- Karen - „Hast du auch fleißig gelernt? Denk dran. Der Tag Morgen ist wichtig für dich.“ Die Blinde verdrehte die Augen und stützte das Kinn auf der Faust ab. Unentwegt prasselte der Regen gegen die Fenster des Wagens, der durch die Nacht fuhr. „Mama es ist nichts besonderes. Nur ein blindes Mädchen dass Ode an die Freude singt. Und jede menge anderer Blinde die
zusehen – naja oder eher nicht...Ist wirklich nichts wildes!“ Ihre Mutter lächelte nur. „Freu dich doch. Das ist etwas besonderes. Wann singt schon mal jemand vor der ganzen Schule?“ Die 16-Jährige schüttelte nur den Kopf. Wie immer versuchte ihre Mutter nur nett zu sein. Das wusste sie. Alle versuchten sie immer nur nett zu sein da sie ja das arme blinde Mädchen war dass es so schwer hatte. Nie nahm sie jemand ernst und am wenigsten ihre Eltern. „Mum, das ist nichts besonderes bei uns. Die tun das nur damit wir uns nicht ganz so blöd fühlen. Ich meine
wenn du irgendwem sagst dass morgen in irgendeiner Schule ein blindes Mädchen singt, dann wird es den meisten scheißegal sein!“ „Karen! Wie oft hab ich dir schon gesagt du sollst solche Wörter nicht benutzen?“ Die schwarzhaarige seufzte nur. Im Radio liefen wie immer die Abendnachrichten. Es war ein Tag wie jeder andere. Karen und ihre Mutter waren in der Stadt um etwas einzukaufen und jetzt würden sie nach Hause fahren um dort zusammen mit ihrem Vater etwas zu Abend zu Essen. Die reinste Familienidylle. „Ist ja gut Mama. Ich will damit ja nur
sagen dass es nichts besonderes ist. Für mich zumindest nicht. Naja aber es könnte was besonderes werden, wenn du mich danach-“ „Fang nicht schon wieder damit an. Wir haben darüber gesprochen Karen.“ „Ihr habt darüber gesprochen. Ich hab nur zugehört. Mum bitte. Es ist nur eine Party. Da werden auch andere Leute sein!“ Schon seit Wochen lag sie ihrer Mutter wegen dieser Party in den Ohren. Sie hatte durch eine Freundin aus der Schule davon mitbekommen. Eine richtige Feier wo andere in ihrem Alter waren. Das erste mal würde sie die Chance haben sich wie ein richtiger
Teenager zu fühlen und nicht dieses Gefängnis in dass man sie täglich sperrte. „Dein Vater und ich sind der Ansicht dass das keine so gute Idee ist weißt du. Ich meine wer soll denn auf dich aufpassen? Was wenn dir irgendwas passiert?“ Das machte sie wütend. Die 16-Jährige verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. „Mom was glaubst du was da passiert? Dass ich mich besaufe und fröhlich durch die Gegend vögel?!“ „KAREN!“ „Was? Mum ich bin kein Kind mehr! Ich
bin Teenager. Teenager feiern nun mal Partys und irgendwann da saufen sie und ficken eben auch mal!“ Vor Schreck trat ihre Mutter auf die Bremse. Der Wagen kam abrupt zum stehen. Entgeistert sah sie ihre Tochter an. „Um Himmels Willen Karen! Achte auf deinen Ton!“ „Gott Mum! Ich kann es sagen soviel ich will: Ficken, Ficken, Ficken! Oder weißt du wie sie es noch nennen? Bumsen, den Lachs buttern, oder ein Rohr verlegen!“ Die Reaktion ihrer Mutter war nun, dass diese einfach das Radio lauter drehte. So war es immer, wenn sie sich außer
Stande fühlte mit Karen zurecht zu kommen. Ihr hingegen konnte das nur Recht sein. So musste sie sich nämlich nicht weiter anhören warum es besser war, wenn sie zu Hause blieb und nicht wie jeder andere in ihrem Alter auch mal raus durfte. Natürlich würde sie es nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Vielleicht konnte sie ja später ihren Vater noch mal fragen. Er konnte nicht ewig nein zu ihr sagen. Immerhin mussten die beiden irgendwann auch mal verstehen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. So setzte sich der Wagen wieder in Bewegung. Eine Weile lang sagten die beiden überhaupt nichts und begnügten sich damit sich
gegenseitig anzuschweigen. Zumindest solange bis ihre Mutter wieder das Wort ergriff. „Sag mal Karen. Du gehst mit dem Thema sehr offen um. Du hast doch nicht etwa-“ „Etwa was?“ Fragend starrte die Blinde ins Leere, ehe sie begriff was ihre Mutter jetzt von ihr wollte. „Gott Mum! Ist das dein Ernst?“ „Wenn du so offen darüber sprichst. Woher weiß ich dann nicht dass meine Tochter nicht schon den...wie hast du dich ausgedrückt? Den Lachs gebuttert hat?“ „Klar Mum. Und jetzt bin ich schwanger.
Er ist 30 und mein Lehrer und wir behalten das Kind!“ „Das ist nicht witzig Karen!“ Die Blinde schüttelte den Kopf und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Auf ein solches Gespräch hatte sie nun wirklich keine Lust. Nun gut es sollte auch nicht weiter andauern, denn von diesem Augenblick an, sollte sich für die 16-Jährige alles verändern. Sie sah es nicht, sah nicht die Gestalt die mitten auf der Fahrbahn auftauchte und dafür sorgte, dass ihre Mutter die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Alles ging schnell. Der Wagen kam von der Straße ab, überschlug sich und landete im Graben. Karen stieß mit dem
Kopf mehrmals auf dem Armaturenbrett auf. Schmerz breitete sich aus. Auch ihr Arm schmerzte. Der Wagen war zum stehen gekommen, aber so wie es sich anfühlte musste er sich jetzt auf dem Kopf befinden. „Mum? Ist alles in Ordnung?“ Keine Antwort. Nur das prasseln des Regens der unaufhörlich gegen die Scheibe rieselte war zu hören.Die Blinde tastete im Auto umher, suchte die Hand ihrer Mutter und fand diese schließlich. „Mammi?“ Wieder nichts. Nur Stille. Karen zitterte am ganzen Körper. Der Schock saß tief. Sie hatte gar nicht wirklich realisiert,
was gerade passiert war. Sie hatten einen Unfall. Sie konnte hören wie ihr eigenes Blut von der Stirn hinab auf das Dach tropfte. Bis auf den Arm schien sie nicht weiter verletzt zu sein. Sie rüttelte an ihrer Mutter in der Hoffnung, dass diese darauf reagieren würde. „Mom! Wach auf!“ Wahrscheinlich hatte sie das Bewusstsein verloren. So musste es sein! An etwas anderes wollte sie in diesem Augenblick gar nicht denken. Es ging ihr sicher gut. Gleich würde sie aufwachen, sie bei der Hand nehmen und ihr sagen dass alles gut werden würde. Noch einmal rüttelte sie an der
Schulter ihrer Mutter. Dieses Mal etwas energischer.Wieder keinerlei Reaktion. Karen merkte gar nicht, dass sie inzwischen zu weinen begonnen hatte. Sie zitterte am ganzen Körper. Unfähig die Situation zu begreifen. „Hilfe“, brachte sie brüchig hervor. Das war alles was sie im Augenblick tun konnte. Da draußen musste irgendjemand den Unfall mitbekommen haben. Gleich würde man sie aus dem Wagen ziehen, ihr helfen. „Hilfe, Bitte!“ Sie rief so laut sie konnte. Jemand kam. Das konnte sie deutlich hören. Dumpf klangen die Schritte als jemand in den Graben
stieg. „Hallo? Hallo ist da jemand?“ Niemand antwortete, doch die Person musste sich jetzt ganz in der Nähe des Autos befinden. Wahrscheinlich begutachtete er erst einmal die Situation, doch gleich würde er die Frau und ihre Tochter erblicken. „Bitte...rufen sie einen Krankenwagen. Meine Mutter...sie ist bewusstlos. Ich bin verletzt!“ Das Fenster war zersplittert. Sie konnte hören wie er näher kam. Ein seltsamer Geruch drang ihr in die Nase. Es stank förmlich. Dann war da noch etwas. Ein Röcheln. Tiefes Stöhnen. Der Mann stöhnte. Jetzt bekam sie wirklich
Panik. „Bitte. Wir brauchen-“ Ein Schuss. Sie zuckte vor Schreck zusammen. Sie konnte hören wie die Person neben ihr auf dem Boden zusammensackte. Jemand hatte ihn gerade erschossen! Das musste ein Traum sein! Wahrscheinlich war sie nur während der Fahrt eingeschlafen. Gleich würde sie ihre Mutter wecken, weil sie zu Hause angekommen waren. Sie würde ihren Vater umarmen und alle würden gemeinsam zu Abend essen. Sie würde damit nerven dass sie unbedingt auf diese Party wollte. Alles würde wie immer sein. „Scheiße Ethan, du hast ihm den Schädel
weg geballert! Komm wir gehen. Da sind bestimmt noch mehr von den Dingern in der Nähe.“ Es war eine junge Stimme. Wahrscheinlich ein Teenager. Er klang nervös. Da waren zwei. Sie waren ganz in der Nähe. Das bekam sie noch mit, ehe Karen das Bewusstsein verlor. - Ethan - „Bis jetzt ist diese Welle von gewalttätigen Übergriffen für die Polizei ein Rätsel. Wir raten allen Bewohnern ihre Häuser zu verriegeln und nicht auf
die Straße zu gehen bis die Behörden die Situation wieder unter Kontrolle haben. Bewahren sie Ruhe und bleiben sie zu Hause.“ Schon den ganzen Tag berichteten sie in den Nachrichten davon. Seltsame Übergriffe und abscheuliche Gewalttaten. Ethan hatte das ganze aufmerksam verfolgt. Wie jeden Tag nach der Arbeit saß der Banker im Diner zusammen mit Josh, einem mexikanischen Teenager aus der Nachbarschaft. Manchmal mähte der Junge ihm den Rasen oder erledigte Einkäufe. Allerdings war daraus so etwas wie eine Freundschaft entstanden. Jeden Abend trafen sie sich hier und
aßen zusammen. Der Schwarzhaarige wirkte jedoch ein wenig aufgeregt aufgrund dieser Nachrichten. „Man Ethan. Was hältst du davon? Den ganzen Tag sagen sie jetzt schon dass man lieber zu Hause bleiben soll. In der Uni haben die uns sogar früher nach Hause geschickt. Ist sicher nur irgend ne Demo!“ Der Braunhaarige nickte und richtete sein Hemd, ehe er einen Schluck von seinem Kaffee nahm. Er lebte schon fast sein ganzes Leben in Norwalk und bis jetzt war nie irgendwas interessantes passiert. Die heutigen Nachrichten stellten die größte Aufregung dar die dieser Ort je gesehen hatte. Fast
pausenlos hörte man Sirenen. Menschen liefen aufgeregt durch die Straßen. Deshalb war im Diner nichts los. Nur Ed der Koch war noch da. Die Bedienungen hatte er nach Hause geschickt. Jetzt stand er am Tresen und wischte gerade ein paar Gläser aus. „Sicher ist das nur ne Katastrophenschutzübung! Morgen ist wieder alles beim alten. Dann beschwert man sich wieder über den Verkehr und darüber dass es den ganzen Tag nur regnet!“ Ethan nickte nur und nahm einen Bissen von seinem Hot Dog. Sein Blick glitt aus dem Fenster, wo gerade mehrere Streifenwagen vorbeifuhren. War ein
wenig viel Aufregung für eine Übung. Josh steckte sich eine Zigarette in den Mund. Der Koch sah ihn böse an. „Junge geh raus! Qualm mir nicht den Laden voll!“ Der Mexikaner nickte nur und erhob sich von seinem Platz. Gerade wollte er nach draußen gehen, als von dort jemand hereinkam. Eine junge Frau, ziemlich übel zugerichtet. Vor Schreck fiel dem Jungen die Zigarette aus dem Mund. Ihre Linke Gesichtshälfte war Blutüberströmt und auch am Hals hatte sie tiefe Wunden. Sie krächzte aus voller Kehle und torkelte auf Josh
zu. „Scheiße!“, kam es nur von Ed, der sofort hinter dem Tresen hervor kam und die junge Frau bei den Schultern fasste. „Ethan ruf nen Krankenwagen. Keine Sorge Miss. Wir helfen ihnen! Wie ist ihnen das passiert?“ Keine Antwort. Mit leerem Blick sah sie ihn an, ehe sie ihre Zähne in sein Fleisch versenkte. Ed schrie, Blut spritzte in alle Richtungen. Ethan ließ sein Handy fallen. Josh wich zurück. Beide sahen mit an wie der Koch auf dem Boden zusammensackte und die junge Frau damit begann von ihm zu Fressen. Immer wieder biss sie große
Stücke aus seinem Hals. „Scheiße!“, fluchte Josh, worauf er natürlich die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zog. Knurrend erhob sie sich und stapfte jetzt auf ihn zu. „Josh geh weg von ihr!“ Er tat wie ihm gehießen wurde und konnte gerade noch ausweichen als sie sich auf ihn stürzte und dabei einen der Tische umriss. „Fuck! Die ist total durchgedreht! Sieh nur was sie mit Ed gemacht hat!“ Der Koch der allerdings hätte tot sein müssen erhob sich jetzt vom Boden und knurrte ebenfalls. Schock stand beiden Männern ins Gesicht geschrieben, als ihr Freund sich jetzt auf sie zubewegte.
