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Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 6-10

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"Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 6-10"
Veröffentlicht am 11. Juni 2014, 288 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;) Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern ...
Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 6-10

Chronicles of Termia - Band 1 - Kapitel 6-10

Des einen Freud, ist des Anderen Leid

Teliankas – Straße zur silbernen Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 19. Stunde Links und rechts hatte sich die Menge geteilt. Alle starrten neugierig auf die Schar von Reitern die durch die Straßen zogen und die prunkvolle Kutsche mitten unter ihnen. Trompeten und Trommeln kündigten die Ankunft der niatischen Königskinder an und waren überall in der Stadt zu hören. Prinz Oran ritt an der Spitze des Zuges. Sein blaues Haar wehte majestätisch im Wind. Er winkte den Massen zu, die ihn jubelnd begrüßten

und ihn lobpriesen. Kinder liefen lachend neben den Pferden her die ihren weg zur silbernen Feste suchten. Sogar das Wetter war einigermaßen mild. Inzwischen hatte sich der Himmel in ein sanftes rot verfärbt und bereitete den Weg für die heutige Nacht. Junge Mädchen warfen einen Blick auf Prinz Velkan, der neben seinem Bruder herritt und kicherten während sie ihm zuwinkten. Er sah sich davon allerdings eher unbeeindruckt und schenkte den Damen nicht sonderlich viel Beachtung. Er sah müde aus. Der heutige Marsch war zu viel gewesen. Er war froh dass sie nach der langen Reise endlich angekommen waren. Oran sah ihn

grinsend an. „Es scheint als hätten ein paar holde Damen bereits ihr Interesse an dir bekundet Bruderherz. Vielleicht wird dein Aufenthalt hier ja doch nicht so schlecht wie du zuvor dachtest.“ Der junge Prinz verdrehte genervt die Augen. Ihm war klar dass die Leute einen großen Trubel für sie veranstalten würden. Einerseits gefiel ihm die Aufmerksamkeit der Leute denn er wusste dass sie zum Teil auch ihm galt. Gut, größtenteils wohl seinem älteren Bruder denn er war derjenige der der Prinzessin ihre Aufwartung machen sollte und nicht er. Andererseits war das auch in Ordnung. So fiel die

Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf ihn. „Das sehen wir dann noch. Ich muss zugeben: Ein wenig neugierig bin ich sehr wohl, wobei ich nicht zu viel erwarten sollte wenn ich mir das gewöhnliche Volk so ansehe. Ich meine sieh sie dir mal an: Sie tummeln sich um uns wie Hunde die um einen Napf herum stehen.“ Im Augenblick war seine Laune sowieso nicht die beste, denn noch immer hingen seine Gedanken bei der Vision seiner Zwillingsschwester Arysa. Ständig ging er ihre Worte in seinem Kopf durch und fragte sich was sie damit gemeint haben könnte. Eine junge Blüte die erblühte. Was wohl dahinter stand? Vielleicht

könnte damit Oran und diese Prinzessin gemeint sein aber das war nichts weiter als Spekulation. Dennoch gefiel es ihm nicht denn der Rest war nicht so verheißungsvoll. Wenn das alles wirklich eintreffen sollte, dann würde bald etwas geschehen was ihnen allen sicherlich nicht gefallen würde. Er seufzte und vertrieb diese Gedanken aus seinem Inneren. Sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen war Zeitverschwendung. Er war gerade mal ein paar Minuten in der Stadt. Es war noch genügend Zeit sich um die Träume seiner Schwester zu kümmern. „Sei nicht immer so kritisch“, rügte ihn sein älterer Bruder in ruhigem

Tonfall. „Genieße doch einfach mal den Augenblick anstatt immer nur negativ von allem zu sprechen. Du wirst sehen: Dieser Monat wird dir mit Sicherheit gut tun. Du musst dich einfach nur darauf einlassen. Das ist alles.“ Velkan schüttelte daraufhin nur den Kopf. „Wenigstens einer von uns beiden sollte realistisch bleiben und den Kopf außerhalb der Wolken lassen. Es ist nur ein Besuch. Danach kehren wir alle wieder nach Hause zurück. Dahin wo wir hingehören. Sieh dir die Leute doch an. Das hier ist ganz und gar nicht unsere Welt. Sie leben nicht wie wir und

ihre Weltvorstellungen sind ein wenig...bizarr?“, erklärte er, während er dabei zusah wie ein paar Männer sich über eine junge Dame hermachten. Nein. Das hier war wirklich anders als zu Hause in Niat. Daran würde er sich wohl nicht gewöhnen, aber das musste er ja auch nicht. Immerhin war es Oran der diese Prinzessin heiraten würde, sollte es überhaupt dazu kommen und nicht er. Mit ihm hatte diese ganze Farce nichts zu tun. Er konnte sich in Ruhe zurück ziehen und die Zeit auf seine Art und Weise verbringen. Das war ihm zumindest ein Trost denn je mehr er von diesem Land sah, desto weniger Lust hatte er darauf einen Monat

hier zu verbringen. Das Lachen seines älteren Bruders riss ihn wieder aus den Gedanken während die Kolonne in die nächste Straße einbog. „Sie sind einfach lebensfroh. Ist daran etwas falsch? Ich dachte du interessierst dich für andere Kulturen kleiner Bruder.“ „Das schon, aber ist etwas anderes wenn eine Kultur dumm und unkultiviert ist. Da hausiere ich lieber mit Schweinen im Stall, als eine Sekunde länger diesen Leuten dabei zuzusehen wie sie ihre Würde in den nächsten Straßenrand pinkeln!“ Seine Schwester konnte froh darüber sein dass sie blind war, denn dann

musste sie sich das hier immerhin nicht ansehen. Die saß seelenruhig in der Kutsche und wartete darauf dass sie ihr Ziel endlich erreichten, was sie letztendlich auch taten als die beiden Brüder mit ihren Pferden durch den Torbogen in den Hof der silbernen Feste einritten. Dort standen sie alle. An erster Stelle natürlich Detharion, der König von Versia und neben ihm zu seiner linken seine Frau Sareya. Daneben die Kinder vom ältesten bis zur jüngsten. Der Beraterstab zu seiner rechten. Alle herausgeputzt wie exotische Vögel. Zumindest nach Allisers Meinung, der

ebenfalls unter dem Empfang zu finden war. Man hatte ihn mehr dazu gezwungen als dass er freiwillig hier erschienen war. Als sich die Spitze der Kolonne nährte begannen bereits die Musiker damit in ihre Instrumente zu flöten um sie zu begrüßen. Als neben ihm jemand gerade in seine Trompete blasen wollte, warf der Hauptmann ihm einen finsteren Blick zu. „Solltet ihr es wirklich wagen dieses Ding in mein Ohr zu tröten, dann schwöre ich, schiebe ich es so tief in euren Allerwertesten, dass euer Instrument niemals wieder das Tageslicht erblickt!“ Er hatte die Arme hinter dem Rücken

verschränkt und musterte in aller Ruhe die Ankommenden, die ihre eigenen Trommler und Trompetenbläser mitgebracht hatten. Anscheinend gefiel es ihnen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen. Das beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit denn auch die hiesigen Adeligen hatten ihr bestes dafür getan sich so auffällig wie möglich zu kleiden. Der König trug einen normalen blauen Wams auf dessen Brust der Greif mit Speer eingestickt war. Er hatte sich einen roten Mantel übergestreift der ihm ein wenig Wärme vor der kühlen Brise schenkte, die durch den Vorhof der Feste pfiff. Wie üblich trug er seine

goldene Krone in deren Mitte ein roter Rubin eingefasst war. Lächelnd musterte er die Kolonne mit seinen blauen Augen bevor er sich mit der Hand durch den Vollbart fuhr, der die Hälfe seines Gesichts auszumachen schien. Die Königin war ähnlich gekleidet. Auch sie trug die blauen Farben ihres Landes, wobei sie einen weißen Umhang vorzog und keine Krone trug. Das blonde Haar hing offen bis über die Schultern herab und ein warmes Lächeln zierte ihre Züge. Der Rest der Familie war ebenfalls ordentlich gekleidet um einen guten Eindruck bei den Gästen zu hinterlassen. Selbst Lady Leonora hatte man davon überzeugen können, dass es

angebracht war zu diesem Anlass ein Kleid zu tragen, wobei sie nicht sonderlich erfreut darüber zu sein schien. Es war wohl ähnlich wie bei Alliser. Sie schien ebenfalls nicht gerne an diesem Empfang teilzunehmen und er konnte sie gut verstehen. Schließlich kamen die Rösser der beiden Prinzen zum Halt. Das Pferd des Prinzen Oran war eine braune Stute mit glänzendem Fell und Blumenknospen in der Mähne. Sie wirkte ein wenig unruhig, was bei dem Lärm kein Wunder war. Solche Tiere konnten sich schnell erschrecken, wenn sie mit Dingen konfrontiert waren die sie normalerweise nicht kannten. Der

schwarze Hengst des jüngeren Bruders hatte offensichtlich weniger Probleme damit. Majestätisch stand er einfach nur da als sein Herr von ihm herab stieg und ihn tätschelte, bevor er zu der ankommenden Kutsche schritt. Der ältere stieg von der Stute hinab und wartete bis Velkan seiner Schwester aus der Kutsche geholfen hatte. Gefolgt von einem Mann in schwarzroten Gewändern die mit dem Motto der Yavieren-Familie bestickt waren. Er hatte weißes Haar und violette Augen. Sein Ausdruck wirkte freundlich und friedfertig. Langsam schritt er über den Hof auf die Anwesenden zu und verneigte sich vor

ihnen. „Eure Majestät. Zu allererst ist es mir eine Ehre eure Gastfreundschaft für den nächsten Monat in Anspruch nehmen zu dürfen. Mein Name ist Varon Xavelle. Wesir seiner Majestät. Ich hoffe dass wir in dieser Zeit die Freundschaft unser beider Länder vertiefen können. Nun möchte ich euch aber ohne weitere Umstände die Kinder meines verehrten Königs Rhalys Yavieren vorstellen. Die drei Geschwister hatten sich nun direkt neben ihm aufgestellt und ließen ihre Blicke durch die Reihen der Anwesenden streifen. Einzig bis auf Arysa die mit ihren leeren Augen zu Boden starrte. Sie wirkte ein wenig

verschüchtert und müde, tat aber ihr bestes um so anmutig wie möglich zu wirken. Velkan hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt während Oran einen Schritt nach vorne tat um sich vor den versianischen Adeligen zu zeigen. „Seine Gnaden Prinz Oran. Erster Sohn seiner Majestäten König Rhalys und Königin Malessa Yavieren. Erster seines Namens und gleichsam erster in der Thronfolge.“ Der Langhaarige verneigte sich leicht und zeigte sein wärmstes Lächeln, wobei sein Blick den Kindern von Detharion galt. Die beiden Prinzessinen verneigten sich leicht zu Begrüßung, wobei Laneema das Lächeln freundlich

erwiderte. Die Anderen schienen ebenfalls positiv beeindruckt vom Prinzen. Das war schon einmal ein guter Anfang. Als nächstes Schritt der jüngere Bruder des Prinzen nach vorne, begleitet von seiner Zwillingsschwester bevor Xavelle sich daran machte beide vorzustellen. „Prinz Velkan aus dem Hause Yavieren und seine Schwester Arysa.“ Anerkennend nickte der König und auch die anderen Anwesenden zeigten den Gästen ihr Wohlwollen. Nun schritten seine drei Kinder aus der Reihe nach vorne um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Begleitet wurden sie dabei von Carus Darmand, der wie eine

Schnecke über den Hofplatz eierte und geräuschvoll hustete. „Es ist uns eine Große Ehre die Kinder seiner Majestät Rhalys Yavieren in der Hauptstadt willkommen zu heißen. Dies sind die Kinder seiner Majestät König Detharion: Prinz Sirous. Erster Sohn und Mitglied der Rittergarde von Teliankas. Prinzessin Laneema, Zweitgeborene Tochter seiner Majestät und Lady Leonora, die jüngste Tochter seiner Gnaden.“ Die drei verneigten sich ebenfalls leicht zur Begrüßung. Prinz Orans Blick fiel sofort auf Laneema und er schien zufrieden mit ihr. Sie machte einen netten Eindruck und das war ja schon

mal etwas. Allerdings sollte man sich natürlich nicht darauf versteifen. Der Monat war lang und es gab genug Zeit die junge Dame kennen zu lernen und mehr über sie zu erfahren. Er war gespannt, denn sie hatte ihm sicherlich viel zu erzählen. Vor allem über die eigene Heimat und das war tausend Mal interessanter als solche Dinge nur durch Bücher oder Erzählungen zu erfahren. Langsam trat er nach vorne während die Männer sich daran machten die Pferde anzubinden. „Es ist mir eine Ehre euer Gast zu sein König Detharion. Mein Vater entsendet seine Grüße und ist Euch dankbar für diese Gelegenheit. Er sendet außerdem

sein Bedauern darüber, nicht persönlich hier sein zu können. Deshalb sandte er seinen engsten Berater Xavelle mit uns, damit dieser in seinem Namen spricht.“ Der König von Versia lächelte freundlich und bestimmt. Er war wirklich so wie man es gesagt hatte: Ein freundlicher Mann mittleren Alters der mit Güte über die Menschen um ihn herum herrschte. Das konnte man auch an den Anwesenden sehen. Keiner von ihnen wirkte befangen oder bedrückt. Alle machten einen zufriedenen Eindruck. Wie es schien versprach dieser Monat äußerst interessant zu werden. Es war etwas anderes in ein fremdes Land zu reisen das seine eigene Kultur und seine

eigenen Sitten hatte. Davon konnte er eine Menge lernen und mit nach Hause zurückbringen. Das hier konnte eine Bereicherung für sie alle werden.Man konnte neue Freundschaften knüpfen und die Beziehungen zueinander vertiefen sofern man dies wünschte. Ein jeder profitierte davon wenn er es wollte. So schritt letztendlich der König nach vorne um zu sprechen. „Es ist mir eine Freude euch und eure Geschwister in unserem Hause willkommen zu heißen. Im kommenden Monat seid ihr unsere Gäste, teilt Trank und Speisen mit uns und lernt hoffentlich einander besser kennen. Ich

sehe dem mit Freuden entgegen, doch nun halte ich es für das beste wenn wir uns in den Thronsaal begeben. Die Köche haben ihr Bestes getan um euch eine ausgefallene Mahlzeit präsentieren zu können.“ Damit setzte sich die Schar in Bewegung. Die Tore wurden geöffnet und gaben den Blick auf das Innere der Feste frei. Langsam strömten die Leute nach innen. Oran folgte ihnen langsam und ließ sich Zeit um das Gebäude näher zu betrachten. Die Bauweise hier war deutlich anders als zu Hause. Während man in Shisaria Wert auf einen filigranen Architekturstil legte, war hier alles Robust gebaut und strahlte eine

gewisse Stärke aus. Das Gebäude versprühte seinen ganz eigenen Charme. Die Wände waren mit Fackeln und blauen Vorhängen behangen und über den Boden erstreckten sich lange Läufer die nicht zu schienen. Ritterstatuen standen jeweils links und rechts und hielten stumm Wache. Ein aufgeregtes Plaudern hallte jetzt durch die Gänge und auch Velkan studierte die Festung aufmerksam. „Die Bauweise der Versianer ist wirklich anders. Im Band über die Architektur des Nordens gehen sie nicht wirklich gut darauf ein. Irgendwie schafft man es nicht richtig diesen Baustil einzufangen. Es ist etwas ganz anderes

ihn zeitnah zu sehen und berühren zu können. Siehst du diese Rüstungen Bruder? Die stammen sogar noch aus der 1. Ära als die Malantris-Familie nur dem normalen Hofe angehörte.“ Oran lächelte. Er war froh dass sich sein Bruder dafür begeistern konnte und für den Moment die kritische Maske abgelegt hatte. Diese Art stand ihm einfach besser und er machte einen nicht ganz so verkniffenen Eindruck. Das würde ihm sicherlich helfen hier Freunde zu finden und sich ein wenig mehr zu öffnen. Das hoffte er sehr. Jetzt allerdings galt seine Aufmerksamkeit einem Mann mit kurzem braunen Haar und Schnurrbart, der ein

zimtfarbenes Gewandt trug. Begleitet wurde er von einem etwas älteren mit dunklerem Schopf und harten Gesichtszügen. Dieser trug einen dunkelgrünen Mantel über einem Lederwams. Schwarze Handschuhe trug er und an einer Seite ruhte ein Schwert. Offensichtlich ein Mann der Rittergarde. Der Schnauzbart nickte freundlich zur Begrüßung. „Euer Gnaden. Es ist mir eine Ehre Euch kennen zu lernen. Mein Name ist Garvin Orivier. Mitglied im Beraterstab seiner Majestät. Der Mann zu meiner rechten ist Sir Esthir. Seines Zeichens Mitglied der Rittergarde im Dienste seiner Majestät. Ich hoffe eure Reise war nicht

all zu beschwerlich?“ Oran schüttelte lächelnd den Kopf und reichte den beiden Männern zur Begrüßung die Hand. Sie machten einen freundlichen Eindruck. „Mit Nichten.Es war eine angenehme Reise. Das Land ist sehr schön und hat viel für das Auge zu bieten.Es ist anders als in der Heimat wisst ihr? Es gibt weniger Ebene. Das halbe Land ist von Gebirgen bedeckt. Die Felder haben nicht viele Möglichkeiten um sich zu entfalten. Versia hingegen ist ein Schmaus für die Augen. Ihr könnt euch glücklich schätzen.“ Der Prinz sprach mit viel Begeisterung und wandte den Blick nicht von dem

Anderen ab. Es war ein angenehmes Gefühl direkt zu Beginn einen Gesprächspartner gefunden zu haben. Er hatte es sich ein wenig schwieriger vorgestellt das Eis zu brechen, aber wie es sich nun zeigte war diese Sorge vollkommen unbegründet. Orivier schien aufrichtig. Esthir war eindeutig der ruhigere von den Beiden. Mit den Händen hinter dem Rücken lief er neben den beiden her. Offensichtlich war er das Schweigen gewöhnt. Als Ritter war es eben die Aufgabe über die Leute zu wachen und nicht sie durch Konversation bei Laune zu halten. Bevor Oran auf ihn eingehen konnte hatte Garvin bereits wieder das Wort

ergriffen: „Ich war zweimal in Niat. Der Berg Eatos ist wirklich majestätisch anzusehen. Ich selbst stamme aus Ebris bevor meine Familie hierher umsiedelte. Natürlich gefällt mir Versia, aber jeder Mann ist tief mit seiner Heimat verbunden nicht wahr? Wir mögen zwar woanders leben aber unser Herz vergisst niemals woher wir wirklich stammen.“ Der Prinz nickte zustimmend. „Allerdings. Nichts überwiegt mehr als das Heimatgefühl. Und wie ist es bei Euch Sir Esthir? Ein Mann eures Ranges hat doch sicher schon eine Menge von dieser Welt gesehen nehme ich an. Stammt ihr aus der

Hauptstadt?“ Der Ritter schüttelte den Kopf und lächelte. Esthir hatte es nicht wirklich leicht mit solchen Leuten zu reden. Sie waren anders als zum Beispiel eine Leonora, mit der er offen über alles sprechen konnte. Diese Adeligen waren für seinen Geschmack immer ein wenig verkniffen. Auf sie einzugehen war schwierig. Sie hatten andere Ansichten als er, kamen aus besserem Hause und hatten eine vollkommen andere Einstellung zu der Welt an sich. Man musste immer aufpassen dass man nicht durch falsche Worte ihr Wohlwollen verspielte. Allerdings schien Oran nicht dieser Sorte anzugehören, denn er sprach

vollkommen frei heraus. Das machte es zumindest ein wenig einfacher. „Also. Wie soll ich sagen? Jeder hat da eine andere Meinung. Ich persönlich komme nicht aus der Hauptstadt nein. Meine Heimat liegt im Norden. Ihr kennt doch sicher das Königreich Armath? Ich stamme aus Eydur, einem Dorf am Fluss Gultran. Allerdings habe ich nicht lange dort gelebt. Als ich 10 Jahre alt war nahmen meine Eltern mich mit auf Reisen. Sie wollten mich immer bei sich haben damit ich möglichst viele Eindrücke von der Welt sammle. Ich war in Horas, Darkonia und letztendlich in Versia. Ich denke man ist immer dort zu Hause, wo man sich wohl fühlt.

Zumindest war das für mich immer so“,erklärte er monoton wobei er sich bemühte zumindest ein wenig ihre Stimmung einzufangen, aber das Gespräch war ihm doch ein wenig unangenehm. Zu seiner Erleichterung gesellte sich Prinz Sirous zu den Anwesenden. Er hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt und die Lust verspürt sich ebenfalls einzubinden. „Nehmt es dem alten Esthir nicht übel. Er tut sich immer ein wenig schwer wenn es darum geht mehr als zehn zusammenhängende Sätze zu bilden, aber er ist ein sehr netter Kerl und ich stimme ihm zu. Man zu Hause wo man sich wohl fühlt. Egal woher man

letztendlich stammt. Er war lange im Süden bevor er wieder in die Hauptstadt kam. Wir dachten schon er würde dort sesshaft werden, aber Esthir kehrte zu uns zurück. Unversehrt und in einem Stück.“ Er klopfte dem Ritter auf die Schulter und zog ihn etwas näher an die Gesprächsrunde heran, während sich ihre Schritte verlangsamten. Man musste sich ja nicht sofort zum Essen drängen. Eine gepflegte Unterhaltung konnte sehr Appetit anregend sein. So nickte Esthir. Oran folgte den Worten des Prinzen sehr aufmerksam und auch Orivier zeigte sich interessiert an den Ausführungen des Blonden

Mannes. „Ja das ist mir bekannt. Wie lange wart ihr im Süden? Drei Dekaden wenn ich mich nicht irre. Nur die Göttin weiß was er dort unten machte, aber es ist nichts seltenes mal länger auf Reisen zu sein. Ich selbst kenne das zur Genüge und demnächst werde ich wieder abreisen. Heute Morgen kamen drei Handelsvertreter aus Horas an. Nekomata. Ich werde einen Handelsvertrag erneuern und wohl einige Monate nicht in der Stadt sein. Dies ist also das erste und wohl für die nächste Zeit letzte Mal dass wir uns sehen Prinz Oran.“ „Oh. Ich hoffe ihr genießt die Reise

Orivier. Ich hörte die Nekomata sein ein nettes Volk. Die Sprache allerdings soll ein wenig schwierig sein.“ Der Handelsmann nickte bestimmt und Sir Esthir setzte einen wissenden Gesichtsausdruck auf. Er hatte die Vertreter am Morgen kennen gelernt. „Ich selbst beherrsche nur ein paar Wortfetzen der Sprache. Es dauert lange bis man sie wirklich gut beherrscht. Die einzigen die ich kenne, die sie beinahe flüssig sprechen sind wohl Orivier und Dumat Vaheran, ein enger Vertrauter des Königs den ihr sicher beim Abendessen noch kennen lernen werdet.“ Das Gespräch kam zum Ende, denn nun

erreichten sie den Thronsaal der Feste. Oran hielt einen Augenblick inne um den Saal in vollem Ausmaß betrachten zu können. Er erstreckte sich über drei ganze Ebenen und reichte bis zu 50 Meter in die Höhe. Auf der ersten Ebene war Platz für die Adeligen am Hof. Dort konnten sie sich versammeln und warten bis sie zum König vorgelassen wurden. Links und rechts befanden sich jeweils Korridore die zu einem anderen Teil des Gebäudes führten. Neben der Eingangspforte hingen große blaue Vorhänge die bis nach oben ragten. Daneben standen die Säulen die die oberen Balkone stützten von denen man hinab auf den Saal blicken konnte.

