zwei alten Weibsbildern am Waschzuber. Manchmal sollte man die Vergangenheit einfach ruhen lassen. Es bringt nichts, wenn man sich immer nur mit dem befasst was war. Auf Dauer verliert man den Blick für die wichtigen Dinge. Mein Beileid für euren Bruder Ronak. Wenn ihr wollt, dann könnt ihr in den Süden gehen. Ihn zu Grabe tragen.“ „Nein. Euer Angebot ist großzügig, aber

es gibt andere die ihm diese letzte Ehre erweisen werden. Ich halte ihn in Ehren, indem ich nicht vergesse wer er war. Das muss genügen. Wir haben hier wichtigere Dinge zu tun.“ Er schritt zum Tisch und warf einen Blick auf eine Rolle Pergament, die die Dienstpläne der Wachposten zeigte. Langsam glitt sein Finger über die schwarze Tinte. „Ich werde mich dieser Sache annehmen und nach Tarith suchen. Allerdings bezweifle ich, dass Dothras etwas mit dieser Geschichte zu tun hat. Für ihn stände zu viel auf dem Spiel. Selbst ein Mann, der so simpel gestrickt ist wie er weiß, dass man die Soldaten in Frieden

lässt. Des Weiteren sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. Er mag bis jetzt nicht aufgetaucht sein. Vielleicht tut er das ja noch. Wenn er bis Einbruch der Dunkelheit nicht hier ist, werde ich einen Suchtrupp aufstellen. Er war im Adelsviertel unterwegs, nicht wahr?“ Der Hauptmann nickte. „Exakt. Vielleicht könnt ihr auch ein paar der Damen finden, mit denen er unterwegs war.“ Die ganze Geschichte bereitete ihm Magengrummeln. Im Augenblick stellte er zwar nur Vermutungen an, aber er wurde dieses seltsame Gefühl einfach nicht los, dass dahinter mehr steckte, als auf den ersten Blick zu erkennen war.

In wie weit, das musste er noch herausfinden.. Der Grünhaarige goss sich einen Kelch Wasser ein und leerte ihn in wenigen Zügen. Nachdenklich tippte er mit den Fingern auf dem Rand herum. „Sir Esthir? Ich möchte, dass ihr euch in der gebrochenen Klinge umseht. Caius war dort. Vielleicht hat ihn jemand dort gesehen und kann uns weiterhelfen. Ich werde Tariths Route nachgehen. Womöglich finde ich einen Anhaltspunkt. Am wichtigsten ist allerdings, dass wir diese Frauen finden.“ Er seufzte. Sir Esthir sah ihn an. „Ich werde mich direkt auf den Weg

machen.“ Und damit verließ er auch schon den Arbeitsraum. Voltrin und Thrassk blieben alleine zurück. Der Weißhaarige warf einen Blick auf die Stadtkarte, die an der Wand hing. Mit dem Finger fuhr er über die Routen der Patroullien. „Glaubt ihr wirklich, dass etwas dahinter steckt?“ „Das tue ich! Caius ist nicht der Mann der Dinge grundlos tut. Es könnte alles sein. Am beruhigendsten wäre es wohl, wenn er Mara einfach nur betrügen würde. Dennoch stellt sich dann die Frage, welche Frau freiwillig was mit diesem Kerl anfangen würde.“ Er füllte seinen Kelch nach und presste

die Lippen zusammen. Ronak grinste matt. „Ihr schließt einen Ehebruch aus, weil er für andere Damen nicht attraktiv genug ist? Vielleicht bietet er ihnen Geld, oder es sind Handelspartner. Wir haben einfach zu wenig Informationen um das genau zu wissen Alliser. In dieser Angelegenheit müssen wir mit Bedacht vorgehen. Caius mag einfältig sein, aber besitzt eine Menge Einfluss. Als dein Freund sage ich: Sieh dich vor und warte ab, bis du wirklich etwas in der Hand hast.“ Der Hauptmann fixierte ihn angesäuert. „Stellst du meine Urteilsfähigkeiten in Frage? Ist es für dich nicht auch

seltsam, dass er sich erst so verhält, seitdem der niatische Adel in der Stadt ist? Da passt etwas nicht zusammen. Das spüre ich einfach. Versetze dich in seine Lage: Er ist ein angesehener Händler der viele Beziehungen pflegt. Aufgrund gewisser Gesetze in unserem Land, kann er die Preise für seine Waren nach belieben heben und senken und die Leute sind dagegen machtlos. Niat allerdings besitzt eine Reform die das verhindert. Sollten Prinz Oran und Prinzessin Laneema also heiraten und sich unsere Länder einigen, würde das auf jeden Fall Nachteile für ihn bedeuten. Er mag dumm sein, aber seine Gier macht ihn gefährlich. Finden wir

Tarith, bekommen wir vielleicht ein paar Antworten. Und lass uns hoffen, dass er noch lebt. Sollte ihm etwas zugestoßen sein, dann wird Caius nicht mehr so ruhig schlafen können!“ Teliankas – Die silberne Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 18. Stunde „Mylady! Ihr müsst etwas essen! Öffnet bitte die Tür! Alle machen sich große Sorgen um euch!“ Leonora vergrub das Gesicht im Kopfkissen. Träge hallte ihre Stimme durch das dunkle Zimmer. „Lasst mich in Frieden! Ich will

niemanden sehen!“ Und damit wurde es wieder still. Seit der Trennung von Melas, hatte sie sich in ihrem Gemach verbarrikadiert. Besuch empfing sie überhaupt keinen. Zu Beginn hatte sie wenigstens noch die Diener herein gelassen, aber auch damit war Schluss. Niemand konnte zu der 20-Jährigen durchdringen. Sie ging nicht mehr zum Training mit Sir Esthir und schottete sich auch sonst von der Außenwelt ab. Arysa war ein paar Mal gekommen, aber auch die junge Yavieren hatte keine Chance gehabt sie zu erreichen. Von ihren Geschwistern ganz zu schweigen. Immerhin war dies ein Thema, mit dem