Zusammen mit der Frau versuchten die beiden Ethan und Josh in die Ecke zu drängen. Der Banker allerdings reagierte schnell und schnappte sich einen Stuhl, mit dem er nach der Frau schlug. Die taumelte wütend zurück und fauchte ihn regelrecht an. „JOSH! Hol sofort Eds Pistole! Sie liegt unter dem Tresen!“ Der Junge rührte sich nicht. Er war wie gelähmt vor Angst. Erneut musste Ethan einen der beiden Angreifer mit dem Stuhl auf Distanz halten. „Josh!“ Das schien den Jungen wieder aus seinen Gedanken gerissen zu haben. Er hechtete hinter die Theke und holte die
dort liegende Waffe hervor. Die richtete er jetzt auf die Frau. „Bleiben sie stehen!“ Ed und sie wandten sich jetzt zu Josh um.Langsam bewegten sie sich auf ihn zu. „Keinen Schritt weiter!“ Er drückte ab, traf den Koch genau in der Schulter. Allerdings zeigte sich dieser davon relativ unberührt. Der Schuss hatte ihn nur noch wütender gemacht. Noch einmal schoss Josh und wieder machte der Treffer seinem Angreifer nichts aus. „Fuck! Der ist nicht tot zu kriegen!“ „Schieß ihm in den Kopf!“ Und er tat es. Leblos sank der Koch zu
Boden. Mit einem weiteren Schlag des Stuhls auf den Schädel der jungen Frau konnte auch diese zur Raison gebracht werden. Josh ließ die Pistole fallen und sank auf die Knie. „Scheiße! Fuck Ethan! Was ist hier gerade passiert?“ Der Banker schüttelte den Kopf und ließ den Stuhl fallen. „Ich weiß nicht. Ich weiß nicht was los ist. Sie hat Ed einfach angegriffen. Er war tot und dann stand er wieder auf. Verdammte Scheiße Ed war tot! Und dann ist er wieder aufgestanden.“ Josh sah ihn an. „Du meinst wie n Zombie?“ Der andere warf ihm einen bösen Blick
zu. „Mach dich nicht lustig. Fuck. Was ist hier nur los? Scheiße weißt du was. Geh nach Hause. Sammel dein Zeug zusammen. Ich hol dich ab. Und dann sehen wir dass wir hier weg kommen. Wer weiß ob es nicht überall in der Stadt so aussieht.“ Und so war es. Überall waren diese seltsamen Gestalten die über die Lebenden herfielen und diese zu ihresgleichen machten. Ethan schaffte es nur mit Glück nach Hause, sammelte dort die nötigsten Sachen ein und lud sie ins Auto. Er hatte noch eine alte Winchester zu Hause die er ebenfalls
mitnahm. Mit irgendwas musste er sich ja zur Wehr setzen. Josh sammelte er vor dessen Haus ein. „Ethan. Es ist furchtbar. Die Nachbarn...alle sind diese Dinger.“ Der Banker fuhr so schnell wie er konnte. Der Verkehr war schrecklich und selbst über Seitenstraßen und Schleichwege dauerte es über eine Stunde bis sie endlich die Stadt verlassen hatten und sich auf der Neunzigsten befanden. „Was machen wir jetzt?“ Ethan überlegte eine Weile. Starrte hinaus in den nächtlichen Regen. „Wir fahren nach Fremont. Da gibt’s ne Militärbasis. Vielleicht wissen die was.
Was anderes fällt mir im Moment nicht ein.“ Er war gefasster als er es für möglich hielt. Dennoch war das ganze mehr als zu viel für ihn. Tote die wieder aufstanden und die Lebenden wie Tiere abschlachteten. Das gab es sonst nur im Fernsehen oder in diesen mehr als schlechten Horrorschinken. Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Und was wenn das nichts bringt? Im Fernsehen hat die Army nie eine Chance gegen Untote!“ „Verdammte Scheiße Josh! Das hier ist aber nicht das Fernsehen kapiert? Hier sterben echte Menschen verdammt nochmal! Wenn du nen besseren Plan
hast bin ich ganz Ohr.“ Der Junge schüttelte nur den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. „Nein. Entschuldige. Das alles ist einfach nur ein Alptraum.“ Ethan nickte. „Wem sagst du das!“ Inzwischen fuhren sie über die Autobahn. Hier war es ruhiger. Anscheinend versuchten die meisten ihr Glück im Landesinneren. Hier herrschte nicht viel Verkehr. Ein zwei mal kam ihnen ein Auto entgegen, oder noch mehr Untote die auf den Straßen umherirrten. „Scheiße Ethan sieh mal!“ Er sah es. Einige Meter vor ihnen lag ein
Fahrzeug kopfüber im Graben. Einer der Untoten bewegte sich geradewegs darauf zu. Der Banker hielt den Wagen an. Sein Freund sah ihn entgeistert an. „Was machst du denn?“ „Vielleicht brauchen sie unsere Hilfe!“ Er stieg aus dem Fahrzeug und konnte bereits hören wie jemand um Hilfe rief. Inzwischen war der Beißer im Graben und schlurfte auf das Auto zu. Ethan legte die Winchester an und schoss. Der Zombie sackte zu Boden. „Scheiße Ethan, du hast ihm den Schädel weg geballert! Komm wir gehen. Da sind bestimmt noch mehr von den Dingern in der
Nähe.“ Er stieg in den Graben. Das Auto hatte ganz schön was abbekommen. Es waren zwei Frauen im Fahrzeug. Beide rührten sich nicht. Er öffnete die Tür zur Fahrerseite und blickte auf eine Frau mittleren Alters mit langen schwarzen Haaren. Blut strömte aus einer klaffenden Wunde am Kopf. Die Frau war eindeutig tot. Es gab nichts mehr was er für sie tun konnte. Kurz schloss er die Augen und atmete tief durch. „Jetzt komm Ethan. Wir können nichts machen.“ Ein Stöhnen riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam von dem Mädchen auf
dem Beifahrersitz. Auch sie war verletzt, bewegte sich aber. Ihr Bauch hob und senkte sich. Sie atmete noch. „Josh! Sie lebt!“ Er eilte zur Beifahrertür und öffnete diese. Dann warf er dem Jungen die Winchester zu. „Halt die Augen offen.“ „Was?“ Er antwortete nicht, sondern machte sich daran das Mädchen aus dem Wagen zu ziehen. Sie war nicht sonderlich schwer. Auch ihre Verletzungen schienen nicht schwerwiegend zu sein. Sie hatte den Unfall gut überstanden. Ethan blickte auf die Tote. Wahrscheinlich die Mutter der Kleinen.
Er durfte keine Zeit verlieren. Er hievte sie den Abhang hinauf und setzte sie auf die Rückbank des Wagens. Höchste Zeit denn sie hatten bereits die Aufmerksamkeit einiger Beißer auf sich gezogen. Wenig später waren sie auch schon wieder unterwegs. Noch immer war das Mädchen bewusstlos. „Sie ist Blind. Guck sie hat eins von diesen Armbändern“, erklärte Josh und deutete auf ihr Handgelenk. Dann lehnte er sich nach hinten und warf einen Blick auf die Daten. „Sie heißt Karen. Karen Miller. 16 Jahre. Scheiße man. Wenn wir sie nicht gefunden hätten-“ „Aber wir haben sie gefunden. Lass sie
schlafen. Die Arme wird noch früh genug durch die Hölle gehen. Immerhin hat sie gerade ihre Mutter verloren und weiß wahrscheinlich noch gar nichts davon.“ - Ian - Mit einem Tritt brachte er zwei Beißer auf Distanz, wobei ihm die Handschellen wieder einmal nur sehr wenig Spielraum für irgendwelche Aktionen ließen. Wenn das so weiter ging dann würde er nicht lange durchhalten und dabei hatte der Tag schon beschissen genug begonnen.
Erst hatte ihn dieser Cop erwischt und jetzt schien die ganze Welt durchzudrehen. Tote die überall umher wandelten und die Lebenden verspeisten wie in einem schlechten Hollywoodstreifen. Sie waren gerade auf dem Weg zum Departement gewesen als der tolle Detective unbedingt anhalten musste um eine verdächtige Person zu überprüfen. Zu dumm nur dass die schon tot war und sich gerade über einen Obdachlosen hermachte. Das Ende vom Lied: Eingekreist von vier Zombies und dieser Idiot ballerte mit seiner Waffe herum wie ein Teenager. Zwei hatte er ja schon angelockt. Da konnte er auch gleich die Essensglocke
läuten. „Hey...Äh Mills war es oder?“, Ian trat einem Zombie ins Gesicht woraufhin dieser gegen den nächsten Artgenossen taumelte. Der Detective war hinter der Fahrertür in Deckung gegangen und mit zwei anderen beschäftigt. „Wie wärs wenn du mich losmachst? Ich mein eine helfende Hand mehr kann doch sicher nicht verkehrt sein.“ Mills schoss einem großen Dicken in den Kopf und wandte sich zum Häftling um. „Seh ich so aus als hätte ich gerade eine Hand frei? Sie kommen da doch ganz gut zurecht Gold. Also beschweren sie sich nicht. Lassen sie sich nur nicht
beißen. Bin in einer Minute bei ihnen.“ Super. Der hatte echt Nerven. Dämlicher Wichser. Warum hatte er auch aussteigen müssen? Sie hätten längst auf dem Departement sein könnten. Da hätten sie zumindest genügend Waffen gehabt um sich entsprechend gegen diese Dinger zu verteidigen. Aber nein, er musste ja unbedingt den hilfsbereiten Detective raushängen lassen. Das schlimme war dass er ihn da noch mit hinein zog. Ian wich einem weiteren Beißer aus und schaffte es ihm mit der Autotür den Schädel zu zertrümmern. Einer weniger. Immerhin. Das verschaffte ihm genügend Zeit sich den Daumen zu
brechen und aus der Handschelle frei zu kommen. In kürzester Zeit hatte er sich eine Waffe aus dem Wagen geschnappt und befand sich Seite an Seite mit dem Detective. „Wie haben sie das gemacht?“ „Betriebsgeheimnis.“ „Sehr witzig. Da hinten kommen noch mehr. Schwingen sie ihren Hintern wieder ins Auto. Sofort!“ Er hatte nicht unrecht. Etwa Zehn Beißer bewegten sich von der anderen Straßenseite auf sie zu. Eine weitere Meute kam aus der anderen Richtung. Hier würde es schon bald ziemlich ungemütlich werden. Ian ließ sich auf
dem Beifahrersitz nieder und Mills startete den Motor. Der Wagen setzte sich dröhnend in Bewegung. Ein paar der Untoten wurden mitgerissen, ehe der Wagen durch die Innenstadt sauste. Der Detective schaltete den Polizeifunk ein, doch auf allen Frequenzen dasselbe: Aggressive Übergriffe mit kannibalischen Ausmaßen. Gold starrte aus dem Fenster. Draußen herrschte Chaos. Menschen rannten schreiend umher während die Toten über sie herfielen. „Das ist ein Alptraum. Was jetzt?“ Henry kratzte sich kurz am Bart und bog um die nächste Ecke. Schweiß rann ihm von der
Stirn. „Wir fahren zum Departement und versuchen uns einen Überblick zu verschaffen.“ Ian nickte nur. Was anderes konnte er im Augenblick nicht dazu sagen. In diesem Moment schien alles vergessen zu sein. Dass er von Mills verhaftet worden war. War auch nicht ganz einfach gewesen. Er hatte Gold über 10 Kilometer verfolgen müssen ehe er klein beigab, oder eher gesagt bis ihm der Sprit ausgegangen war. Das war noch bevor dieses Chaos ausgebrochen war und jetzt befanden sich beide inmitten dieses Irrsinns. Mills griff zum
Funkgerät. „Detective Henry Mills, Kennung 45726. Befinde mich in nördlicher Richtung auf der Morrison Street. Bin auf dem Weg ins Fremont Police Departement. Habe Verdächtigen bei mir, Over.“ Es kam keine Antwort. Man war viel zu sehr damit beschäftigt die Situation unter Kontrolle zu kriegen als dass man sich um solch kleine Belange kümmern konnte. Wäre ja auch zu schön gewesen. „Und jetzt?“ „Keine Ahnung. Wir fahren über den Sandusky River und dann über die South Front direkt zum Departement. Ich muss mit dem Chief sprechen.“ Ian grinste
nur. „Wenn der noch lebt. Würd mich nicht wundern wenn die Dinger schon alles überrannt haben.“ Wütend feixte der Ordnungshüter ihn an. „Haben sie etwa ne bessere Idee? Nein? Dann halten sie die Fresse!“ Und das tat er. Es war besser für den Rest der Fahrt nichts zu sagen. Immerhin wollte Er nicht wieder mit Handschellen gefesselt am Fenster enden. Das letzte Mal war das äußerst knapp gewesen. Beim nächsten Mal hatte er sicher nicht so viel Glück. Es dauerte nicht lange da hatten sie das Departement auch schon erreicht und
wie es schien hatte man hier noch alles gut unter Kontrolle. Mit Autos hatte man Barrikaden gebaut hinter denen sich Officers verschanzten um Untote abzuhalten. Zivilisten strömten nur so in das Gebäude. Im Eingangsbereich war alles überladen. Leute suchten nach Angehörigen oder verlangten eine Erklärung der Situation. Die Polizisten versuchten natürlich die Anwesenden zu beruhigen, was allerdings nicht sonderlich einfach war. Mills sah sich kurz um. „Okay Gold. Sie bleiben hier und warten. Ich geh zum Chief.“ Und damit machte er ihn am nächsten Heizungskörper fest. So befand er sich
wieder in Handschellen. „Das ist doch nicht ihr Ernst oder?“ Es gab keine Antwort mehr und wenig später war der Detective in der Menge verschwunden. Super. Von draußen konnte man Schüsse hören. Nicht mehr lange und diese Dinger würden den Laden stürmen. Dann würden auch die Barrikaden nicht mehr helfen. Hilfesuchend sah der Sträfling sich um und erblickte einen Mann mittleren alters in schwarzer Kleidung und Brille. Neben ihm stand seine Frau und seine beiden Töchter, alle drei Blond. Die Mädchen weinten und er versuchte sie zu beruhigen. „Keine Sorge. Alles wird gut. Becca
bleib bei Abby. Daddy versucht herauszufinden was hier los ist.“ Über diese Bemerkung konnte Ian nur lachen. „Sie wollen wissen was hier los ist? Diese Scheiß Dinger fressen alles was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das ist los man!“ Der andere beäugte ihn misstrauisch und schob seine beiden Kinder hinter sich. „Könnten sie vielleicht ein kleines bisschen Rücksicht nehmen? Das sind doch noch Kinder.“ Gold verdrehte auf diesen Kommentar nur die Augen. War ja echt zu lächerlich. In so einer Situation setzte der Kerl noch auf gutes
Benehmen. „Haben sie sich schon mal umgesehen Mister? Die ganze Welt versinkt im Chaos. Glauben sie etwa ihre Mädchen haben nicht längst mitbekommen dass hier was nicht stimmt?“ Hoffentlich kam Henry bald zurück. Wenn er ehrlich war zog er die Gesellschaft des Detectives diesem Clown hier alle Male vor. Andererseits konnte man es ihm auch nicht verübeln. Er war so sehr mit der Situation überfordert wie sie alle hier und versuchte nur seine Familie zu beschützen. Wer konnte ihm das verdenken? Der Fremde kam ein wenig näher und flüsterte
jetzt. „Trotzdem. Ich versuche nur aus der Sache schlau zu werden.“ „Da sind sie sicher nicht der einzige. Das geht schon seit Stunden so da draußen. Keiner weiß was los ist. Der Detective versucht gerade die Situation aufzuklären.“ Der andere nickte nur und hielt ihm zur Begrüßung die Hand hin. „Ich bin Hank. Hank Turner. Das ist meine Frau Natalie und meine Kinder Rebecca und Abbygale.“ Der Sträfling nickte nur. „Ian Gold.“ „Sind sie ein Verbrecher?“ „Naja so würde ich es nicht ausdrücken.