Abgetrennt war dieser Bereich durch ein Steingeländer in deren Mitte eine Treppe zum zweiten Areal des Thronsaals führte. Dieser war kleiner gehalten. Auf beiden Seiten standen Tische auf denen das Bankett angerichtet war. Daneben jeweils Waschbecken an denen man sich frischmachen konnte, sowie weitere Eingänge zu Korridoren. Auf der letzten Ebene standen die drei Throne. Der mittlere war hierbei der prunkvollste. Auf mehreren Stufen stehend und über seinem Haupt mit einem goldenen Greifen verziert der auf sie alle nieder blickte. Wirklich ein wunderbarer Anblick. Stumm beobachtete Oran alles während er den Anderen an den Tisch

folgte. Man wies ihm einen Platz neben Prinzessin Laneema zu. Seine Geschwister nahmen neben ihm Platz. Für den ersten Gang wurden Datteln, Wachteleier in Zitronensauße und Wein aus Horas angerichtet. Velkan schien das ganze ein wenig kritisch zu beäugen, doch wagte er sich schließlich an die Mahlzeit heran und wirkte zufrieden. Seine Schwester aß ebenfalls genüsslich. Oran probierte eine Dattel die sehr süß schmeckte. Das hier war tatsächlich anders als die würzige Küche seiner Heimat. „Schmeckt es Euch? Die Köche haben sehr viel Mühe bei der Zubereitung gezeigt. Die Wachteleier sind immer ein

Genuss!“ Laneema sprach mit lieblicher Stimme und lächelte ihn an. Der Prinz betrachtete. Sie war eine wirkliche Schönheit. Ihre Züge eben und ihre Augen ein Meer in dem man für immer versinken konnte, wenn man zu lange in ihrem Bann blieb. Sie sollte er im nächsten Monat kennen lernen. Es war gut dass er neben ihr saß, denn so konnte er die Zeit nutzen um sie ein wenig näher kennen zu lernen. Der Prinz erhob seinen Kelch und deutete in ihre Richtung.“Auf Euch Mylady und eure Köche, die gute Arbeit geleistet haben. Mir war noch nicht die Möglichkeit gegeben mich vorzustellen. Ich bin Oran

und es ist mir eine Freude euch kennen zu lernen. Ich hoffe mein früherer Besuch hat nicht all zu viele Unannehmlichkeiten bereitet. Ursprünglich war es ja gedacht dass wir morgen erst ankommen.“ Sofort schüttelte die Prinzessin den Kopf und griff ihrerseits ebenfalls nach dem Weinkelch. „Nein Nein. Es war keine Bürde, falls ihr das meint. So habe ich das Vergnügen eure Anwesenheit ein wenig länger genießen zu dürfen.“ Ihr Lächeln war wunderbar warm und sie wusste einem Mann Komplimente zu machen. Sie wirkte wohl erzogen und schien sich wirklich auf diese Begegnung

gefreut zu haben. Er selbst war zu Beginn ein wenig nervös gewesen, aber das hatte sich nun in Wohlgefallen aufgelöst, auch wenn er zugeben musste, dass sie ein wenig gezwungen und aufgesetzt wirkte. Sie wollte einen guten Eindruck machen. Das merkte man ihr sofort an. Der Prinz nahm einen Schluck aus seinem Kelch und piekste mit seiner Gabel eines der Eier auf, bevor er sich dieses in den Mund schob. Durch die Zitronensauce schmeckte es besonders angenehm und zerging leicht auf der Zunge. „Ihr schmeichelt mir sehr Mylady. Dabei bin ich derjenige der sich dankbar zeigen sollte. Immerhin bin ich derjenige

den man in euer Heim eingeladen hat. Die Festung ist sehr schön. Man spürt hier sehr viel Liebe und Gemeinschaftssinn in den Gemäuern und das kommt nicht oft vor. Die Leute sind alle sehr freundlich. Ich bin zuversichtlich was den kommenden Monat betrifft.“ Das fröhliche Lachen der Prinzessin war bis an den anderen Tisch zu hören. Das war zumindest einer der sich amüsierte. Für Alliser sah das anders aus, den für ihn hatte man einen weniger komfortablen Platz ausgewählt: Er saß in Mitten des fetten Dothras Caius der vor sich hinschmatzte und

wohl versuchte den gesamten Inhalt seines Tellers auf einmal in seinen Mund zu bekommen. Auf der anderen Seite saß Carus Darmand, der bei jedem Happen so sehr hustete, dass man Angst bekommen musste dass er erstickte. Ihm gegenüber saßen Dumat und Esthir, die offensichtlich ein wenig erheitert darüber schienen. Murrend sah der Grünhaarige auf sein Essen, von dem er nichts angerührt hatte. Ihm war der Appetit vergangen. Außerdem war der Geräuschpegel für seinen Geschmack zu hoch. Überall hörte man die Leute reden und plappern so dass er davon Kopfschmerzen bekam. Mit seiner Gabel schob er ein

Wachtelei auf dem Teller hin und her. „Ihr solltet probieren mein ehrenwerter Freund. Die Eier sind vorzüglich!“, schmatzte ihm Caius ins Ohr und in dieser Sekunde verspürte er das unwiderstehliche Verlangen ihm seine Gabel ins Gesicht zu rammen. Allerdings konnte der Hauptmann sich beherrschen und schüttelte einfach nur den Kopf. Der Dicke hatte Zitronensauce im Bart und auf der Kleidung. Was die Essmanieren anging genierte sich Dothras nicht dafür zu zeigen dass er keine besaß. Das ganze war so banal dass sogar Sir Esthir sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte und das sollte schon etwas heißen. Dumat hob seinen

Kelch um mit dem Hauptmann anzustoßen. Zumindest war es gut dass es reichlich Wein gab, denn so konnte man die Stimmung ein wenig ertragen. Thrassk hatte bereits zweimal nachgefüllt aber irgendwie wollte die Wirkung des Alkohols nicht so ganz einsetzen wie er gehofft hatte. Anders als bei Caius Frau, die bereits lauthals Kicherte und mit Arienne plapperte. Fareena saß daneben und hatte einen leichten Schwipps. Wenigstens die Damen schienen sich zu amüsieren.“Wie macht sich mein Sohn eigentlich? Er ist ja nun schon beinahe zwei Jahre in euren Diensten. Wäre eine Beförderung nicht allmählich angebracht? Immerhin

kommt es nicht oft vor einen fähigen jungen Mann in seinen Reihen zu wissen.“ Alliser sah ihn ruhig an und legte seine Gabel nieder. Einen Moment lang hielt er inne um nach den richtigen Worten zu suchen, ehe er dem Dicken antwortete. „Nun. Wie soll ich es am besten ausdrücken? Der Junge hat so viel Intelligenz wie ihr Tischmanieren. Um ganz ehrlich zu sein denke ich nicht dass man in der nächsten Zeit mit einer Beförderung rechnen darf. Er ist...ein wenig...besonders wenn ich das so sagen darf und sein Training bedarf besonderer Aufmerksamkeit.“ Neben ihm hustete Darmand wieder,

während Dumat und Esthir sich bemühten nicht lauthals loszulachen. Dothras zupfte sich allerdings nur am Schnurrbart und schien ein wenig verwirrt über diese Aussage. Der Mund stand ihm ein wenig offen, so dass man die Reste eines Wachteleis darin sehen konnte. Kein sehr anregender Anblick und Thrassk hatte das Gefühl dass sich seine letzte Mahlzeit den Weg nach draußen suchte. „Das verstehe ich nicht. Mein Iven ist doch ein guter Junge. Er ist gutaussehend und sehr talentiert. Ich hoffe ja dass Arienne irgendwann ihre Einstellung überdenkt und einer Verlobung zwischen ihm und ihrer

Tochter Fareena zustimmt. Die beiden passen so gut zueinander. Findet ihr nicht auch? Es wäre wunderbar zu sehen wie die beiden heiraten und eine Familie gründen.“ Der Hauptmann öffnete den Mund um etwas zu sagen, entschied sich dann allerdings nichts zu sagen und einfach nur zu nicken. Er war sich nicht ganz sicher ob sein Gegenüber ihn gerade verspottete oder ob er wirklich genau so dumm wie fett war. Er würde Iven höchstens befördern wenn in Versia der Sommer Einzug hielt und der Göttin sei Dank würde es nicht dazu kommen. So nahm er einen weiteren Schluck aus seinem Kelch und leerte ihn ehe er seine

Aufmerksamkeit wieder Caius zuwandte. „Ein guter Soldat wie euer Sohn ist doch sicherlich viel zu gut für eine Frau wie Fareena. Sein...Anmut kann mit ihrer Schönheit nicht bemessen werden.“ Das war zu viel. Dumat lachte laut los während Darmand in einen lauten Hustenanfall verfiel. Wütend blies Dothras seine Wangen auf wobei sich sein Gesicht rötete. Der Schnurrbart begann zu zucken so dass es beinahe aussah als würde er gleich davon flattern. Der Dicke stellte Geräuschvoll seinen Kelch auf dem Tisch ab und erhob sich. „Also wirklich! So etwas muss ich mir nicht bieten lassen! Ich werde mich über

euer Verhalten beschweren. Tut mir leid meine Herren, aber mir ist der Appetit vergangen!“ „Welch Wunder!“, entkam es Thrassk nur während Dothras fluchend aus dem Thronsaal stürzte. Erleichtert seufzte der Grünhaarige und wandte sich wieder seinem Weinkelch zu. Immerhin musste er sich jetzt nicht mehr dieses Geschmatze anhören. Zaghaft klopfte der Hauptmann dem Alten Darmand auf den Rücken, worauf dessen Husten zum Erliegen kam. Dumat wischte sich eine Träne fort. Esthir schüttelte nur lächelnd den Kopf. „ihr habt wahrlich ein gutes Talent dafür euch Freunde zu machen Alliser.

Es ist schon eine Leistung wenn Dothras den Tisch verlässt und etwas von seinem Essen übrig lässt. Allerdings hättet ihr auch ein klein wenig netter sein können. Er hat es immerhin nicht einfach. Sein Sohn ist nicht gerade der Erbe den man sich wünscht und als Mann der Handelsgilde hat er eine große Verantwortung zu tragen.“ Dumat sprach klar und offen darüber, denn er wusste dass er sich das gegenüber seines Freundes erlauben konnte. Allisers Verhalten war unangebracht gewesen und wahrscheinlich wusste der Hauptmann das auch selbst, denn er nickte kaum merklich, wenn er auch ein wenig

murrend das Gesicht verzog. Er mochte es nicht sonderlich wenn man ihn maßregelte, was aber an seinem militärischen Rang lag. Normalerweise war er derjenige der andere belehrte. Sich selbst in dieser Lage zu befinden war immer ein sehr befremdendes Gefühl für ihn. Darmand nickte zustimmend auf diese Worte und beschloss sich ebenfalls in das Gespräch einzubringen. „Ser Vaheran hat damit durchaus nicht unrecht. Außerdem müsst ihr euch im Hintergrund behalten dass Dothras ein Mann mit Einfluss ist. Es wäre unratsam sich ihn zum Feind zu machen. Er ist jemand der etwas nicht gerne auf sich

sitzen lässt. Besonders wenn es um seinen Sohn geht. Zwar versucht er den Umstand immer zu ignorieren dass Iven ein wenig einfältig ist, aber er ist sich dessen durchaus bewusst. Ich meine ihr selbst könnt das vielleicht nicht nachvollziehen. Ihr habt keine Familie um die ihr Euch sorgen müsst. Ihr steht allein. Das nächste Mal solltet ihr euch vielleicht ein wenig Zügeln wenn es um Dinge geht bei denen ihr nicht wirklich mitreden könnt.“ Dumat und Esthir starrten den Alten Mann an. Es kam nicht oft vor dass er so lange Sätze sprach ohne zu husten und zu pausieren. Vor allem solch eine Offenheit gegenüber dem Hauptmann

hätten sie ihm nicht zugetraut. Daran zeigte sich offensichtlich dass Carus schon eine Menge erlebt hatte und sich nicht von jemandem so einfach einschüchtern ließ. Sein Mut war wirklich zu bewundern. Alliser musterte den alten Mann einen Moment abwägend, ehe dieser wieder in einen keuchenden Anfall verfiel. Dann lächelte der Hauptmann resignierend. „Verzeiht mir wenn euch mein Benehmen verärgert haben sollte. Ihr habt Recht. Mein Verhalten war unverschämt und anmaßend.“ Und damit erhob er sich um den Saal zu verlassen. Er machte sich nicht die Mühe

sich von den dreien zu verabschieden. Schnellen Schrittes hatte er den Thronsaal verlassen und die Pforte hinter sich geschlossen, bevor er nachdenklich den Korridor entlang schritt. Inzwischen war es draußen dunkel geworden.Schwach schien das Licht des Mondes durch die Fenster und hüllte den Gang in einen mystischen Schein. Alliser wusste dass es keine Gute Idee war dem Empfang beizuwohnen. Was Dothras und die Anderen über ihn dachten war ihm mehr als gleichgültig. Dennoch hatten die Worte des alten Mannes wieder etwas in ihm wachgerüttelt, was er zuvor tief in sich vergraben hatte. Er hielt inne um

sich die Worte noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, ehe sich die Pforte zum Saal erneut öffnete. Fareena trat nach draußen und kam zögerlich auf ihn zu.An diesem Abend trug sie ein Samtkleid in hellem Blau. Ihr Haar war zu einem Zopf gebunden. In ihm trug sie eine Schleife. Besorgnis spiegelte sich in ihren Augen wieder. Vom Alkohol schien sie ein wenig schwummrig, aber sie brachte die Worte klar und deutlich hervor: „Ser Alliser? Ich habe den Streit mitbekommen. Ist alles in Ordnung? Ihr wirkt ein wenig betroffen. Ich hoffe ich störe euch nicht.“ Der Hauptmann schüttelte den Kopf und

lehnte sich an eines der Fenstersimse um nach draußen sehen zu können. Das Mädchen war wirklich herzensgut. Jemand wie sie war an einen Burschen wie Iven wirklich verschwendet. Er würde gar nicht zu schätzen was für eine Person sie war und sein Vater ebenso wenig. Denen ging es doch nur um ihr Ansehen. „Es ist nichts Mylady. Ich hatte nur das Verlangen ein wenig frische Luft zu schnappen. Im Saal ist es ziemlich warm und laut. Das ist nichts für mich. Daher überlasse ich es dem Adel sich zu amüsieren und ziehe mich dezent zurück. Ihr müsst nicht wegen mir auf die Gesellschaft der anderen

verzichten.“ Dabei sah er sie nicht an und versuchte dabei so unbefangen zu wirken wie möglich. Gedankenverloren sah er zum Nachthimmel hinauf. Darmand hatte Recht. Er war nicht in der Position um urteilen zu können. Er hatte keine Familie. Allerdings hatte auch nie jemand nach dem Warum gefragt. Nun gut. Er hätte auch nicht geantwortet. Das war eine Angelegenheit die nur ihn etwas anging und niemanden sonst. Solche Dinge verschloss er meist tief in seinem Innern, aber es gab manche Tage in denen sie wieder an die Oberfläche kamen. Die 13-Jährige nahm neben ihm am Fenster Platz und sah nach draußen

und ohne darüber nachzudenken, begann er zu erzählen. „Darmand hat Recht. Er stand mir nicht zu Dothras zu kritisieren oder mich über seinen Sohn lustig zu machen. Manchmal tue ich das einfach. Die Worte kommen ohne große Überlegung, aber rühren wohl daher dass ich mich zu schützen versuche. Das ist meine größte Stärke denke ich. Ich bin gut darin mich zu verstellen und meine wahren Gefühle vor anderen zu verstecken. Das ist manchmal einfacher. Auch ihr werdet diese Art noch zu schätzen wissen“,erklärte er ruhig. Sie lauschte ihm vollkommen kompromisslos. Alliser war so etwas wie

ihr Freund. Ihr Lehrer und Mentor wenn man es so nennen wollte. Ihn so befangen zu sehen war für sie ungewohnt und wenn sie ehrlich war, dann wusste sie so gut wie nichts über ihn. Er sprach nie über seine Vergangenheit und wenn sie jemanden danach fragte, konnte man ihr auch keine klare Antwort geben. Manchmal da wünschte sie sich mehr zu wissen, damit sie ihn vielleicht ein wenig besser verstehen konnte. „Eure Mutter hat euch sicher von den Aufständen des Wildvolkes erzählt nicht wahr? Das war noch vor eurer Geburt. Eigentlich lebt das Volk für sich in den Wäldern, aber die Leute fürchten sich

trotzdem vor ihnen. Es gab immer wieder Spannungen aus denen sich letztendlich ein Konflikt entwickelte. Zumindest in Versia. Hier lebt das Wildvolk in den Wäldern Galoskats. Weit im Süden. Der Zufall wollte dass es sich nahe an meiner Heimatstadt Valanat befindet. Damals war ich noch kein Hauptmann. Ich war jung und einfältig wie so manch junger Spund es nur sein kann. Ich hatte eine Frau. Levanna. Sie war mir lieb und teuer. Sie fiel den Aufständen zum Opfer als das Wildvolk Valanat überfiel. Ich habe nie wirklich mit jemandem darüber gesprochen. Ich war verloren. Also tat ich was ich am besten konnte: Ich kämpfte, rächte mich,

nutzte meinen Hass und meine Wut um das Volk zurückzutreiben, aber wenn ich ehrlich bin war ich nur wütend auf mich selbst. Ich war nicht in der Lage sie zu beschützen. Es ist meine Schuld dass es dazu kam und damit lebe ich.“ Er sprach vollkommen ruhig. Er weinte nicht und zeigte auch sonst kein Zeichen der Befangenheit. In den Jahren hatte er einfach gelernt das abzuschalten. Stärke zu zeigen und so etwas nicht mehr all zu nahe an sich heran kommen zu lassen, aber wenn er zu sich ehrlich war, tat er das nur um sich selbst zu schützen. Aus Angst wieder jemanden verlieren zu können der ihm nahe war. Er hatte es schon

damals nur schwer verkraftet und war sich nicht sicher, ob er es noch einmal könnte. Die 13-Jährige nahm seine Hand und sah weiterhin hinaus in die Nacht. „Ich will mir gar nicht vorstellen wir so etwas ist. Wenn ich daran denke dass das auch mit meiner Mutter oder dem Rest meiner Familie passieren könnte weiß ich nicht was ich tun würde. Ich wäre bestimmt nicht so stark wie ihr Ser und ich denke nicht dass ihr Schuld daran tragt. Manchmal passieren Sachen einfach ohne dass wir was dagegen tun können. Aber denken sie mal: Sie leben weiter und ich bin mir sicher dass ihre Frau sehr stolz darauf wäre dass sie wieder Kraft gefunden

haben!“ Diese Worte überraschten ihn. Sie sprach so unbefangen und mitfühlend. Das hätte er nicht gedacht. Dieses Mädchen war wirklich etwas besonderes. Jemand wie Iven hatte sie wirklich nicht verdient. Er nickte und zog seine Hand fort, ehe er sich von ihr abwandte. „Ihr solltet jetzt zum Fest zurückkehren. Ich werde noch einmal die Mauer inspizieren bevor ich mich zur Ruhe begebe. Ich wünsche euch eine gute Nacht!“ Und damit ging er. Sie blieb alleine zurück. Langsamen Schrittes ging Alliser durch den Korridor. Schweigend,

auf den Lippen ein sanftes Lächeln tragend.

Die stummen Wächter

Dorf Faron - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 19. Stunde Abermals hüpfte der runde kleine Stein über die Wasseroberfläche, bevor er schließlich an Schwung verlor und langsam im See unterging. Freia suchte sich so gleich den nächsten, nur um ihn ebenfalls hinfort zu schleudern. Elias saß am Ufer und beobachtete den abendlichen Himmel. Im Dorf war es ruhig geworden und teilweise brannten schon die Lichter in den Häusern der Dörfler, die sich langsam auf die Nacht vorbereiteten. Der Junge war jedoch

noch keineswegs müde. Ständig musste er an das denken, was am Mittag passiert war. Er fand es ungerecht dass Daron sie alle so behandelte. Als wären sie einfach nur seine Handlanger und hätten gar kein eigenes Leben. Das hatte ihn ziemlich wütend gemacht und auch Freia war von der Situation sehr frustriert. Sie hatte einige Zeit gebraucht um sich wieder zu beruhigen. Beide waren jedoch noch angeschlagen. „Darf er das denn so einfach? Ich meine wir sind doch auch Menschen! Wieso sagt keiner was dagegen und tut dann immer so als wäre gar nichts passiert? Das ist doch nicht gerecht! Der Bürgermeister darf doch mit uns nicht

tun was er will!“ Wieder flitschte sie einen Stein über das Wasser. Irgendwie musste sie sich jetzt Luft machen und da er der einzige in der Nähe war, lag es an ihm sie wieder zu beruhigen. Allerdings fiel ihm auch nicht wirklich etwas darauf ein.Es war lange her dass er seine beste Freundin so aufgelöst erlebt hatte. Sie nahm sich die Situation zu Herzen. Das konnte man ihr ansehen, denn Freia war jemand der die Dinge nicht einfach so hinnahm, sondern sie ständig hinterfragte. Da war er ganz anders, weshalb er diese Eigenschaft an ihr sehr bewunderte. Kurz musste er an die Situation im Wald denken, wobei sich seine Wangen leicht

rot färbten. Sie hatte ihn einfach geküsst. Ständig fragte er sich jetzt warum. Wahrscheinlich wollte sie ihn einfach nur ärgern. Deshalb war er auch nicht weiter darauf eingegangen. Sonst machte er sich wahrscheinlich nur wieder zum Deppen. „Naja Mückie, was soll ich sagen? Er ist eben der Bürgermeister. Der Chef von uns allen. Er hat hier das sagen und wenn man nicht spurt dann gibt es Ärger. Mir gefällt es ja auch nicht, aber was sollen wir denn machen? Die Erwachsenen sagen immer dass wir uns in ihre Angelegenheiten sowieso nicht einmischen sollten!“ Verträumt legte er den Kopf auf die Seite

ins Gras. Es stimmte ja auch. Die beiden waren beinahe noch Kinder. Wie sollten sie irgendetwas an der Situation ändern können? Sie waren machtlos dagegen. So einfach war das. „Aber ist dir denn egal was Boros mit dem armen Seristan gemacht hat? Hast du Levin gesehen? Der hat sich die Augen ausgeheult! Grausam sag ich nur. Wer lässt bitte ein Kind dabei zusehen wie sein Vater vor allen Leuten verprügelt wird? Ich dachte schon Boros schlägt ihn tot! Das ist doch nicht richtig! So darf man die Leute nicht behandeln!“ Jetzt klang sie beinahe schon so, als würde sie Ihm Vorwürfe machen, oder

irgendetwas von ihm erwarten, aber was sollte er schon tun? Er war nur ein Junge. Egal was er sagte, trotzdem konnte er nichts ändern und das machte das ganze so verfahren. In Momenten wie diesen wünschte er sich manchmal, dass er einfach älter wäre, denn dann würde man wohl auch auf ihn hören. Jedoch schien das auch nichts zu ändern. Die Erwachsenen sagten selbst nichts gegen Darons Behandlung. Sie akzeptierten es einfach wie er mit ihnen umging. Da konnte man noch so viel sagen. „Der arme Levin tat mir schon leid. Seine Mutter hat ihn lange getröstet. Seristan kann sicher eine ganze Weile

nicht sonderlich gut laufen. Ich hasse Boros dafür! Der behandelt uns wie sein Spielzeug“, entkam es dem Knaben schließlich und es stimmte: Boros Voltrin, der Leibwächter des Bürgermeisters, war für seine Grausamkeit bekannt. Er behandelte die Leute im Dorf wie dreck und scherte sich in keinster Weise darum wie sie sich fühlten. Es war ihm schlichtweg egal. Umso schlimmer war, dass ihm nie jemand Einhalt gebot. Die Leute hatten alle einfach viel zu viel Angst, genau wie Elias selbst. Dieser glatzköpfige, bärtige große Mann hatte ihm schon immer einen Schrecken eingejagt. Besser man ging ihm aus dem