sie über niemanden sprechen konnte. Es war ein Geheimnis. Eigentlich ein gutes, aber Melas Entscheidung hatte alles zu fahler Asche verwandelt. Ihr Anker war verschwunden und nun trieb sie alleine in diesem Meer der Dunkelheit um sie herum. Seufzend drehte sie sich auf den Rücken und starrte auf die verzierte Decke, von der aus der versianische Greif auf sie nieder starrte. In diesem Moment wünschte sie sich, er würde zum Leben erwachen, so dass sie einfach auf ihm fortfliegen konnte. Ein banaler Traum und dennoch real. Dieser Ort hatte nur noch wenig zu bieten. Vorher konnte sie all das immer gut herunterspielen. Sie

hatte ihren Geliebten, mit dem sie über ihren Kummer sprechen konnte, aber diese Quelle war versiegt. Noch immer war sie wütend. Für ihn schien es wirklich leicht. Tränen liefen über ihre Wangen, während sie mit ihren geröteten Augen ins leere starrte. In Augenblicken wie diesen, vermisste sie ihre Großmutter. Sie hätte ihren Rat jetzt gut gebrauchen können. Helenas wüsste sicher, was zu tun war um dieses Debakel zum positiven aufzulösen. Leonora hingegen war nicht so weise. Zumindest fühlte sie sich nicht so. Eher wie ein kleines Kind das nicht mehr weiter wusste. Nachdenklich spielte sie mit ihrer

Halskette, einem Halbmond. Melas hatte sie ihr geschenkt. Nur hier trug sie ihn, wo niemand Fragen stellte. Traurig strich sie über ihr Nachthemd, ehe sie die Kette fortriss und zornig gegen die Wand schleuderte. Eine weitere Flut brach aus ihr hervor. Der Hunger machte sie kraftlos. Nur zum Weinen hatte sie Energie. Es war wie ein Alptraum, aus dem sie nicht aufwachen konnte. Ohne Hoffnung darauf, dass es eine Lösung gab. Warum konnte sie nicht einfach glücklich werden? Laneema fand ihren Traumprinzen, Sirous konnte in der Armee bleiben und nur sie stand in dieser Leere, ohne die Chance darauf,

dass sich auch nur einer ihrer Wünsche erfüllte. Es war ungerecht! Als wäre sie eine Gefangene. Sie hasste es und einmal mehr verspürte sie den Wunsch, einfach fortzulaufen. Weg von all diesen Regeln und dieser dunklen Welt. Vielleicht wäre es dann alles ein wenig einfacher. Erneut klopfte es an der Tür. Wahrscheinlich wieder einer der Diener, der sie zum Essen überreden wollte. Trotzig blickte sie zur Tür und wischte die Tränen fort. „Ich sagte doch, ich habe keinen Hunger! Ich will allein sein!“, krächzte sie mit brüchiger

Stimme. „Lady Leonora. Ich bin es. Würdet ihr mir erlauben einzutreten? Ich habe nicht vor euch zu füttern, falls ihr das befürchtet. Ich möchte nur mit euch reden!“ Orans Stimme klang sanft und mitfühlend. Was machte er hier? Hatte Arysa ihn geschickt, damit er mit ihr sprach? Warum sollte er das tun? So viel hatten sie nicht miteinander zu tun, weshalb seine Anwesenheit ihr schleierhaft war. Einen Moment lang überlegte sie und starrte unentwegt auf die Tür. Wenn sie wartete, würde er vielleicht einfach gehen und sie in Frieden lassen. Genau. Dann musste sie

sich nicht irgendwelche Rügen anhören. „Mylady?“ „Geht! Ich will niemanden sehen!“ Anscheinend ließ er sich nicht so leicht abwimmeln wie die anderen. Sie seufzte und biss sich auf die Lippen. Konnte man sie nicht einfach gewähren lassen? Es war doch ihr Leben. Warum konnte sie also nicht frei darüber entscheiden? War das so schlimm? Akzeptierte nicht mal der Prinz von Niat diese Tatsache? War er genau so voreingenommen wie der Rest? Wenn ja, dann hatte Laneema wirklich jemanden gefunden, der zu ihr passte. Das Türklopfen erklang von neuem. Genau so sanft wie vorher. Keine Kraft

darin. Bedächtig und zart. „Es tut euch nicht gut, wenn ihr euch nur vergrabt. Man macht sich Sorgen um euch! Arysa vermisst die Gespräche die ihr immer mit ihr führt. Mir war so, als wärt ihr eine gute Freundin für sie. Sie hat Angst um Euch.“ Die Blonde senkte den Kopf. Bitterkeit wanderte in ihren Gesichtsausdruck. Arysa. Wenn sie ehrlich war, dann vermisste sie die junge Frau schon ein wenig. Diese unbeschwerte Art, mit der sie sprach. Ihr einfühlsames Wesen. Sicher hätte die Blinde jetzt die richtigen Worte für die Situation gefunden, auch wenn sie keine Ahnung von den Hintergründen hatte. Das musste

sie auch nicht. Sie hatte diese besondere Gabe, sich in einen Menschen hinein zu versetzen, ohne zu wissen was genau mit ihm los war. Das bewunderte Leonora sehr an ihr. Was das betraf, schien sie in ihrer Familie einzigartig, denn sie hatte es akzeptiert, dass die Prinzessin allein sein wollte. Oran war ein wenig stur. „Ich habe eurer Schwester bereits gesagt, dass ich einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. Bitte, geht einfach und lasst mich allein. Ich finde es ja nett, dass ihr euch alle Gedanken macht, aber ich komme damit zu Recht. Lasst mich einfach in Frieden!“ Trauer schwang in ihrer Stimme mit. Im