Ist alles schwer zu erklären. Ist auch egal. Wir sollten uns jetzt nicht mit Kleinigkeiten befassen oder? Wir können darüber immer noch reden wenn man nicht mehr versucht uns aufzufressen.“ Mit diesen Worten begann die kleine Abby wieder zu weinen und vergrub das Gesicht in der Hose ihrer Mutter, die Ian einen bösen Blick zuwarf. War ja klar: Wer kleine Mädchen zum weinen brachte war nie sonderlich beliebt. „Sie brechen durch!“ Draußen war die Hölle los. Die Luft war vom Lärm der Pistolenschüsse der Officers erfüllt und vermischten sich mit Schreien. In diesem Moment wusste
der Sträfling dass sich der Detective offensichtlich geirrt hatte was die Sicherheit dieses Ortes anging. Glücklicherweise tauchte Henry nach ein paar Minuten wieder auf. Sofort sprach Hank ihn an. „Officer. Officer hören sie. Was sollen wir tun?“ Der Detective wühlte in seiner Manteltasche herum und holte dort den Schlüssel für die Handschellen hervor. Schnell war Ian von seinen Fesseln befreit ehe ihm der Gesetzeshüter einen Revolver in die Hand drückte. „Da sind mindestens 50 von denen auf der Straße. Hier sitzen wir in der Falle. Der Chief konnte keine klaren
Anweisungen geben. Wir sind auf uns selbst gestellt.“ Das waren ja tolle Aussichten. Hätte er das gewusst, dann wäre er heute morgen lieber im Bett geblieben. Gut, da wusste er ja auch noch nicht dass heute der Tag der Zombie-Apocalypse war. Konnte man ja nie wissen, wann sich die Welt dazu entschied vor die Hunde zu gehen. Er prüfte die Revolverkammer und entsicherte die Waffe. „Und was jetzt Henry? Ich denke nicht dass wir hier überwintern sollten.“ „Sie können tun was sie wollen. Ich werde zur Militärbasis gehen. Vielleicht bekomme ich dort ein paar Antworten.“ Hatte er sich gerade verhört? Auch der
Familienvater sah ihn perplex an. „Wie bitte? Sir ich bitte sie. Sie sind der Arm des Gesetzes! Sie können uns doch nicht einfach hierlassen! Ich habe eine Frau und meine beiden Mädchen!“ Noch immer schluchzte Abby vor sich hin. Es schien nicht so als würde sie sich in nächster Zeit beruhigen. Ihre Schwester Becca wirkte schon beinahe lethargisch, während ihre Mutter verzweifelt versuchte die beiden Mädchen zu beruhigen. Der Lärm von draußen kam immer näher. „Ja Henry. Er hat Frau und Kinder oder hast du jetzt deine Ehre vergessen weil wir alle zum Teufel gehen? Für mich steht eins fest: Ich werd meinen Arsch
nicht von deiner Seite bewegen. Wenn jemand antworten für uns hat dann diese Militärheinis. Was du mit Mr. Amerika und seiner kleinen Vorstadtfamilie machst ist mir egal aber ich komme mit dir.“ Einen Augenblick lang schien der Detective zu überlegen. Klar, Ian könnte sich auch etwas besseres vorstellen als diese Leute mitzunehmen, aber da war diese innere kleine Stimme die ihm sagte dass er sie auch nicht im Stich lassen konnte, auch wenn er ansonsten ein Arsch war. „Kommen sie. Nehmen wir Frodo und die Beutlins mit. Oder wollen sie das Blut der Mädchen an ihren
Händen?“ Eigentlich ergriff er ja keine Partei aber so konnte er immerhin auf Nummer sicher gehen dass er auch mitkam. Der Detective war im Augenblick seine einzige Chance hier lebend rauszukommen. Er hatte das schon oft genug um Fernsehen gesehen. Alleine war man in so einer Geschichte immer aufgeschmissen. Als Gruppe lebte es sich einfach länger, auch wenn er sich lieber einen Waffennarren gewünscht hätte als den braven Familienvater. „Also gut“, begann Henry schließlich. „Im Hinterhof steht ein Wagen in den wir alle reinpassen. Wir müssen uns
beeilen!“ Und damit setzte sich die Truppe in Bewegung. Hank trug seine Tochter Abby. Becca hielt ihre Mutter an der Hand. Henry und Ian sicherten jeweils vorne und hinten. Mittlerweile klang es so als hätten die Beißer es ins innere geschafft. Vom Eingangsbereich waren Schreie zu hören. Hier war es auf keinen Fall mehr sicher. Sie erreichten den Hof und das Auto, eine Dodge Magnum die genügend Platz für alle bot. Der Detective warf einen kurzen Blick in den Kofferraum wo er mehrere Waffen entdeckte. Ian schnappte sich eine Schrotflinte und steckte seinen Revolver in einen Halfter den er sich
umschnallte. „Also damit können wir den Dingern ordentlich den Marsch blasen!“ Von drinnen konnte er jetzt hören dass die Untoten über den Flur kamen. Höchste Zeit hier zu verschwinden. Hank wollte Abby ins Auto setzen, aber die weigerte sich strickt. „Mr. Donald. Er muss mitkommen!“ Tatsächlich. Jetzt hatte sie auch noch ihr beschissenes Stofftier fallen lassen dass direkt im Eingang lag. Sie jammerte richtig. Der Häftling überlegte einen Augenblick lang. „Ach Scheiße!“ Und damit hechtete er los. Entsetzt sah Henry ihm nach während er den Motor
startete. „Verdammte Scheiße! Gold! Schwingen sie ihren Arsch ins Auto sofort!“ „Habs gleich!“ Er hob den Stoffhasen auf und sah sich drei Beißern gegenüber. Erschrocken stolperte er rückwärts, konnte hören wie die kleine Abby vor Angst schrie. Er lud die Schrotflinte und drückte ab. Alle drei flogen zurück. „Gold! Ins Fahrzeug!“ Das ließ er sich nicht noch einmal sagen. Er wuchtete sich förmlich auf den Beifahrersitz und das Auto setzte sich in Bewegung. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Knapp aber immerhin, auch wenn er zugeben musste
dass es ihn um ein Haar erwischt hätte. Triumphierend schnallte er sich an und grinste, ehe er der kleinen Abby ihren Hasen überreichte. „Daddy! Er hat Mr. Donald gerettet!“ „Verfluchte Scheiße ja! Hören sie das Hank? Ihre Tochter hält mich für einen verfickten Helden!“ - Karen - „Ethan! Sie wacht auf!“ Alles drehte sich. Ihr Kopf schmerzte. Es war ein leichter Ruck der sie geweckt hatte. Einen Augenblick
brauchte sie, ehe sie begriff dass sie sich in einem Auto befand. Sie erinnerte sich. Sie war mit ihrer Mutter auf dem Heimweg. Der Unfall. Hatte sie nur geträumt? Hilfesuchend tastete sie sich umher. Sie saß offensichtlich auf der Rückbank. Und das war auch nicht das Auto ihrer Mutter. Das hier hatte einen ganz anderen Geruch. Im Auto ihrer Mum roch es immer nach Lavendel. Hier roch es nach Zigaretten. Ihre Eltern rauchten nicht. Sie fasste sich an die Stelle wo sie sich den Kopf gestoßen hatte. „Shht. Ist ja gut Miss“, sagte eine Stimme im sanften Tonfall. Es war ein Mann der Sprach. Unsicher schob sie
sich fort von der Stimme. Wo war sie? Was war passiert? „W-wo bin ich?“ „Auf der 18ten Straße unterwegs nach Monreoville!“ Monreo? Das war doch die vollkommen falsche Richtung. Hier stimmte etwas absolut nicht. Sie schreckte hoch. „Halten sie an!“ Karen hatte überhaupt keine Ahnung was sie hier machte. Wenn sie sich versuchte zu erinnern, dann war da nur dieser Aufprall. Sie hatte versucht mit ihrer Mutter zu sprechen, aber sie hatte nicht geantwortet. Sie erinnerte sich daran, nach Hilfe gerufen zu haben und das letzte was sie noch wusste war diese
komische Person die so entsetzlich gestunken hatte. Keiner der beiden im Auto roch auch nur vergleichsweise so. Der eine duftete süßlich nach Parfum. Der andere stank nach Zigaretten. „Ganz ruhig Miss. Sie sind in Sicherheit. Ich bin Ethan Rain und das ist mein Freund Josh. Wir haben sie auf der Straße gefunden. Sie hatten einen Unfall!“ Genau. Der Unfall. Das wusste sie jetzt wieder. Aber wenn sie Sie mitgenommen hatten und ihre Mutter nicht... „Meine Mum! Was ist mit meiner Mum?“ Es herrschte Stille. Einige Sekunden sagte niemand der beiden etwas. Ein
unwohles Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus. Eine schreckliche Gewissheit überkam sie, aber das konnte unmöglich sein. „Es tut mir leid. Hören Sie...Karen. Der Unfall sah ziemlich schwer aus. Ihre Mum...hat es leider nicht geschafft.“ Noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte, schüttelte es sie am ganzen Körper. Die Flut brach mit einem Mal aus ihr heraus. Das konnte doch nicht wahr sein! Ihre Mutter war tot? Aber wie? Karen wusste es nicht. Mit einem Mal brach ihre Welt zusammen. Sie schluchzte, schlug mit der Hand nach allem was sich anbot, ließ ihrer Wut und Trauer freien Lauf. Wenn sie
daran dachte dass sie sich mit ihr noch vorhin über eine Party gestritten hatten, kam ihr das alles mehr als unwirklich vor. „Aber wie? W-wieso haben sie sie dort gelassen? H-haben sie keinen Krankenwagen gerufen?“ Das wäre zumindest das was sie getan hätte. Warum hatte man sie nicht ins Krankenhaus gebracht? Warum fuhren sie stattdessen nach Monroeville und nicht nach Norwalk? Das lag viel näher. Ihr Dad hätte kommen müssen. Ihr Vater! Wahrscheinlich wusste er noch gar nichts davon! „Halten sie an! Mein Dad! Mein Dad ist in Norwalk! Fahren sie
zurück!“ „Das geht nicht Karen! Hör zu. Ich darf doch Du zu dir sagen oder?“, begann Ethan, woraufhin sie zögerlich nickte. Sie traute ihm kein Stück. Dazu war sie auch gar nicht in der Lage. Noch immer weinte sie bitterlich. Nie wieder würde sie ihre Mutter in den Arm nehmen können, mit ihr streiten oder Witze reißen können. Das alles war weg. Gegangen mit dem Unfall. „Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Schon den ganzen Tag haben sie in den Nachrichten davon erzählt. Von diesen seltsamen Angriffen.“ Das stimmte. Das lief schon die ganze Zeit im Radio. Sie und ihre Mum hatten
es für einen schlechten Gag gehalten. War da etwas wahres dran? Unsinn. Das konnte nicht stimmen! „Jedenfalls, ist in der Stadt das Chaos ausgebrochen als diese Dinger angefangen haben Menschen anzugreifen. Keiner weiß woher sie kamen. Deshalb sind Josh und ich so schnell wie möglich weg. Wir haben dich durch Zufall gefunden. Und jetzt wollen wir nach Fremont. Wahrscheinlich weiß das Militär was los ist!“ Fassungslos starrte sie ins leere. Noch immer rannen die Tränen über ihre Wangen. Der war doch vollkommen durchgedreht. Sie konnte nicht anders.