Weg. „Boros tut nur was der Bürgermeister ihm sagt anstatt selber zu denken. Ihm ist es egal wie es uns geht solange der nur bezahlt wird und ein Dach über den Kopf hat. So musst du das auch sehen. Das hat mein Vater mir mal gesagt. Manche Menschen sind einfach gierig. Sie denken nur an sich selber. Ihnen ist egal was sie anderen antun. Genau so einer ist Boros! Außerdem war er mal bei der Armee, glaub ich. Also ich hab Papa darüber reden hören. Die haben ihn bestimmt rausgeworfen. Würde mich nicht wundern!“ Ihr bester Freund nickte auf diese Bemerkung. Er selbst konnte sich nicht

vorstellen dass jemand wie Boros bei der Armee war. Soldaten waren dafür da um die Leute zu beschützen und nicht um ihnen zu schaden. Warum war er überhaupt nach Faron gekommen? Das verstand der Junge nicht. Er hätte sich überall sonst niederlassen können. Es gab viele andere Städte im Land, aber nein. Er musste hier sein. Und sie mussten unter ihm leiden. „Wie auch immer. Gegen den können wir erst recht nichts machen. Hast du denn nicht gesehen was er gemacht hat? Der hat Seristan einfach umgehauen, als wäre es für ihn gar nichts. Wir sind nur Kinder. Er würde uns auslachen wenn wir ihm sagen er soll ein wenig netter zu

uns sein.“ Die 15-Jährige seufzte und ließ sich schließlich neben ihm am Ufer nieder. Zumindest schien sie sich jetzt ein wenig beruhigt zu haben und das war schon mal ein Fortschritt. Natürlich war es schwer sie gänzlich von diesen Gedanken abzulenken, denn jeden Tag geschah es aufs neue. Daron und sein Leibwächter behandelten sie wie Dreck. Sie lachten, machten ihre Witze und verletzten sie. Keiner sagte etwas dagegen. Als wäre es nicht wichtig. So hob der Junge den Kopf und sah sich um. Am Ufer war außer ihnen niemand mehr. Es war zu dunkel um auf dem

Wasser noch irgendetwas erkennen zu können. Lediglich die Lichter des Dorfes erhellten die beiden ein wenig. Von dort war noch das muntere Murmeln der Bewohner zu hören, die über das Geschehen des Tages sprachen. Seine Mutter war gerade dabei die Wäsche aufzuhängen. Freias Vater Harvin unterhielt sich dabei mit ihr. Nachdenklich beobachtete er die beiden. „Hey. Ist dir schon mal aufgefallen, dass dein Vater und meine Mutter oft miteinander reden?“ Sie sah ihn fragend an. „Ja. Und? Das sind halt die Erwachsenen. Die reden über

langweiliges Zeug. Über das Wetter, oder wie gut die Ernte war. Sowas eben. Das ist ganz normal.“ Elias sah wie seine Mutter lachte. Der Blonde tat es ebenfalls. Er wüsste zu gerne worüber sie sprachen, allerdings traute er sich nicht ihnen zu lauschen. Freia würde ihm sowieso sagen dass das Zeitverschwendung wäre. Sie war eben schon älter als er und interessierte sich für andere Sachen. Ein Gähnen entkam ihren Lippen während sie die Glieder von sich streckte. „Was meinst du denn worüber die sonst reden sollten?“ „Weiß nicht. Sie sehen aus als würden sie sich gut

mögen!“ Ein wenig perplex sah seine beste Freundin ihn an. Worauf er hinaus wollte, war ihr im ersten Moment nicht klar, bis sie sich das Puzzle selbst zusammensetzen konnte. Entrüstet starrte sie ihn an. Der Mund stand ihr halboffen. „Ist das Dein Ernst? Mein Papa und Deine Mutter?! Bestimmt nicht!“ Abwehrend hob er die Hände und lächelte. „Äh naja ich mein ja nur. Sie sind viel zusammen. Und sie lachen auch oft zusammen.“ „Das tun wir auch! Heißt das direkt dass wir miteinander

gehen?“ Er wurde rot und schüttelte den Kopf. Bei dem Gedanken daran begann sein Herz direkt schneller zu schlagen. „Äh nein. N-natürlich nicht! Ich sage ja nur dass es so aussieht.“ Mehr hatte er dazu nicht zu sagen. Irgendwie war ihm das Thema peinlich. Wieder spukte dieser Kuss in seinem Kopf herum. Wie es wohl wäre mit ihr zu gehen? Sie wäre seine Freundin und er wäre ihr Freund. Wenn sie erwachsen waren dann konnten sie heiraten. Elias wurde immer röter. Nein. Freia war nur seine beste Freundin. Wie eine Schwester. Mit ihr konnte er über alles reden. Egal was es auch war. So war es

ganz gut. Außerdem hatte sie nie etwas in diese Richtung angedeutet oder gesagt. Okay, als sie kleiner waren hatte sie immer gesagt dass sie heiraten würden wenn sie groß wären, aber da waren sie noch Kinder. Vollkommen unbeschwert. Jetzt waren sie älter und reifer. Vieles war anders. Sie war die ältere und plusterte sich manchmal mächtig deswegen auf. Auch jetzt verschränkte sie die Arme vor der Brust und seufzte. „Du hast da sowieso keine Ahnung von. Du bist ein Kind und Kinder wissen über solche Sachen nicht Bescheid.“ Er legte den Kopf schief. „Ach und du bist kein Kind mehr oder

wie? Du bist nur ein Jahr älter als ich!“ „Eben drum! Das heißt natürlich auch dass ich erwachsener bin als du Tapsie.“ Sie lehnte sich zurück und lächelte selbstgefällig. Der Knabe sah sie nur stirnrunzelnd an. In letzter Zeit benahm sie sich zu ihm häufiger so komisch. Woran das lag konnte er auch nicht sagen. Freia war eben ein Mädchen und die waren doch immer ein bisschen seltsam. Man konnte nie wissen was denen gerade im Kopf herum ging, auch wenn man tausend mal überlegte. Vor allem konnten sie ihre Meinung immer schnell ändern. Das hasste er am meisten. Irgendwie schienen sie nie zufrieden zu sein. Zumindest Freia nicht.

Egal was man für sie tat – irgendwie war es immer falsch. Darauf wurde er nicht schlau. So legte er sich ebenfalls auf den Rücken und starrte zum Nachthimmel hinauf. Man konnte den Mond klar und deutlich sehen, so wie einige Sterne um ihn herum. Ein schöner Anblick. „Sag mal Mückie? Denkst du dass wir ganz allein sind in unserem Universum? Ich mein. Es gibt so viele Sterne. Denkst du nicht dass da noch jemand lebt? Ich meine, vielleicht liegt ja gerade irgendwo jemand der sich genau dasselbe fragt.“ Sie musste lachen. Schnell hatte sich das Mädchen aufgesetzt und betrachtete

ihn kichernd. Er fand das überhaupt nicht komisch und setzte eine beleidigte Miene auf. Immer machte sie sich über ihn lustig. „Mensch Tapsie! Wie kommst du denn auf so etwas? Ich meine, wenn ich ehrlich bin hab ich nie so wirklich darüber nachgedacht. Wir leben eben hier. Woanders ist eben woanders. Ich meine, kann ja gut sein dass irgendwo ganz weit weg irgendjemand lebt. Wer weiß das schon? Ich mein man zerbricht sich ja nicht den ganzen Tag den Kopf darüber ob es irgendwo Fabelwesen vom Planeten Kucka Monga gibt!“ Skeptisch hob der Junge die Augenbrauen und setzte sich wieder auf.

Nachdenklich kratzte er sich dabei am Hinterkopf. „Was meinst du wie die aussehen? Bestimmt ganz anders als wir! Ich meine guck mal. Diese Katzenmenschen...äh...Neko...“ „Nekomata?“ „Genau Nekomata! Die sehen ja auch ganz anders aus mit ihren Ohren und dem langen Schwanz. Würd mich dann ja nicht wundern, wenn die auf deinem Planeten Kucka Monga auch so aussehen.“ Wieder kicherte das Mädchen. „Du machst dir aber auch einen Kopf um Sachen. Manchmal bist du echt

komisch!“ Er sah sie an. „Selber!“ Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust und sah zum Wasser. Er konnte hören wie sie ihm die Zunge herausstreckte und 'bäh' machte. Ein Grinsen war nur schwer zu verkneifen. Besonders bei ihr. Sie konnte ihn immer zum Lachen bringen. Wie genau sie das anstellte, hatte er auch noch nicht herausgefunden. Er wusste nur dass es sich jedes mal toll anfühlte, wenn seine beste Freundin ihn zum lachen brachte. „Komm. Du großer Held von Kucka Monga!“, erklärte sie und erhob sich.

Zaghaft und mit einem zuckersüßem Lächeln auf den Lippen, streckte sie ihm ihre Hand entgegen. Elias zog sich hoch und langsam aber sicher kehrten sie ins Dorf zurück. Es war angenehm ruhig. Nicht so laut wie tagsüber. Die Leute schienen Abends immer ein wenig entspannter zu sein. Seristan saß zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn an einem Lagerfeuer und erzählte dem Jungen eine Geschichte. Neugierig kamen die beiden Freunde hinzu um seinen Worten zu lauschen. „Und weit im Osten, wo es ganz heiß ist und es nicht mehr regnet, da leben die Goblins! Fiese Monster mit Zähnen so groß wie ein

Hammer!“ Seristan streckte beide Hände aus und tat so als wären sie Klauen, mit denen er nach seinem Sohn schnappte. Dieser entzog sich ihm lachend und ging zu seiner Mutter auf den Schoß. Rovena nahm ihren Jungen in den Arm und schüttelte lächelnd den Kopf. „Erzähl ihm doch nicht immer sowas! Nicht dass der junge noch wirr davon im Kopf wird!“ Ihr Mann lachte, während Freia und Elias am Feuer platz nahmen. Der Junge sah gedankenverloren in die Flammen, die ihm wohltuende Wärme spendeten. „Ach Schatz! Es ist doch nur eine Geschichte. Außerdem mag er so etwas.

Nicht wahr kleiner Mann? Du bist der gefürchtete Krieger der die Prinzessin vor den Goblins beschützt!“ Fragend sah sein Sohn Levin ihn an und legte den Kopf schief. Einen Zeigefinger hielt er sich dabei an die Oberlippe. „Aber wer soll denn meine Prinzessin sein?“ Sein Vater setzte einen gespielt nachdenklichen Gesichtsausdruck auf. „Hmm...Das ist eine gute Frage. Wie wäre es mit Mama?“ Sofort schüttelte das Kind den Kopf. „Aber Mama ist doch schon Deine Prinzessin! Das geht nicht Papa!“ Er lachte zufrieden und auch die beiden Jugendlichen sahen der Familie lächelnd

zu. So ein Moment zeigte, dass sie auch in schlimmen Zeiten trotzdem Spaß haben konnten. Das ganze Dorf war stark und hielt fest zusammen. Da konnte Daron tun was er wollte. Diese Gemeinschaft würde niemals zerbrechen. „Und was ist mit Freia? Die ist doch hübsch oder? Kann sie deine Prinzessin sein?“, fragte Seristan seinen Sohn, der nun länger über diese Frage nachdachte. Abwechselnd sah er zu Boden und wieder seinen Vater an. Das ging ein paar Sekunden so. Freia sah ihn nur lächelnd an und hatte die Hände in den Schoß gelegt. „Also wenn du willst, dann bin ich gerne deine Prinzessin! Du darfst nur

nicht zulassen, dass mich die Goblins aufessen!“ Inzwischen hatten sich auch andere Dorfbewohner an das Feuer gesetzt. Elias Mutter Adane saß neben Harvin und lauschte dem Ganzen. Der kleine Levin hingegen sah Freia einfach nur ein wenig verdutzt an. „Aber das geht doch auch nicht! Du kannst gar nicht meine Prinzessin sein!“, erklärte er ihr, woraufhin sie ein wenig verwirrt schien. „Warum denn nicht?“ Elias musste grinsen. „Weil Trolle keine Prinzessinen sein dürfen Mückie. Ganz einfach!“ Sie boxte ihm in die

Seite. „Blödmann!“ „Aua!“ Die Anwesenden lachten und auch Elias konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Langsam rieb er sich die Stelle die ein wenig blau wurde. Das war nicht das erste Mal dass Freia ihm eine verpasste. Die war aber sowieso schon wieder mit den Gedanken ganz woanders, denn ihre Aufmerksamkeit galt immer noch Levin. „Also. Wieso darf ich denn nicht deine Prinzessin sein?“ „Also äh naja...du bist doch schon Elias Prinzessin oder?“ Darauf sagte das Mädchen nichts mehr,

sondern setzte sich wieder hin. Elias Kopf hatte inzwischen die Farbe einer reifen versianischen Tomate angenommen und auf Harvins Feld wohl spitze ausgesehen. Sowas war ihm unangenehm. Besonders wenn keiner mehr etwas danach sagte, so wie jetzt auch. Warum musste es immer so schwierig sein? Das war schon irgendwie gemein, wenn er so darüber nachdachte. Immerhin war er ja auch nur ein ganz normaler Junge, der eigentlich niemandem etwas böses wollte, aber irgendwie geriet er immer ins Kreuzfeuer. War schon doof. „So kleiner Mann. Ab ins Bett!“, unterbrach Seristan endlich das

Schweigen. Dem Knaben fiel ein Stein vom Herzen, während der Vater seinen Sohn auf den Arm nahm. Auch die anderen erhoben sich. Mittlerweile war es wirklich etwas spät geworden. Elias fühlte sich jetzt doch ein wenig müde. Wahrscheinlich würde er direkt einschlafen, wenn er sich auf seine Strohmatte legte. „Gute Nacht! Schlaft schön!“, flötete Freia und winkte dem kleinen Levin zum Abschied zu, was dieser kichernd erwiderte, ehe er mit seinen Eltern im Haus verschwand. Adane und Harvin saßen noch ein wenig beim Feuer. Wieder beobachtete Elias die beiden, ehe ihn eine Hand

wegzog. „Hey guck mal!“ Der Junge wandte sich um. Freia deutete auf das Haus des Bürgermeisters, das schwach vom Schein des Lagerfeuers erhellt wurde. Erst wusste er nicht, worauf sie hinaus wollte, aber dann sah auch er es. Jemand war gerade aus dem Haus gekommen. Aus der Hintertür und schien penibel darauf zu achten, keinen Lärm von sich zu geben. Ein wenig irritiert beobachteten die beiden das ganze. Es war nicht zu erkennen wer das war. Allerdings war die Person zu klein um Daron oder Boros zu sein und die würden sowieso den Haupteingang

nehmen. „Vielleicht ist es die Elfe?“, fragte Elias, woraufhin sie ihm wieder in die Seite stieß und hinter das nächste Gebüsch zog. „Aua. Wofür war das denn?“ „Du bist viel zu laut. So bemerkt sie uns noch du Blödmann!“ „Entschuldige!“ Daran hätte er auch denken können, aber Freia war mal wieder viel zu schnell gewesen. Das machte sie immer und für ihn kam es dann meist so überraschend, dass er gar keine Ahnung hatte worum es eigentlich ging. Jetzt allerdings galt seine Aufmerksamkeit ganz und gar der Gestalt, die hinter dem

Haus am Zaun entlang schlich. Hinter ihr lag der See, der im Mondlicht glitzerte, doch auch dadurch konnte der Junge nichts erkennen. Kam ihm schon verdächtig vor. Warum sollte jemand sich die mühe machen nicht erwischt zu werden? Dann kam ihm eine Idee. „Hey Mückie? Denkst du es ist vielleicht Jelena?“ Sie sah ihn schulterzuckend an. „Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen? Frag sie doch!“ „Bestimmt nicht! Ich mein überleg mal! Warum sollte sich denn Nathrella verstecken? Die darf raus sooft sie will. Das ist bestimmt Darons Tochter! Sie schleicht sich

raus!“ Stumm beobachteten die beiden, wie die Person sich nun langsam auf den Rand des Waldes von Faron zubewegte. Man konnte kein einziges Geräusch von ihr hören. Sie hatte offensichtlich gut gelernt ruhig zu sein und nicht aufmerksam auf sich zu machen. Elias fragte sich natürlich, was sie zu so später Stunde noch hier machte. Irgendwie war er neugierig. So schritt er langsam hinter dem Gebüsch hervor und begann ihr mit sicherem Abstand zu folgen. „Was machst du denn da?“, rief ihm Freia leise nach, woraufhin er nur den Finger an die Lippen

legte. „Shhht. Wonach sieht das denn aus? Ich will wissen was sie hier draußen macht! Kommst du jetzt oder willst du da wurzeln schlagen?“ Wenn die Neugierde überwiegte, vergaß Elias seine Angst. Wie auch in diesem Moment, als er langsam aber stetig dem Schatten vor sich durch das Gras und das Unterholz folgte. Inzwischen hatten sie das Innere des Waldes erreicht und waren bei der Lichtung angekommen, auf der Freia ihn zuvor geküsst hatte. Es war beinahe ruhig. Nur das plätschern des Wassers vom Teich und die Zikaden waren zu hören. Ansonsten wirkte alles friedlich. Die unbekannte

Person stand nun direkt auf der Lichtung und schien nach oben in die Sterne zu sehen. Das Licht des Mondes fiel auf ihr Gesicht und offenbarte die Tochter des Bürgermeisters. „Hey! Es ist tatsächlich Jelena. Aber was macht sie hier draußen“, fragte er an Freia gewandt, die nur mit dem Kopf schüttelte und seufzte. „Woher soll ich das denn wissen?“ Behutsam beobachtete Elias das Mädchen weiter, dass nun in die Hocke ging und damit begann ein paar Pflanzen zu untersuchen. Was sie genau da machte, war ihm allerdings vollkommen schleierhaft. Hatte sie denn gar keine Angst davor erwischt zu werden? Sicher

würde das reichlich Ärger mit ihrem Vater geben, wenn er das heraus bekam. Unweigerlich musste der Junge wieder daran denken was Boros mit Seristan gemacht hatte. Ob er sie auch schlug? Wenn er ehrlich war hatte er sie noch nie von so nahe gesehen. Sie war nur ein paar Meter von ihm entfernt. Er selbst war mit Freia hinter einem Busch in Deckung gegangen. Stumm beobachtete er wie das Mädchen an der Pflanze roch und sie pflückte, ehe sie den Kopf zu den beiden wandte. „Ihr könnt ruhig rauskommen. Ich tue euch nichts!“ Elias zuckte zusammen. Freia ebenfalls. „Idiot! Du hast nicht

aufgepasst!“ „Ich? Wer runzt hier denn so rum?“ Eigentlich war es vollkommen egal wessen Schuld es war, denn nun hatte man sie entdeckt. Langsam schlüpfte der Junge aus seinem Versteck hervor. Seine beste Freundin folgte ihm sofort. Jetzt konnte er sie auch endlich richtig betrachten. Sie war etwas größer als Freia, mit blassen rosa Haaren. Die Augen waren türkisfarben. Richtig eisig. Elias konnte das Gefühl nicht beschreiben, was ihn überkam. Er hatte noch nie zuvor solche Augen gesehen. Einen kurzen Augenblick wirkte es komplett still auf der Lichtung. Sie sahen einfach nur einander an, ehe Freia

dazu schritt und dem Knaben auf den Rücken klopfte. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Anderen zu. „Entschuldigung. Wir wollten dich nicht erschrecken. Wir haben nur gesehen, wie jemand durchs Dorf geschlichen ist. Wir waren neugierig“, erklärte sie. Jelena lächelte und steckte die Plfanze die sie zuvor gepflückt hatte in einen kleinen Lederbeutel, den sie um den Hals trug. „Ist schon okay. Dabei dachte ich ich wäre leise genug. Naja, macht ja nichts. Es muss euch auch nicht leid tun“, erklärte sie langsam und zaghaft. Sie blieb auf Distanz. Vorsicht war hier wohl das oberste Gebot. Vor allem wollte

Elias sie nicht verscheuchen. Ein paar mal war das schon passiert als er sie entdeckt hatte, wie sie aus dem Fenster sah. Als sie ihn bemerkte, hatte sie immer schnell die Vorhänge zugezogen. Mal mit ihr zu sprechen hätte er nicht zu träumen gewagt und doch stand sie jetzt hier vor den beiden und tat so als wäre das vollkommen normal. Elias fasste schließlich Mut und ging einen Schritt auf das Mädchen zu. „Äh also ich bin Elias. Das hier ist Freia. Wir sind auch aus dem Dorf.“ Die Blondine schüttelte nur seufzend den Kopf und schloss die Augen. „Das weiß sie doch du Blödmann! Denkst du echt sie ist so

dämlich?“ „Oh, eh nein natürlich nicht wollte nur nett sein!“ Sie verdrehte die Augen und tat mal wieder so als wäre er der dümmste Mensch auf diesem Planeten. Wie sehr er das doch an ihr hasste. Sie musste wieder die tolle spielen. Warum musste er dabei immer derjenige sein über den man sich lustig machte? Freia konnte ruhig mal tauschen. „Freut mich sehr Elias. Ich bin Jelena. Und ich fand es nicht dämlich. Keine Sorge. Freut mich auch sehr Dich kennen zu lernen Freia.“ Wieder dieses Lächeln. Es war so seltsam. So warm. Als wäre es direkt

aus ihrer Seele gekommen. Elias wusste nicht warum, aber direkt wurde er wieder rot. Freia bemerkte das sofort und sah ihn ein wenig perplex an. Schleunigst schien sie zu versuchen das Thema auf etwas anderes zu lenken. Irgendwie schien es ihr unangenehm zu sein, mit welcher Art und Weise Jelena Elias anblickte. „Was machst du eigentlich ganz alleine hier draußen? Kriegst du denn keinen Ärger von deinem Vater?“ Die Angesprochene schüttelte den Kopf und ließ sich am Teichufer nieder. Den Beutel legte sie neben sich auf dem Boden ab. „Mein Vater und Boros haben sich

betrunken. Die schlafen längst und werden vor morgen früh nicht aufwachen und wenn dann haben Nathrella und ich ein Signal ausgemacht. Naja und was ich hier mache? Ich sammle ein paar Kräuter und mache daraus Medizin. Ein paar Salben gegen blaue Flecken.“ Elias schien darüber sehr erstaunt. „Wirklich? Und sowas kannst du?“ Jelena nickte. „Ja. Ich habe es aus einem meiner Bücher gelernt. Lesen ist eigentlich das einzige was ich mache. Oder ich schaue aus dem Fenster und sehe den Leuten zu bei dem was sie so machen. Euch habe ich auch schon oft gesehen. Ihr seid

immer zusammen. Seid ihr ein Paar?“ Beide Jugendliche sahen die Tochter des Bürgermeister an, als ob sie gerade etwas total abscheuliches getan hätte. Freia verschränkte brüskiert die Arme vor der Brust und Elias schüttelte vehement den Kopf, wobei er wieder rot anlief. Auch Freia hatte einen leichten rosa Ton im Gesicht. „ICH? Mit Der/Dem? Niemals!“ Sie klangen einander sehr überzeugt. Jelena musste Grinsen. Es war schon ein wenig niedlich die beiden so zu sehen. Das brachte sie direkt auf positive Gedanken. Vor allem, da sie nicht wusste wann sie das nächste Mal die Gelegenheit haben würde nach

draußen zu gehen. Jetzt hier zu sein war eine Seltenheit. Ihr Vater achtete normalerweise immer darauf dass sie ja im Haus blieb. Abends ließ er sogar Boros Wache halten, aber heute waren sie zu betrunken gewesen um sich um sie zu kümmern. Diesen Umstand hatte die 16-Jährige natürlich direkt ausgenutzt. Gut, vielleicht hätte so manch andere nicht die Geduld des Bürgermeisterse strapaziert, aber nachdem was heute zwischen ihr und ihm vorgefallen war, hatte sie nur um so mehr das Verlangen danach gehegt das Haus für einige Zeit zu verlassen. Sie musste den Kopf wieder

freibekommen. „Okay okay. Also nur Freunde hm? Das ist schön. Meine einzige Freundin ist Nathrella. Mehr kenne ich nicht. Sonst nur meinen Vater und Boros, aber mit denen kann ich auch nicht wirklich reden. Ist alles nicht so einfach. Seid froh dass ihr eure Eltern habt und frei für euch entscheiden dürft.“ Etwas trauriges lag in ihren Augen. Elias bemerkte es sofort und wusste woran es lag. Sie durfte nie raus wann sie wollte. Musste sich immer heraus schleichen. Das war bestimmt nicht leicht für sie. Sie war wie eine Gefangene. Anders konnte er sich diese