Schneidersitz saß sie da und hatte ihre Hände in den Schoß gelegt.Ihr Blick wanderte zum Fenster, welches im Augenblick die einzige Lichtquelle des Raumes darstellte. Die Kerzen hatt6e sie gelöscht. Im Dunkeln war es ihr im Augenblick angenehmer. Sie konnte sich darin vergraben und einschließen, so dass niemand sie mehr behelligen konnte. Das war ihr Schutz, den sie nicht so leichtfertig aufgab. „Wisst ihr? Ihr erinnert mich an meinen Bruder Velkan. Jung und unerfahren und war voller Wut, weil seine Ansichten ihn arrogant und egoistisch machen. Er merkt nicht, dass die Leute um ihn herum ihm nur einen Weg aufzeigen

wollen. Ihm Unterstützung geben. Er ist zu eitel um sie anzunehmen und vergräbt sich in sich selbst. Macht nicht denselben Fehler wie Er Mylady. Die Menschen um euch herum, sind nicht so finster wie ihr denkt. Gebt ihnen eine Chance, sie in euer Herz zu lassen, auch wenn es euch nicht leicht fällt. Sicher war es nie leicht für euch. Die Vergangenheit kann sehr weh tun. Manche Dinge lassen uns nie los. Dennoch können wir entscheiden, ob wir davor davonlaufen, oder davon lernen. Ich meine damit, dass euer Leben vielleicht im Augenblick nicht so glücklich und schön ist, wie ihr es euch erhofft, aber das macht euch nicht

aus.“ Wütend ballte die 20-Jährige die Hand zur Faust. „Ich bin nicht diejenige die ein Problem hat! Diese Welt hat eins mit mir! Sie sehen mich und denken 'Ach dieses Mädchen, dass sich nicht fügt. Sie ist so anders. Sie ist keine von uns!' Sie verurteilen mich, bevor sie mich überhaupt kennen. Deshalb bleibe ich allein!“ „Habe ich denn über euch geurteilt Mylady?“ Wenn sie ehrlich war, dann musste sie dies verneinen. Eigentlich war er immer nett gewesen und auch jetzt, tat er eigentlich nichts schlimmes, sondern

versuchte nur ihr ein wenig Trost zu spenden. Die Gedanken rotierten in ihrem Kopf. Einen Augenblick hielt sie inne, ehe sie aufstand und zur Tür schritt und sie öffnete. „Lady Leonora ich- oh äh.“ Er deutete auf ihr Nachthemd und wandte den Blick von ihr ab. „Verzeiht mir!“ Sie sah ihn ein wenig perplex an und schritt dann in den Raum, um sich ein Gewand über zu legen. „Ist schon in Ordnung. Es war ja keine Absicht. Setzt euch!“ Sie deutete auf einen Sessel, der in der Nähe ihres Bettes stand und ließ sich selbst wieder auf der Matratze nieder.

Seine Wangen waren leicht errötet. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen. Er besaß wirklich Anstand. Ein weiteres Zeichen für die gute Erziehung seines Hauses. Sonst starrten die Männer sie immer wie Raubtiere an. Er war nicht so. Sie griff zur Wasserkanne und goss ihn einen Becher ein, den er dankend annahm. Eine Weile schwieg sie einfach nur und sah sich in ihrem Zimmer um. Jetzt wo er hier war, wusste sie überhaupt nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Ihm schien das aufzufallen, denn bedächtig stellte er seinen Becher ab und sah sie mit seinen leuchtend Augen an. Eine blaue Haarsträhne legte er sich

hinter das Ohr. „Danke, dass ihr mich eingelassen habt. Ich will euch wirklich nicht lange behelligen. Die Leute machen sich Sorgen um euch. Was bedrückt euch Lady Laneema? Ihr wirkt ein wenig verloren.“ Sie spürte wie sich ihr Magen zuschnürte. Er hatte eine besondere Fassungsgabe und sah anscheinend sofort, wenn sie etwas bedrückte. Sie senkte den Kopf und seufzte. Ein mattes Lächeln zierte ihre Mundwinkel. „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber es ist wirklich in Ordnung. Ich kann damit umgehen. Macht euch keine Sorgen um mich. Im Augenblick geht es

mir vielleicht nicht so gut, aber das legt sich wieder.“ Sie versuchte vollkommen unbefangen zu wirken und legte die Hände in den Schoß. Ein Bluff, der nicht funktionierte. Oran sah sie studierend an. „Hegt ihr Kummer Mylady? Ich kenne diesen Ausdruck. Meist steckt ein gebrochenes Herz dahinter. Es geht mich wirklich nichts an, aber da ihr vielleicht meine zukünftige Schwägerin seid, bin ich um euer Wohl bemüht. Wir sind bald vielleicht eine Familie und in einer solchen hält man zusammen.“ Unfassbar! Woher konnte er das wissen? Hatte er wirklich so viel

Erfahrung, dass er sie durchschauen konnte? Oder schoss er einfach nur ins Blaue? Was es auch war, es gefiel ihr nicht, dass er in ihr las wie in einem Buch. Das bereitete ihr Unbehagen. Unsicher kratzte sie sich über den Oberarm und wandte den Blick ab. Er hatte sie voll erwischt. Leonora atmete einmal schwer aus. „Das ist nicht so einfach zu erklären, wie ihr vielleicht denkt!“ Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Die Dinge sind nie einfach. Das Leben weiß immer um eine Gelegenheit, uns auf die Probe zu stellen. Ständig findet es Herausforderungen, an denen wir wachsen können. Vielleicht ist es nicht

immer einfach, aber es gehört nun mal dazu. Das macht uns aus. Es lässt uns an Weisheit und Reife gewinnen. Es ist menschlich, dass uns manche Dinge aus der Bahn werfen. Manchmal erdrücken sie uns. Es scheint, als gäbe es weder vor, oder zurück. Doch lasst mich euch etwas sagen: Wer am Boden liegt, kann nur wieder aufstehen.“ Er lächelte und nahm einen weiteren Schluck von seinem Wasser. Sie sah ihn an. Er erinnerte sie an Arysa. Sie hatte den Mann falsch eingeschätzt. Er besaß eine ähnlich liebevolle Art und Weise. Er konnte auf die Menschen eingehen. Solch Feingefühl war ihr nur selten begegnet und wenn sie ehrlich war, ging

es ihr sogar ein wenig besser in seiner Gegenwart, auch wenn der Kummer immer noch tief saß. „Nur leider gibt es dafür keine Anleitung. Oder ich hab meine verloren! Das muss es sein. Ich versuche immer, das beste aus der Lage zu machen und doch geht alles kaputt. Egal wie sehr ich mich anstrenge. Das ist nicht fair, oder findet ihr das etwa? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn alles was ihr euch aufgebaut habt mit einem mal verschwindet? Ist das der Sinn für den die Göttin steht? Dass wir niemals etwas wirklich sicher haben, sondern es immer verlieren?“ Der Blauhaarige schüttelte den