Sie war so durcheinander da musste sie einfach lachen. „Das ist doch wohl ein Witz? Wollen sie mir jetzt erzählen dass Zombies aus ihren Gräbern steigen um die Lebenden zu verspeisen?“ Nun meldete sich das erste mal Josh zu Wort. „Ich wollts auch nicht glauben aber ja.“ Sie schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Erst erfuhr sie dass ihre Mutter bei dem Unfall ums Leben gekommen war und dann erzählte man ihr auch noch dass die Menschheit von wandelnden Toten angegriffen wurde. Nein. Das konnte nicht stimmen. Wahrscheinlicher war es dass die beiden
irgendwelche Kriminellen waren. Sie durfte auf keinen Fall hierbleiben. Ansonsten würde das wahrscheinlich ihr sicheres Ende bedeuten. „Halten sie an! Ich will aussteigen!“ „Das geht nicht Miss!“ „Und ob das geht!“ In Windeseile hatte sie sich abgeschnallt und aus dem fahrenden Fahrzeug geworfen. Sie rollte nur so über den Asphalt und kam mehrere Male hart auf dem Boden auf. Als sie endlich gestoppt hatte spürte sie wie der Schmerz sich durch ihren ganzen Körper zog. Ihr Arm schmerzte noch immer. Wahrscheinlich war er verstaucht oder gebrochen. Dazu
kam noch die Platzwunde am Kopf sowie kleinere Schürfwunden. Einen Moment lang lag sie einfach dort auf dem Boden und übergab sich. Das alles war einfach zu viel für sie. Sie wusste nicht wo sie war oder wie spät es war. Sie konnte hören wie das Auto anhielt. Damit kam wieder Leben in ihren Körper. Sie rannte los. 'Super Karen. Die Blinde versucht vor zwei Irren davon zu laufen. Echt schlau!' Was anderes war ihr nicht eingefallen. Beinahe wäre sie gestolpert. Wahrscheinlich war es eine Wurzel. Sie hatte die Straße verlassen. Das konnte sie fühlen. Noch immer regnete es in
Strömen und sie hatte keine Ahnung wo sie war. Außerdem waren diese Typen wahrscheinlich hinter ihr her. Sie konnte Ethan nach ihr rufen hören weshalb sie sich von seiner Stimme wegbewegte. Sie musste einen Weg nach Norwalk finden, aber wie war die Frage. Sie konnte noch nicht weit von der Stadt weg sein. Sie musste nur die richtige Richtung finden. In Momenten wie diesen hasste sie es blind zu sein. Alleine hatte sie wahrscheinlich keine Chance hier draußen. „Hilfe! Ist da jemand?“ Nicht gerade ihr bester Einfall aber immerhin. Vielleicht konnte sie jemanden finden der sie nach Norwalk
brachte. Ein Versuch war es allemal wert. Sie musste jetzt weit genug von den anderen weg sein. Sie würden sie hier draußen nicht finden, aber wahrscheinlich auch niemand anders. Sie war ganz auf sich allein gestellt. - Ethan - „Karen!“ Wieder und wieder rief er nach ihr, ohne Erfolg. Schon seit fast zehn Minuten suchte er jetzt nach ihr. Sie war einfach während der Fahrt aus dem Fahrzeug gesprungen. Nirgends eine Spur von
ihr. „Ethan hast du sie?“ Josh suchte ein paar Meter weiter nach ihr, aber auch er war bis jetzt nicht fündig geworden. Immerhin hatten sie die Verantwortung für sie unternehmen. Alleine würde sie es niemals schaffen. Sie war blind und ganz allein da draußen. Diese Dinger würden sie in der Luft zerreißen wenn sie sie zu fassen kriegten. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. „Nein, noch nicht. Such weiter! Weit kann sie noch nicht sein!“ Innerlich rügte er sich selbst. Er hätte sich ja denken können das so etwas passierte. Immerhin hatte das Mädchen
gerade ihre Mutter verloren und dann musste er ihr auch noch die Geschichte mit den Beißern erzählen. Nicht die beste Methode. Er musste weiter suchen. Sie unbedingt finden. Sie hatte zwar gesagt dass sie nach Norwalk wollte, aber das würde sie niemals schaffen. Nicht allein. Wieder rügte er sich innerlich. Es wäre besser gewesen wenn er ihr zugestimmt hätte. Vielleicht wäre sie dann ruhiger gewesen. „KAREN!“ Wieder nichts. Er kämpfte sich durch das Unterholz vorwärts weg von der Straße. Sie musste einfach hierdurch gekommen sein. Auf der Straße hatte es
keine Spur von ihr gegeben. Etwas weiter entfernt konnte er Josh rufen hören. Sie konnte überall sein. In dieser Dunkelheit und bei dem Regen war es schwer genug die eigene Hand vor Augen zu sehen. Wie sollte er dann eine Jugendliche finden? Hoffentlich war sie klug genug sich zu verstecken wenn die Beißer auftauchten. Sie würde sie kommen hören. Blinde konnten sowas. Ihr Gehör war besser als das normaler Leute. Was machte er hier eigentlich? Versuchte er gerade sein Gewissen zu beruhigen? Ethan schüttelte den Kopf. „Karen! Es ist gefährlich hier draußen!“ Zum Glück hatte er die Winchester
mitgenommen. Nur für den Fall der Fälle. Schießen würde er allerdings nur im Notfall. Der Lärm konnte auch noch andere anlocken und sie waren noch nicht weit von der Stadt entfernt. Das wollte er nicht riskieren. Einen Augenblick hielt er inne und lehnte sich gegen den nächsten Baum. Das konnte noch Stunden so weitergehen. Sie hatten keinerlei Anhaltspunkte. Doch dann hörte er es. Jemand rief um Hilfe. Das war Karen. Sie war nicht weit weg. Er folgte der Stimme. „KAREN! Komm hierher!“ Er fand sie schließlich. Umringt von 3 Beißern die nach ihr schnappten. Auch Josh kam zu der Stelle und gemeinsam
konnten sie die Untoten zur Raison bringen. Das Mädchen kauerte unter einem Baum und wimmerte vor sich hin. Ethan trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. Das war das erste was ihm einfiel. Sie drückte sich fest an ihn. Noch immer weinte sie. „I-ich...“ Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Er konnte es ihr nicht verübeln. Sie hatte ihre Mutter verloren und mit einem Mal änderte sich alles um sie herum. Jetzt waren da diese grauenhaften Dinger die Jagd auf einen machten. Für ein Mädchen von Sechzehn war das ganz schön viel. Er selbst musste das ja auch erst einmal verdauen. Später. Jetzt
galt es ersteinmal für Karen da zu sein. So fasste Ethan sie bei den Schultern. „Hör zu Karen. Ich weiß dass das alles ziemlich viel für den Moment ist, aber wir müssen von hier weg. Okay?“ Sie nickte schwach. Zumindest hatte sie sich ein wenig beruhigt, auch wenn sie noch immer trauerte. Das war zumindest ein Anfang. Wenigstens versuchte sie nicht mehr von ihm wegzulaufen. Wenn er so darüber nachdachte hätte er es wahrscheinlich auch nicht anders gemacht. Er half ihr auf die Beine zu kommen und nahm sie bei der Hand. „Wir suchen jetzt Josh okay? Und dann gehen wir zurück zum Auto. Bleib dicht
bei mir und lass meine Hand nicht los.“ Wieder nickte er und die beiden setzten sich in Bewegung. Bei jedem Schritt knackte es im Unterholz. „Josh?“ Keine Antwort. Er musste ganz in der Nähe sein. Er war nicht weit von ihm weg gegangen. Das dumme war natürlich auch, dass keiner von beiden eine Taschenlampe mitgenommen hatte. Im Dunkeln und bei dem Regen kam man nur schwer voran. Man musste aufpassen wo man hintrat, damit man nicht ausrutschte. Mit der blinden Karen im Schlepptau war das ganze noch komplizierter. Sie bewegte sich nur sehr langsam voran. Sie war wacklig auf den
Beinen. Zweimal fürchtete er, sie würde hinfallen. Von Josh war weiterhin nichts zu sehen oder zu hören. „JOSH!“ Ethan spähte durch die Dunkelheit. War ihm etwas zugestoßen? Nein. Nicht ihm. Josh mochte zwar noch jung sein aber er wusste durchaus auf sich aufzupassen. Mit ein paar Beißern würde er fertig werden. Vielleicht war er schon zurück zum Auto gelaufen und wartete dort. Aber auch dort fand er ihn nicht. Der Wagen war genau dort wo er ihn abgestellt hatte. Zum Glück war von Beißern weit und breit keine Spur. Ethan setzte Karen auf den Beifahrersitz und schnallte sie an. Dann hielt er einen
Augenblick lang inne und starrte in den Wald. „Ich muss noch mal zurück!“ Die Blinde starrte in seine Richtung und schüttelte den Kopf. „Lass mich hier nicht allein! Ich komme mit dir.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Das kommt gar nicht in Frage. Es ist gefährlich hier draußen. Verriegle die Tür. Ich bin in spätestens Zehn Minuten zurück.“ Und damit schnappte er sich eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und schob die Autotür zu. Er hatte zwar ein schlechtes Gefühl sie einfach alleine
zu lassen, aber er musste auch Josh finden. Er konnte ihn nicht einfach hier bei diesen Dingern lassen. Vielleicht hatte er irgendwo Schutz gesucht. Ethan sagte sich das immer wieder. Er wollte nicht daran denken, dass dem Jungen etwas zugestoßen sein könnte. Und so ging er los. Zurück in den Wald. Ohne Karen kam er natürlich deutlich besser voran. Auch die Taschenlampe erfüllte ihren Zweck. So konnte er immerhin sehen wohin er ging. Schließlich fand er ihn, oder das was die Beißer übrig gelassen hatten. Noch immer kauerten zwei über den leblosen Körper des Mexikaners und machten sich an ihm zu schaffen. Ethan erstarrte,
blickte fassungslos auf das Bild welches sich ihm bot. Dann taumelte er rückwärts, wäre beinahe über eine Wurzel gestolpert. Er wollte am liebsten laut aufschreien doch blieb ihm alles im Halse stecken. Er fand irgendwie den Weg zurück zum Auto, wo er sich erstmal gegen die Fahrerseite lehnte. Dann übergab er sich mitten auf der Straße. Karen öffnete die Autotür. „Ethan?“ „Bleib...im Wagen“, presste er zwischen den Lippen hervor. Mehr brachte er nicht zustande. Irgendwie schaffte er es dann sich selbst ins Auto zu hieven. Sekundenlang starrte er einfach nur auf das Lenkrad und sagte nichts. Sorgevoll
blickte die Schwarzhaarige in seine Richtung. „Ethan? Ist alles in Ordnung?“ Ihre Augen waren rot vom weinen. Dennoch hatte sie sich ein wenig beruhigt. Wahrscheinlicher war es allerdings dass sie viel zu überfordert war um zu weinen. Zumindest ging es ihm gerade so. Irgendetwas in seinem Innern wollte nicht wahrhaben, was er gerade da draußen gesehen hatte. Joshs verzerrten Ausdruck und die Dinger die sich an seinem Fleisch gütlich taten. Derselbe Junge mit dem er aus Norwalk geflohen war lag jetzt tot im Wald. Er startete den Wagen und fuhr los. Etwas anderes konnte er im Moment nicht tun.
Eine Weile lang schwieg er einfach nur. Karen starrte gedankenverloren nach vorne aus dem Wagen hinaus. Immer wieder passierten sie aufgegebene Fahrzeuge oder Beißer auf ihrer Route. Alles wirkte so surreal. Wie ein Alptraum aus dem man nicht aufwachen konnte. Mit einem Schlag hatte sich einfach alles verändert. „Wir fahren nach Norwalk“, kam es schließlich von Ethan. Er wusste nicht, wie er seine Stimme wieder gefunden hatte, aber irgendwie funktionierte es, auch wenn er ziemlich brüchig klang. Es hatte mittlerweile zu regnen aufgehört. Noch immer war es stockfinster. Im
Radio lief schon eine Weile nichts mehr. Auf allen Sendern nur rauschen. Wahrscheinlich hatte man einfach alles stehen und liegen lassen und die Flucht ergriffen. „Ich bringe dich zu deinem Vater wenn du willst.“ Das war das mindeste das er für sie tun konnte. Immerhin war er die einzige Familie die sie noch hatte. Sie sollte bei ihm sein. Wahrscheinlich wusste er gar nicht wo sie war, oder war selbst schon tot. Natürlich sprach er diesen Gedanken nicht laut aus. Es würde sie nur unnötig verstören. Sie hatte schon genug für einen Abend erlebt. Da musste er sie nicht noch mit
irgendwelchen Horrorgeschichten verunsichern. Karen nahm ihm am Arm. „Es tut mir leid wegen Josh Ethan...“ Er winkte ab. „Nein...bitte...Ist schon in Ordnung.“ Er wollte jetzt nicht darüber sprechen. Er würde alles was mit Josh zu tun hatte tief in seinem Innern vergraben, wo es nicht mehr ans Tageslicht kam. Für den Augenblick war das einfach besser. Sie hatten ein Ziel vor Augen: Norwalk. Darauf musste er sich jetzt konzentrieren. Er würde Karen zu ihrem Vater bringen. Danach würde er sich Zeit nehmen zu
trauern... - Ian - „Mama ich muss dringend pinkeln!“ Langsam öffnete Gold die Augen und sah sich langsam im Raum um. Das kleine Wartezimmer war nur schwach beleuchtet. Hank saß zusammen mit seiner Familie in einer Ecke. Die Mädchen hatten sich einigermaßen beruhigt. Das war zumindest ein Anfang. Der Sträfling streckte die Glieder aus. „Wo ist
Mills?“ Hank zuckte mit den Schultern. „Immer noch nicht zurück. Er hatte ja gesagt dass es dauern würde.“ Ja das hatte er. Vor drei Stunden. Inzwischen waren sie auf der Militärbasis angekommen, aber wie es schien hatte ihnen das rein gar nichts genutzt. Noch immer hatte man ihnen keine vernünftige Antwort geben können, was das Chaos betraf. Zumindest waren sie für den Augenblick sicher. Die Beißer hatten die Basis noch nicht erreicht und das Militär verteidigte den Ort gut. Das bedeutete natürlich auch dass viele Flüchtlinge hier Schutz suchte. Auf den Fluren, draußen. Überall
hatte man sich nieder gelassen und wartete. Worauf eigentlich? Hofften sie etwa dass das ganze morgen wieder vorbei war? Er selbst glaubte nicht daran. Viele von ihnen würden es wahrscheinlich nicht schaffen. Er sah zu Abby, die ihn anlächelte und ihren Hasen Mr. Donald fest umklammerte. Becca unterhielt sich mit ihrer Mutter Natalie und Ian musste sich unwillkürlich fragen, ob die Mädchen es schaffen würden. Sie waren noch Kinder. In einer Welt wie dieser würden sie es nur schwer haben. Wäre es vielleicht eine Erlösung wenn man ihnen das ganze Leid ersparte? Immerhin blieb nichts außer Kummer und Tod.