Situation nicht wirklich erklären. Er ballte die Hand zur Faust denn das ganze machte ihn wieder ein wenig wütend. Jedoch würde es jetzt nichts bringen sich darüber auszulassen. Vor allem wollte er Jelena nicht beunruhigen. So lächelte er sanft und ließ sich neben ihr am Ufer nieder. Freia wirkte erst ein wenig verwirrt darüber, tat es ihm dann aber gleich. „Wenn du willst, dann können wir zwei deine Freunde sein. Dann bist du nicht mehr ganz so allein.“ Perplex sah die Rosahaarige ihn an. Sie wirkte ein wenig irritiert über seine Worte und wusste erst nicht so Recht was sie sagen sollte. Der Knabe lächelte

einfach nur weiter und hielt ihr seine Hand hin. Er schien es wirklich ernst zu meinen. Freia legte ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter und nickte in ihre Richtung. Beide waren wirklich nett. Sie verstand nicht wie so jemand sie verderben könnte. Das hatte ihr Vater doch immer behauptet. Er hatte gesagt sie alle seien schlecht, aber Elias und Freia wirkten gar nicht so. Sie waren freundlich, ohne etwas dafür zu verlangen. Einfach so. Das war ihr völlig unbekannt und wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht damit umzugehen. Zögerlich hob sie die eigene Hand und ergriff die des Knaben. Sie lächelte jetzt. „Freut mich sehr. Ihr seid beide sehr

nett. Vater sagt immer dass alle Dorfbewohner schlecht sind und dass ich deshalb nicht vor die Tür darf. Er meinte das würde mich verderben, aber wenn ich euch so sehe, dann glaube ich das gar nicht. Ich möchte das nicht glauben.“ Warum denn auch? Die beiden wirkten ganz und gar nicht so als wären sie feindselig. Nein. Die hatten nichts böses im Sinn. Das wusste die 16-Jährige. Langsam erhob sie sich und reckte sich. Ihr Blick ging wieder zum Dorf hinüber. Ein wenig unwohl war ihr schon. Das letzte Mal als sie nach draußen gegangen war, hatte Boros sie erwischt. Danach hatte ihr Vater sie geschlagen

und beschimpft. Einen Monat lang durfte sie ihr Zimmer nicht verlassen. Zwar wollte sie nicht dass das wieder geschah, aber die ganze Zeit unter diesem Dach würde sie nicht aushalten. Einen Moment lang sah sie zur anderen Seite des Waldes und fragte sich, ob sie einfach davonlaufen könnte. Würde man sie suchen? Würde ihr Vater Boros losschicken damit er sie zurückbrachte? Sicher war dass sie nicht wusste, wie lange sie dieses Leben noch ertragen konnte. Den einzigen Trost schenkte ihr diese Situation hier. So unbeschwert mit den Beiden reden zu können tat ihr wirklich gut. Es war etwas anderes, als täglich immer nur dieselben Gesichter zu

sehen. „Also wir sind nicht böse“, erklärte Elias langsam. „Allerdings bin ich mir da bei Freia nicht so sicher.“ Die Antwort darauf war wieder ein Boxer in die Seite. „Aua. Siehst du was ich meine?“ Wieder lachte dieses fremde Mädchen. Sie genoss es richtig, als wäre es für sie keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Schatz den man nur ganz selten fand. Sie kostete diesen Moment förmlich aus und irgendwie stimmte dieser Anblick den Knaben froh. Warum konnte er auch nicht genau sagen. Er hatte keine Ahnung davon was für ein

Mensch sie eigentlich war. Bis jetzt war sie immer nur dieses fremde Gesicht am Fenster ihres Zimmers gewesen, das verschüchtert nach draußen in eine für sie fremde Welt geblickt hatte. Sie jetzt hier auf dieser Lichtung lachen zu sehen, war beinahe surreal. Wie konnte jemand, der solch ein Monster wie Daron zum Vater hatte, ein so lebensfroher Mensch sein? Das war seltsam. Sie war genau wie Seristan. Obwohl ihr Unrecht widerfahren war, lachte sie trotzdem und tat so als wäre alles in Ordnung. Das war eine innere Stärke die der Junge bewunderte. Die Kraft täglich neu zu schöpfen und weiter sein Leben zu leben, auch wenn

es gerade nicht so gut war. Jelena war einer dieser Menschen die nicht so leicht aufzugeben schienen. Die immer weiter vorwärts gingen, war der Weg auch noch so steinig. Ein wenig wünschte er sich, er wäre selbst so stark wie sie. Er war nicht sicher wie er sich in so einer Situation fühlen würde. Könnte er dann lachen? Könnte er so tun als wäre alles in Ordnung? Da war er sich nicht sicher. Sein Blick ging zu Freia, die ebenfalls einfach nur die Tochter des Bürgermeisters musterte. Das Mädchen hatte sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt. Ihr Blick glitt hinauf zum Himmel. Etwas träumendes

wanderte in ihre Augen. „Das ist das schönste wenn ich draußen bin. Wenn alles andere dunkel ist und still, dann liege ich manchmal einfach nur da und sehe zum Firmament hinauf. Die Sterne habe ich schon immer gemocht. Wie sie dort oben unerreichbar stehen und über uns wachen. Stumme Wächter die Zeugen von allem sind was hier passiert. Egal wie oft ich sie mir ansehe. Sie werden mir nie langweilig. Entdeckt man ein besonderes Bild, scheint es beim nächsten mal verschwunden und stattdessen ist da etwas ganz neues. Einfach atemberaubend schön. Wisst ihr was ich

meine?“ Sie sprach voller Hingabe dafür. Man konnte es in ihren Augen sehen, wie sehr sie diese einfache Tatsache faszinierte. Elias sah nun ebenfalls nach oben. So hatte er eigentlich nie darüber gedacht. Für ihn waren es einfach nur Sterne, auf denen es vielleicht noch anderes Leben gab. Dass sie gar eine Art Wächter für die Menschen sein könnten, diesen Gedanken hatte er nie. „Seht ihr den da zum Beispiel? Den der so rosa leuchtet!“ Sie zeigte zum Himmel hinauf. Elias fand den Stern sofort, denn er hatte ihn einige Male zuvor gesehen. Wie immer schien er förmlich zu funkeln und

strahlte sehr viel heller als die Sterne um ihn herum. Freia stand daneben und sah ebenfalls den Sternen zu. „Den Stern nennt man die Träne der Göttin. Vor vielen Äonen so sagt man, sind die Leute noch ganz oft aufs Meer rausgefahren, aber viele haben sich verirrt und sind entweder verschwunden oder gesunken. Darüber war die Göttin so traurig, dass sie eine einzige Träne vergoss. Diese Träne soll den Seefahrern als Licht dienen um wieder den Weg nach Hause zu finden. Manche nennen ihn auch den Wächter des Westens, weil er einfach der hellste in dieser Gegend ist. Er war schon da, als es noch gar keine Königshäuser

gegeben hat. Als die Menschen noch ganz einfach lebten. Sicher hat auch schon damals jemand zum Himmel gesehen, so wie wir jetzt und sich Gedanken darüber gemacht.“ Elias musste lächeln. Dieses Mädchen sprach ihm aus der Seele. Er dachte ähnlich wie sie über die Sterne. Nur sie schien das ganze noch viel mehr verinnerlicht zu haben als er. Sie machte sich Gedanken darum und zeigte offenes Interesse. Wie oft musste sie wohl nachts an ihrem Fenster gesessen und in die Sterne gestarrt haben? Was blieb einem eigentlich anderes, wenn man sonst nirgendwo hin konnte. Der Knabe begriff, dass diese Sterne für Jelena sehr

wichtig sein mussten. Wie Freunde, die stumm dort oben auf sie hinabsahen und sie behüteten. Etwas, woran sie jeden Tag immer wieder neue Freude finden konnte, selbst wenn die Stunde noch so dunkel war. Dieser Gedanke wärmte dem Jungen das Herz. Zwar wusste er nicht, wie es war wie sie zu leben, aber durch diese gemeinsame Leidenschaft fühlte er sich ein wenig mit ihr verbunden. Ein sanftes Lächeln war auf seine Lippen gewandert, während er sie einfach nur eine Weile musterte. „Es ist schon spät Tapsie. Wir sollten langsam nach Hause. Sonst suchen unsere Eltern noch nach uns. Ich will jedenfalls keinen Ärger bekommen oder

du etwa?“ Freias Worte hatten ihn vollkommen aus den Gedanken gerissen. Für den Moment hatte er sie einfach nicht mehr beachtet, sondern sich einfach nur auf Jelena konzentriert. Er wusste nicht was es war, aber sie hatte etwas an sich, dass die Leute ihr sofort Aufmerksamkeit schenkten. Sie war ein liebes und nettes Mädchen. Das hatte er schon bemerkt. Hoffentlich war dies nicht das letzte Treffen. Es gab so viel mehr was er lernen wollte und er war sich sicher, dass sie eine Menge zu erzählen hatte. Wie viel sie wohl über diese Welt wusste? Wahrscheinlich mehr als er selbst. Bücher konnte er nicht

lesen und schreiben ebenso wenig. Er musste sich auf Erzählungen verlassen und die waren hier immer ein wenig zweifelhaft, wenn man so manch altem Greis lauschte. „Also dann“, begann Freia und nickte zum Abschied. Sie ging schon vor, doch Elias blieb noch einen Augenblick zurück und winkte Jelena zum Abschied. „Es war sehr schön dass wir uns begegnet sind. Ich hoffe wir sehen uns wieder. Und lass dich nicht erwischen. Du bist ein guter Mensch. Daron und Boros dürfen dir nicht wehtun!“ Und damit machte der Junge kehrt. Stumm sah sie ihm nach und ließ seine Worte auf sich wirken. War sie wirklich

ein guter Mensch? Hatte er das ernst gemeint? Dies war das erste Mal, dass sie sich mit Fremden unterhalten hatte. Zuvor hatte sie die Dorfbewohner immer gemieden. Eine Zeit lang hatte sie geglaubt was ihr Vater immer erzählte, aber nach heute Abend war sie sich darüber nicht mehr so sicher. Elias und Freia waren nette Menschen. Sie waren jetzt ihre Freunde, oder nicht? Zumindest hatten sie es gesagt. Die 16-Jährige lächelte und ließ sich nach hinten ins Gras fallen. Seufzend streckte sie die Arme zum Himmel hinauf und schien ihn in den Arm nehmen zu wollen. Im Augenblick war sie einfach nur glücklich. Lag einfach

nur dort, während über die Sterne stumm ihre Wache hielten.

Die Welt, und wie ein jeder sie betrachtet

Teliankas - Kirche der Göttin 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 17. Zyklus - 7. Stund Schon früh am Morgen wurden die meisten Bewohner desr Stadt durch die schallenden Glocken der Sevaris-Kathedrale geweckt. Reisende konnten das Läuten bereits aus der Ferne hören, wenn die Stadt nur in Sichtweite war. Für Neuankömmlinge benötigte es stets eine Weile, bis sie sich an das Lied der Glocken gewöhnt hatten und selbst nach einigen Jahren gab es immer noch einige, die sich davon gestört fühlten.

Für Bauern die etwas außerhalb der Stadt lebten, war es stets wie sanfter Gesang der sie am Morgen begrüßte. Jeder hatte seine eigene Ansicht darüber. Das Gebäude war beinahe so alt wie die Stadt selbst und hatte über die Dekaden viel gesehen. Vom Zahn der Zeit deutlich gezeichnet schaffte sie es dennoch zu überdauern und galt auch noch heute als Zielpunkt für jene die der Göttin ihre Ehre erwiesen. Über den Tag verteilt strömten Tausende aus der Stadt in die Kathedrale. Ob Bewohner oder auch Reisende welche gekommen waren, um das Bauwerk zu bewundern, dass sich über die meisten Dächer der Stadt erstreckte. Nur die silberne Feste selbst

überragte sie noch. Einst war sie von Valeran Sevaris, einem Priester aus Horas errichtet worden, um den Gläubigern von Teliankas einen Ort zu geben, an dem sie selbst sich Zeit nehmen konnten, um zu beten. Immer wieder war das Gebäude erweitert und ausgebaut worden – Es wuchs zusammen mit der Hauptstadt und gehörte zu einem der wichtigsten Wahrzeichen. Hinter der Kathedrale erstreckte sich über mehrere Felder der Friedhof auf dem die Verstorbenen bestattet worden waren, um ihre letzte Ruhe im Schatten der ehrwürdigen Mauern zu finden. So war es seit jeher und wurde auch noch in den heutigen

Tagen so gehalten. Wie an jedem Morgen begannen die Leute ihren Tag damit, den Weg über die Straßen in Richtung des Händlerviertels zu nehmen, um der morgendlichen Andacht beizuwohnen. Die Glocken empfingen sie mit ihrem schallenden Lied. Leonora war eine derjenigen, die sich noch immer nicht daran gewöhnen konnte, obwohl sie in der Stadt aufgewachsen war. Schon als kleines Kind hatte sie immer geschrien, sobald man das Läuten aus der Kathedrale hören konnte. Heute tat sie das nicht mehr, was sie allerdings nicht davon

abhielt, sich auf andere Art und Weise darüber zu beschweren.Generell wirkte sie nicht gerade energiegeladen nach dem Fest am vorherigen Abend. Bis in die Morgenstunden hatte es gedauert und dennoch gebot es der Anstand dass sie jetzt zusammen mit ihren Geschwistern und den ehrenwerten Gästen aus Niat auf die Kathedrale zuschritt. Ein Urteil hatte sich die junge Prinzessin noch nicht gebildet. Vor allem da sie noch keine Gelegenheit hatte wirklich ein Wort mit den Yavieren-Geschwistern zu wechseln. Prinz Oran war die meiste Zeit in Gesellschaft ihrer Schwester Laneema geblieben, während es die Zwillinge vorzogen unter sich zu

bleiben. Arysa lief neben ihrem Bruder Velkan und hatte einen Arm bei ihm eingehakt. Sie wirkte so zerbrechlich und es schien als könnte auch nur der geringste negative Ausspruch diese zarte Gestalt zerbrechen. Deshalb war es wohl so dass der andere die ganze Zeit an ihrer Seite blieb. Bis jetzt hatte Leonora eigentlich nicht gesehen, dass er sie allein gelassen hatte. In der Öffentlichkeit wechselten die beiden kaum ein Wort miteinander. Die Nähe des jeweils anderen schien ihnen beiden eine gewisse Art von Stärke zu geben. Man konnte dieses Band beinahe sehen. Bei ihr selbst konnte die 20-Jährige aber kaum von einer guten Bindung zu ihren

Geschwistern reden. Besonders dann, wenn ihre ältere Schwester gerade dabei war dem Prinzen peinliche Kindergeschichten zu erzählen. „Und es war letztendlich so dass eine Dienerin sie im Schrank fand, wo sie sich vor unserer Großmutter versteckte, weil sie sie für einen Guhl hielt.“ Sie kicherte dabei, während der niatische Prinz allerdings nur matt lächelte. Er schien mehr auf die Umgebung konzentriert zu sein. Für sie als normale Einwohnerin war Teliankas nichts besonderes, aber für einen Gast wie ihn durfte sie sicherlich interessant wirkten. „Ah. Sehr interessant. Und wie genau

gestaltet sich der Alltag heutzutage? Abgesehen von der morgendlichen Andacht gibt es hier doch sicherlich eine Menge zu sehen und zu erleben. Die Stadt ist groß. Ich fühle mich schon jetzt dazu verleitet die Gassen zu erkunden, aber das wird wohl bis nachher warten müssen.“ Er sprach mit bedächtiger Ruhe und strahlte dabei eine gewisse Souveränität aus. In Leonoras Augen war er keiner dieser arroganten Adeligen die sich etwas auf ihre Blutlinie einbildeten. Zumindest auf den ersten Blick zu urteilen. Sein Bruder war da weniger charmant eingestellt: „Also, ich werde dich nicht suchen wenn

du dich entschließt dich irgendwo mit den hiesigen Vagabunden im Dreck zu suhlen Bruder. Allerdings scheint mir diese Kathedrale einen Blick wert zu sein. Lady Leonora? Könnt ihr etwas dazu erzählen? Bei uns gibt es leider nicht so detaillierte Aufzeichnungen über diese Stadt.“ Sie war ein wenig perplex darüber dass der Blauhaarige sie nun direkt ansprach und sich ihr zuwandte. Damit natürlich nicht nur er, sondern auch ein dutzend andere die sie begleiteten. Verdutzt starrte sie in die Leere. Melas, der sie ebenfalls begleitete lächelte und legte der jungen Frau eine Hand auf die Schulter. Sogleich fühlte sie sich ein

wenig bestärkter und räusperte sich. „Also. Eigentlich ist es so dass die Kathedrale ungefähr mit der Gründung der Stadt gebaut wurde. Das hat mir unsere ehrenwerte Schwester immer erzählt als wir noch Kinder waren. Sie war dafür da uns ein wenig Allgemeinwissen beizubringen, aber ich muss zugeben all zu viel kann ich euch leider nicht sagen.“ Velkan sah sie an. „Nicht? Vielleicht, wer sie erbaut hat, oder warum sie Sevaris-Kathedrale heißt? Ein wenig Hintergrundinformation eben. Ich meine, ihr seid immerhin ein Mitglied des Königshauses. Solltet ihr so etwas nicht eigentlich

wissen?“ „Das würde Sie, wenn meine Schwester ihren Kopf nicht ständig in den Wolken hätte. Ihr müsst wissen, dass sie eher Mannigfaltige Vorlieben hat. Etwas über unsere Geschichte und Kultur zu wissen gehört nicht gerade zu ihren Stärken“, warf Laneema letztendlich ein. Sie konnte die Wut in sich aufwallen spüren. Es war ihr eigentlich klar, dass sie in Gegenwart der Gäste für ihre Schwester das perfekte Opfer darstellte, doch hätte sie sich gewünscht sie würde es nicht die ganze Zeit tun. Gerade wollte sie den Mund öffnen, um etwas darauf zu entgegnen, als Melas sich zu Wort meldete und ihr dabei einen Blick

zuwarf, der sie zum Schweigen brachte. „Nun. Lady Leonora ist etwas Eigen. Ihr Wissen ist in anderen Bereichen zu finden, wie ihr sicherlich noch feststellen werdet Prinz Velkan. Wie dem auch sei. Zu seiner Zeit war Valeran Sevaris derjenige, der letztendlich eine treibende Kraft für den Bau der Kathedrale war. Das war während der 1. Ära, nachdem die Stämme in Versia langsam begannen sich zu größeren Gemeinden zu formen. Der Glaube der Göttin war hier schon immer präsent, aber Valeran wollte einen festen Ort errichten, an dem die Leute der Göttin huldigen können. Zuvor hatte dies immer nur bei rituellen Gesängen

und Tänzen stattgefunden. Eine wirkliche Gebetsstätte wurde erst mit dem Bau dieser Kathedrale eingeführt. Viele andere folgten danach seinem Beispiel. Man kann also sagen dass die Kathedrale die erste ihrer Art ist.“ Am liebsten wäre sie ihm in den Arm gesprungen. Allerdings hätte das wohl keinen sonderlich guten Eindruck gemacht, besonders da die Leute schon genügend redeten. Außerdem wollte sie ihre Schwester nicht vor ihrem potenziellen zukünftigen Ehemann brüskieren, so dass sie Schweigen bewahrte. Zumindest war Velkans Neugierde fürs erste befriedigt, auch wenn er sie mit einem amüsierten

Ausdruck bedachte. Sie konnte das Grinsen förmlich riechen dass er sich gerade verkniff, aber eigentlich kümmerte es sie nicht was er über sie dachte. Sie interessierte sich eben nicht für solche Dinge. Sollte Ihre Schwester mit solchen Sachen glänzen und im Mittelpunkt stehen. Das war ihr alle Male lieber. Sie erreichten den Innenhof, der mit Blumengärten und verschiedenen Bäumen gepflastert war. Riesige Statuen bewachten das große Eichentor, durch das hunderte Bürger strömten. Ein gepflasterter Pfad führte zum großen Friedhof, der sich über mehrere Felder

erstreckte.Mit einem leichten Anflug von Nostalgie betrachtete Leonora die Reihen der Gräber die sich dort erstreckten. Sie konnte sich noch gut an die Worte ihrer 'Guhl'-Großmutter erinnern, als sie mit ihr einmal diesen Weg entlang gegangen war. Damals war sie noch ein junges Kind im Alter von 7 gewesen. Da ihre Eltern meist nicht viel Zeit für die Erziehung hatten, lag diese im Schoß der alten Helena Malantris. Eine weise Frau, wenn auch ein wenig unheimlich. Die Prinzessin lächelte und sah zu dem Kirschbaum an dem sie damals gestanden und auf die Gräber gesehen hatte. 'Von hier aus wachen die Ahnen über

dich Kind. Erweise ihnen immer gebührenden Respekt', hatte sie damals gesagt. Ohnehin schien ihre Großmutter mehr Sympathie für sie als für ihre Geschwister übrig gehabt zu haben. Wenn ihre Mutter sie wegen ihres Querdenkens getadelt hatte, so war es stets Helena die sie ermutigte nicht damit aufzuhören. Ein wenig vermisste sie die alte Frau. Ihre aufmunterten Worte und ihre Bestärkung fehlten ihr dabei am meisten. In Tagen wie diesen konnte sie eine solche Aufmunterung gut gebrauchen, wenn sie an die derzeitigen Umstände dachte. Ein Seufzer entkam ihr und während die anderen bereits nach drinnen schritten

gesellte sich Prinz Oran zu ihr. „Ich hätte nicht gedacht, dass es einen solch großen Friedhof gibt. In Niat verbrennen wir unsere Toten, damit sie in den Himmel aufsteigen und näher bei der Göttin sein können. Dabei ist es ein tröstender Gedanke, einen Ort zu haben wo man den Verstorbenen Freunden und Angehörigen gedenken kann.“ Sie sah ihn fragend an. „Wieso begrabt ihr die Verstorbenen nicht?“ „Nun, wie soll ich sagen? Niat und Versia mögen sich in ein paar Dingen gleichen, aber was den Glauben angeht, gibt es ein paar feine Unterschiede. In den Augen eurer Priester ist die

Verbrennung absolut verpönt. In eurem Zweig des Glaubens ist es nicht gestattet sich auf eine Ebene mit der Göttin zu stellen, da sie die Erschafferin dieser Welt ist. Ihr unterwerft euch mehr als wir es tun. Die versianische Religion begründet sich mehr auf Unterwerfung und Furcht vor dieser Allmacht, während wir an Symbiose Glauben. Die Göttin ist keine allmächtige Zerschmetterin, wie es der Priester wahrscheinlich in der Andacht mehrmals betonen wird. Sie ist gütig. Allerdings bin ich neugierig. Ich war noch nie in einer versianischen Predigt.“ Das machte sie neugierig. Sie wusste zwar, dass die Leute aus Niat die