Kopf. „Das denke ich nicht. Die Göttin behütet uns und beobachtet. Sie greift nicht ein. Wir selbst schmieden unser Schicksal. Wir sind dafür verantwortlich wohin unser Weg führt. Manchmal mag er im Dunkeln liegen, so dass wir nicht wissen, wohin wir gehen müssen, aber letztendlich, scheint am Ende aller Pfade immer ein Licht hinter dem Horizont.“ „Ihr philosophiert wohl gerne.“ Er lachte. „Es ist eine Angewohnheit. So wie ihr, wenn ihr euch kratzt wenn euch etwas unangenehm ist.“ Sie sah aus wie ein begossener

Pudel. „Macht ihr euch jetzt über mich lustig?“ „Nein. Ich versuche zu helfen und es ist schön zu sehen, dass ihr trotz des Kummers noch lächeln könnt. Das ist eine Stärke, an der ihr festhalten solltet Leonora. Lasst euch nicht von euren negativen Gefühlen bezwingen. Steht wieder auf und kämpft weiter. Ihr seid eine Kämpfernatur. Das wusste ich schon von Anfang an. Jemand wie ihr, gibt nicht einfach auf. Er sucht sich seinen Weg. Ihr werdet ihn auch wieder finden. Es braucht einfach nur ein wenig Zeit. Ihr solltet nichts überstürzen. Wenn es soweit ist, dann wisst ihr es. Dann wird auch die Freude

in euer Leben zurück kehren. Versucht nicht so streng mit euch zu sein. Wie ich schon sagte: Wir können lernen, oder davon laufen. Ihr seid niemand der davon läuft.“ Damit leerte er seinen Kelch und erhob sich langsam vom Sessel. Mit flinken Bewegungen strich er seine Gewänder wieder glatt und seufzte vergnügt. Dann wanderte er zu einem Tisch neben dem Bett und entzündete eine Kerze darauf. „In der Dunkelheit eines Herzens, ist auch immer Licht zu finden. Denkt daran. Besiegt euren Kummer. Dann werdet ihr unbezwingbar sein.“ Und so wandte der Prinz sich in Richtung der

Tür. „Und versucht etwas zu essen!“ Damit blieb sie allein zurück und sah ihm einen Moment lang nach. Das Gespräch hatte etwas wachgerüttelt, von dem sie noch nicht sicher war, was es sein konnte. Jedoch hatte Oran die Trauer in ihr zum Schweigen gebracht. Die Tränen schienen versiegt. Machten Platz, für ein warmes Lächeln, welches ihre Lippen zierte.

Das Licht in den Schatten

Teliankas – Die silberne Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 21. Stunde Laneema war eine der letzten, die nach dem Abendessen den Thronsaal verließen. Der Fasan lag ihr etwas schwer im Magen. Dennoch war sie froh, ihre Schwester wieder beim Essen zu sehen. Damit hatte wohl niemand gerechnet. Die letzten Tage hatte die jüngste der Malantris-Familie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie niemanden sehen wollte. Vielleicht war Arysa durchgedrungen. Jedenfalls war

sie froh, dass es ihr ein wenig besser ging. So schlenderte sie den Korridor entlang. Das Licht der Fackeln spendete ihr Licht. Die Abendröte des Himmels schien durch die Rundbögen in den Flur und verlieh dem ganzen ein besonderes Antlitz. Sie mochte es, Abends durch die Gärten zu spazieren und nur dem Plätschern der Brunnen zu lauschen. Auch jetzt war das ihr Ziel. Eine kühle Brise empfing die Prinzessin. Langsam ließ sie sich auf einer Marmorbank nieder und legte die Hände in den Schoß. Bis zum Wettbewerb dauerte es nicht mehr lange. Ihre Gedanken waren bei Oran. Der Prinz war wirklich ein

freundlicher Mann. Natürlich durfte sie jetzt noch nicht zu viel erwarten, aber er gab sicher einen guten Gemahl ab. Die bloße Vorstellung brachte sie zum schmunzeln. Lange blieb sie nicht allein. Ihr Blick fiel auf Lotras Rahissen, einen korpulenten Mann in beige und Brille. Sanft lächelte er, während er sich über seine Tunika strich. „Mylady. Ist es nicht ein wenig kühl? Ihr wollt euch vor dem Turnier doch nicht erkälten? Immerhin ist es ein wichtiger Anlass!“ Er ließ sich neben ihr nieder und rückte seinen Hut zurecht. Rahissen war wie Caius im Handelsgewerbe tätig.

Allerdings war er nicht so verschlagen wie sein Vertreter, sondern stets ein freundlicher Zeitgenosse. In den letzten Tagen hatte er seinen Teil geleistet, um die Vorbereitungen für den Wettbewerb voranzutreiben. Lächelnd musterte Laneema ihn. „Hier kann ich am besten nachdenken. Es muss noch so viel organisiert werden und ich bin mir nicht sicher, ob wir den Zeitplan einhalten können.“ Der Mann legte ihr eine Hand auf die Schulter und schloss einen Moment lang die Augen. „Seit unbesorgt. Ich habe die Liste der Gäste und Teilnehmer fertig gestellt. Diesbezüglich müsst ihr euch also keine

Sorgen mehr machen. Das Preisgeld ist ebenfalls beschafft. 10.000 Datros für den Gewinner. Eine stolze Summe, die so manchen angelockt hat. Prinz Velkan und sein Bruder haben schon früh ihre Teilnahme bekannt gegeben. Ich höre die Leute reden. Der jüngere gilt als Favorit, wusstet ihr das?“ Sie schüttelte den Kopf und sah ihn fragend an. Dass Oran teilnahm wusste sie. Natürlich hoffte sie, dass er in dem Wettstreit als Sieger hervorging. Sicher würde ihn das nur noch wohlwollender stimmen. Allerdings war die Konkurrenz groß. Einfach würde es für den Prinzen nicht werden. „Er mag ein Favorit sein, aber ihr

vergesst, dass auch mein Bruder und Thrassk teilnehmen. Ich würde sagen das Feld ist ausgeglichen. Sirous ist gut ausgebildet. Ich rechne ihm gute Chancen aus. Das Volk liebt ihn. Es wird sicher eine Menge Leute geben, die ihren Zuspruch bezüglich seines Sieges geben.“ Rahissen nickte. „Durchaus. Nun, wir sollten uns überraschen lassen. Es ist mit Sicherheit zu sagen, dass es nicht langweilig wird. Die drei Disziplinen sind auch schon gewählt. Der Umgang mit dem Bogen, mit dem Schwert und dem Pferd. Jeder dieser Bereiche hat sicherlich einen Favoriten. Ich hörte