Wahrscheinlich wäre es sogar eine große Gnade die man ihnen erweisen würde. Innerlich schüttelte er den Kopf. Was ging ihn das eigentlich an? Diese Familie konnte ihm doch völlig egal sein. Solche Vorstadtleute machten es eh nicht lange. Ohne Henry wären sie wahrscheinlich noch auf dem Polizeirevier gestorben. Sie würden es dort draußen nicht lange schaffen. „Wieso waren sie eigentlich beim Detective Ian?“ War ja klar dass diese Frage irgendwann kommen würde. Misstrauisch betrachtete Hank ihn. Ebenso wie seine Frau. Natürlich. Warum sollten sie dem
Mann in Handschellen auch vertrauen? Offensichtlich hatten sie alle schon vergessen dass er geholfen hatte ihren Arsch zu retten. So war es doch immer. Die Leute vergaßen niemals wirklich wer jemand war. Naja, schweigen würde auf Dauer auch nichts bringen. Warum also nicht die Zeit mit ein wenig Small Talk totschlagen? So wie es aussah würde er noch eine ganze Weile mit diesen Leuten zusammen sein. „Ich hab niemanden gekillt, wenn sie das denken. War n einfacher Überfall und Henry war in der Nähe. Hat zwar etwas gedauert bis er mich hatte, aber hat auch nicht aufgegeben. Naja und jetzt bin ich hier. Und sie
Hank?“ Er zündete sich eine Zigarette an. Zumindest dieses Laster blieb ihm noch. „Wir waren auf dem Rückweg von meinen Eltern als das ganze losging. Da sind wir direkt zum Departement in der Hoffnung man dass man uns helfen kann. Naja aber wie sich herausstellt sind wohl alle ziemlich ratlos. Der Detective überspielt das ganz gut, aber er weiß auch nicht was er tun soll.“ Besser hätte er es selbst nicht ausdrücken können. Mills mochte zwar vor allen den Cop raushängen lassen aber im Innern war er genau so ratlos wie der Rest von ihnen. Sie alle hatten keine Ahnung wie sie mit dieser Situation
umgehen sollten, oder was man als nächstes tun konnte. Im Augenblick konnte man nur warten. Etwas anderes blieb einem nicht wirklich übrig. „Warum sind sie nicht einfach abgehauen?“ Er zuckte mit den Schultern und lächelte matt. „Naja. In so ner Sache ist es immer besser wenn man zusammenbleibt. Alleine ist man aufgeschmissen. Sie hätten ja auch alle fröhlich zurück zu Grandma fahren können. Jetzt sind wir alle hier und warten darauf dass irgendwas passiert. Dass Henry zurück kommt, oder dass diese Monster hier einfallen und uns alle
umbringen!“ Darauf begann die kleine Abby wieder zu weinen. Zumindest darauf konnte er sich verlassen. Als Kinderschreck hätte er sich wohl versuchen sollen. Da hätte er sicher mehr Erfolg gehabt als als Krimineller. Er warf einen Blick auf das Mädchen. Wieder umklammerte sie ihren Stoffhasen und schmiegte ihn eng an sich. „Wie alt ist die Kleine?“ „Neun. Sie versteht das alles nicht. Sie ist nur ein Kind. Sagen sie nicht solche Sachen zu ihr“, kam es jetzt von Natalie. Tadelnd sah sie ihn an. Er nickte nur und zog an seiner Zigarette. Ziellos wanderte sein Blick im Rau
umher. Auf den Fluren konnte man das Geplapper der Leute hören die sich alle unsicher darüber waren, was jetzt mit ihnen passierte. Lange konnten sie allerdings nicht hier bleiben. Das wusste er. Irgendwann würden diese Dinger kommen und die Basis überrennen, so wie sie es schon mit dem Police Departement gemacht hatten. Auf Dauer war man nirgendwo sicher. Schließlich kam auch Henry irgendwann wieder zurück. Allerdings sah er nicht gerade erleichtert aus. Er wirkte ziemlich angespannt. Ian wusste dass das nichts gutes bedeuten konnte. „Und? Was haben die gesagt?“, wollte
Hank sofort wissen. Er war aufgestanden und auf den Detective zugegangen. Der schüttelte nur den Kopf. „Hier ist man ebenso ratlos wie im Departement. Niemand kann uns was genaues sagen. Der allgemeine Notstand wurde ausgerufen. Das ist alles.“ Fassungslos starrten die Anwesenden ihn an. Jetzt war auch Ian aufgestanden. „Das ist alles?! Das kann doch nicht dein Ernst sein Henry! Was sollen wir jetzt machen? Die können die Leute doch nicht einfach hängen lassen.“ Er warf seine Zigarette weg und trat gegen den nächsten Tisch. Mills vergrub das Gesicht in der
Handfläche. „Jetzt sind alle nur noch damit beschäftigt sich selbst zu retten. Was natürlich nicht heißt dass ich das auch tue. Wir packen das nötigste zusammen und stocken ein paar Vorräte auf. Wichtig ist dass wir aus der Stadt rauskommen. Die Dinger werden sich bald hier tummeln. Dieser Ort ist nicht sicher.“ Er lehnt sich gegen die nächste Wand. Fragend sahen die Anwesenden ihn an. Alle erwarteten sie von ihm dass er eine Lösung fand. Ian sah ihm an dass er nicht wirklich eine wusste. Wie denn auch? Niemand konnte sich auf so etwas vorbereiten. Das hier war einfach
nur noch ein Kampf ums nackte überleben. Wie sollte man damit umgehen? Der Sträfling dachte einen Augenblick lang nach und trat dann an die Seite des Detectives. „Er hat Recht. Wir packen alles ein was wir tragen können. Dann suchen wir uns das Fahrzeug mit der dicksten Panzerung und sehen zu dass wir hier wegkommen. Geben sie Henry nicht die Schuld für das was passiert ist, oder erwarten von ihm eine Lösung für das Problem. Wichtig ist jetzt dass wir alle an einem Strang ziehen.“ Er hielt einen Augenblick inne. Alle starrten ihn an. Toll. Jetzt hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Auch Henry
sah zu ihm herüber und mit einem Mal fühlte er sich deutlich kleiner. Warum hatte er nicht einfach den Mund gehalten? Jetzt erwarteten sie natürlich von ihm dass er eine Antwort für sie hatte. Das erste was er allerdings tat, war sich noch eine Zigarette anzuzünden. Er entließ einen Schwall blauen Dunst in den Raum. „Wir sollten uns in jedem Fall von den größeren Städten fernhalten. Da wird es wahrscheinlich von den Viechern nur so wimmeln.“ Die anderen nickten zustimmend. Henry hatte die Arme vor der Brust verschränkt und trat jetzt an seine Seite. „Gold hat Recht. Wir suchen uns einen
Ort an dem es sicher ist. Am besten etwas abgeschiedenes und abgeschirmtes. Es gibt ein paar kleinere Inseln vor der Küste im Norden. Wenn wir es bis nach Sandusky schaffen können wir dort im Hafen ein Boot nehmen. Bis dahin sind es etwa 30 Meilen und im Augenblick dürften wir noch Glück haben. Wir fahren rüber nach Kelleys Island. Vielleicht ist es da nicht so schlimm. Vor allem glaube ich nicht dass sich die Dinger bis dahin ausgebreitet haben.“ Das klang zumindest nach einem guten Plan. Wenn sie es bis zur Küste schafften dann hatten sie das schlimmste hinter sich gebracht. Er
klopfte dem Detective auf die Schulter. „Alles klar Henry. Das klingt nach nem guten Plan.“ Der ältere sah ihn nur stirnrunzelnd an. „Also. Hank, sie und ihre Frau gehen zum Wagen zurück und warten dort auf uns. Gold und ich werden Vorräte besorgen.“ Allerdings sah das ganze anders aus als wohl zuerst vermutet als Ian fünf Minuten später den Snackautomaten plünderte. Etwas anderes gab es hier nicht. Das meiste war schon ausgegeben worden und so mussten sie sich mit dem begnügen was noch übrig war. Nicht viel aber es würde reichen bis sie
irgendwo anders aufstocken konnten. Der Sträfling gab Mills die Sachen in die Hand und griff weiter was er tragen konnte. „Sie haben die Leute da drin gut überzeugt Henry. Meinen sie wir schaffen's bis nach Sandusky?“ Der andere schüttelte nur den Kopf. „Im Augenblick weiß ich gar nichts Gold, aber diese Leute sind auf meine Hilfe angewiesen so wie sie auch und ich kann nicht glauben dass ich das sage, aber bis jetzt haben sie gezeigt dass sie was drauf haben. Es sind Leute wie sie die in solchen Zeiten den Durchblick haben.“ Er starrte ihn an als ob er gerade einen
Witz gemacht hätte. „Das ist doch nicht ihr Ernst Henry. Was scheren mich diese Leute?“ Der andere grinste jetzt. „Warum sind sie dann noch hier? Klar, sie geben sich als hart und unnahbar aber sie sind immer noch ein Mensch. Dieses kleine Mädchen zum Beispiel. Sie könnten sie niemals zurück lassen wenn sie wüssten dass sie ein Opfer dieser Dinger wird.“ War ja klar dass er jetzt auf der Schiene fuhr. Was erwartete er eigentlich von ihm? Ihm konnte das doch genau so egal sein. Da sprach der Cop aus ihm. Ian konnte sich nicht vorstellen dass Henry das ganze allein aus Nächstenliebe tat.
Nein. Wahrscheinlich hoffte er selber dass es aus dieser ganzen Sache noch einen Ausweg gab. „Okay, aber lassen sie mich ja nicht alleine mit diesen Stadtleuten!“ - Karen - „Wenn du das hier hörst, dann komm mit Karen nach Sandusky. Wir treffen uns bei deiner Mutter. Ich liebe euch.“ Wieder und wieder hörte die Blinde das Band ab, welches ihr Vater hinterlassen hatte. In der Wohnung war es dunkel. Alles wirkte leer und leblos. In Eile
waren Sachen zusammengepackt worden. Ihr Vater war nicht hier. Er war gegangen. War nach Norden aufgebrochen um sich mit ihnen in Sandusky zu treffen. Karen saß neben dem Sideboard auf dem Boden und starrte ins Leere. „Er denkt dass Mum bei mir ist. Er weiß nicht dass...“ Ihr versagte die Stimme. Ethan stand im Türrahmen und beobachtete sie. Er hatte sein Wort gehalten und sie nach Norwalk gebracht. Auf dem Weg hierher waren sie gut durchgekommen, da die meisten Leute raus aus der Stadt und nicht rein wollten. Am Ende hatte es allerdings nichts gebracht. Sie waren zu
spät. Ihr Vater war fort. Er war einfach gegangen. Warum hat er nicht auf sie gewartet? Dachte er vielleicht dass sie schon auf dem Weg zu ihrer Großmutter waren, oder glaubte er vielleicht sogar, dass sie es nicht geschafft hatten? Karen wusste keine wirkliche Antwort darauf. „Viele sind einfach gegangen Karen. In der ganzen Panik haben die meisten sicher sonst nicht gewusst was sie hätten tun sollen. Dein Vater war genau so überrascht von all dem wie wir.“ Sie sah ihn wütend an. „Aber er hätte warten können! Er hat uns einfach im Stich gelassen! Er hat mich im Stich
gelassen!“ Darüber musste sie wieder weinen. Dabei hatte sie eigentlich gedacht dass sie dazu keine Kraft mehr hätte. Jetzt wurde sie eines besseren belehrt. Sie verschränkte die Arme vor dem Gesicht und ließ Wut und Trauer freien Lauf. Ethan fasste sie am Arm, doch sie stieß ihn weg. „Lass mich! Fass mich nicht an!“ Sie erhob sich und stapfte durch die Wohnung in ihr Zimmer. Den Weg konnte sie im Schlaf. Ohne weiter zu überlegen riss sie ihren Schrank auf und holte eine Sporttasche hervor in die sie mehrere Sachen packte. Ethan folgte ihr
sofort. „Was hast du denn jetzt vor?“ Sie stapfte an ihm vorbei in die Küche, wo sie den Rest von den Lebensmitteln einpackte die noch übrig waren. Zumindest hatte ihr Vater ein wenig davon zurück gelassen. Vielleicht hatte er geglaubt dass sie hierher kommen würde. Sie und ihre Mutter. Karen biss sich auf die Lippe. Wie sollte sie ihm das nur beibringen? „Ich gehe nach Sandusky! Ich finde meinen Dad!“ Ethan sah sie entgeistert an. „Kommt nicht in Frage! Das ist viel zu gefährlich. Wir fahren nach Fremont zur
Militärbasis!“ Sie schulterte die Sporttasche. Ihr war jetzt absolut nicht danach sich ihm erklären zu müssen. So schlängelte sie sich an ihm vorbei zur Wohnungstür. „Klar. Mach das. Ich wünsch dir ne gute Fahrt.“ Keine zwei Sekunden später war sie bereits im Flur. Irgendwie würde sie es schon schaffen. Sie brauchte Ethan nicht um nach Sandusky zu kommen. Sollte er doch zu seiner bescheuerten Basis fahren. Sie würde ihn nicht aufhalten. „Karen jetzt bleib mal stehen! Wie willst Du denn bitte mach Sandusky kommen? Das schaffst du
nicht!“ Sie ließ ihre Tasche fallen und stemmte die Arme in die Hüfte und sah ihn finster an. „Ach, und wieso nicht? Weil ich blind bin oder was? Denkst du die arme Blindschleiche kann nicht auf sich selbst aufpassen. Du bist genau wie meine Eltern! Die haben mir auch nie was zugetraut. Du kannst mich mal Ethan. Verpiss dich einfach und lass mich in Ruhe!“ Damit hatte sie alles gesagt. Wenn er ihr nicht helfen wollte, dann sollte er sie in Ruhe lassen. So einfach war das. Was scherte es ihn denn überhaupt ob sie in
Sandusky ankam oder nicht? Konnte ihm doch völlig egal sein ob sie es schaffte. Zumindest war Ihr egal was er machte. Ihr war das alles zu viel. Im Augenblick wollte sie einfach nur in Ruhe gelassen werden. So schritt sie den Flur entlang, konnte aber hören dass er immer noch dicht hinter ihr war. „Hast du nicht gehört?“ Eine Tür in der Nähe öffnete sich. Sie blieb stehen und horchte in die Stille hinein. „Karen? Oh Gott Karen es geht dir gut!“ Sie kannte diese Stimme. Das war ihr Nachbar. Der bärtige Dicke Dean mit seiner Brille. Ohne Umschweife fiel sie ihm um den Hals und vergrub das
Gesicht in seiner Brust. Mit einem Mal brach wieder alles aus ihr heraus. Sie hatte so gehofft jemand vertrautes zu treffen. Dean war ein Freund der Familie. Ein ruhiger Kauz aber ganz nett. Er hatte es geschafft er war noch am Leben. „Dean! Wo ist Dad?“ Sie löste sich von ihm und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Er ist los zu deiner Großmutter. Er hat gesagt falls ich dich und deine Mutter treffe, soll ich euch Bescheid sagen. Wo ist sie Karen?“ Die Blinde blickte zu Boden. Da wusste er es. Dean lehnte sich gegen die nächste Wand und hielt inne. Das musste
er ersteinmal verdauen. Dann ging sein Blick zu Ethan. „Und wer ist das?“ Der Angesprochene trat einen Schritt auf die beiden zu. „Ich habe sie auf der Straße gefunden. Sie und ihre Mutter hatten einen Unfall. Ich wollte sie nach Fremont bringen. In die Militärbasis.“ Karen schüttelte nur den Kopf. „Sehen sie. Ich hab doch gesagt ich komm klar. Dean hilft mir. Fahr du ruhig nach Fremont und lass mich endlich in Ruhe!“ Dean fasste sie sanft bei der Schulter. Er trug einen Rucksack und war offenbar ebenfalls in Aufbruchstimmung.