Religion anders zelebrierten als sie es hier taten, aber ihr Interesse war nie groß genug gewesen um das zu vertiefen. So musterte sie den Blauhaarigen fragend und wandte sich ihm zu. Er allerdings hob direkt grinsend die Hand um die aufkommende Frage abzuwehren. „Darauf begrenzt sich mein Hintergrundwissen schon. Wenn ihr wirklich mehr darüber wissen wollt, dann fragt meinen Bruder. Velkan kann euch vieles über Niat und seine Kultur erzählen. Er ist sehr wissbegierig. Das ist eine positive Eigenschaft von ihm, auch wenn er vielleicht nicht den nettesten Eindruck macht. Er besitzt

einen guten Kern. Das werdet ihr sicher noch feststellen.“ Und damit begann auch er sich ins Innere. Einen Augenblick sah sie ihm noch nach. Er wirkte wirklich sehr freundlich. Bei seinem Bruder war sie sich allerdings nicht sicher. Die Zeit würde sicherlich zeigen ob Oran Recht hatte. „Dieser Ort übt eine große Anziehungskraft aus. Man kann es fühlen Bruder. Es wirkt beinahe so, als wären die Leute magisch davon angezogen. Unfähig sich wirklich dagegen zu erwehren. Man kann die Ehrfurcht in ihren Worten hören wenn

sie hier sprechen. Auch ich fühle diese Präsenz hier Bruder. Dieses Gebäude ist ein Zeuge vieler Dinge und scheint begierig darauf seine Geschichten zu erzählen.“ Arysa sprach wie immer ruhig. Sie konnte das Fußgetrappel der Leute um sich herum hören die einen Platz suchten. Ihre Worte, die durch die Luft zur ihr getragen wurden. Alles wurde ihr hier offenbart. Dies war eines ihrer Talente. Sie musste nicht sehen um begreifen zu können. Die Augen konnten große Lügner sein wenn man sich dazu verleiten ließ sich zu sehr auf sie zu verlassen. Für die junge Prinzessin also durchaus ein Vorteil, dass sie nicht mit

der Gabe des Sehens bedacht worden war. Das brauchte sie auch nicht. Sie hatte ihre eigenen Mittel und Wege um ihre Umgebung zu erfassen.So saß sie neben ihrem Bruder wobei sie die ganze Zeit seine Hand hielt. Er war ihr Fenster, ihr Anker in dieser dunklen Welt. Schon seit ihrer Geburt. Der Pfeiler der ihr Halt gab und sie durch diese Dunkelheit führte. „Der Glaube konnte schon immer einen großen Einfluss auf die Leuten ausüben Schwester. Teilweise begründet auf Furcht. Die meisten haben sich zu sehr von den Dogmen ihrer Glaubensvorstellungen vereinnahmen lassen. Eigenes Denken und Handeln ist

ihnen hierbei kaum noch möglich. Sie sind viel zu sehr darauf fixiert es den Mächten Recht zu machen, die sie über ihre eigene Existenz stellen. Du solltest es sehen. Im Vergleich dazu ist die Loyalität zu ihrem König nichts. Sein Einfluss wie Wind. Das ist etwas was die meisten Monarchen nicht wahrhaben wollen. Mehr noch – sie ignorieren den Gedanken dass der bloße Glaube an etwas mächtiger sein könnte als sie selbst.“ Wie immer Sprach ihr Bruder einer Art von Erhabenheit in der Stimme, die den Leuten einen Schauer über den Rücken jagen konnte. Selbst in ihrer Welt der Schwärze konnte sie diese Distanz

spüren von der aus er seine Umgebung stets betrachtete. Schon immer hatte Velkan sich einen anderen Blickwinkel gewählt um seine eigene Objektivität zu bewahren. Auch hier in Versia trug er stets diese Maske der Souveränität die ohne Makel schien. Selbst ihr gegenüber legte er sie nie wirklich ab. Er trug sie wie eine Rüstung und manchmal machte es ihr Angst nicht wirklich sehen zu können, was sich darunter verbarg. Anders als bei Anderen konnte sie nicht in ihm lesen, oder wirklich deuten was in ihm vorging. Sonst erkannte Arysa immer sehr schnell, was die Leute um sie herum tief in ihrem Herzen verbargen. Dies war eine ihrer

Fähigkeiten und obwohl sie und ihr Bruder ein enges Band teilen schien er vollkommen immun dagegen. Unantastbar wie ein Berg den man niemals in die Knie zwingen konnte. „Dieser ganze Ort ist...seltsam. Seitdem ich diese Vision hatte war ich mir sicher, dass es etwas mit uns und unserem Bruder zu tun haben könnte. Ich sorge mich um Oran.“ Er ergriff ihre Hand. Sie konnte seine Wärme fühlen, was dafür sorgte, dass sie sich gleich etwas sicherer fühlte. „Sei unbesorgt. Es war nur ein Traum. Ihm geht es Bestens, auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, was seine potenzielle Ehefrau betrifft. Sie ist von

sich selbst ziemlich eingenommen. Es hat sie nicht einmal gestört ihre eigene Schwester zu diffamieren um das Wohlwollen unseres Bruders zu gewinnen. Allerdings werde ich mir kein Urteil bilden. Hoffen wir einfach dass dies nur ein Ausrutscher war. Ich würde es ungern sehen dass Oran sein Herz an Jemanden verschenkt, dessen Blick nur nach innen gerichtet ist.“ Seine Schwester nickte, denn auch sie hatte die Situation mitbekommen. Prinzessin Laneema hatte keine Anstalten gemacht um ihrer Schwester positive Worte zukommen zu lassen. Auch hatte sie ihr nicht beigestanden als sie keine wirklichen Antworten auf die

Fragen ihres Bruders wusste. Er hätte ihr sicher beigestanden, hätte sie selbst sich in dieser Lage befunden. Er hätte nicht zugelassen dass sie hilflos war. „Ihre Schwester scheint ein guter Mensch zu sein“, erklärte die Blinde schließlich und senkte leicht den Kopf. Der Priester hatte inzwischen mit seiner Predigt begonnen so dass sie ihre Stimme zu einem Flüstern gesenkt hatte. Bis auf ihn war es beinahe vollkommen Still in der Kathedrale. Nur vereinzelt konnte sie hören, wie jemand tuschelte. „Sein wir nicht zu vorschnell. Ich bin mir bezüglich dieser Adelsfamilie unsicher. Von Prinz Sirous sieht oder hört man kaum etwas. Er bewegt sich

durch die Feste wie ein Geist. Seine militärischen Pflichten sind ihm wichtiger als seine Familie, oder die Aufgaben die mit seinem eigenen Adelsstand verbunden wären. Prinzessin Leonora ist ihm sehr ähnlich, wenngleich sie durchaus diszipliniert ist und sich an die Regeln hält die man ihr auferlegt, wenn auch widerwillig. Sie bewegt sich wie ein Soldat, nicht wie eine Lady. Das kann man an ihrem Gang sehen. Daran wie sie sich vor einem aufbaut, wenn sie sich unterhält. Da ist nichts von der filigranen Bewegung einer Prinzessin. Wie gesagt: Sein wir dennoch nicht zu vorschnell mit unseren Urteilen. Wir sind einen Tag hier und

haben einen Bruchteil von diesem Ort erlebt. Man kann nicht sagen, was uns noch erwartet.“ Wahre Worte. Ihre Mutter pflegte stets zu sagen dass man ein Buch niemals nach seinem Einband beurteilen sollte und genau dasselbe tat man mit den Leuten, denen man in seinem Leben begegnete. Eine zu schnell gefällte Meinung konnte rasch wieder über den Haufen geworfen werden, wenn man sich nicht die Zeit gönnte um jede Facette genaustens zu studieren. Das war eine Eigenart die ihr Zwillingsbruder Velkan stets zu einem seiner Grundprinzipien gewählt hatte. Zwar gab er sich in der Öffentlichkeit

als bissig und allseits feindlich, doch war dies nur seine Art und Weise um sich ob einer Situation genügend Distanz zu schaffen um diese genaustens zu analysieren. Wieder kam die Maske zum Einsatz die er wie einen Schild immer mit sich trug. Einen Mechanismus den sie selbst nicht benötigte. Sie konnte anhand der Stimme, der Atmung oder des Herzschlags einer Person feststellen wie sie war. Ob sie ruhig sprach, was auf eine sanfte Seele hinwies oder laut und herrisch, was eher das Gegenteil bedeutete. Nach außen hin konnte sich jeder verstellen, aber das Innere einer Person log

niemals. Trotzdem sprach Er die Wahrheit. Es war zu früh um sich wirklich ein endgültiges Urteil zu bilden. So verharrte die 18-Jährige in ihrer Position. Um sie herum konnte sie hören, wie sich die Leute langsam erhoben. Nun war es beinahe vollkommen Still geworden. Der Geruch von Kerzenwachs drang ihr in die Nase und sie konnte ihre Wärme spüren. In der Kathedrale musste es viele davon geben. In Niat entzündeten sie ein Licht wenn jemand gestorben war und er verbrannt wurde, damit er den Weg zur Göttin fand. Hier wurde dem keine Bedeutung

beigemessen. Diese Leute hatten andere Ansichten des Glaubens. Sie waren fanatischer und trotzdem konnte die Blinde diese Herzlichkeit fühlen, die die Bewohner hier umgab. Der Glaube konnte einem Kraft geben. Das war ein unumstößliches Gesetz. So lauschte die junge Frau langsam und bedächtig während die Anwesenden zu singen begannen. Die Worte erklangen in der alten Sprache, die noch zu Zeiten der 1. Ära gesprochen wurden. So wurde es stets gehalten. Auch in ihrer Heimat. Wieder eine dieser kleinen Gemeinsamkeiten die sie verband. Ihr Bruder konnte sie nicht sehen und wenn dann ignorierte er sie einfach. Nun gut,

sie konnte nicht abstreiten dass dieses Land auf sie ein wenig befremdlich wirkte, aber sie war bereit sich den Leuten hier gegenüber zu öffnen und ihnen eine Chance zu geben. Allein schon Oran zuliebe, denn ihr älterer Bruder war auf dem Weg dieses Land vielleicht zu seiner Heimat zu machen. Innerlich wünschte sie sich dass er mit Prinzessin Laneema sein Glück fand. Er wäre der erste in der Familie. Dabei zählte es nicht was für Vorteile diese Ehe vielleicht bringen könnte, oder ob jemand sonst in irgendeiner Art und Weise davon profitierte. Arysa war nicht einer dieser Menschen der an sich selbst dachte. Stets war sie darum

bedacht den Leuten um sich herum gutes zu tun. Ihnen zu helfen und sie vielleicht ein Stück weit glücklicher zu machen. So endete die Andacht nach beinahe zwei Stunden und die Leute strömten langsam wieder hinaus. Die Blinde hielt ihren Bruder wie immer bei der Hand damit er sie führte, doch schien das Schicksal es in diesem Augenblick zu wollen, dass sie ihn im Gedränge verlor. Unweigerlich wurde sie mit nach draußen geschoben. „Velkan?“ Sie hatte ihn verloren. Auch draußen war von ihrem Zwilling keine Spur. Wenn er nach ihr suchte würde es sicher

nicht lange dauern bis er sie fand. Dennoch war es ihr unbehaglich. Sie schob sich langsam aus der Menge hinaus, nicht wissend wohin. Sie war nervös und hatte ein wenig Angst. Es wirkte wie ein Strom der sie von den bekannten Dingen fortzog und sie der Ungewissheit übergab. Bedächtig bewegte sie sich fort von den Leuten. Verlies den steinernen Pfad und trat auf weiches Gras. Der wohlige Duft aus Blumen und Wachs verwandelte sich in etwas anderes. Sie brauchte einen Moment ehe sie begriff. Sie kannte diesen Geruch genau: So rochen jene die gestorben waren. Da man ihre Toten zu Hause verbrannte, war es ungewohnt,

aber dennoch nicht gänzlich unbekannt. Der Geruch des Todes. Sie musste sich nun nahe des Friedhofs befinden. Velkan hatte ihr davon erzählt. Tausende Gräber erstreckten sich über Wiesen hinweg. Ein etwas unangenehmer Gedanke. Inmitten einer Stadt blühenden Lebens hatte man dem Tod einen Hain errichtet. Zaghaft tastete die junge Frau sich nach vorne, streckte dabei die Arme aus. Die Masse entfernte sich langsam um sich wieder in der riesigen Stadt um sie herum zu ergießen. Etwas Ruhe kehrte ein. Jemand nährte sich ihr, doch war es nicht der gesuchte Zwillingsbruder. Ihn hätte die junge Frau direkt an seinen Schritten

erkannt. „Lady Arysa? Ist alles in Ordnung. Ihr wirktet ein wenig verloren und wart dabei auf den Friedhof zu laufen. Wo ist euer Bruder?“ Es war Lady Leonora, die sie sogleich an der Hand fasste. Arysa lächelte. Immerhin hatte sie jemand gefunden. Ansonsten hätte sie wohl Stunden gebraucht um den Weg in die silberne Feste zurück zu finden. Die jüngste der Malantris war in diesem Augenblick ein ihr willkommener Segen. „Wir verloren einander in der Menge. Ich glaube er ist schon vorgegangen, aber das ist nicht schlimm. Ihr habt

mich gefunden und das genügt für den Moment. Außerdem kann ich so ein wenig mehr von diesem Ort erkunden. Dieser Friedhof, wie groß ist er?“ Das interessierte sie ja schon. Schon der Umstand dass diese Leute ihre Toten begruben war absonderlich, aber gleichzeitig auch sehr interessant. Es gab noch eine Menge über diese Kultur zu lernen. Das wusste sie. Und sie konnte den Moment nutzen, um junge Prinzessin ein wenig näher kennen zu lernen. Immerhin würde sie einen ganzen Monat hier verbringen und da war es gut ein paar Freundschaften zu schließen, wenngleich sie auch noch nicht wusste ob sie sich mit Leonora

verstand. „Naja. Er ist schon groß. Er nimmt einen großen Teil des Viertels ein und es ist nicht so als würde er nicht stetig weiter wachsen. Euer Bruder, Oran, sagte mir dass ihr eure Toten nicht wie wir begrabt. Ich will nichts dagegen sagen, aber ist das nicht so endgültig? Ich meine, habt ihr nicht manchmal auch den Wunsch mit jemandem reden zu können, der eigentlich nicht mehr da ist? Das tun wir, auch wenn es in euren Ohren vielleicht ein wenig banal klingen mag, aber es gibt uns ein sicheres Gefühl zu wissen, dass wir einen Ort haben an den wir gehen und unsere Vorfahren um Rat bitten

können.“ Die beiden Frauen setzten sich in Bewegung. Die Blondine führte die Blinde langsam über die Hügelgräber, wobei ihr eine leichte Brise durch das Haar wehte. Das heutige Wetter war angenehmer als es am Vortag der Fall gewesen war. Nur wenige Wolken hingen am grauen Himmel über Teliankas. Es war eine willkommene Abwechslung im Gegensatz zu den ständigen Regenfällen. So blickte sie einen Moment gedankenverloren über die Gräber hinab, hinter denen sich der Fluss Felon entlang durch die Stadt zog. Es hatte etwas idyllisches an sich. Eigentlich war es schade, dass Arysa

diesen Moment nicht in dieser Art und Weise auskosten konnte. Wie das wohl sein musste nichts zu sehen? Sie traute sich nicht zu fragen. Es kam ihr unverschämt vor. So wartete sie, bis die Blauhaarige wieder das Wort ergriff. „Das mag sein, aber man muss es so sehen: Man verabschiedet sich nie richtig. Man lässt nicht los denn in irgendeiner Art und Weise kann man sagen, dass in eurer Lebensweise die Menschen nicht von euch gehen und es euch schwerer fällt weiter zu leben. Wir verabschieden uns endgültig. Wir wahren die Verstorbenen in unseren Erinnerungen und ihren Lehren weiter. Es ist nicht ganz dasselbe, aber auf seine

Art und Weise sehr wertvoll. Sicher habt auch ihr den ein oder anderen Vorfahren, von dem ihr viel lerntet.“ Sie musste lächeln und sogleich fielen ihr die Gedanken von vorhin wieder ein. „Den gibt es tatsächlich. Meine Großmutter. Sie zog mich mit auf. Ich war die jüngste der Familie und meine Eltern hatten genug damit zu tun um Sirous und Laneema auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten. Ich wäre wohl auf der Strecke geblieben, wäre sie nicht gewesen. Sie hat mich immer ermutigt. Sie war eine der wenigen die meine querdenkende Art und Weise nicht belächelte. Sie hatte immer gesagt dass ein eigener Geist eine wertvoller Schatz

sein konnte. Dass ich ihn pflegen sollte und das tat ich. Sie hat mir viel beigebracht und war mir ein sehr wichtiger Mensch.“ Sie sprach voller Demut von ihrer Großmutter. Diese Frau verdiente es nicht, dass man schlecht über sie sprach, so wie ihre ältere Schwester es tat. Laneema wusste so etwas eben nicht zu schätzen. Sie hatte einen anderen Blick für die Dinge um sich herum, so wie viele andere ebenfalls. Wahrscheinlich war Leonora eine der wenigen die positiv über Helena dachte und sie stets mit einem Lächeln in ihrem Herzen bewahrte. „Würde es euch etwas ausmachen, mich

zu ihrer Ruhestätte zu führen?“ Eine seltsame Bitte, aber sie tat es. Sie nahm sie Blinde bei der Hand und führte sie den kleinen Hügelpfad entlang. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie schließlich das Grabmal erreichte. Geziert von Lilien und anderen Gewächsen ruhte ihre Großmutter unter einer alten Eiche im Schatten und konnte so vom Hügel aus über sie wachen. Der Stein der ihren Namen trug war ein wenig verwaschen und dennoch konnte man sehen, dass das Grab gepflegt war. Leonora kam her wann immer sie die Zeit fand um sich darum zu kümmern. Stumm führte sie Arysa direkt vor das Grab und hielt einen

Augenblick lang inne. Es war beinahe so als würde sie die Blinde ihrer Großmutter vorstellen. „Hier sind wir auch schon.“ Die niatische Prinzessin nickte und langsam ging sie in die Hocke, wobei sie umsichtig mit ihren Fingern über die Erde und die Blumen des Grabes fuhr. Es war beinahe so, als würde sie der alten Frau zur Begrüßung die Hand schütteln. Eine Weile lang sagte keiner der beiden etwas. Die 20-Jährige betrachtete die Stätte und sah zu, wie die einzelnen Blumen vom Wind hin und her gewiegt wurden. Es war beinahe komplett still. Wenn sie alleine herkam, dann sprach sie oft mit ihrer

Großmutter. Erzählte ihr dabei von ihrem Tag, ihren Sorgen und wie sie diese zu bereinigen versuchte. Es tat immer gut sich die Last von der Seele zu sprechen. Das war ein weiterer positiver Aspekt, den die Art dieser Bestattung hatte. Die Leute verließen einen nie vollständig. Es gab einen Platz an dem sie wachten und an den man immer wieder zurückkehren konnte, wenn einem das Herz schwer war. Leonora konnte sich nicht vorstellen wie es sein musste keinen solchen Ort zu haben. Wenn es wirklich nur die Erinnerung gab. Für sie unvorstellbar. „Ich kann viel Wärme an diesem Ort spüren. Viel Liebe. Sie muss Euch

wirklich eine Menge bedeutet haben und wenn ich ehrlich bin, scheint eure Art und Weise gar nicht so falsch zu sein. Es hat etwas...beruhigendes finde ich. Ihr könnt herkommen wann immer ihr wollt. Wenn ihr sonst keinen Ort wisst an den ihr gehen könnt. Das ist ein tröstender Gedanke. Es ist nur wichtig, dass man sich nicht darin verliert, sondern seinen Weg weiter geht. Eure Großmutter würde das sicher auch wollen.“ Sie nickte. „Ich weiß und ich tue es. Manchmal ist es nicht einfach dem immer gerecht zu werden. In solchen Momenten komme ich dann hierher, rede mit ihr und erzähle

ihr von meinem Kummer. Das muss für euch wahrscheinlich sehr lächerlich klingen.“ Arysa schüttelte bedächtig den Kopf. Noch immer ruhte ihre Hand auf dem Grab der alten Frau. „Nein. Das tut es nicht. Ich glaube dass das auch wichtig ist. Für euch ist es wichtig und ich habe nicht das Recht mit darüber ein Urteil zu bilden. Es ist eure Kultur, euer Leben. Jeder formt seine Welt auf seine eigene Weise, so wie ihr wenn ihr hierher kommt und ihrer gedenkt.“ „Danke.“ Je mehr Zeit sie mit dieser Frau verbrachte, desto mehr Sympathie

entwickelte Leonora. Die 18-Jährige war wirklich ein sanftes Wesen. Sie mochte ihre eigene schwere Bürde zu tragen haben, aber dennoch hatte sie einen Weg gefunden damit zu leben und das zeugte von großer Stärke. Sicher schaffte das nicht jeder. Sie selbst wusste nicht ob sie in der Lage war so zu leben. Dieser Gedanke war einfach zu unwirklich. Sie konnte es sich auch nicht so Recht erklären. So setzte sich die Blinde schließlich ins Gras und legte dabei die Hände in den Schoß. Leonora tat es ihr gleich und nahm neben ihr Platz. Es tat gut so offen mit jemandem darüber sprechen zu können. Selbst mit Melas konnte sie das manchmal nicht. Er hatte

nicht diesen Blick dafür, so sehr er sich auch darum bemühte. Allerdings hielt sie es ihm auch nicht vor. Das stand ihr nicht zu. „Wie lange ist eure Großmutter bereits nicht mehr?“ „Sie verließ uns als ich 15 war. Das war nicht einfach für mich. Sie hat ein großes Loch hinterlassen dass ich nicht füllen konnte. Ich habe dann aber verstanden dass ich das auch nicht muss. Sie hat mir viel beigebracht und manchmal kann ich fühlen, dass sie immer noch über mich wacht.“ Wieder sprach sie mit Nostalgie in der Stimme. Damals war es eine schwierige

Zeit für sie gewesen. Sie fühlte sich verloren und verlassen. Zu Anfangs hatte sie ihre Großmutter dafür gehasst, ehe sie begriff dass sie das nicht sollte. Irgendwann da endete jedes Leben. Man musste nur entscheiden, wie man damit umging. Das war wichtig. Man durfte sich nicht davon auffressen und zerstören lassen. Sie hatte diesen Kummer überwunden. Das hätte ihre Großmutter sicherlich auch so gewollt und nicht dass sie in ihrer Trauer und Gram unterging. „Wie ich schon sagte: Die Menschen die wir lieben verlassen uns niemals vollständig. Sie sind immer um uns. In Erinnerungen, Lehren oder

Verhaltensweisen die wir von ihnen gelernt haben. Sie prägen uns, ob wir wollen oder nicht. Sie geben einen Teil von sich selbst an uns weiter, der in uns fortbesteht, so wie eure Großmutter in Euch Lady Leonora. Ihr seid ein gutes und liebevolles Wesen. Das kann ich deutlich sehen und ich bin mir sicher dass diese Frau sehr stolz auf euch ist.“ Diese Worte rührten die 20 Jährige. Einzelne Tränen liefen ihr über die Wange. Sie mochte zwar selbstbewusst sein, aber auch sie war nur ein Mensch. Doch schämte sie sich nicht. Sie lächelte. Noch nie zuvor hatte jemand mit ihr über dieses Thema in einer solchen Art und Weise gesprochen und

deshalb kümmerte es sie auch nicht, sich so vor Arysa zu zeigen. Daran war nichts schlechtes oder falsches. Sie war sowieso niemand der sich wegen ihrer Ansichten oder Gefühle genierte. Wohl auch ein Grund warum sie in den Augen mancher nicht gerade die Vorzeige-Prinzessin war. Individualität war ihr nun mal sehr kostbar. Daran erkannte sie, dass sie immer noch sie war und nicht jemand der sich von den Anderen hatte verändern und formen lassen. Ihren eigenen Willen, so wie es ihre Großmutter immer befürwortet hatte. Das war ihre größte Stärke und sie würde diese von niemandem einfach zerstören

lassen. „Ihr erinnert mich ein wenig an sie. Auch wenn man es auch nicht ansieht, scheint ihr sehr stark zu sein. Ich meine, ich kann mir nicht vorstellen wie es für euch sein muss, seit Anfang immer nur in Dunkelheit zu leben. Nicht zu sehen, wie die Welt um einen herum wirklich aussieht. Ich weiß nicht ob ich das könnte. Verzeiht, wenn ich euch damit zu nahe trete, aber das wollte ich zumindest einmal gesagt sagen.“ Wieder lächelte die Andere. „Keinesfalls. Ich fühle mich nicht angegriffen. Ich sehe das nicht als Bürde. Ich sehe die Welt auf eine andere Art und Weise. Die Welt existiert nicht

nur auf die Art und Weise in der man sie mit den Augen sieht. Es gibt so viele Facetten. Die Welt durchdringt und mit ihrem klang, ihrem Geruch und ihrer Wärme. Das sind die wichtigen Dinge. Genau so wie ich die Blumen auf den Gräbern riechen kann, oder den Wind auf meinem Gesicht spüre. Ich sehe, fühle auf meine Art wisst ihr? Es ist nicht einfach zu erklären.“ Einen Moment lang hielt die junge Frau inne. „Schließt für einen Moment die Augen.“ Leonora war sich nicht sicher, was sie nun vorhatte, aber sie ließ sich darauf ein. Langsam schloss sie die Augen und wurde so gleich von Dunkelheit

begrüßt. „Spürt wie der Wind euch durch die Haare geht. Wie das Gras unter eurer Hand kitzel. Hört das Rauschen des Flusses. Das ist die Welt um euch herum und nicht nur das was ihr seht. Es ist wie ein Schleier. Wenn man gelernt hat dahinter zu sehen, dann erfüllt es einen auf eine Art und Weise, die sich nicht erklären lassen. Zumindest kann ich das nicht. Das muss ich aber auch nicht. Es ist einfach. Es bedarf keiner Untermauerung oder Erläuterung wie ich finde.“ Leonora lächelte und sah zum Himmel hinauf. Arysa besaß eine Art von Weisheit die nur selten zu finden war.