Prinz Velkan sei ausgezeichnet in der Handhabung der Armbrust.“ Die Blondine nickte und strich sich das Haar aus dem Gesicht, während ihre grünen Augen ein wenig ziellos im Garten umher streiften. „Versteifen wir uns nicht auf derlei Spekulation. Der Wettbewerb dient vor allem zur Begrüßung unserer Gäste. Viel wichtiger wird der Ball am Ende des Monats sein. Viele Adelige aus dem ganzen Land haben bereits zugesagt. Es wird einer der größten Anlässe in den letzten 50 Dekaden sagt Mutter. Ich weiß nur nicht, wie wir das organisieren sollen. Ein Turnier ist etwas anderes, aber ein solches Fest? Keine Ahnung ob

wir das schaffen.“ „Seid zuversichtlich. Außerdem dauert es noch einen Monat bis es soweit ist. Ihr solltet euch jetzt nicht unnötig damit belasten, wenn noch gar kein Grund dazu besteht. Ansonsten macht ihr euch nur selbst verrückt. Konzentriert euch lieber auf den Wettbewerb und bleibt objektiv!“ Er hatte eine bestimmende Art an sich. Manchmal sah sie ihn sogar als eine Art Mentor, denn er schien immer genau zu wissen, was das richtige war, wenn andere nicht weiterwussten. Für sie waren seine Dienste unentbehrlich. Wenn jemand etwas von Organisation verstand, dann war es Lotras. Er würde

sie nicht enttäuschen. Er war zuverlässig. Am Hof arbeitete er jetzt zwanzig Jahre. Für die Familie war er unentbehrlich geworden. Ebenso wie der alte Mann Carus Darmand. Gemeinsam bildeten sie den Kern dieses Getriebes. „Ihr habt Recht. Reden wir nicht länger davon. Gibt es sonst etwas neues Ser?“ Er schüttelte den Kopf. „Nur das übliche Mylady. Die Priester scheinen ein wenig Aufruhr zu verbreiten, aber ich denke dass sich das wieder legen wird.“ „Was für einen Aufruhr?“ Er schob sich die Brille zurecht. „Nun. Ihr wisst dass sich unsere Art des Glaubens ein wenig von der des

Königreichs Niat unterscheidet. Die Geistlichen sehen die Religion als bedroht an. Laut ihrer Ansicht ist eure geplante Verbindung mit Oran eine Beleidigung der Göttin.“ Fassungslos starrte sie ihn an. „Was?! Und das sagt ihr mir jetzt erst? Bei der Göttin Lotras! Ich kann keine Priester brauchen die Unmut streuen!“ Rahissen hob beschwichtigend die Hände. „Seid unbesorgt. Nur wenige schenken dem Gehör. Es wird die Meinung des Volkes nicht ändern. Wenn es euer Gewissen beruhigt, werde ich mich darum kümmern. Zumindest solange wie unsere Gäste anwesend sind, kann ich

Pater Balaras zum Schweigen bringen. Ihr wisst ja wie er ist. Ein Mann mit Prinzipien lässt sich nicht so einfach von seinem Vorhaben abbringen, aber ich denke dass es mit den richtigen Mitteln bald wieder etwas ruhiger sein wird.“ Sie nickte. „Danke. So etwas können wir im Augenblick einfach nicht brauchen. Vielleicht sollte ich mit ihm sprechen? Haltet ihr das für eine gute Idee? Würde er auf mich hören?“ Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Nein. Ihr könnt sehr schnell hitzig werden und ich denke nicht, dass das den Eindruck vermittelt, den wir im

Augenblick benötigen. Nichts gegen Euch Mylady, aber ich halte es für angebrachter, wenn ihr einen Außenseiter zu ihm schickt, der sich von Befangenheit freisprechen kann.“ „Und wo bekommen wir so jemanden her?“ Beschwichtigend hob der Händler die Hand. „Lasst das ruhig meine Sorge sein. Ich werde Orivier schicken. Der weiß, wie er den Priester beschwichtigen kann. Seht die Geschichte als erledigt an und sorgt euch nicht weiter darum.“ Damit erhob er sich und verabschiedete sich von Laneema. Beruhigt sah sie ihm nach. Diesbezüglich konnte sie ihm

vertrauen. Die Geschichte mit Balaras war zwar bitter, aber würde sich bald in Wohlgefallen aufgelöst haben. So konnte sich die Prinzessin in Ruhe wieder ihrer Planung zuwenden, ohne sich weiter Sorgen darüber zu machen, dass ein Geistlicher sie in der Öffentlichkeit diffamierte. Nein. Von ihm würde sie sicher nichts mehr hören. Teliankas - Die gebrochene Klinge - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 19. Zyklus - 21. Stunde „Seid ihr denn des Wahnsinns?! Wie könnt ihr ein Mitglied der Armee ermorden? Denkt ihr nicht, dass das die