Misstrauisch begutachtete er Ethan und schob die Blinde schützend hinter sich. Er war um einiges breiter, wenn auch kleiner. Auch wirkte er nicht sonderlich mutig, sondern eher unbeholfen. Er machte nicht den Anschein als würde er Ethan etwas antun. Er war schon immer eher sanftmütig gewesen. Dennoch fand er irgendwie seine Stimme und klang dabei einigermaßen selbstbewusst. „Hören Sie Mister. Danke dass sie auf Karen aufgepasst haben. Ich kümmere mich jetzt um sie. Ich bringe sie nach Sandusky. Ich hoffe sie haben Erfolg.“ Und damit zog sie Dean einfach hinter sich her aus dem Haus. Es war ihr Egal was Ethan jetzt machte. Sie war wütend.
Wütend auf ihn, ihren Vater und wusste nicht mal warum. Es war alles einfach viel zu viel. Dean führte sie zu seinem Wagen der direkt am Straßenrand stand. Ein paar Beißer waren in der Nähe, waren aber gerade mit einem Kadaver beschäftigt. So konnten sie ohne Probleme den Motor starten und losfahren. „Also Karen. Wir fahren nach Norden. In etwa einer halben Stunde sind wir bei deiner Großmutter! Wer war der Kerl?“ Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Er hat mich gefunden. Da war noch einer, aber den haben diese Dinger erwischt. Er hat mich
hergebracht.“ Dean rückte sich die Brille zurecht und starrte auf die Straße. „Und wir können ihn einfach zurück lassen?“ „Der kommt klar. Der wollte ohnehin nicht nach Sandusky. Soll er doch nach Fremont fahren oder wo der Pfeffer wächst.“ Sie stützte das Kinn auf der Faust ab. Mittlerweile war sie etwas ruhiger geworden, auch wenn der Schock noch sehr tief saß. Es gab eine Menge dass sie verdauen musste, aber in diesem Moment siegte die Erschöpfung und sie schlief
ein. - Ethan - Noch immer stand Ethan in der Wohnungstür und starrte gedankenverloren in den Flur hinaus. War es richtig Karen einfach gehen zu lassen? Dieser Dean schien sie gut zu kennen und er hatte gesagt er würde sie sicher nach Sandusky bringen. Sie war in guten Händen. Warum also hatte er dieses seltsame Gefühl in der Magengrube? Lag es vielleicht daran dass er jetzt ganz alleine war? Josh war
tot und er auf sich gestellt. Sonst hatte er niemanden mehr. Keine Familie oder sonst wen zu dem er konnte. Die wenigen die er kannte waren wahrscheinlich tot oder hatten die Stadt längst verlassen. Jetzt musste er selbst zusehen dass er aus diesem Alptraum entkam. Im Augenblick jedoch war ihm nicht nach gehen zu mute. So ging er zurück in die Wohnung und schloss die Tür. Vielleicht gab es hier ja noch ein paar Vorräte die er mitnehmen konnte. Wer wusste schon wie die Fahrt nach Fremont verlaufen würde? Da war es besser wenn er vorbereitet war. Zu aller erst ging er ins Wohnzimmer. Typisch für die Vorstadt war es dekorativ
eingerichtet. Ein Fernseher und ein Regal voller Bücher. Darunter auch mehrere in Blindenschrift verfasst. Auf dem Sideboard lag außerdem ein Blindenstock. Man hatte möglichst alle Hindernisse aus dem Weg geräumt damit der Weg für jemand blinden frei zu begehen war. Wenn er sich so umsah, konnte Ethan feststellen dass die ganze Wohnung auf Karen ausgerichtet war. Als nächstes betrat er ihr Zimmer. Es war ziemlich spartanisch eingerichtet. Deko gab es überhaupt nicht. Warum auch? Was hatte eine Blinde davon ihr Zimmer zu dekorieren? Das einzige das es im Überfluss gab waren Cds und noch mehr Bücher in Blindenschrift.
Außerdem ein paar Fotos der Familie. Auf dem einen war eine kleine Karen auf dem Arm ihres Vaters. Auf dem nächsten etwas älter mit ihren Eltern im Schwimmbad. Der Mann hielt inne. Wie es wohl für sie sein musste das alles zurück zu lassen? Das war sicher nicht einfach. Würde es ihr gut gehen? Wie sollte sie da draußen klarkommen? Es war gut dass sie Dean hatte. Sie brauchte jetzt jemand vertrautes der ihr durch diese schwere Zeit half. Er ging in die Küche und sammelte das ein was Karen noch übrig gelassen hatte. Das steckte er in eine Tüte. Mehr gab es hier nicht. Es war an der Zeit für ihn aufzubrechen. Noch einmal ging er ins
Wohnzimmer, holte den Blindenstock und eines der Bücher und verließ die Wohnung. Warum er sie mitnahm konnte er auch nicht sagen. Er packte alles in den Wagen und startete den Motor, was natürlich die Aufmerksamkeit der Beißer auf ihn zu. Es war inzwischen eine ganze Meute. Schnell stieg er ins Auto und startete den Motor. Die Route war klar. Die 18te Straße nach Monroeville und dann weiter über Bellevue nach Fremont. In knapp einer Stunde würde er da sein. Vielleicht wusste das Militär wie man mit dieser Bedrohung fertig wurde. Wenn es überhaupt einen Weg gab sich dagegen
zur Wehr zu setzen. In seinem Kopf klang das alles noch immer ziemlich banal und absurd. Tote die umherwanderten und die Lebenden angriffen. Hölle. So etwas hätte er sich niemals zu träumen gewagt. Wenn er an all die Opfer dachte, dann lief es ihm kalt den Rücken runter. Erst Ed, dann Josh und so viele andere. Er wollte gar nicht daran denken. Wie hoch die Opferzahl wohl ausfiel?50.000? Mehr? Er schüttelte nur den Kopf während er daran dachte. Die Randbezirke kamen in Sicht. Bald würde er die Stadt verlassen haben. Auf dem Land gab es wahrscheinlich nicht so viele von den Beißern.
Wahrscheinlicher war es dass sie sich in den Städten tummelten. Wie es wohl in Fremont und Sandusky aussah? Daran wollte er gar nicht denken. Also legte er eine von seinen Musik Cds ein und ließ Johnny Cash durch das Auto tönen. Das brachte ihn auf andere Gedanken. Jedoch nicht für lange. In der Nähe des St. Paul Cemetary sah er wie eine junge Frau vor mehreren Beißern davon rannte und um ihr Leben schrie. Keine Frage für ihn. Sofort stoppte er den Wagen und öffnete die Beifahrertür. „MISS! Hierher!“ Sie sah ihn und hechtete auf das Fahrzeug zu. Mit seiner Waffe gab er ihr
Feuerschutz. Die Winchester donnerte durch die Nacht. Einer fiel. Dann der nächste und die Rothaarige war im Auto. Er fuhr los. Sie atmete schwer. Diese Dinger mussten sie eine ganze Weile gejagt haben. Schweiß perlte ihr von der Stirn. Ethan griff mit der freien Hand in die Tüte und holte eine Flasche Wasser hervor. „Hier, trinken sie. Keine Angst. Sie sind jetzt in Sicherheit!“ Sie nickte, trank einen Schluck aus der Flasche und atmete tief durch. „Danke. Danke. Ohne sie hätten diese Dinger-“ Er legte ihr behutsam eine Hand auf die
Schulter. „Ist schon gut. Keine Angst. Jetzt sind sie sicher. Ich bin Ethan.“ Er setzte sein bestes Lächeln auf. Sie wirkte noch jung. Vielleicht Anfang der zwanziger, trug eine Wollmütze, eine Weste und einen kurzen Rock. Das typische Vorstadtmädchen. „Ich bin Carrie. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht als diese Dinger durch die Straßen wanderten. Alle sind tot.“ Ethan nickte nur. „Ich weiß. Ich war in Eds Diner als es anfing. Inzwischen wimmelt die ganze Stadt von den Dingern. Ich fahre nach Fremont in die Militärbasis. Wenn sie
wollen dann kann ich sie dorthin mitnehmen.“ Sie nickte hektisch. Noch immer war sie vollkommen geschockt. Wer konnte ihr das auch verübeln? Sie war nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Das musste man erstmal verdauen. Nun gut, immerhin schrie sie ihn schon mal nicht an. Das war ein Fortschritt. Er ließ seinen Blick über sie schweifen. „Waren sie ganz allein da draußen?“ Carrie schüttelte den Kopf. Sie zitterte am ganzen Körper. Noch einmal nahm sie einen Schluck aus der Wasserflasche, ehe sie endlich ihre Stimme
wiederfand. „W-wir waren zu dritt. Ein alter Mann und seine Frau. Sie sie...Sie haben es nicht geschafft...“ Die Stimme versagte ihr wieder. Ethan sah aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Nicht mehr lange und der Tag würde anbrechen. Dann lief es auch besser mit der Orientierung. Er hielt einen Augenblick lang inne. Er war müde und erschöpft, aber an Schlaf war jetzt nicht zu denken. Er würde sich ausruhen wenn sie in Fremont angekommen waren. Dann war immer noch Zeit dafür. „Und sie? Sind sie ganz allein?“ Diese Frage riss ihn aus seinen
Gedanken. Er nickte matt. „Ich habe einen guten Freund verloren. Dann war da noch jemand...aber die sind weiter nach Norden zu Verwandten. Nach Sandusky.“ Carrie hörte ihm aufmerksam zu. Sie war auf jeden Fall älter und reifer als Karen. Die hatte ja schon bei jeder Kleinigkeit protestiert. Diese junge Dame allerdings war eine willkommene Abwechslung. „Sind sie Studentin?“ „Nein nein. Ich wollte aufs College, aber naja...musste irgendwie Geld verdienen und dann wurde da nichts draus. Jetzt kann ich das wohl sowieso vergessen. Und sie? Haben sie keine
Familie?“ Ethan schüttelte knapp den Kopf. „Nein. Ich habe einen Bruder, aber von dem hab ich schon lange nichts mehr gehört. Ich war Banker in Norwalk.“ Die Rothaarige musterte ihn einen Augenblick lang. Dann lächelte sie. „Stimmt. Sie haben in der Bank gearbeitet. Ich kenne sie! Ich war ein paar mal dort. Sie hatten immer diesen gelangweilten Gesichtsausdruck drauf.“ Jetzt musste er sogar lachen, auch wenn er zugeben musste dass er sich nicht an ihr Gesicht erinnern konnte. Wäre schön gewesen jemanden zu treffen den man kannte, aber das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Es war sicher für
niemanden einfach mit einem Wildfremden im Auto zu sitzen, aber im Augenblick war das immer noch besser als vollkommen alleine durch die Gegend zu ziehen. Alleine war man diesen Dingen einfach nicht gewachsen. Man brauchte jemanden der einem halt gab. Ethan wünschte sich nur, sie hätten sich nicht unter solchen Umständen kennen gelernt. „Naja was soll ich sagen. Auf Dauer wird der Job einfach monoton.“ Sie lächelte. „Naja. Dann haben sie ja jetzt zumindest etwas
Abwechslung...Obwohl...Entschuldigung...“ Sie sah aus dem Fenster und hüllte sich in Schweigen. Er wusste nichts zu erwidern und tat es ihr deshalb gleich. Es war keine unangenehme Stille. Das Eis zwischen den beiden war gebrochen und es war sicherlich auch für sie willkommen wenn sie ein wenig abschalten konnte, ehe sie Fremont erreichten. Inzwischen hatten sie die Grenze von Monroeville erreicht. Die Stadt war wirklich das was man ein Kaff nennen konnte. Hier war nicht viel los. An den Wochenenden war Ethan manchmal mit
Josh hierher gekommen. Ansonsten konnte man nichts weiter über diesen Ort sagen. Es gab ein paar Bars aber das war es dann auch schon. Umso besser, denn auf den Straßen waren kaum Beißer unterwegs. Die meisten Bewohner hatten die Stadt verlassen wie es schien. Damit hatten sie zumindest etwas richtig gemacht. Dennoch, ob das die Lösung war? Wohin sollte man fliehen, wenn überall das Chaos ausbrach? Er war sich nicht einmal sicher, ob die Militärbasis in Fremont die Lösung war. Konnte man hier überhaupt eine Lösung finden? Sicher war hierbei nichts. Im Augenblick zählte nur zu Überleben. Sicher, er hatte
niemanden und wahrscheinlich würde auch Carrie wieder gehen wenn sie ihr Ziel erreicht hatten, aber für den Augenblick waren sie zusammen. Das war wichtig. Ehe er sich versah, hatten sie die Stadt auch schon hinter sich gelassen. War wie gesagt keine große Sache. Auf viel Widerstand waren sie auch nicht gestoßen. In der nächsten Stadt konnte das ganz anders aussehen. „Das hätten wir“, erklärte Ethan langsam. „Nächster halt Bellevue. Eine Kleinstadt. Etwas größer als Monroeville. In zirka einer viertel Stunde sind wir da. Von da aus geht es dann über die 20ste nach
Fremont. Dauert nicht mehr lang.“ Wenn nichts schief ging, dann würden sie in etwa einer halben Stunde in Fremont sein. Vielleicht fand er dort endlich Antworten... - Ian - „In etwa einer viertel Stunde sind wir in Sandusky. Ich weiß nicht wie es in der Stadt aussieht. Niemand verlässt das Auto wenn ich es nicht sage verstanden? Die Docks liegen am nördlichsten Ende der Stadt. Wenn wir Glück haben erwischen wir ein Boot und
fahren dann rüber nach Kelleys Island. Wenn irgendwas schief geht will ich dass ihr Schutz sucht. Haltet euch von den Straßen fern und am wichtigsten: Bleibt zusammen. Und das mir immer einer bei den Kindern bleibt. Das gilt auch für sie Gold. Keine wilden Einzelgänge!“ Mills klang äußerst streng, aber wenn man bedachte was vor ihnen lag war das durchaus angebracht. Niemand von ihnen wusste was sie in der Stadt erwartete, oder ob sie es bis zu den Docks schafften. Auf dem Weg hierher hatten sie die Städte gemieden und waren über Landstraßen gefahren. Dort waren ihn in Richtung Stadt immer mehr
Beißer begegnet. Ian biss sich auf die Lippe. Es gab jetzt kein zurück mehr. Das Boot war die einzige Chance. Sonst konnte er nirgendwo hin. Das war etwas an das sie sich alle klammerten. Man hoffte, dass es auf der Insel nicht so schlimm sein würde, glaubte sogar vielleicht dass sich die Dinger bis dahin nicht ausgebreitet hatten. Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer aber immerhin etwas. Wenn es einen Funken darstellte damit sie alle überlebten war es zumindest den Versuch wert. So sah er zum Detective. „Was glauben sie? Schaffen wir das?“ Er flüsterte, so dass es die anderen nicht
hören konnten. Nach der Rede von Henry hatte Hank zusammen mit seiner Frau ein Lied angestimmt um die Mädchen zu beruhigen und abzulenken. Ein guter Schachzug. „Was weiß ich schon. Seit gestern Abend treffe ich nur noch Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Vielleicht gehen wir alle bei dem Versuch drauf, oder es ist gar kein Boot mehr da und wir haben den Weg umsonst gemacht. Wer weiß das schon?“ Ein Grinsen entkam dem Sträfling. „Nanana. Seit wann sind wer denn so pessimistisch eingestellt Detective?“ Der andere zuckte nur mit den Schultern und warf einen Blick in den Rückspiegel.