Sie hatte Recht. Es gab Dinge die man nicht erklären musste. Manchmal brauchte es keine ellenlange Erklärung. Das war ein Problem von vielen. Sie konnten die Dinge nicht einfach so hinnehmen, sondern mussten immer für alles eine Erklärung haben. Die Prinzessin verstand manchmal nicht warum. Arysa war jedoch anders. Sie nahm die Dinge einfach. Sie erforschte das Leben um sich herum und suchte die verschiedenen Facetten. Sie akzeptierte. Etwas das nicht jeder konnte und dies war eine Eigenschaft die die Blondine sehr schätzte. Dass sie mal so jemanden treffen würde, war schon ein seltsames Gefühl. Dennoch

war es für sie sehr angenehmes Gespräch. Sie wusste nicht genau was es war, aber die Blinde strahlte eine Wärme aus die ihr ein besonderes Gefühl gab, wie ihre Großmutter damals und für einen Moment wirkte es beinahe so, als säße sie hier neben ihr um sie mit ihrer Weisheit zu erfüllen, so wie früher. Das brachte sie zum lächeln. Arysa hatte Recht. Man musste nicht immer alles erklären. Es gab Dinge die sich nicht erklären ließen, sie waren einfach und es lag an einem selbst ob man dafür bereit war, sie zu akzeptieren. Tat man es, konnte man eine Bereicherung erfahren die so manchem verwehrt blieb. Die ganze Welt

schien einem auf einmal anders. Wieder einmal hatte sie gelernt, dass es noch so viel zu sehen gab, wenn man nur die Gabe hatte, für den Moment beiseite zu treten und einfach nur zu lauschen, wenn der Klang der Welt an ihr Ohr drang. Zu riechen wenn sie einen in der Nase kitzelte und zu fühlen, wenn sie einen mit ihrer Einzigartigkeit berührte...

Wir, die im Schatten wandeln

Teliankas – Die Silberne Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 17. Zyklus - 10. Stunde „Es ist unabdingbar dass wir handeln. Prinz Oran hätte niemals nach Versia kommen dürfen und wenn er Prinzessin Laneema wirklich heiratet, sind die Konsequenzen vernichtend für das was wir uns all die Jahre ausgebaut haben.“ Dothras war wütend und zugleich fühlte er sich mehr als hilflos. Außer ihm und Orivier war der Korridor leer was Raum für ihre Konversation ließ, die der andere seiner Meinung nach schon viel

zu lange aufgeschoben hatte. Der beleibter Mann zupfte sich an seinem Schnurrbart während sein Gegenüber nachdenklich aus einem der Fenster sah. Nach der Andacht hatte er Garvin aufgesucht denn diese Angelegenheit duldete keinen Aufschub. Wenn sie jetzt warteten, konnte es sein dass sie am Ende überhaupt nicht mehr in der Lage waren irgendetwas zu tun. „Ich verstehe eure Befürchtungen nur zu gut Caius. Sollte Yavieren unsere Prinzessin wirklich heiraten ist die nächste Folge unweigerlich ein Bündnis zwischen unseren beiden Ländern. Die anderen sprechen sogar schon von einer Vereinigung. Unser Einfluss würde

schrumpfen, denn unsere Klienten wären nicht länger auf uns angewiesen. Wenn die Pforten nach Niat offen stehen, dann wird die Händlergilde in dieser Stadt untergehen.“ „Meine Worte mein Freund. Vor allem wenn man bedenkt dass es sicher nicht lange dauert bis man herausfindet, dass wir all die Jahre unsere Position ausnutzten. Der Strick würde schneller einen Weg um unseren Hals finden als das Geld in unsere Taschen. Oran ist ein Risiko. Er mag ein guter Mann sein, aber er ist leider ein Stolperstein den wir beseitigen müssen. Ich habe mit Rahissen darüber gesprochen und er ist derselben Meinung. Wir müssen etwas

unternehmen. Allerdings kann ich nicht mehr so handeln wie vorher. Thrassk hat bereits verdacht geschöpft dass etwas nicht stimmt.“ Der Hauptmann war ebenfalls zu einer Bedrohung geworden. Dothras wusste nicht wie, aber der Mann aus Valanat schien seine Absichten durchschaut zu haben, wie auch die Tatsache dass Caius nicht vollständig zum Wohle des Volkes arbeitete. Seitdem konnte er kaum noch einen Schritt tun ohne zu befürchten dass Ser Alliser in seinem Schatten lauerte. Orivier musterte ihn mit seinen blauen Augen. Auch er wusste dass die Lage heikel war. Sie konnten nicht den Monat abwarten um zu sehen wie sich

die Dinge entwickelten. Es mussten Vorkehrungen getroffen werden. Besser man erstickte diese Bedrohung im Keim bevor sie überhaupt wuchs. Das war sicherer als zu hoffen dass Lady Laneema und der Prinz sich nicht dazu entschlossen zu heiraten. Man durfte sich hierbei nicht zurück lehnen. „Ser Alliser stellt keine Gefahr dar. Seine Paranoia war schon immer ausgewachsen. Das wisst ihr genau so gut wie ich. Nein. Er ist nicht das Problem. Sein Amt und seine Aufgaben werden dafür sorgen dass ihm die Hände gebunden bleiben und wenn ich die richtigen Hebel in Bewegung setze wird es auch dabei bleiben. Seit unbesorgt. Er

ist nur eine unwichtige Figur. Ihr macht euch zu viele Gedanken darum. Ich habe mit den anderen Gesprochen und sie sind genau wie ich der Meinung dass wir uns auf Prinz Oran konzentrieren müssen.“ „Was ist mit den anderen beiden? Sie sind ebenfalls eine Gefahr für uns.“ Garvin schüttelte den Kopf. „Prinz Velkan und Lady Arysa sind jung und naiv. Sie werden für uns keine Bedrohung darstellen. Allerdings kann ich nicht leugnen dass sie für unsere Sache eine wichtige Rolle zu spielen haben. Jetzt zwar noch nicht, aber ihre Gefühle werden uns helfen. Der junge Bruder ist nicht so souverän wie er uns

Glauben machen will. Letztendlich wird es die Verbundenheit zu seiner Familie sein die uns den Weg ebnet. Ohne dass er es weiß wird er sich so verhalten wie wir es für richtig halten.“ Beide sprachen mit gedämpfter Stimme und Caius sah immer wieder ein wenig nervös den Gang auf und ab. Eher unbegründet. In diesem eher älteren Teil der Feste würde sie niemand vermuten, aber dennoch war Vorsicht geboten. Vor allem war er schon immer ein wenig paranoid gewesen. In jeder Mücke sah er potenzielle Feinde. Besonders jetzt da so viel auf dem Spiel stand. Auch Orivier kannte die Gefahr, aber anders als der beleibte Händler schien er damit

besser umgehen zu können. Manchmal wünscht er sich ein wenig von dieser Gelassenheit. „Wie gehen wir vor?“ „Meine Spione haben berichtet, dass ein Mitglied der Organisation in der Stadt ist. Ich ließ ein Treffen arrangieren. Dothras. Ihr werdet euch zur gebrochenen Klinge begeben und mit dieser Person reden. Es ist allerdings nicht notwendig, dass ihr von unserer Situation erzählt. Das spielt für solche Leute keine Rolle. Gebt ihnen ein paar Datros und sie sind eure besten Freunde. Ihre Talente und ihre Diskretion ist legendär und im Moment sind ihre Fähigkeiten genau das was wir

brauchen.“ Dies schien dem Dicken allerdings nicht zu gefallen. Nervös begann er sich am Kinn zu kratzen und starrte ein wenig hilflos im Korridor umher. „Ich? Habt ihr nicht die Geschichten über diese Leute gehört? Sie gehen kein Risiko ein. Sie bewegen sich wie Luft. Niemand weiß wer sie wirklich sind, oder von wo aus sie operieren und meistens ist es so, dass sie keine losen Enden dulden. Ich will mich hierbei ungern direkt ans Messer liefern und eine Bedrohung für sie darstellen. Ich-“ Orivier hob die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. „Eure Furcht ist unbegründet. Wie sollte

die Organisation ihre Klienten behalten, wenn sie sie nach jedem Auftrag umbrächten? Dieser Gedanke ist absurd und das wisst ihr auch. Aus dieser Sache werdet ihr euch nicht heraus reden können. Ihr werdet euch in die Taverne begeben und das Mitglied aufsuchen. Das ist nicht diskutierbar Caius! Jeder von uns hat seinen Beitrag zu leisten. So wie auch ihr.“ Das brachte seinen Widerstand zum erliegen. Vorsichtig nickte er. Er würde Orivier keinen Grund geben, seinen Zorn auf sich zu gehen. Vor allem war jetzt nicht die Zeit sich gegenseitig an den Hals zu springen. Man musste objektiv bleiben, auch wenn er hierbei in den

sauren Apfel beißen musste. Von der Organisation hatte er schon viel gehört, allerdings noch nie das Vergnügen genossen eines der Mitglieder persönlich anzutreffen. Nicht dass das überhaupt einer seiner Wünsche gewesen wäre. „Und ihr seid euch sicher, dass dieser...Kontakt uns helfen kann?“ „Natürlich! Immerhin agieren diese Leute schon seit über 600 Dekaden. Ihr Handeln und Eingreifen hat schon so manche Situationen zum Guten gewendet. Das wisst ihr genau so gut wie ich. Sie sorgten auch dafür dass die Elfen von Lortalas im Norden bleiben wo sie hingehören. Sie haben damals den Prinzen Nethendaris aus dem Weg

geräumt. Sie haben eine ausweglose Situation stabilisiert und jetzt müssen sie das eben wieder tun.“ „Wann soll ich Ihn treffen? Wie erkenne ich ihn?“ „Er wird Euch erkennen mein Freund. So war es schon immer. Sie kommen zu uns, wenn der Kontakt hergestellt ist. Auch eine Art und Weise sich selbst unnahbar zu machen. Das Treffen ist in einer Stunde angesetzt. Es wäre besser, wenn ihr Euch jetzt auf den Weg macht. Versucht nicht zu viel Aufmerksamkeit auf euch zu ziehen. Macht euch keine Gedanken. Es wird euch niemand folgen, denn es weiß niemand was wir planen. Ihr müsst eure Paranoia in den

Griff bekommen. Habt ihr mich verstanden Caius?“ Wieder nickte er. Er wusste, dass er hier dran nichts ändern konnte. Man hatte ihn für diesen Auftrag als Bote ausgewählt. Jeder musste seinen Teil leisten und nun war es an ihm den Stein ins Rollen zu bringen. Natürlich hatte er Angst. Jeder mit gesundem Verstand würde das. Bei Orivier war es gewiss ebenfalls so, auch wenn er das nicht zeigte. Sie alle befanden sich in einer schweren Lage. Andererseits würde sich das ganze sicher auch als profitabel herausstellen, wenn er derjenige war, der den Grundstein dafür legte, dass sie weiterhin ungehindert agieren konnten.

Man würde endlich sehen, dass er wichtig war. Das hier würde sich bezahlt machen. Da war er sich sicher. So wanderte ein gieriges Grinsen auf seine Lippen, während er sich nun von dem anderen abwandte. „Ich werde mich nun dorthin begeben und diesem Kontakt alles sagen was er wissen muss. Seid unbesorgt. Bald schon werden sich unsere Probleme in Luft auflösen. Prinz Orivier wird keine Bedrohung mehr sein.“ Noch nie in seinem Leben hatte er sich so verfolgt gefühlt. Der Weg ins Rosenviertel war eine Zerreißprobe. Immer wieder sah er über seine Schulter

in dem Glauben, man würde ihm folgen, ihn beobachten. Oriviers Worte spendeten wenig Trost. Vor allem da er selbst der Ansicht war, dass ein gesundes Maß an Misstrauen niemals falsch war. Manchmal konnte es lebensrettend sein. Nun allerdings gab es andere Dinge, die sich in den Vordergrund drängten. Die Furcht kroch in ihm hoch, als er langsam auf das Gebäude zutrat. Die gebrochene Klinge. Eine Taverne die so manch niederes Geschmeiß anzog. Ein Ort an dem Leute mit düsterem Gemüt verkehrten und der letzte an dem er in diesem Moment sein wollte. Das Gebäude war alt, das Holz an

manchen Stellen marode. Über den Eingang war das Symbol des geborstenen Schwertes in Stein gehauen. Bedächtig sah er darauf, ehe er die Tür öffnete und ins Innere trat. Sogleich drang die übliche Geräuschkulisse solcher Etablissements an sein Ohr. Lautes Lachen, jaulen und Grölen. Männer und Frauen sahen ihn an, als er durch die Tür schritt. Für dieses Treffen hatte er einfache Kleidung gewählt, denn er wollte nicht, dass man ihn erkannte. Vor allem war es sicherer nicht als ein Mitglied der Oberschicht identifiziert zu werden, wenn man sich an einen solchen Ort begab. Das Gesicht hatte er durch eine

Kapuze verborgen und schritt zielstrebig auf den Tresen zu um sich dort nieder zu lassen. Der Wirt, ein hagerer Mann mit schmutzigem schwarzen Haar und einem ergrauten Auge sah ihn an, während er einen Krug putzte. „Was zu trinken?“ Er schüttelte den Kopf. Der Andere schritt irgendetwas in seinen Bart murmelnd hinter dem Tresen hervor und sammelte leere Krüge auf, während Dothras sich umsah. Wie sollte er seinen Kontakt hier finden? Orivier hatte ihm nur erläutert, dass man ihn hier treffen würde. Er hatte nicht gesagt wie sein Kontakt aussah, worauf er achten musste. Wichtige Details die er nicht

hatte. In diesem Moment kam er sich ziemlich lächerlich vor. Ein Seufzer entkam seiner Kehle. Ihm blieb wohl nichts anders übrig als zu warten. Minuten vergingen und niemand regte sich. Auch in der darauffolgenden Stunde blieb Caius allein am Thresen und immer mehr drängte sich ihm der Gedanke auf, dass es nichts brächte weiter zu warten. Inzwischen hatte er sich einen Krug Bier bestellt. Nicht gerade sein bevorzugtes Getränk, aber das Warten trocknete ihm den Hals aus. Ungeduldig tippte er mit den Fingern auf dem Holz herum. Spielte man mit ihm? Wollte dieser Kontakt vielleicht erst sicher gehen und ließ ihn deshalb

warten? Der Händler setzte den Krug an und nahm einen kräftigen Schluck. Noch einmal wandte er den Blick durch den Raum, ehe er sich wieder seinem Getränk zu wandte. Etwas zupfte an seinem Mantel und erst dachte er ein Dieb wollte ihn um ein paar Datros erleichtern. Caius fand den Ursprung: Ein Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt. Ungewaschenes braunes Haar, dass ihr bis zu den Schultern hing. Dreck im Gesicht. Nicht wirklich die Art von Leuten mit denen er verkehrte. Sie war blind. Das konnte man sofort sehen. Allerdings gab es etwas das ihm sofort auffiel: Der Augenrand war rot verfärbt. Doch war es keine Schminke, wie er

zuerst dachte, sondern nacktes verbranntes rotes Fleisch. Wie eine Art Mal. Unsicher zupfte Dothras sich am Bart und betrachtete das Kind vor sich. „Verschwinde Gör! Ich habe nichts für dich!“ Sie lächelte und zeigte ihre vergilbten Zähne. Ein Schauer fuhr dem Mann über den Rücken und ehe er wusste hielt sie ihm die Hand hin. Skepsis wanderte in seine Züge und murrend griff er zu seinem Geldbeutel, aus dem er zwei Münzen hervorholte und sie dem Kind in die Hand fallen lies. Perplex sah die Kleine ihn an und schüttelte nur den Kopf. Die münzen legte sie zurück in seine Hand und streckte ihre erneut aus.

Jetzt begriff er. Caius zahlte sein Bier und nahm das kleine Mädchen bei der Hand, dass ihn nun langsam durch den Raum führte, wobei jeder Schritt sicher geführt war. Die Unsicherheit eines normalen Blinden war hier überhaupt nicht zu sehen. Geschickt führte sie ihn die Treppen hinauf in den ersten Stock. Hier konnte man Zimmer nehmen, wenn man auf Reisen war oder einfach nur die Stadt besuchte. Der Korridor war lang und schmal. Kerzen erleuchteten ihn. Langsam schritt die Kleine den Flur entlang. Schritt für Schritt, ehe sie inmitten stehen blieb. Zwei Türen. Sie hob den Arm und deutete auf die links von ihr. Ein wenig unsicher trat der

füllige Mann auf die Tür zu. Als er sich noch einmal umwandte, war das Mädchen verschwunden. Dothras wurde es mulmig und einen Augenblick lang, war er sich nicht sicher, ob er nicht einfach wieder gehen sollte, ehe er ein wenig Mut fasste und den Raum betrat. Sogleich kam ihm ein Wärmeschwall entgegen. Auf drei Tischen die an der Wand standen waren Kerzen aufgestellt die Licht spendeten. Die Vorhänge selbst hatte man zugezogen. In einer Ecke stand ein Bett. Peinlichst gemacht und bezogen so dass es beinahe schon zu sauber für eine solche Taverne wirkte. Inmitten des Raumes stand ein runder Tisch. Mehrere verschiedene

Gerätschaften und Apparaturen lagen darauf die Dothras noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Kleine Fläschchen mit verschiedenen Flüssigkeiten. Neugierig kam er ein wenig näher und gerade als er eines davon berühren wollte, fiel ihm die Person auf die in der Ecke des Raumes saß und ihn beobachtete. Augen die ihn so eindringlich anstarrten, dass es ihm Furcht einflößte. Rote Ringe, genau wie bei dem Mädchen direkt am Lidrand ansetzend. Unter einer roten Kapuze lugte blondes Haar hervor. Die zierlich wirkende Gestalt dort trug seltsame Kleidung. Weder von Adel noch niederer Herkunft. Es war eine Art Korsett aus

hartem Leder dass die Brust abgrenzte. Schwarze Handschuhe und eine Hose. Nicht die Kleidung die man an einer Frau erwartete. Sie war hager. Ihre Augen wie die eines Falken, der seine Beute betrachtete. In der Hand hielt sie etwas. Ebenfalls ein seltsames Gerät das er noch nie gesehen hatte. Erst länglich, dann mit einem Griff versehen. An einer Stelle war ein Hebel angebracht. Es wirkte wie ein Rohr. Fragend betrachtete er das Objekt und die fremde Person, merkte das sofort. Ihr Blick fiel auf die Gerätschaft in ihren Händen, die sie vorsichtig hin und her wiegte. „Interessant nicht wahr? Ich habe es

selbst entworfen. Eine Waffe, auch wenn sie nicht den Eindruck macht. Effektiver als jeder Bogen oder jede Armbrust. Kein Bolzen der aufgezogen wird. Man füllt es mit Pulver, jedoch nicht einfach irgendeines. Es ist eine ganz besondere Mischung. Hergestellt von den Thaurie aus Darkonia. Es explodiert, sobald es mit Feuer in Berührung kommt. Das allein ist natürlich nicht das interessante daran.“ Sie hatte etwas in der Hand. Eine kleine Kugel aus Eisen gegossen wie es aussah. Stumm drehte sie das Objekt zwischen Daumen und Zeigefinger. Ein begeisterter Ausdruck war in ihre Züge gewandert. Wie ein Kind, dass sich über

ein Spielzeug freute. Auch er konnte eine gewisse Neugierde nicht verbergen. „Durch das Pulver wird diese Kugel aus der Apparatur herausgeschleudert und durchdringt Rüstung und Harnisch. Bohrt sich durch Fleisch und Knochen. Man kann es nicht wie einen Pfeil herausziehen und sobald es sich durch die Haut gebohrt hat, folgt der Tod auf leisen Sohlen.“ Sie legte es auf den Tisch. „Aber das ist nur Spielzeug. Sie sind der den ich hier Treffen sollte. Sie sind gekommen weil sie etwas von mir wollen. Von Uns. Ist das zutreffend?“ Der Händler nickte. „Ich

bin-“ „Dothras Caius. Ich weiß. Mitglied der Handelsgilde von Teliankas und einer der einflussreichsten Männer Versias. Man kann euch eure dekadente Lebensweise ansehen. Wie sie euch träge und fett gemacht hat. Ihr seid hier, weil ihr etwas wollt, dass ihr nicht selbst zu tun im Stande seid. Deswegen ruft man uns. Damit wir Dinge tun, die kein Anderer tun will. Wir sind die Hände die nicht so weit reichen wie die Euren. Deshalb seid ihr hier. Ihr benötigt meine Hände. Ihr und die Anderen mit denen ihr euch umgebt.“ Es verunsicherte ihn wie viel sie zu wissen schien. Wer war diese Frau? Ein

Mitglied der von Orivier erwähnten Organisation. Da Bestand kein Zweifel. Sie war diejenige, die er aufsuchen sollte. Dothras hatte in seinem Leben schon so manch furchteinflößenden Menschen gesehen, aber sie war etwas anderes. Allein ihre Nähe bereitete ihm Unbehagen. Diese Augen die direkt durch ihn hindurch zu sehen schienen. Ein Ausdruck den er so noch nie zuvor gesehen hatte. Kälte. Das war das Wort was ihm einfiel. Sie sah ihn an, aber auf eine andere Art und Weise schon wieder nicht. Es war seltsam. Er konnte das nicht in Worte fassen, weshalb er sich um Selbstbeherrschung bemühte. Er war ein Mann von Adel und würde sich nicht

von irgendeiner Fremden verunsichern lassen. So setzte er sich gerade auf und musterte sie eindringlich. „Das ist zutreffend. Orivier wollte dass ich mich mit ihnen treffe. Die jüngsten Entwicklungen haben uns dazu veranlasst neue Wege zu beschreiten, was letztendlich auch zu diesem Treffen führte. Sie sind jemand, dessen Hilfe wir in Anspruch nehmen müssen.“ „Sie nehmen nicht meine Hilfe in Anspruch, sondern meine Fähigkeiten. Jemandem zu helfen, erfordert Mitgefühl. Hilfe ist hierbei das falsche Wort. Es ist eine Dienstleistung. Wie bei einer Hure, außer dass sie sich hierbei keine Krankheiten einfangen. Saubere

Arbeit. Das tue ich. Sie selbst sind mir vollkommen egal. Das sollten sie zu Beginn wissen. Ich suche keine Freundschaft und sie sollten es ebenso halten. Sie sind Händler. Betrachten sie es als Handel. Ich verkaufe und sie kaufen. So einfach ist das.“ Sie hatte ein Bein über das andere gelegt und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie legte die Rollen fest. Nicht er hatte hier das Kommando, sondern sie. Das machte sie mit ihren Worten deutlich. Zwar sollte sie für ihn etwas tun, was aber nicht bedeutete dass sie ein Scherge war. Er wusste nicht mal was sie wirklich war. Sie war so undurchsichtig wie Fels und strahlte eine

Selbstsicherheit aus, die man zu Anfangs gar nicht als solche identifizierte. „Exakt. Nun. Meinen Namen kennen Sie, aber es wäre mir eine Freude ihren zu erfahren.“ Sie kicherte. Als würde sie sich über ihn lustig machen. „Sie haben noch nicht wirklich verstanden, was ich bin. Was wir repräsentieren. Sonst würden sie diese Frage nicht stellen, mein dummer fetter Freund. Wir sind im Hintergrund und das schon lange bevor sie überhaupt in die Windeln schissen. Wir haben keine Namen, kein Leben oder Existenz so wie ihr sie kennt. Wir sind einfach. Wir

warten, bis jemand wie sie zu uns kommt. Uns um Dinge bittet die er selbst nicht tun kann. Wir sind die Bruderschaft die in der Luft selbst existiert. Im einen Moment sehen sie uns.“ Sie stand hinter ihm. Legte ihm die Hände auf die Schulter. „Und dann wieder nicht. Wir sind wie Wind.“ Erschrocken stand er auf und sah sie an. Der Stuhl auf dem sie zuvor gesessen hatte war leer. Wie konnte sie so schnell hinter ihn gelangen? „Ihr seid eine Hexe!“ Wieder lachte sie. „Und ihr seid einer dieser fetten