Aufmerksamkeit direkt auf mich zieht? Was dachtet ihr euch dabei?!“ Caius lief aufgeregt im Zimmer hin und her. Die Blondine saß ruhig in einem Sessel und hatte ihre gestiefelten Fuße auf dem Tisch abgelegt. Ein süffisantes Grinsen zierte ihre Lippen. Gerade war sie damit beschäftigt ihre neuartige Waffe zu reinigen. „Nun, sagen wir es so: Ich dachte dabei an euch und ihr solltet ein wenig dankbarer dafür sein. Sonst wäre euer ganzer Plan nämlich für die Katz gewesen. Ich habe nur getan, was getan werden musste. Und jetzt beruhigt euch wieder. Keiner wird die Spur zu euch verfolgen. Dafür werde ich sorgen. Ihr

solltet lieber die Informationen rausrücken die ich haben will! Dieser Thrassk, er scheint euch ins Visier zu nehmen.“ Der Braunhaarige zwirbelte seinen Schnurrbart und spuckte auf den Boden. „Pff. Dieser Hänfling hat mich schon immer als Bedrohung angesehen. Wahrscheinlich war er es, der diesen Soldaten auf mich ansetzte und sein Verschwinden wird ihn nur noch misstrauischer machen. Habt ihr das auch bedacht?“ Sie lachte und nahm einen Schluck Eiswasser. Den roten Überziehmantel hatte sie achtlos auf das Bett geworfen, so dass sie nur ihr schwarzes Korsett

und einen kurzen Rock trug. Die Augen des Raubtiers fixierten Caius angriffslustig. „Ihr und eure Paranoia. Sie bringt euch irgendwann um und das ist keine Vermutung mein dicker Freund, aber ich kann noch so viel reden. Auf mich hört ihr sowieso nicht. Seid ein wenig lockerer. Ich werde mich der Sache bezüglich dieses Hauptmanns annehmen. Kein Grund zur Sorge. Er wird unsere Pläne nicht weiter stören.“ Sie stellte die Flasche ab und legte die Hände gemütlich hinter den Kopf. Ein grinsen wanderte auf ihre Lippen. Dothras sah sich nicht so zuversichtlich. „Was wollt ihr damit

sagen?!“ Die junge Frau beugte sich ein wenig zu ihm vor. „Was wohl? Könnt ihr euch das nicht denken? Ich verdiene mein Geld mit Leichen. Ist euch das noch nicht aufgefallen? So räumt man Hindernisse aus dem Weg. Deshalb habt ihr mich ja auch angeheuert. Ich töte Oran Yavieren, damit ihr weiter euren Geschäften nachgehen könnt. Seht diesen Thrassk als kleinen Bonus für euch an. Je weniger Widersacher desto besser!“ Fassungslos starrte er sie an. „Seid ihr des Wahnsinns?! Er ist der Hauptmann! Der oberste des Militärs und

ihr wollt ihn einfach umbringen? Sicher. Das wird nicht auffallen.“ Sie kicherte. „Ich wusste gar nicht, dass ihr sarkastisch sein könnt. Nett. Das macht euch gleich ein wenig sympathischer. Wenn ihr jetzt noch damit aufhört so verkrampft zu sein, können wir sicher gute Freunde werden. Ihr müsst es einfach nur versuchen. So schwer ist es gar nicht. Vögelt mal öfter mit eurer Frau. Das entspannt.“ Er wurde rot vor Zorn. „Wie könnt ihr es wagen?“ Unschuldig zuckte sie mit den Schultern. „Was denn? So tickt ihr doch. Ihr fresst, sauft und fickt bis ihr umfallt!

Das macht euch aus!“ Damit stand sie auf und wanderte langsam auf ihn zu. Caius trat einen Schritt zurück. Mit der Hand fuhr sie über seine Brust und leckte sich dabei lasziv über die Lippen, ehe die eisblauen Augen sein Gesicht fanden. Er schob sie von sich fort. Sie kicherte. Ein unangenehmer Schauer lief ihm über den Rücken. Mit dieser Frau würde er niemals warm werden. Egal wie sehr er es versuchte. Ihre Art jagte ihm zu viel Angst ein. Dagegen konnte er sich nicht wehren. Besser die ganze Geschichte wurde schnell über die Bühne gebracht. Dann musste er sich nicht mehr mit ihr

befassen. „Irgendwann bringt ihr mich noch ins Grab!“ „Ach was. Das wäre doch schade. Ihr seid so ein lustiger Kerl. Ohne euch wäre es mir hier viel zu langweilig. Mit euch macht mein Auftrag erst richtig Spaß. Die anderen sind alle viel zu verbohrt, aber mit euch kann ich mich wenigstens noch etwas amüsieren. Es wäre schade, wenn ich nicht mehr auf diese Zerstreuung zurückgreifen könnte.“ Sie schritt zum Fenster und öffnete es, um eine kühle Brise in den Raum zu lassen. Eine Weile verharrte sie dort und sah nach draußen. Der Händler ließ sich

auf einem Stuhl nieder und goss sich einen Becher Wasser ein. Eine Weile schwiegen beide, ehe die Blondine wieder die Stille durchschnitt. „Meine Methoden mögen für euch vielleicht unorthodox sein, aber wir sind es, die Ordnung im Chaos der Welt darstellen. Wir glätten die Wogen dort, wo andere versagen. Wir halten alles in einer Art von Gleichgewicht. So wie auch jetzt. Tatenlos zuzusehen, wie dieses Übel einfach seinen Lauf nimmt, würde die Welt wie ihr sie kennt mit Feuer überziehen. Ohne ein Gleichgewicht versinkt alles in tiefster Dunkelheit. Wir sind das Licht in der Düsternis, die sich von der Gier der

Menschen ernährt. Gier ist es auch, die mich überhaupt erst hierher geführt hat. Warum sonst solltet ihr mich darauf ansetzen den Sohn von König Rhalys Yavieren zu töten, wenn nicht aus der Furcht davor eure Macht zu verlieren? Ihr seid wie ein Insekt, das nicht weiß wann es aufhören sollte. Ihr labt euch an dem Leid und der misslichen Lage anderer, um euer eigenes Wohlbefinden zu sichern. Ihr mögt hier noch so viel tosen, doch in Wahrheit kümmert euch der Tod dieses Soldaten zum Beispiel nicht im geringsten. Für euch ist er nur ein namenloses Gesicht das euch im Weg stand. Genau wie Thrassk euch im Weg steht. Auch wenn ihr es nicht offen