Die kleine Abby lachte vergnügt und spielte mit ihrem Stoffhasen. „Diese Leute erwarten von mir, dass ich ihnen einen Ausweg in diesem Chaos biete. Dass ich eine Lösung weiß. Aber dabei habe ich selbst keine Ahnung, ob ich morgen überhaupt noch lebe Gold. Ich meine, was ist in so einer Lage eine richtige Entscheidung? Wie wiegt man das für und wider ab wenn Menschen einem ihr Leben anvertrauen? Die Entscheidung hierher zu kommen könnte genau so gut unser Todesurteil bedeuten.“ Ian konnte nur nicken. Mills hatte Recht und er wollte im Augenblick absolut nicht in seiner Haut stecken. Es war
ganz gut dass die Turners ihn zum Anführer erkoren hatten, auch wenn das in diesem Fall eine eher Zweifelhafte Ehre darstellte. Außerdem wirkte Henry mehr als nur erschöpft. Zwischendurch hatte er sich zwar mit Hank abgewechselt was das Fahren anging, aber nachdem Abby zu jammern begonnen hatte, war ihr Vater wieder nach hinten gegangen. Ian hatte Mills nicht fahren lassen wollen. Warum auch immer. Lag wohl daran, dass der Detective die Schleichwege kannte und sie schneller voranbrachte. Allmählich kam auch die Stadt in Sicht. Links waren die Gräber des Venice
Cemetary zu sehen, die in diesen frühen Morgenstunden mehr als trostlos wirkten. Die ersten Häuser kamen ein paar Metern in Sicht. Alles wirkte ruhig. Ein wenig zu ruhig für Ians Geschmack. Hier und da standen ein paar aufgegebene Autos, aber das war es auch. Mills beäugte das ganze ebenfalls ziemlich misstrauisch. Wo waren die Beißer? Alles was man zu sehen bekam waren ein paar Krähen die hier und dort auf den Häuserdächern saßen und vor sich hin krächzten. Als nächstes passierten sie eine Tankstelle. Der Detective sah aus dem Fenster . „Also gut. Jetzt geht es auf die Venice
Road. Dann ist es wirklich nicht mehr weit bis zum Hafen.“ Sein Wort in Gottes Ohr. Dennoch wurde Ian dieses merkwürdige Gefühl in der Magengrube nicht los. Auch die Turners hatten inzwischen aufgehört zu singen. Bedächtig sahen sie aus dem Fenster. Die kleine Abby drückte ihr Gesicht förmlich gegen die Scheibe und versuchte etwas zu sehen. „Wo sind all die Menschen Mammi?“ Das war eine mehr als berechtigte Frage. Sie bogen wieder ab und mit einem Mal war es Becca die aufsprang. „Ich kann den Fluss sehen!“ Tatsächlich. Auf der linken Seite sah man den Sandusky River und auch schon
einen Ansatz der Bucht. Konnte es wirklich so einfach sein? Sie fuhren weiter in Richtung der Bucht und schließlich, als hätte der Sträfling darauf gewartet, sahen sie sie: Es mussten über zweihundert sein. Sie tummelten sich in den Straßen um die kleinen Häuser herum und blockierten die Straßen zu den Bootsstegen, die man am Ende der Superior Street sah. Mills schlug auf das Lenkrad des Wagens. „Verdammt!“ Mit einem Mal trat der Detective auf die Bremse und das Fahrzeug kam langsam zum stehen. Das lenkte natürlich die Aufmerksamkeit der Meute auf sie. „Fahren sie rückwärts!“, forderte Hank
und lehnte sich jetzt nach vorne um aus dem Fenster sehen zu können. Der Detective schob ihn wieder zurück. „Bleiben sie mit ihrem Arsch hinten verdammt!“ Die Mädchen begannen zu schreien. Auch hinter ihnen tauchten jetzt die Beißer auf und versuchten den Wagen einzukesseln. Ians Herz schlug wie wild. Panisch sah er sich um. Die Schrotflinte hielt er fest umklammert. Natalie versuchte vergebens ihre Töchter zu beruhigen, aber auch ihr war die Anspannung deutlich anzusehen. Hank saß völlig lethargisch daneben. „Henry, was jetzt?“ „Scheiße! Gold ich hab keine Ahnung!
Wir sitzen fest!“ Der Sträfling überlegte. Noch waren die Beißer entfernt genug. Eigentlich gab es keine andere Lösung als diese. Kurz schloss er die Augen und atmete einmal tief durch. „Preschen sie durch!“ Der Detective starrte ihn an als wäre er verrückt. „Was?!“ „Fällt ihnen was besseres ein?! Der Wagen ist groß und gut gepanzert. Das wirkt wie eine Ramme! Also geben sie Gas oder fällt ihnen was besseres ein?“ Viel Zeit zum überlegen gab es nicht. Ian hätte gerne einen anderen Vorschlag
aber was sollten sie sonst tun? Es gab keine Zeit zum nachdenken. „Alle man gut festhalten!“ Die Turners umklammerten sich gegenseitig und auch Gold suchte entsprechenden halt, ehe die Dodge Magnum losschoss. Wie ein Torpedo sauste sie geradewegs durch die Beißer, schleuderte ein paar von ihnen nach hinten. Andere wurden einfach überfahren, aber es schien zu funktionieren. Jedoch verließ sie das Glück schnell. Gerade hatten sie die Meute passiert, krachte der Wagen geradewegs gegen einen Baum am Ende der Straße. Es schüttelte sie ordentlich durch. Das war das Ende der
Fahrt. „Alles raus hier! Sofort!“ Hank sah den Detective entgeistert an. „Sind sie irre? Diese Dinger sind da draußen!“ „Halten sie endlich die Klappe! Wenn ihnen das Leben ihrer Familie lieb ist, dann schieben sie ihren Hintern aus dem Wagen! Los alle zu den Stegen!“ Und damit war es entschieden. Ian schob sich aus dem Fahrzeug und eröffnete das Feuer. Das richtete nicht wirklich etwas aus. Die Turners hielten einander an den Händen und folgten dem Detective, der selbst damit beschäftigt war die Beißer abzuhalten. Auf dem Parkplatz vor den Stegen wimmelte es
ebenfalls von Untoten. „Scheiße! Und was jetzt?“ „In die Lagerhalle!“ In all der Aufregung verlor Abby abermals ihren Stoffhasen. „Mr. Donald!“ Sie riss sich los. Ihre Eltern konnten gar nicht so schnell reagieren. Sie wollten der kleinen schon zur Hilfe eilen, aber Mills drängte sie zur Lagerhalle Ian gab ihnen Deckung während der Detective zu dem Mädchen eilte, das bereits von Beißern umzingelt war. Mit einem Fußtritt brachte er einen auf Distanz, doch der nächste verbiss sich im Hals des Detectives. Das Mädchen schrie. Gold hechtete los und
schoss die Beißer um. Dann nahm er Abby auf den Arm und zog Henry mit sich. Die Turners waren bereits an der Lagerhalle und hielten die Tür offen. Alles ging schnell. Sie schafften es und verriegelten den Ausgang. Hank nahm seine Tochter auf den Arm. Sie weinte bitterlich und hielt ihren Hasen fest umklammert. Mills lag auf dem Boden. Blut strömte aus seiner Kehle. Ian beugte sich über ihn und sah sich das ganze an. Sein Hemd war blutverschmiert. „Scheiße. Henry. Was soll ich machen?!“ Der Detective umfasste seine Hand. „Sie....+hust+...sie wissen...wie+hust+
das läuft Gold..“ Er drückte ihm seinen Revolver in die Hand und spuckte Blut, gefolgt von einem Hustenkrampf. „Man +hust+ wird zu einem...+hust+ von +hust+ ihnen...“ Jetzt wusste der Sträfling was er wollte. „Oh nein nein nein! Tun sie das nicht Henry! Lassen sie mich nicht allein mit diesen Leuten! Sie können es schaffen!“ Der andere schüttelte den Kopf. „Nein...+hust+....führen sie +hust+ führen sie sie weiter...+hust+...sie können das...+hust+ und jetzt tun sie's +hust+ sie verdammter Penner...+hust+“ Natalie hatte inzwischen ihre Töchter in den hinteren Teil der Lagerhalle
gebracht, wo die Mädchen das ganze nicht mit ansehen mussten. Hank war an Ians Seite geeilt und kniete neben ihm. Er sagte nichts, sondern konnte nur tatenlos zusehen. Gold fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Diese Dinger zu erschießen war eine Sache, aber einen Menschen? Er kannte Mills nicht gut, aber dennoch war er ihm sympathisch gewesen. Um einiges mehr als diese Großstadtheinis. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Er setzte den Revolver an die Schläfe des Detectives.
Ein Schuss durchdrang die Stille die sonst nur vom Stöhnen der Beißer und dem Schluchzen der Mädchen unterbrochen wurde...
- Karen - Langsam öffnete die 16-Jährige die Augen. Wirklichen Schlaf hatte sie nicht finden können. Dabei schrie ihr ganzer Körper vor Erschöpfung. Alles tat ihr weh. Die Wunde am Kopf hatte Dean notdürftig versorgt und gereinigt, bevor sie losgefahren waren. Der Arm bereitete ihr allerdings mehr Sorgen. Wenn sie raten müsste, blieb sie noch immer bei der Vermutung dass er gebrochen war. Im Augenblick kümmerte
das allerdings nicht sonderlich. Der Schmerz war das einzige, was ihr sagte, dass dies alles nicht ein großer Alptraum war. Die Blinde hatte nur wenig mit dem beleibten Nachbarn gewechselt nachdem sie losgefahren waren. Wahrscheinlich dachte er es wäre besser ihr ein wenig Zeit zu lassen. „Wo sind wir?“, fragte sie schlaftrunken. Sie fühlte sich noch erschöpfter als vorher. Das ständige auf- und abhüpfen des Wagens hatte nicht wirklich für Entspannung gesorgt. „Gleich an Milan vorbei. Ich will lieber nicht durch die Stadt fahren. Bis Sandusky ist es nicht mehr weit Karen. Dann bist du bei deinem Vater und deiner
Grandma.“ Sie nickte nur. Der Gedanke daran war zumindest etwas das ihr Hoffnung war. Dennoch fragte sie sich natürlich, ob ihr Vater es geschafft hatte. Lebte ihre Großmutter noch? Das konnte sie nicht mit Sicherheit sagen. Allerdings wollte sie auch nicht daran denken, dass den beiden etwas zugestoßen sein konnte. Die beiden waren alles an Familie was sie noch hatte. „Wo willst du hin Dean? Ich meine, wenn wir in Sandusky sind, was machst du dann?“ Er schwieg einen Augenblick lang. Soweit sie wusste hatte er keine Familie in der Nähe. Er war eigentlich oft allein
und kam sie öfters Besuchen. Karens Eltern waren seine einzigen Freunde gewesen, soweit sie sich erinnern konnte. Andere hatte sie nie in seiner Umgebung wahrgenommen. „Ich weiß nicht. Ich schätze ich werde wohl tun was dieser Ethan vorhatte. Nach Fremont fahren und nachhorchen ob das Militär weiß was zu tun ist.“ Sie presste die Lippen zusammen. Sie hatte Ethan einfach in ihrer Wohnung zurückgelassen. Sie war einfach wütend gewesen. Wütend wegen der Situation und traurig wegen ihrer Mutter. Im Nachhinein tat es ihr sogar leid, dass sie sich so gegenüber ihm verhalten hatte. Wahrscheinlich war er jetzt schon
auf dem Weg zur Basis und sie würde ihn niemals wiedersehen. Sie beugte sich ein wenig vor. „Wieso bleibst du nicht bei uns? Ich meine Okay, Grandma ist manchmal ein bisschen launisch aber ansonsten ganz okay und ich glaube Dad tut es ganz gut wenn er einen Freund hat...wenn...wenn er das mit Mum erfährt.“ Inzwischen brannten ihre Augen vom vielen weinen und der Schmerz schien immer größer zu werden. Noch immer konnte sie es nicht fassen dass ihre Mutter tot war. Es war nicht fair. Warum hatte sie sterben müssen? Warum war sie selbst noch am leben?