Stadtmenschen die versuchen die Dinge die sie nicht erklären können mit anderen Banalen Erklärungen zu durchschauen. Haltet ihr mich so etwas? Eine Frau die Nachts nackt im Mondschein um ihr Feuer herum hüpft, während sie Beschwörungen säuselt? Nun, sicher wäre das ein Anblick den ein Mann wie ihr durchaus genießen würdet nicht wahr? Ihr seid dumm, Dothras Caius. Ihr seht nichts und dennoch glaubt ihr alles zu wissen. Das ist Blasphemie.“ So langsam wurde er wütend. Diese Frau hatte keinen Respekt vor ihm. Alleine schon wie sie mit ihm Sprach. Als besäße sie überhaupt keinen Anstand

oder Sitte. Was hatte sich Orivier dabei gedacht mit jemandem wie ihr zusammen zu arbeiten? Das war ihm schleierhaft. Allerdings gab es nun auch kein Zurück. Er brauchte Sie und ihre mannigfaltigen Fähigkeiten. Das schien sie zu wissen. Das konnte er schon an der Art und Weise feststellen, mit der diese Frau ihn angrinste. Wieder dieser stumme Spott. „Verzeiht. Ich wollte euch nicht beleidigen.“ „Habt ihr nicht, habt ihr nicht. Ihr habt mich eher ermuntert mit eurer Einfältigkeit. Ihr seid lustig. Ich mag lustige Leute. Sie erleichtern einem die Arbeit. Findet ihr nicht

auch?“ Er war sich nicht sicher was sie hören wollte, also nickte er nur und schluckte seinen Zorn hinunter. Sollte sie sich ruhig über ihn lustig machen. Die Hauptsache war, dass sie das tat was er von ihr verlangte. Nicht mehr und nicht weniger. Da konnte sie ihn noch sooft beleidigen, solange sie sich nur als nützlich erwies. „Diese Bruderschaft für die ihr-“ „Ah, ah, ah.“ Sie hob den Zeigefinger, als würde sie ein kleines Kind tadeln. „Neugierde ist tödlich Caius. Sie hat schon so manch mächtigen Mann zerstört. Nur so pro Forma und ich

glaube nicht dass sie das Risiko eingehen wollen oder? Sie wissen alles, was sie wissen müssen. Nun, muss ich wissen, was ich wissen muss. Also. Setzen sie sich. Reden sie mit mir.“ Und damit schritt sie wieder zu ihrem Stuhl. Vom Tisch nahm sie eine der größeren Fläschchen, die sie entkorkte, bevor sie einen Schluck daraus nahm. Sie verzog kurz den Mundwinkel, ehe sie ihm das Getränk reichte. „Eiswasser. Vielleicht nicht gerade ein Allerweltsgetränk, aber es hat seinen Charme. Gut, beim ersten Mal brennt es sich wie Feuer die Kehle hinunter. Wahrscheinlich kotzen sie hier alles voll, aber sie gewöhnen sich dran und es

kann durchaus ansprechend werden. Wobei, lieber nicht. Nicht jeder besiegt das Gift und ich will nicht dass mein Protege in seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Sie sicher auch nicht oder?“ Sie verkorkte die Flasche wieder und stellte das Eiswasser auf dem Tisch ab. Abermals fixierte sie ihn wie ihre Beute und je länger er sich in ihrer Gesellschaft befand, desto schneller wollte er wieder fort von diesem Ort. Am Besten, er sagte ihr einfach was sie wissen musste. „Sie müssen-“ „Falscher Anfang. Ich will dass sie mir ein wenig erzählen Dothras. Befreien sie sich mal für eine Sekunde von ihrer

Idiotie und erzählen sie mir von ihrer Situation. Warum sind sie hier? Was ist der Grund? Das will ich ich wissen. Das Konstrukt. Ich will es erfassen und durchschauen. Ich hoffe das verstehen sie.“ „Nun. Wie sie sicher wissen, sind gestern ein paar Leute in der Stadt angekommen und-“ Wieder unterbrach sie ihn. „Prinz Oran, ältester Sohn König Rhalys. Ja ich weiß. Dabei seine reizenden Geschwister. Das weiß ich schon alles. Was bringt es mir, wenn sie mir Dinge erzählen die ich schon weiß? Ich will dass sie mir ihre Situation offen darlegen, wobei...lassen wir das.

Ich tu es selbst. Das macht das hier für uns weniger langweilig und sie können ihr Gesicht wahren, zumindest das was davon übrig ist.“ Angriffslustig lächelte sie und einmal mehr hatte er das Bedürfnis seine Hände um ihre Kehle zu legen. „Sie fürchten um ihre Stellung. Sie haben Angst vor dem was sich darauf entwickeln könnte. Sie haben Angst davor das kleine bisschen an jämmerlicher Macht das sie haben zu verlieren. Das ist das Gerüst. Das Konstrukt. Verstanden? So schwer war das doch gar nicht.“ Sie wusste eine Menge und da fragte er sich, ob Orivier nicht schon zuvor mit

ihr gesprochen hatte. Wie sonst konnte sie solche Informationen besitzen? Sie wusste eigentlich alles was sie wissen musste und tat das hier nur um sich über ihn lustig zu machen. Das hier diente nur zu ihrer Erheiterung und so langsam aber sicher war er es müde zu ihrer Belustigung beizutragen. Er war nicht hergekommen um sich von irgendeiner Dirne verspotten zu lassen. Er war ein Mann von Adel, von hohem Blut. Sie war wahrscheinlich ein Kind der Gosse, dass keinerlei Ahnung von solchen Dingen hatte. Wie konnte sie sich überhaupt dazu erdreisten so mit ihm zu reden? Das verdiente er nicht. Allerdings würde es wohl nichts bringen

sie darauf anzusprechen. Sie würde trotzdem weitermachen. Ihr war es gleichgültig war er ihr sagte. Er hätte sie auch anschreien können. Sie hätte ihn nur wieder ausgelacht. Ihm irgendeine Beleidigung an den Kopf geworfen, wie auch schon zuvor. Besser man gab ihr gar keine Gelegenheit dazu. „Warum bin ich eigentlich hier, wenn sie schon alles wissen, was sie wissen müssen?“ „Weil es nun mal so läuft, mein fetter Freund. Wie ich schon sagte: Das hier ist ein Handel und es gehört nun mal dazu dass man sich eben auch mit seinem Kunden unterhält. Mehr über ihn

erfährt, herausfindet wie er tickt und was ihn beflügelt. Sie sind wie ein Buch das man lesen kann. Sie sind arrogant, obwohl es ihnen nicht zusteht. Sie sind ein heuchlerischer kleiner Wurm, der sich in seiner eigenen Jauche suhlt. Also so ziemlich die Standartklientel. Menschen die so niederträchtig sind, dass es förmlich aus ihren Ohren heraus trieft. Das ist es was sie sind: Ein fetter machthungriger Mann, der sich vor Angst einpisst, wenn er nur daran denkt dieses kleine bisschen Macht aufgeben zu müssen.“ Mit einem Mal hatte er sich erhoben. Das genügte. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Nicht nach dieser

Aussage. „Was erlauben sie sich eigentlich? Sie haben nicht das Recht so mit mir zu reden! Haben sie das verstanden? Sie sind ein Nichts. Ohne mich hätten sie keine Arbeit. Sie sind auf mich angewiesen, also benehmen sie sich auch entsprechend, sonst-“ Er konnte den Druck um seine Kehle spüren, wie sie ihn mit ihrem Arm förmlich einklemmte. Das Herz schlug ihm in der Brust, als würde es jeden Augenblick zerspringen. Langsam brachte sie ihre Lippen an sein Ohr und flüsterte: „Ohne mich hätten sie niemanden der dafür sorgt dass sie ihr kleines Leben so

weiter leben können. Sie sind wie ein Balg, unfähig allein zu handeln und sie quaken und gröhlen. Sie jammern und jammern. Wenn sie wirklich so mächtig wären, wie sie mir hier die ganze Zeit glauben machen möchten, dann müssten sie es nicht die ganze Zeit beteuern. Macht bedeutet Souveränität. Sie heulen wie ein Kleiner Junge, dessen Spielzeug man kaputt gemacht hat. Ohne mich hätten sie bald keine Arbeit mehr. Sie sind auf mich angewiesen, also benehmen sie sich auch entsprechend. Okay?“ Er nickte. „Sehr gut. Das bringt uns schon einmal sehr viel

weiter.“ Sie wuschelte ihm durchs Haar und gab ihm einen Kuss auf die Wange, als würde sie einen kleinen Knaben loben. Er atmete flach. Einen Augenblick lang hatte er gedacht, sie würde ihn töten. Sie hingegen tat so als wäre das hier gar nicht passiert, sondern ließ sich einfach nur wieder in ihren Stuhl nieder. Jetzt lächelte sie sogar. „Hey. Nicht so brummig. Immerhin haben wir gerade das Eis gebrochen und das ist doch wichtig für eine Partnerschaft. Freuen sie sich. Ich mag sie. Sie bringen mich zum lachen. Also, werde ich sie nicht umbringen wenn sie mir mal wieder auf den Geist gehen. Das

ist doch toll. Es ist so viel schöner wenn man sich versteht. Oder nicht?“ Nun hatte sie ihn in der Hand. Er würde es nicht wagen noch einmal gegen sie zu sprechen. Dafür war ihm sein eigenes Leben viel zu wichtig und wertvoll. Sie hatte gezeigt, dass sie keine Spielchen spielte, auch wenn ihre Art ein wenig kindlich schien. Das war eine Maske, hinter der sich ein rücksichtsloses Raubtier verbarg. Das konnte er jetzt sehen und mit einem Mal, wusste er warum Orivier diese Frau ausgesucht hatte. Sie war die Lösung für ihr Problem. Mit dieser Frau konnte er einiges erreichen. Mit ihr konnte er Dinge vollbringen, zu denen er alleine

nicht imstande wäre. Es war als hätte die Göttin selbst in diesem Augenblick eine Tür für ihn geöffnet. Er musste nur noch hindurch schreiten und all seine Probleme und Befürchtungen würden sich in Luft auflösen. „Sie haben ihren Standpunkt deutlich gemacht. Das akzeptiere ich. Nun ist es wichtig, dass wir die Einzelheiten besprechen. Dafür sind wir ja schließlich hier.“ „Endlich sagt ihr etwas kluges. Ihr überrascht mich. Das mag ich.“ Erneut griff sie nach der Flasche Eiswasser und nahm einen Schluck daraus. Dothras war sich sicher, dass er diese Flüssigkeit nicht einmal mit seinen

Lippen berühren würde. „Also Problem: Hübscher Prinz der der Prinzessin schöne Augen macht und wenn sie ihn in sein Bett lässt dann platzt ihre kleine Welt wie eine Seifenblase. Das sollten wir verhindern. Allerdings geht das nicht so einfach wie sie es vielleicht gerne hätten. Ich schnippe nicht mit den Finger und die Sachen passieren. Nein. Von diesem Moment an, über die nächsten Tage bis hin zur endgültigen Erfüllung ihres Wunsches sind wir zwei miteinander verbunden. Ich werde sie aufsuchen wann immer ich will. Ich werde mir ein Bild von ihrer Welt machen und dann mit diesen Informationen meinen eigenen

Weg suchen. Haben sie das soweit verstanden? Wir lösen das Problem nicht auf Ihre sondern auf Meine Art. Ich sage was zu tun ist. Wenn ich sage, sie sollen für mich tanzen wie ein Hofnarr, dann machen sie das. Wenn ich sage, rollen sie sich wie ein Köter auf den Rücken, dann machen sie das. Das macht alles einfacher für uns. Wie ich schon sagte: Sie nehmen nicht meine Hilfe in Anspruch, sondern meine Fähigkeiten und meine Fähigkeiten erfordern gewisse Vorgehensweisen. Ich werde an ihrer Seite sein, wann immer sie sich den Arsch auf dem Abtritt abwischen. Wie ihr Schatten. Ich werde sehen was sie sehen, gehen wohin sie

gehen und tun was sie tun. Ich verschmelze mit ihrer Welt und den Leuten um sie herum, lerne bis ich alles über sie weiß. Ihre Ängste, ihre Wünsche und ihre noch so kindlichsten Träume werde ich finden und vor mir ausbreiten. Ich werde Mauer für Mauer durchbrechen. Und erst dann, wenn ich das getan habe und alles vor mir offen daliegt, dann mein dicker kleiner Freund, werde ich ihren Wunsch erfüllen.“ Sie beugte sich näher über den Tisch zu ihm heran. „Dann werde ich Prinz Oran Yavieren töten...“

Was wir sind, und was wir sein können

Teliankas – Die Ufer des Felon - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 17. Zyklus - 10. Stunde Stumm beobachtete Oran wie die Männer versuchten sich im seichten Wasser zu halten, während die Strömung stets versuchte sie von den Füßen zu reißen. Insgesamt waren es zwanzig Männer. Um den Bauch hatten sie ein langes Seil gebunden dessen anderes Ende jeweils an einem Pfahl befestigt war. Mit aller Kraft versuchten sie gegen die Strömung des Flusses anzukämpfen und sich ihren Weg zu den

Pfählen zu bahnen. Mit den Händen hinter dem Rücken beobachtete Alliser seine Rekruten. Wie üblich konnte man in seinem Blick nichts finden, was auf seine derzeitige Gemütsverfassung schließen lies.Dieser Mann war ein großes Rätsel. Distanziert und dennoch voller Stärke. Nach der Andacht hatte Oran sich entschlossen ihm dabei zuzusehen wie er die neuen Rekruten ausbildete. Ser Ronak hatte ihn schließlich darauf verwiesen dass der Hauptmann sich mit den Rekruten außerhalb der Stadt am Fluss aufhält. Seitdem war er hier und beobachtete. Es tat gut sich mal ein wenig von den Anderen abzusondern. Lady Laneema

hatte ihn den halben Morgen für sich beansprucht, so dass ein wenig Zerstreuung ihm gut tat. Sie war nett, das ließ sich nicht bestreiten, aber sie hatte so ihre Eigenarten mit denen er noch zurecht kommen musste. Sie war die typische Adelige, die von oben herab auf das Volk sah. Nicht übermäßig arrogant aber nach einiger Zeit hatte er davon Kopfschmerzen bekommen. Da hatte er den kalten Wind auf den Hügeln vorgezogen, wobei das sicher kein Vergleich mit der Situation der Rekruten war. Sie wirkten alle entkräftet und keiner hatte bis jetzt auch nur ansatzweise den Pfahl erreicht an den er gebunden

war. „Ein eiserner Wille ist schärfer als jede Klinge“, begann Thrassk und betrachtete die Männer dabei. Er schrie gegen das Rauschen des Flusses an so dass es dem Prinzen in den Ohren schmerzte. „Der Weg scheint zwar oft klar und deutlich vor euch zu legen, doch meistens fehlt die Stärke um diesen auch bis zum Ende zu beschreiten. Diese Übung symbolisiert einen solchen Weg. Der Storm stellt den Widerstand dar, den ihr auf euren Wegen treffen könnt. Ihr selbst seid der Wille, der Pfahl das Ziel. Um ihn zu erreichen braucht ihr Stärke. Nur durch Stärke wird auch euer Wille wachsen. Jeder

Soldat der Armee, mag er noch so talentiert sein ist nur so mächtig wie sein Wille. Darum geht es. Ich will dass ihr darüber nachdenkt, es verinnerlicht während ihr gegen das Wasser kämpft und euch euren Weg bahnt. Wenn ihr diese Lehre verinnerlichen könnt, dann werdet ihr auch siegen. Damit habt ihr einen ersten Schritt getan und auch mir gezeigt, dass ihr es Wert seid ein Soldat Versias zu werden.“ Oran beobachtete den Hauptmann schweigend. Es gab selten Männer die das notwendige Charisma besaßen um Andere zu führen, aber dieser hatte es. Selbst wenn er nicht den Eindruck eines herzlichen Mannes machte, so wusste er

welchen Punkt er bei den Rekruten treffen musste, denn manche von ihnen verstärkten nach dieser kleinen Ansprache ihre Bemühungen die Pfähle zu erreichen sogar noch mehr. Das versianische Militär besaß durchaus interessante Facetten. Es unterschied sich deutlich von dem seiner Heimat. Dort gab es zwar auch Männer welche die Regimenter mit Härte anführten, aber niemanden der auch nur ähnlich gestrickt war wie Alliser Thrassk. Dieser Mann spulte nicht einfach nur irgendwelche Worte hinunter, sondern stand vollkommen dahinter und das konnten eigentlich nur diejenigen, die eine entsprechende Lebensgeschichte

hinter sich hatten. Seit seiner Ankunft am Hof von Teliankas hatte der niatische Prinz so manch interessanten Charakter getroffen, doch gab es nur wenige die ihm ein solches Rätsel waren wie dieser hier. Diejenigen die er nach Hintergrundinformationen gefragt hatte, waren ihm stets ausgewichen. Viele von jenen mit denen er sprach, zeigten dass sie nicht sonderlich viel Sympathie für den Grünhaarigen übrig hatten. Es gab nur wenige die wohlwollend von ihm sprachen, aber die Meinungen der Anderen hatten den Prinzen nie wirklich tangiert. Er war einer derjenigen die sich stets bemühten sich ein eigenes Bild von der Welt um sich herum zu

machen. „Ihr habt die Männer beflügelt, seht ihr? Sie lassen sich nicht mehr so einfach von der Strömung zurückwerfen. Ihr habt ein Talent dafür Leute um euch herum zu beflügeln Ser Alliser. Das kann nicht jeder. In Niat haben wir ein Sprichwort dafür: Ein Mann ist stets nur so stark wie seine Worte. Ich musste während eurer Ansprache unweigerlich daran denken.“ Alliser wischte sich eine Haarsträhne fort und nickte. Dabei rührte er sich kaum. Der kühle Wind der an ihnen zehrte schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken. Er stand wie ein Fels. Seine Augen musterten den Prinzen klar

und bestimmt, doch seine Züge waren stumm und kalt. Wie immer, wenn er dem Hauptmann begegnete. Es war beinahe so als würde er vor einer Mauer stehen, die sich nicht überwinden ließ. Über das was dahinter lag konnte man nur spekulieren. „Ihr müsst mir nicht schmeicheln Prinz Yavieren. Für solcherlei Kompliment bin ich unempfänglich. Dennoch frage ich mich was der Grund eures Besuchs an diesen Ufern ist. Ihr wirkt nicht wie jemand der all zu viel Interesse an solchen Dingen zeigt.“ Oran lächelte. „Es hat mich einfach interessiert. Ich gebe zu, ich bin kein Freund von Krieg

und seinen Begleitern, aber die Lehren die vermittelt werden um uns auf solches vorzubereiten sind stets interessant und lehrreich. Es lag mir fern euch zu schmeicheln, oder zu beglückwünschen. Ihr seid einfach nur ein Mann der seine Arbeit macht. Nicht wirklich ein Grund ihn hoch zu loben, wobei man ab und an ein Wort des Lobes vorbringen sollte, wenn es angebracht ist.“ Es lag nicht in Orans Interesse sich mit dem anderen einfach nur gut zu stellen in dem er ihn mit irgendwelchen Worten schmeichelte. Das lag einfach nicht in seiner Natur. Er war nicht wie diese Adeligen, denen es einfach nur um

Einfluss ging. Eine Eigenschaft die er an seinen kleinen Bruder weitergab. Schon seit etwa zehn Minuten saß Velkan etwas abseits auf einem der Hügel und hatte die Situation beobachtet und sich dabei bedeckt gehalten. Von den Rekruten war er dabei völlig unbemerkt gewesen und auch Oran hatte nicht sofort Notiz von ihm genommen. Allerdings wunderte es ihn dass der 18-Jährige allein war. Zumindest wäre damit zu rechnen gewesen, dass er seine Zwillingsschwester bei sich hatte, aber von Arysa war keine Spur zu sehen. Wahrscheinlich wollte Velkan die Zeit einfach nutzen um für sich selbst ein paar Einflüsse dieses Ortes

aufzunehmen. Auch Thrassk hatte den Knaben inzwischen bemerkt. „Euer Bruder mag eure Ansichten wohl nicht zu teilen. Ich hatte zwar noch nicht das Vergnügen, aber am Hof hört man so einiges und manche vergleichen ihn sogar schon mit mir. Durchaus amüsant, möchte ich hinzufügen. Dennoch scheint er über einen gewissen Wissensdurst zu verfügen.“ Besser hätte Er es selbst nicht ausdrücken können. Velkan war für sich schon immer ein Mysterium gewesen und selbst als älterer Bruder hatte Oran noch nicht alle Facetten seines Charakters ergründen können. Manchmal, so glaubte er gab es zwei.