zugebt, weiß ich, ihr wünscht euch nichts sehnlicher als sein baldiges Ableben, denn wenn es jemanden gibt, der eure Machenschaften zum Scheitern verurteilen kann, dann ist er es. Davor fürchtet ihr euch. Eure Angst, alles zu verlieren ist eure größte Schwäche. Deshalb bin ich hier. Ich weise euch den Weg. Ich bin euer Licht, wenn ihr es so nennen wollt mein Freund. Zetert soviel wie ihr wollt. Am Ende, werdet ihr mir dafür danken, dass ihr weiter wie eine Made im Speck leben könnt.“ Da war sie wieder: Diese kalte Art und Weise, die ihm durch Mark und Bein ging. Schlimmer war allerdings die Tatsache, dass er rein gar nichts über sie

wusste. Keiner seiner Informanten konnte ihm etwas über diese Frau erzählen. Nicht eine Spur von irgendeiner Vergangenheit. Keine Familie oder Freunde, oder sonst jemand der sie schon einmal getroffen hatte. Es war, als sei sie ein Geist. Allgegenwärtig und doch unsichtbar. Es gab so vieles, dass er nicht wusste und so wenig, dass ihm offenbart wurde. Nicht einmal Oran, oder die anderen wussten um die wahren Hintergründe dieses Menschen. Wenn es diese wirklich gab, dann hatte Sie sie tief vergraben. Unerreichbar für jene, die versuchten ihr Mysterium zu lüften. „Ich weiß. Ihr werdet mich nicht

enttäuschen. Das habt ihr mir schon bewiesen. Versprecht mir einfach nur, dass am Ende nichts von euren Taten zu mir zurückverfolgt werden kann.“ Lächelnd wandte sie sich ihm zu und nickte. „Aber natürlich. Keine Sorge mein dicker Freund. Niemand wird euch damit in Verbindung bringen, also seid unbesorgt. Ich erfülle meinen Teil schon. Im Augenblick jedoch, brauche Ich ein paar Informationen. Natürlich kann ich jeden dahergelaufenen ausfragen, aber wenn es jemanden gibt, der mir in diesem Fall wirklich helfen kann, dann seid ihr das. Alliser Thrassk. Hinter ihm steckt mehr, als nur der

großschnäuzige Hauptmann, nicht wahr?“ Sie lehnte sich an den Sims des Fensters und stützte die Arme ab. Der Händler nahm einen Schluck aus seinem Becher und nickte. „Er ist Hauptmann der Armee, aber das wisst ihr ja schon. Er kommt aus dem Süden, soviel ich weiß. Es hat mich nie wirklich interessiert, woher genau. Irgendwo zwischen Faron und Mlion. Als ich ihn kennen lernte war er schon Mitglied der Armee. Das war noch bevor das Wildvolk aufbegehrte. Er war einer dieser arroganten jungen Kerle, die sich beweisen wollten. Der Krieg hat ihn

verändert.“ Sie grinste. „Der Krieg hat viele verändert. Die Stadt Valanat litt am meisten unter den Aufständischen. Viele verloren Hab und Gut. Ihre Familien. Sie hatten nichts mehr. Gleichzeitig schürte das den Hass auf die Königsfamilie, da diese sich offensichtlich nicht dazu imstande sah, den Konflikt schnell beizulegen. Rây'thún, der Anführer des Wildvolkes, war ein verschlagener Mann, der mehr von Strategie verstand als so manch alteingesessener im Militär. Er nutzte das Leiden des versianischen Volkes aus, um Unmut im Königreich zu verbreiten. Das Land war kurz davor in

zwei Teile zu zerbrechen. Das Wildvolk hat viel Macht erlangt. Selbst nach 13 Jahren noch waren sie eisern und verbissen in ihrer Sache.“ Der Händler hob fragend die Braue. Natürlich kannte er die Geschichte um den Krieg, aber diese Frau schien sogar noch mehr darüber zu wissen. „Und dann fand der Krieg ein Ende. Das versianische Militär gewann letztendlich und die Wilden wurden in die Wälder zurückgetrieben.“ „Das ist nicht ganz richtig. Nicht Versia besiegte den Feind. Wir. Uns ist es zu verdanken, dass Rây'thún den Tod fand und dieser Konflikt beigelegt wurde. Einmal mehr haben wir das

Gleichgewicht wieder hergestellt.“ Perplex starrte er die Attentäterin an. Eigentlich hätte er sich das denken können, aber dennoch war diese Information eine Überraschung für ihn. Seinen Informationen zufolge erlitt Rây'thún eine verheerende Niederlage vor Valanat und fand im Kampf den Tod. Wie es schien, gab es Dinge die ihm noch verborgen blieben. Sie wusste es. Sie wusste so viel. „Was wisst ihr noch darüber?“ Tadelnd hob sie den Zeigefinger. „Nicht so schnell. Ihr sollt Mir Informationen geben und nicht umgekehrt. Trotzdem: Netter Versuch.

Vielleicht erzähle ich euch irgendwann mal die ganze Geschichte. Vorausgesetzt ihr könnt sie ertragen.“ Sie setzte sich wieder in ihren Sessel und legte die Beine übereinander. Dann begann sie von neuem damit ihre Waffe zu putzen. Nachdenklich musterte Caius die Konstruktion. „Ich verstehe es immer noch nicht. Wie soll eine Metallkugel jemandem Schaden können? Habt ihr euer Gerät überhaupt schon mal ausprobiert?“ Sie legte die Waffe auf den Tisch und grinste süffisant, ehe sie sich noch einen Schluck Eiswasser gönnte. Schon beim Anblick verzog der Händler das Gesicht. Wenn die Substanz wirklich Gift

enthielt, war es ihm schleierhaft, wie es sie nicht beeinflusste. War sie überhaupt ein Mensch? Nachdenklich musterte er sie, ehe sie das Schweigen durchbrach. „Natürlich. Sie ist weitaus effizienter als alles, was sie bisher kennen. Es ist der Beginn eines neuen Zeitalters, wenn sie so wollen. Stellen sie sich das ganze zum Beispiel eine Nummer größer vor: Feuerkraft die in der Lage ist ganze Häuser niederzureißen. Vergessen sie die Ungenauigkeit von Katapulten oder Triböken. Diese Waffe entfesselt Feuer das alles verschlingt, was sich ihm in den Weg stellt.“ Interessiert musterte der pummelige Mann das Gerät. Was eine solche Waffe

anrichten konnte. Allein die Vorstellung daran. Diese Macht in den richtigen Händen konnte das gesamte Machtgleichgewicht verändern. „Gibt es diese Waffe schon?“ „Entwürfe. Ich habe sie selbst angefertigt. Es fehlt nur noch der richtige.“ Fragend hob er die Braue. „Der Richtige? Wofür?“ Sie lächelte. „Um sie richtig zu nutzen natürlich. Ein solches Gerät sollte nicht jedem offenstehen, sondern nur jene die auch damit umgehen können. Deshalb habe ich sie bis jetzt behalten. Versucht gar nicht erst zu fragen. Ihr mein lieber

Caius, so ehrenvoll ihr auch sein mögt, seid nicht die Person, die diese Pläne verdient. Freut euch trotzdem. Ihr durftet als einer der wenigen den Vorläufer sehen und lebt noch. Ein Privileg.“ „Ein sehr zweifelhaftes.“ Ihr Lachen hallte durch das Zimmer der gebrochenen Klinge. Sie klatschte in die Hände und leerte ihren Kelch. Der Alkohol schien bei ihr keinerlei Wirkung zu zeigen und wenn, dann versteckte sie es sehr gut. Einen Augenblick lang tippte sie mit den Fingernägeln auf dem Holztisch herum und seufzte anschließend. „Nun gut. Was diesen Ser Alliser angeht:

Ein heikles Hindernis. Jedoch nicht unüberwindbar. Jede Festung kann gestürmt werden, wenn man mit ihrem Bauplan vertraut ist. Er mag vielleicht der Hauptmann der Armee sein, aber Titel sind vollkommen unbedeutend. Es sind die persönlichen Fähigkeiten, die jemanden ausmachen. Der Wettbewerb wird der geeignete Zeitpunkt sein um sich dieses Ärgernisses zu entledigen, damit wir uns wieder auf unser Hauptziel konzentrieren können.“ Caius spuckte vor Schreck sein Wasser aus. „Ihr wollt Ihn auf dem Turnier töten?! Seid ihr des Wahnsinns! Der gesamte Hofstab wird da sein. Die halbe Stadt!

Wie wollt ihr in dem Geschehen einen Mann ermorden?!“ „Lasst das meine Sorge sein. Zerbrecht euch euren süßen kleinen Kopf doch nicht über solche Dinge. Ich sagte doch: Ich werde mich darum kümmern. Ich nehme selbst am Turnier teil. Das gibt mir die Möglichkeit nahe an unserem Ziel zu agieren. Jeder Wettbewerb kann manipuliert werden. Das wisst ihr sicher. Das einzige das ihr wissen müsst ist, dass euer werter Hauptmann danach nie wieder seine Finger in eure Angelegenheiten stecken wird.“ Diese Worte ließen Erleichterung in ihm aufkommen. Er wusste nicht warum,

aber er glaubte jedes Wort das sie sprach. Sie war etwas besonderes. Keiner dieser Leute, die einfach nur redeten, sondern auch Taten sprechen ließen. Selbstgefällig ließ Caius sich in seinem Sessel zurücksinken. Ein Grinsen wanderte in seinen Ausdruck. Alles lief genau nach Plan. Zuerst würden sie Alliser ausschalten, damit sie sich weiter auf Prinz Oran konzentrieren konnten. Der Ball schien noch so weit entfernt zu sein. Dothras konnte es gar nicht erwarten, diesen Mann tot zu sehen. Sein Ableben, würde die Macht der Handelsgilde weiterhin stabilisieren. Alles blieb genau wie vorher. Diese Frau war der Schlüssel

dazu. Es gab nichts, was sie nicht lösen konnte. Mit ihr, war er unbesiegbar.

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Hörbuch

Über den Autor

Thommy
Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;)

Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern zu vergleichen, oder hatten einen besonderen Kern. Es war lediglich der Wunsch das zu Papier zu bringen, was mir im Kopf rumspukte. ^^

Eine meiner ersten Geschichten war eine Art Wild-West Adaption und wohl so inspirierend wie der morgendliche Toilettengang, aber das ist es nicht was mich bei so etwas tangiert. Ich bin keiner von den Leuten denen es darum geht, was andere über das denken was er schreibt. Ich will meine Inspirationen, meine Gedanken einfach nur mit den Leuten teilen. Mir ist es wichtig dass die Leute Spaß an dem haben was ich schreibe. Ich will meine Ideen und meine Fantasien mit ihnen teilen. Das ist mir wichtig ;)

Was mich dabei inspiriert? Das kann unterschiedlich sein. Ein guter Song, von Disturbed, den Foo Fighters oder anderen wie zum Beispiel Lifehouse oder Stone Sour.
Andererseits kann es auch nur ein einfacher Gedanke, oder eine Frage sein die mir gerade durch den Kopf geht. Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin auch nicht unbedingt derjenige der in seinen Geschichten auf Action achtet, oder dass der Held am Ende das Mädchen bekommt, sondern darauf eine Welt zu zeigen die vielleicht nicht immer perfekt ist und wie die Leute in ihr mit den dortigen Begebenheiten zurecht kommen.
Ich bin auch kein Freund von "Happy End" - Geschichten, wenn ich ehrlich bin, da sie manchmal nicht der Wahrheit entsprechen. Das Leben ist eben nicht immer eine Blumenwiese über die die Leute fröhlich hinwegtänzeln, sondern bietet seine Herausforderungen und Prüfungen an denen man wächst und reift. Das versuche ich auch in meinen Stories zu zeigen und zu verdeutlichen, auch wenn es vielleicht nicht immer ganz gelingt ^^

Ansonsten gibt es eigentlich nicht viel zu sagen^^ Ich wünsche jenen Leuten die über meine Geschichten stolpern viel Spaß mit ihnen und hoffe dass sie vielleicht etwas von den Gedanken übermitteln können, die mich dazu bewogen haben sie zu schreiben.
In diesem Sinne:
Liebe Grüße,
Thommy =)

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EagleWriter Soweit mag ich die Geschichte wirklich. Jetzt muss ich nur sehen,das ich mit dem lesen hinterherkomme ^^ Na ja, wofür gibts die Lesezeichenfunktion ^^
lg
E:W
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