Den einen der sich offen gegenüber ihm und den anderen zeigte und den anderen, den nur seine Schwester kannte. Sie hatte ohnehin den besten Draht zu ihm, sofern man das so nennen konnte. „Velkan ist sehr an der Welt um sich herum interessiert. Er ist immer darauf bedacht neue Dinge zu lernen und neue Eindrücke zu sammeln. Er beobachtet und zieht seine Schlüsse daraus, so wie jetzt auch. Er beobachtet, analysiert und bildet sich ein Urteil darüber, ohne großartig in die Situation einzugreifen. Er kann Leute tagelang beobachten, ohne mit ihnen zu sprechen und weiß danach schon eine Menge über sie und ihren Charakter. Eine Gabe die ihn hat

arrogant werden lassen. Oft maßt er sich an über die Leute zu urteilen. Nicht immer im guten. Eine Eigenschaft die ich noch zu entfernen versuche. Er ist ein guter Mensch, auch wenn er das nicht immer so zeigt.“ Alliser grinste süffisant. Dabei ließ er den jungen Prinzen Velkan nicht aus den Augen. „Nun, das ist sicherlich nicht einfach, oder gar möglich denke ich. Man kann niemals ändern was man ist und am wenigsten können es einen die Leute um uns herum. Euer Bruder hat nun mal sein eigenes Bild von dieser Welt, so absurd es in euren Augen auch sein mag. Er lässt sich sicherlich nicht

einfach von seinen Vorstellungen und Ansichten abbringen nur weil ihr als älterer Bruder lächelnd mit den Augen klimpert und ihn darum bittet.“ Oran lächelte matt über die Worte des Hauptmanns. Thrassk hatte Recht. Er konnte sich wohl so viel bemühen wie er wollte – Velkan würde sich ihm zuliebe sicher nicht ändern. Eigentlich sollte er das ja auch nicht. Es würde ihm nur gefallen wenn sein jüngerer Bruder zumindest ein wenig mehr Wärme in sein Leben lassen würde, anstatt immer nur das üble und schlechte in allem zu sehen. Oran hatte solche Leute schon zu oft getroffen und wusste dass bei den meisten die letzten

Tage meist von Bitterkeit erfüllt waren. Er wollte nicht dass sein jüngerer Bruder ebenfalls dieses Los zog. Das war seine einzige Sorge. „Habt ihr einen Bruder Ser Alliser?“ „Nein. Ich hatte nicht das Privileg in den Genuss zu kommen, wobei das Ansichtssache ist. Viele verwechseln Geschwister mit einer Verpflichtung. Sie fühlen sich verantwortlich für ihren Werdegang und versuchen sie zu formen, obwohl dies gar nicht nötig ist. Das ist meist der Fehler. Oft genügt nur ein Wink in die richtige Richtung. Man muss nicht den ganzen Weg für jemanden beschreiten. Das solltet ihr euch im Hinterkopf behalten. Ehrt euren

Bruder für den Menschen der er ist und versucht ihn nicht nach euren Wünschen zu ändern.“ Der 24-Jährige nickte über diese Worte. Thrassk sprach mit einer Weisheit die ihn für den Augenblick verblüffte. Es war als wüsste er genau wovon er sprach. Nun gut, immerhin war er jemand der ständig Leute um sich herum hatte die zu ihm aufsahen und von ihm Führung erwarteten. Da war es nicht verwunderlich dass er so dachte und in diesem Thema ein wenig mitreden konnte. Zum Teil hatte er sogar Recht. Es lag nicht an Oran zu entscheiden wie sich Velkan entwickelte. Das war eine Entscheidung die seinem Bruder selbst

überlassen war. „Es ließ sich nur schwer übersehend dass ich offenbar Mittelpunkt dieser Konversation bin Bruder. Ist es mittlerweile schon seltsam für dich, wenn ich einfach nur im Gras sitze und die Umgebung betrachte?“ Wie immer floss seine Stimme nur so vor Angriffslust und er hatte dieses selbstsichere Grinsen aufgesetzt, mit dem er ihn stets bedachte. Oran musterte seinen jüngeren Bruder einen Augenblick lang und lächelte dann. „Mit Nichten. Ich hatte mich nur ein wenig mit dem Hauptmann unterhalten. Du wirktest ein wenig verloren hier

draußen. Wo ist unsere Schwester? Ich habe sie seit der Andacht nicht mehr gesehen.“ Velkan zuckte nur mit den Schultern und fuhr sich durch das dunkle Haar. „Es ist nicht so dass ich sie den ganzen Tag an der Hand halte Bruder. Sie ist eine erwachsene Frau die den Tag auf ihre Art und Weise verbringt und das durchaus ohne dass ich mich in ihrer Gegenwart aufhalte. Ich glaube sie war mit der jüngeren Schwester deiner Angebeteten unterwegs. Leonora, genau. So war der Name. Sie ist bei ihr in guten Händen und ich denke dass es unserer Schwester gut tut wenn sie hier ein paar Kontakte knüpft. Meint ihr nicht

auch?“ Da hatte er Recht. Es konnte für Arysa nur förderlich sein, wenn sie Freundschaften schloss. Außerdem war sie, wie ihr Zwilling so gut betonte, kein Kind mehr. Das war der Fehler von vielen. Nur weil sie blind war dachte man, dass sie nicht in der Lage sei selbst zurecht zu kommen. Man gab ihr nicht einmal die Möglichkeit sich zu beweisen, oder zu zeigen dass sie auch ohne fremde Hilfe zurecht kam. Oran musste dennoch zugeben, dass er sich Sorgen um sie machte. Sie war zerbrechlich und gefühlvoll. Er wollte nicht, dass ihr jemand Schaden zufügte. Sicher war dies auch Velkans Ansicht,

auch wenn er das nicht offen zugab. So war er nun mal. Er war durchaus jemand der sich um die Menschen die ihm teuer waren sorgte, aber zeigte dies nie. Ein weiterer Teil seiner Maske, die er trug. „Nur stellt sich natürlich die Frage, ob Lady Leonora der richtige Umgang für eure Schwester ist Prinz Yavieren. Die Prinzessin hat eigene Ansichten von dem Leben in dieser Stadt und sich ihre eigenen Regeln aufgestellt. Es wundert mich dass sie nicht irgendwo hier ist und den Männern bei der Übung zusieht. Ihr müsst wissen dass dieses Mädchen schon immer ein wenig anders war, als man es von Leuten ihres Standes

erwartet. Ich bin lediglich darum besorgt dass ein paar dieser Züge womöglich auf Lady Arysa abfärben. Sie scheint mir eine bodenständige wohlerzogene junge Frau zu sein. Wir wollen doch nicht dass sie morgen damit anfängt Männerkleidung zu tragen und ein Schwert zu schwingen, nicht wahr?“ Thrassks Humor war ziemlich seltsam, aber er schien dem 18-Jährigen zu gefallen, denn Velkan grinste nur süffisant. „Ja. Ich hörte davon und ich hatte auch schon das Vergnügen mit ihr. Sie zeigt sich nicht sonderlich interessiert für Dinge die man von ihr erwartet. Sei es

die Kultur oder sonstiges. Sie ist ein eigensinniger Geist, aber daran ist nichts verkehrt. Es ist immer besser eine eigene Sicht der Dinge zu entwickeln, als sich nur den Dogmen zu beugen die einem auferlegt werden. Arysa ist ihr ein wenig ähnlich, wenn auch von Grund auf verschieden. Viele sind nicht in der Lage einen solchen Menschen zu verstehen. So ist es ebenfalls bei Lady Leonora der Fall. Man sieht nur die äußere Hülle und das was sie tut, fragt sich aber nicht nach dem Warum. Das ist das Problem von euch Versianern. Ihr achtet viel zu sehr auf Äußerlichkeiten. Stand ist euch wichtiger als der Geist einer Person.

Eure Blicke sind nach Innen gerichtet. Ihr seid es, die wirklich blind für die Dinge um euch sind. Meine Schwester vermag mehr von der Welt um sich herum zu erfassen, als so mancher der nicht blind ist.“ Und da war wieder diese Offenheit die so manchem schlecht aufstoßen konnte. Velkan genierte sich nie, zu sagen was er dachte auch wenn es vielleicht jemand anderen verärgerte. Das kümmerte ihn nicht. Thrassk zeigte sich jedoch keinesfalls davon angegriffen oder beleidigt. Er nickte sogar und drückte somit seine Zustimmung diesbezüglich aus. „Gut gesprochen. Nicht viele trauen sich

ihre Meinung so direkt zu äußern. Gut. Ihr wärt in einer hohen Position gut aufgehoben. Ihr könntet so manchen die es brauchen den Wind aus den Segeln nehmen. Hier gibt es viel zu viele die von ihrer Dekadenz geblendet sind.“ „Nun ob geblendet oder nicht. Es ist besser als das was man sonst auf diesen Straßen sieht. Ich wurde hier mit Lebensweisen konfrontiert, die ich ungern annehmen oder gar wiederholen würde. Schlimmer noch: Viele von ihnen scheinen überhaupt kein Problem damit zu haben am unteren Ende der Nahrungskette zu leben. Als wäre es für sie selbstverständlich. Für mich vollkommen

absurd.“ Da war er wieder. Der junge Prinz, der sich für etwas besseres hielt und dies offen zeigte. Es stellte sich nur die Frage wie der Hauptmann darauf reagierte. Hier trafen zwei Welten aufeinander und Oran war sich noch nicht vollkommen sicher, welchen Ausgang das nehmen würde. Er kannte Velkan zu gut um zu wissen dass er einfach aufgab, wenn eine Diskussion zu hitzig wurde. „Ignoranz, begründet aus Unwissenheit. Ihr seht es vielleicht so, aber glaubt mir. Es interessiert niemanden von diesen Leuten was ihr denkt. Ebenso wenig wie es mich interessiert. Ihr mögt

eure Ansichten haben, aber ihr seid nichts weiter als ein Kind, dass noch erwachsen werden muss. Man kann die Unreife in euren Worten förmlich fassen. Ihr habt es nur noch nicht erkannt, oder seid zu stolz das zu sehen.“ Man konnte förmlich spüren, wie sich die Luft um die beiden Männer herum aufzuladen schien. Oran sagte nichts, denn er wusste das jedes seiner Worte an seinem Bruder abprallen würde. Das hier war etwas, dass er selbst lösen musste, auch wenn er nicht wirklich wusste ob eine solche Unterhaltung angebracht war. Velkan war stur. Er beharrte auf seiner Meinung und jemand

wie Alliser Thrassk spuckte darauf. Das hatte es noch nie gegeben. In Niat hatte man dem 18-Jährigen immer zugestimmt, aufgrund seiner Abstammung. Sein Vater hatte dieses Verhalten sogar noch gefördert. Hier trafen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite der Hauptmann der durch Erfahrung seine Meinungen untermauern konnte und auf der anderen der störrische Prinz der durch seine eigene Arroganz geblendet war. Eine interessante Konstellation. Das musste Oran zugeben. Wie immer verspürte er den Drang für seinen Bruder Partei zu ergreifen, ihn zu schützen, aber in diesem Augenblick würde wohl nichts

was er sagen konnte, etwas an der Lage ändern. „Starke Worte für einen einfachen Fußsoldaten. Euer Titel ist für mich wie Wind. Er bedeutet nichts. Ihr habt ihn lediglich erhalten. Meiner hingegen, ist ein Recht dass ich habe und das seid meiner Geburt. Ihr hattet einfach nur Glück, Alliser. Ich mag jung und unreif sein, aber ich weiß was ich bin und wo mein Platz ist. Wisst ihr das auch?“ „Das tue ich, sonst würde ich nicht hier stehen. Gegebener Stand bedeutet allerdings wenig. Es ist nicht das mit dem wir gesegnet sind, Bursche, sondern das was wir daraus machen. Das solltet ihr euch vor Augen halten.

Ihr mögt euch hinter euren Worten der Arroganz verstecken, aber in Wahrheit habt ihr nichts. Ihr seid nichts. Ihr habt nichts von dem was ihr besitzt selbst erreicht. Es wurde euch in den Schoß gelegt. So einfach ist das. Ihr musstet euch nie sonderlich für etwas anstrengen, oder für etwas kämpfen. Das haben andere für euch erledigt. Diener die ihr herum scheucht und dafür belächelt, dass sie weniger Wert sind als ihr selbst, obwohl manche von ihnen sicherlich wertvoller sind als ihr wahrhaben möchtet. Wenn ihr mich nun entschuldigt? Ich habe zu tun.“ Und damit ließ der Hauptmann den Prinzen stehen. Velkan sah ihm noch

einen Moment nach, wie er sich wieder seiner Arbeit zuwandte und die Rekruten bei ihrem Training beobachtete. Ein paar von ihnen warten nur noch wenige Meter von den Pfählen entfernt, an denen man sie gebunden hatte. Der 18-Jährige sah sich die Situation einfach nur an. Oran trat einen Schritt näher an ihn heran und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Bruder-“ „Das war...interessant. Dieser Alliser ist mehr als er zeigt. Immerhin steht er auch zu dem was er sagt und kneift nicht direkt den Schwanz ein. Das muss man ihm lassen. Er hat Selbstvertrauen, obwohl, das sollte er als Hauptmann

auch, nicht wahr? Verschwende deine Worte nicht Bruder. Er hat mich nicht verletzt. Ganz im Gegenteil. Das hier war ziemlich lehrreich. Das hilft mir die Leute an diesem Ort sogar noch ein wenig besser zu verstehen. Also mach dir lieber Gedanken darum was du mit der jungen Prinzessin Laneema machst.“ Und da war er wieder. Der selbstsichere und unnahbare Prinz, den niemand in seinen Grundfesten erschüttern konnte, egal wie sehr man es auch versuchte. Und damit ging er schließlich. Oran blieb alleine zurück und fragte sich, was für Folgen dieses Gespräch haben könnte, denn er wusste das Velkan nicht einfach aufgab, auch wenn er es so

sagte. Was Alliser sagte, wirkte auf eine Art und Weise die der 24-Jährige noch nicht erklären konnte. Nur die Zeit würde zeigen ob Velkan daraus eine Lehre zog oder stur bei seiner üblichen Meinung blieb. Oran wünschte sich letzteres. Dieser Besuch war gut für den jüngeren, allerdings musste sich noch zeigen, wie weit er damit umgehen konnte, so offen Kritik an einer Lebensweise zu erfahren, die er immer für richtig hielt. Er war nun mal in Kreisen aufgewachsen in denen es keine Wiederworte an seiner Lebensart oder seinem Charakter gab. Die Menschen um Velkan herum duldeten seine

herablassende Art und Weise nur, weil er Sohn von König Rhalys Yavieren war und das wusste er. Hier allerdings war dieses Privileg nichts wert und das musste er noch lernen. Für den Augenblick allerdings war Oran nicht mehr danach, noch weiter über seinen Bruder nachzudenken. Für heute hatte Velkan seine Lektion gelernt und das genügte. Es gab andere Dinge denen er sich zuwenden konnte. Die Stadt war groß und es gab eine Menge zu sehen und jetzt, wo ihm niemand am Rockzipfel hing konnte er sich für sich selbst Zeit nehmen. Etwas, das am Hof von Shisaria nicht immer möglich war. So zog er langsam wieder in Richtung

der Stadt. Jedoch blieb er nicht all zu lange alleine. Vom Stadttor konnte er Dumat Vaheran und Sir Esthir auf die Hügel zu gehen sehen. Wahrscheinlich wollten sie Thrassk bei der Arbeit zusehen. Als sie ihn erblickten verneigten sich beide aus Respekt vor dem Prinzen. „Prinz Oran. Ser Alliser ist am Flussufer nicht wahr?“, wollte Esthir wissen. Der niatische Adelige nickte nur und deutete zum Strom des Felon. Von hier aus konnte man den Hauptmann gut erkennen, wie er gerade einmal mehr wild gestikulierte und anscheinend eine weitere seiner Predigten vor den Rekruten hielt. Oran schmunzelte

darüber. Jemand wie dieser Mann war von dem überzeugt was er tat und hielt immer daran fest. Eine beeindruckende Eigenschaft wie er zugeben musste. „Ich habe mir ein wenig das Training der Rekruten angesehen. Thrassk ist ein fähiger Mann der sein Handwerk versteht.“ Vaheran nickte. „Durchaus, auch wenn nicht jeder mit seiner Art und Weise zurecht kommt. Ich habe schon so manchen Adeligen vollkommen die Fassung verlieren sehen, wenn er auch nur fünf Minuten mit Alliser alleine war. Besonders Dothras Caius ist für ihn irgendwie eine Art wandelnde Zielscheibe. Nun denn.

Ich will euch nicht weiter aufhalten. Sicher habt ihr noch eine Menge zu tun.“ Der Blauhaarige schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Eigentlich hatte ich gehofft mich von all dem Stress ein wenig zurückziehen zu können. Irgendwie glaube ich dass die Stadt denkt eine Verlobung wäre längst entschieden, wobei nicht jeder diese Euphorie teilt. Es wunderte mich, dass nicht ein paar der Stadtbewohner mit Obst nach mir warfen.“ Er war nun mal in Kreisen aufgewachsen in denen es keine Wiederworte an seiner Lebensart oder seinem Charakter gab. Die Menschen um Velkan herum duldeten seine

herablassende Art und Weise nur, weil er Sohn von König Rhalys Yavieren war und das wusste er. Hier allerdings war dieses Privileg nichts wert und das musste er noch lernen. Für den Augenblick allerdings war Oran nicht mehr danach, noch weiter über seinen Bruder nachzudenken. Für heute hatte Velkan seine Lektion gelernt und das genügte. Es gab andere Dinge denen er sich zuwenden konnte. Die Stadt war groß und es gab eine Menge zu sehen und jetzt, wo ihm niemand am Rockzipfel hing konnte er sich für sich selbst Zeit nehmen. Etwas, das am Hof von Shisaria nicht immer möglich war. So zog er langsam wieder in Richtung

der Stadt. Jedoch blieb er nicht all zu lange alleine. Vom Stadttor konnte er Dumat Vaheran und Sir Esthir auf die Hügel zu gehen sehen. Wahrscheinlich wollten sie Thrassk bei der Arbeit zusehen. Als sie ihn erblickten verneigten sich beide aus Respekt vor dem Prinzen. „Prinz Oran. Ser Alliser ist am Flussufer nicht wahr?“, wollte Esthir wissen. Der niatische Adelige nickte nur und deutete zum Strom des Felon. Von hier aus konnte man den Hauptmann gut erkennen, wie er gerade einmal mehr wild gestikulierte und anscheinend eine weitere seiner Predigten vor den Rekruten hielt. Oran schmunzelte

darüber. Jemand wie dieser Mann war von dem überzeugt was er tat und hielt immer daran fest. Eine beeindruckende Eigenschaft wie er zugeben musste. „Ich habe mir ein wenig das Training der Rekruten angesehen. Thrassk ist ein fähiger Mann der sein Handwerk versteht.“ Vaheran nickte. „Durchaus, auch wenn nicht jeder mit seiner Art und Weise zurecht kommt. Ich habe schon so manchen Adeligen vollkommen die Fassung verlieren sehen, wenn er auch nur fünf Minuten mit Alliser alleine war. Besonders Dothras Caius ist für ihn irgendwie eine Art wandelnde Zielscheibe. Nun denn.

Ich will euch nicht weiter aufhalten. Sicher habt ihr noch eine Menge zu tun.“ Der Blauhaarige schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Eigentlich hatte ich gehofft mich von all dem Stress ein wenig zurückziehen zu können. Irgendwie glaube ich dass die Stadt denkt eine Verlobung wäre längst entschieden, wobei nicht jeder diese Euphorie teilt. Es wunderte mich, dass nicht ein paar der Stadtbewohner mit Obst nach mir warfen.“ Sir Esthir hüstelte ob dieses Kommentars, während Vaheran einfach nur nickte und die Arme hinter dem Rücken verschränkte. „Nun. Lasst Euch davon nicht die Laune

verderben. Die Bewohner werden euch sicherlich schätzen lernen. Ihr seid erst einen Tag hier. Da könnt ihr keine Wunder erwarten. Die Menschen hier sind immer etwas zurückhaltend was Neuankömmlinge betrifft. Ihr dürft deshalb nicht über sie richten. Vor allem wissen die meisten, dass ihr hier seid um Prinzessin Laneema näher kennen zu lernen. Natürlich erhoffen sich ein paar davon etwas, aber andere befürchten natürlich dass ihr mehr Schein als sein seid.“ Über diese Aussage musste Oran lachen. Diese Versianer waren wirklich ein amüsantes Volk. Das musste er zugeben und er konnte ihre Befürchtungen

nachvollziehen: Da kam jemand vollkommen Fremdes der womöglich ihre Prinzessin heiratete. Es war vollkommen verständlich dass dies nicht bei jedem auf Wohlwollen stieß. Dennoch würde er sich davon nicht entmutigen lassen. Immerhin war er hier Gast und konnte ein gewisses Misstrauen gut verstehen. Er würde sich wohl an ihrer Stelle nicht anders verhalten. „Verständlich. Vermutlich haben sie Angst dass ich die Prinzessin auf meinem Ross fortschleppe um sie zu meiner Königin zu machen.“ „Habt Geduld mit dem Volk. Sie werden lernen sich an euch zu gewöhnen und

vielleicht lernen sich euch lieben. Das kann man nie wissen. Ihr müsst ihnen einfach nur Zeit geben. Das ist alles. Die Menschen aus Versia sind von Natur aus vorsichtig. Es liegt in ihrem Charakter. Daran kann man nichts ändern. Ihr werdet lernen damit umzugehen.“ Oran nickte. „Vermutlich, aber sicher spricht nicht jeder so positiv über mich wie ihr es tut. Das kann ich aber auch nicht erwarten. Nicht jeder kann mich mögen und das erwarte ich auch von niemandem. Ich freue mich hier zu sein und will so viele Eindrücke von eurer Stadt sammeln wie möglich, auch wenn

sie vielleicht nicht immer positiv sind, aber das gehört eben dazu.“ Das stimmte ja auch. Es konnte nicht immer alles so gut enden wie in irgendwelchen Büchern, in denen der Held am Ende all das bekam, was er sich immer erträumt hatte. Vor allem sah sich Oran nicht als solchen an. Er war ein Mann wie jeder andere von ihnen auch. Dabei war es auch nicht wichtig ob er ein Prinz des niatischen Königshauses war. Das interessierte gar nicht und er bildete sich auch nicht sonderlich viel auf diesen Umstand ein. Er sah sich nicht als etwas besseres, so wie es vielleicht sein Bruder Velkan tat. Er war genau wie sie. Wie ein Thrassk,

der versuchte den Leuten um sich herum sein Wissen zu vermitteln, oder ein Vaheran der einfach nur versuchte sein Gewissen zu beruhigen. Sie alle waren nur Menschen mit ihren Fehlern und ihren Stärken und er war einer von ihnen. Vielleicht würden das die Stadtbewohner auch irgendwann sehen. Er erwartete keine Wunder und er würde auch nichts erzwingen. Das war nicht seine Art. Oran nahm die Welt um sich herum so wie sie war. Egal was das für ihn bedeutete. „Das ist eine gute Eigenschaft Ser. Vielleicht seid ihr gut für uns. Wer weiß das schon? Noch ist zu wenig Zeit

verstrichen um das wirklich zu wissen. Ich bin zumindest davon überzeugt, dass ihr etwas bewegen könnt. Auf die eine oder andere Art und Weise. Es ist lange her, dass jemand Teliankas besuchte, von dem man sich so viel erhoffte und das tun manche Leute, auch wenn ihr es vielleicht nicht seht. Für sie seid ihr eine Art Zeichen der Veränderung. Man spricht hier viel darüber. Über das was ihr verändern könnt. Nicht dass ich damit irgendetwas andeuten will. Ich dachte mir nur, dass ihr es vielleicht wissen solltet. Das ist alles“, erklärte Vaheran mit ruhiger Stimme und warf dabei wieder einen Blick auf das Ufer des Flusses vor ihm.

Oran hatte schon von diesem Dumat gehört. Ein enger Freund des Königs, der mit nichts aufgewachsen war. Daher konnte er gut nachvollziehen dass er so sprach. Er war einer von ihnen, diesen Menschen die am Straßenrand saßen, ihn ansahen und sich dabei fragten, was er vielleicht für sie tun könnte. Natürlich hatte sich der Prinz schon einmal gefragt, was für eine Rolle man ihm eigentlich zugedacht hatte. Ob er nun einfach nur der Königssohn war, der die Linie fortführte, oder ob vielleicht sogar mehr dahinter lag. Darüber war er sich nicht sicher und er erzwang für sich selbst keine Antwort darauf. Dumat hatte Recht: Er musste

abwarten, die Zeit verstreichen lassen und einfach nur Geduld haben. Die Zukunft würde Zeigen, welchen Weg er zu gehen hatte und was seine Aufgabe war. Sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen brachte nichts. Das wusste er. Er würde warten, diese neue Welt mit ihren verschiedenen Facetten besser kennen lernen, so wie diese Leute auch ihn und die seinen kennen lernen mussten. Es war eine gegenseitige Studie, wenn man es so nennen wollte und nur die Zeit wusste, was am Ende wartete.

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Hörbuch

Über den Autor

Thommy
Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;)

Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern zu vergleichen, oder hatten einen besonderen Kern. Es war lediglich der Wunsch das zu Papier zu bringen, was mir im Kopf rumspukte. ^^

Eine meiner ersten Geschichten war eine Art Wild-West Adaption und wohl so inspirierend wie der morgendliche Toilettengang, aber das ist es nicht was mich bei so etwas tangiert. Ich bin keiner von den Leuten denen es darum geht, was andere über das denken was er schreibt. Ich will meine Inspirationen, meine Gedanken einfach nur mit den Leuten teilen. Mir ist es wichtig dass die Leute Spaß an dem haben was ich schreibe. Ich will meine Ideen und meine Fantasien mit ihnen teilen. Das ist mir wichtig ;)

Was mich dabei inspiriert? Das kann unterschiedlich sein. Ein guter Song, von Disturbed, den Foo Fighters oder anderen wie zum Beispiel Lifehouse oder Stone Sour.
Andererseits kann es auch nur ein einfacher Gedanke, oder eine Frage sein die mir gerade durch den Kopf geht. Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin auch nicht unbedingt derjenige der in seinen Geschichten auf Action achtet, oder dass der Held am Ende das Mädchen bekommt, sondern darauf eine Welt zu zeigen die vielleicht nicht immer perfekt ist und wie die Leute in ihr mit den dortigen Begebenheiten zurecht kommen.
Ich bin auch kein Freund von "Happy End" - Geschichten, wenn ich ehrlich bin, da sie manchmal nicht der Wahrheit entsprechen. Das Leben ist eben nicht immer eine Blumenwiese über die die Leute fröhlich hinwegtänzeln, sondern bietet seine Herausforderungen und Prüfungen an denen man wächst und reift. Das versuche ich auch in meinen Stories zu zeigen und zu verdeutlichen, auch wenn es vielleicht nicht immer ganz gelingt ^^

Ansonsten gibt es eigentlich nicht viel zu sagen^^ Ich wünsche jenen Leuten die über meine Geschichten stolpern viel Spaß mit ihnen und hoffe dass sie vielleicht etwas von den Gedanken übermitteln können, die mich dazu bewogen haben sie zu schreiben.
In diesem Sinne:
Liebe Grüße,
Thommy =)

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