Das konnte sie einfach nicht verstehen. Jetzt war sie hier alleine in diesem Alptraum. Viel war ihr nicht mehr geblieben. „Deine Mutter war eine gute Frau...und ich bin mir sicher dass sie dich sehr geliebt hat. Der einzige tröstende Gedanke an der Sache ist, dass sie diesen Wahnsinn nicht miterleben muss.“ Das stimmte allerdings. Karen konnte sich nicht vorstellen, wie ihre Mutter mit all dem klargekommen wäre. Sie selbst hatte ja ziemliche Schwierigkeiten das zu verarbeiten und mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Tote die umher wandelten. Das kam ihr noch immer vor wie ein schlechter
Witz. „Ich vermisse sie. Gott ich vermisse sogar ihre verdammten Moralpredigten. Scheiße!“ Erneut begann sie zu weinen und vergrub das Gesicht in ihrem Arm. Dean fuhr währenddessen auf die 250ste um die Stadt Milan zu umgehen, wie er gesagt hatte. Das war besser, denn man wusste nicht wie es dort aussah. In diesem Augenblick war Karen ganz froh darüber dass sie blind war. Den Schrecken hätte sie sicher nicht ertragen können. Jedoch roch es hier überall nach tot. Dieser Geruch begleitete sie schon seitdem sie Norwalk verlassen hatten. Beißend und
bestialisch. „Wie ist es da draußen Dean?“ Da sie es nicht sehen konnte, wollte sie zumindest eine Beschreibung, obwohl sie sich nicht sicher war, dass es ihr gefiel, was er zu sagen hatte. Sie merkte sogar, dass er anfangs ein wenig zögerte. „Jetzt sag schon.“ Er seufzte. „Karen es...es ist kein schöner Anblick. In der Stadt sind überall diese Dinger. Es war gut den Umweg zu nehmen. Mach dir keine Sorgen. Uns kann hier nichts passieren. Es ist dunkel. Die Nacht schützt uns.“ Seine Worte hatten nicht annähernd die
beruhigende Wirkung die er wahrscheinlich erzielen wollte. Wie es wohl dort aussehen musste? Wie viele von diesen Dingern gab es wohl? Tausende? Mehr? Sie schüttelte den Kopf. Es war besser wenn man nicht zu sehr daran dachte. Ein jähes Stottern riss sie aus ihren Gedanken. Das kam eindeutig vom Wagen. Dean schüttelte nur den Kopf. „Oh nein...bitte nicht...“ Unsicher blickte sie in seine Richtung. „Oh nein klingt nicht gut. Was ist los?“ „Der Tank! Scheiße! Ich hab vergessen zu tanken!“ „Was?!“ Sie konnte spüren wie der Wagen
langsamer wurde. Na super. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Dabei hatte ihre Fahrt vielversprechend angefangen. Na klasse! „Super! Hättest du nicht vorher daran denken können?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Der Angesprochene zuckte hilflos mit den Schultern. „Entschuldige. Ich hab einfach nicht dran gedacht. Mist...“ Sie lehnte sich in den Sitz zurück. „Und was jetzt?“ Wieder diese Stille. Dean war was so etwas anging echt keine helle Leuchte. Generell war er eher der zurückhaltende Typ im Hintergrund. Kaum zu glauben
dass er es bis jetzt geschafft hatte zu überleben wenn er nicht mal daran gedacht hatte zu tanken. „Wir laufen!“ „Du spinnst wohl! Da draußen sind überall diese Dinger!“ Fassungslos starrte sie ins leere. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Da konnte sie den Beißern auch gleich ihren Hals hinhalten. Ungeduldig tippte sie mit den Händen auf der Armatur herum. Laufen. Großartige Idee. „Willst du jetzt echt laufen Dean? Das schaffen wir nie! Ich weiß nicht mal wo wir sind!“ Was Orientierung anging konnte man sie
nun wirklich nicht fragen. Sie würde auf ihn angewiesen sein. Sicher, er war ein Erwachsener, aber ob er so mutig war wie Ethan wenn es hart auf hart kam war eine andere Frage. Okay, sie kannte ihn schon seitdem sie klein war, aber ob sie ihm ihr Leben anvertraute war etwas anderes. Im Augenblick hatte sie aber wohl keine andere Wahl. „Wir laufen einfach durch den Wald. In der Nähe ist das Erie Sand Barrens Naturreservat. Da können wir durchlaufen. Von da aus kommen wir direkt nach Sandusky.“ Das klang zumindest nach einem Plan. „Und wie lange dauert das?“ Er hielt kurz inne und schien zu
überlegen. „Das sind etwa 15 Meilen. Vielleicht auch mehr. Zu Fuß, 5 Stunden.“ „5 STUNDEN?!“ Das war jetzt wirklich nicht das was sie hören wollte. Das konnte ja heiter werden. - Ethan - „Glauben sie echt dass wir in Fremont Hilfe kriegen Ethan? Ich mein, ist die Army auf so etwas vorbereitet?“ „Ich weiß nicht Carrie. Ich kann nicht mal sagen ob was von der Basis übrig ist
wenn wir dort ankommen. Bis jetzt ist das die vernünftigste Idee die wir haben.“ Zumindest war das das einzige was ihn auf den Beinen hielt. Ethan war müden und kraftlos. Die Nacht hatte ihm sehr zu gesetzt. Er trauerte um Josh und Ed und hatte bis jetzt noch nicht einmal richtig Zeit gehabt sich innerlich von den beiden zu verabschieden. Alles war viel zu schnell gegangen. Die Flucht aus Norwalk, die Sache mit Carrie. Wenigstens war ihre Gesellschaft ertragreich, auch wenn er langsam nicht mehr wusste was er noch zu ihr sagen sollte. Sie war ganz allein gewesen und hatte wahrscheinlich nicht mal damit
gerechnet jetzt noch am Leben zu sein. Er war ihre einzige Gesellschaft und wahrscheinlich erwartete man in ihrem Alter von Männern wie ihm dass sie immer für jede Situation die passende Lösung hatten. Inzwischen hatten sie ein gutes Stück hinter sich gelassen und fuhren in die Randbezirke von Bellevue ein. Danach gab es nur noch Clyde und dann auch endlich Fremont. Lange würde es nicht mehr dauern. Nachdenklich warf Ethan einen Blick durch die Straßen der Kleinstadt. Hier sah es nicht anders aus als in Monroeville. Nur dass hier nicht so viele Beißer unterwegs waren. Wahrscheinlich zogen sie direkt weiter,
wenn es nichts mehr zu fressen gab. Dieser Gedanke sorgte für Übelkeit in seiner Magengrube. Der Wagen fuhr vor einer Tankstelle vor und machte halt. „Was machen sie?“ „Tanken und Vorräte aufstocken. Du bleibst im Wagen. Wenn du irgendetwas siehst, dann hupe laut okay?“ Er sah sich um. Weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich tummelten sich die Dinger in Richtung Stadtzentrum. Jedenfalls würde er nicht lange genug hierbleiben um das herauszufinden. Er betätigte die Zapfsäule und lud den Tank voll, ehe er sich mit gezogener
Winchester ins Innere der Tankstelle begab. Die Klingel kündigte ihn beim hereingehen an und das erste was ihm in die Nase stieg war ein widerwärtiger Gestank. Auf dem Boden lag eine Leiche. Ethan stürzte bei dem Anblick ein paar Schritte zurück. Dann ging alles schnell. Hinter dem Tresen kam ein Afroamerikaner hervor und richtete seine Flinte auf ihn. „Keine Bewegung Freak oder ich puste dir deine beschissene Rübe weg!“ Das war allerdings überraschend. Ethan hob sofort die Hände. „Ganz ruhig. Ich bin keiner von denen.“ Der andere grinste nur und lud
durch. „Nein, aber ein mieser Wixxer der denkt dass er mich ausräumen kann nur weil die ganze Stadt durchdreht.“ War das jetzt sein Ernst? Der Banker wusste nicht wirklich was er darauf sagen sollte. „Hören sie...“ Er warf einen Blick auf das Namensschild an der Brust des Mannes. „Dwight...ich will keinen Ärger machen.“ Der andere blieb stur. „Ich auch nicht Mister. Legen sie die Waffe auf dem Boden.“ Die Lage war äußerst angespannt. Es war besser wenn er tat was der Kerl
sagte. So ging er langsam in die Knie und legte die Winchester auf dem Boden ab. „Gut so und jetzt treten sie sie mit dem Fuß weg.“ Er tat es und die Waffe schlitterte über den Boden. Innerlich hätte Ethan am liebsten gelacht. Wahrscheinlich entkam er diesen Dingern, wurde aber stattdessen von einem durchgeknallten Tankwart erschossen. „Wer sind sie und was wollen sie hier?“ Dwight hatte seine Flinte noch immer auf Ethan gerichtet und beäugte ihn misstrauisch. „Ich bin Ethan. Ethan Rain. Ich komme aus Norwalk. Ich war auf dem Weg nach
Fremont. Ich wollte zur Militärbasis um zu erfahren was hier los ist. Warum kommen sie nicht mit? Wer weiß wie lange sie hier sicher sind.“ Der andere schien einen Moment lang darüber nachzudenken. Zumindest hörte er ihm schon mal zu. War immerhin ein Anfang. „Sicher länger wenn ich nicht jedem daher gelaufenen gestatte mich auszurauben. Diese Dinger sind überall da draußen. Einer hat sich getraut hier reinzukommen. Den hab ich schon erledigt. Sollen sie nur kommen.“ Ethan schüttelte den Kopf. Die Hände hatte er weiterhin über dem Kopf
gehoben. „Seien sie vernünftig Dwight. Ich will ihnen nichts böses. Ich bezahle den Sprit. Lassen sie mich nur ein paar Vorräte mitnehmen.“ Der Tankwart warf einen Blick über seine Schulter nach draußen zum Wagen. Offensichtlich wollte er wissen mit wem er es zu tun hatte. „Wer ist die Kleine?“ Das hatte er beinahe vergessen. Carrie saß immer noch im Auto und war wahrscheinlich vollkommen hilflos in dieser Sache, wenn sie überhaupt mitbekam was hier los war, aber wenn Dwight sie sehen konnte, dann wusste sie wahrscheinlich was sich hier
abspielte. „Ich hab sie aufgesammelt. Sie war ganz allein. Diese Dinger hätten sie sonst erwischt.“ Wieder dachte der andere nach und schob sich kurz mit einer Hand die Brille zurecht. Einen Moment lang überlegte Ethan ob er das als Chance nutzen sollte ihm die Waffe zu entreißen, entschied sich aber dann dagegen. Er würde ihm wahrscheinlich den Schädel wegpusten. Allerdings tat Dwight nichts dergleichen, sondern legte die Waffe auf den Tresen. „Ist in Ordnung. Tut mir leid Sir. Ich war nur vorsichtig. Die ganze Stadt ist
durchgedreht.“ Ethan nickte nur. „Ist schon okay.“ Damit begann er alles was er greifen konnte in Tüten zu packen. Dwight half ihm dabei. „Zwei Bedingungen.“ „Okay?“ „Erstens: Ich komme mit. Zweitens: Sie bezahlen mir das ganze Zeug Mister!“ - Ian - Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und entließ einen Schwall blauen Dunst
in die Lagerhalle. Ian saß auf dem Boden mit dem Rücken an die Wand gelehnt und schien in die Leere zu starren. Immer wieder starrte er auf seine Uhr deren Scheibe einen Sprung hatte. „In etwa einer halben Stunde geht die Sonne auf. Ich hab einen Bärenhunger. Wie ist es mit ihnen Henry? Ich könnte n Bagle vertragen.“ Die Leiche des Detectives lag zu seinen Füßen. Das Gesicht hatte er mit seiner Jacke abgedeckt. Die Turners standen etwas entfernt. Becca saß auf einer Kiste. Abby spielte mit Mr. Donald, während das Ehepaar hitzig diskutierte. Nach dem Tod von Mills war das das
einzige was sie taten. Streiten, Streiten und nochmal Streiten. Der Detective hatte ihm gesagt er sollte diese Leute weiterführen, aber im Augenblick wusste er nicht wirklich wie. Sie saßen hier fest. Draußen wimmelte es von diesen Dingern.In der Lagerhalle standen ein paar Boote und ein etwas größerer Truck. Sonst war hier nicht wirklich viel das man Gebrauchen konnte. Die meisten Waffen lagen im Kofferraum des Polizeiwagens und der stand draußen. „Tust du überhaupt irgendetwas in dieser Situation Hank? Der Detective ist schon Tod und jetzt willst du die Mädchen in die Obhut dieses Verbrechers
geben? Wer weiß denn nicht ob er uns alle umbringt wenn er die Chance hat. Der denkt doch nur an sein eigenes Leben.“ Ian hob den Kopf und sah zu den beiden herüber. „Hey, das hab ich gehört Lady!“ Natalie warf ihm einen respektlosen Blick zu und begnügte sich wieder damit ihren Mann anzuschnauzen. Der Sträfling drückte die eine Zigarette aus und zündete sich direkt die nächste an. Das war zumindest etwas was er tun konnte. Innerlich fluchte er. „Ich hasse diese verkackten Vorstadtspießer“, entkam es ihm
langsam. Er vermisste Henry. Mit dem hatte er zumindest einen Gesprächspartner gehabt, wenn ihn auch sonst nicht viel mit dem Gesetzeshüter verbunden hatte. Warum hatte er auch den Held spielen müssen? Wahrscheinlich war sich die kleine Abby nicht mal im Klaren darüber was dieser Mann für ein Opfer gebracht hatte. Er rettete ihr Leben und opferte sein eigenes. Ian war sich nicht sicher ob er dasselbe getan hätte. Er warf in die Tüte die er hatte mitnehmen können. Dort befanden sich immer noch ein paar Snacks aus dem Automaten aus der Militärbasis.
Raschelnd durchsuchte er die Tüte und griff sich einen Erdnussriegel. Das blieb natürlich nicht unbemerkt und wenig später stand die kleine Abby vor ihm, die ihn mit großen Hundeaugen ansah. Ihr Stofftier hielt sie fest umklammert. Der Sträfling musterte ihn. 'Verfickter Mr. Donald. Wegen dir ist Henry tot!', ging es ihm durch den Kopf, während er dem Mädchen den Riegel reichte. „Hast du Hunger?“ Sie nickte und lächelte. Dann warf sie einen Blick auf die Leiche des Detectives. Vielleicht hätte Ian sie wegschaffen sollen, aber dazu hatte er
sich nicht imstande gefühlt. „Mummy sagt der liebe Polizist ist jetzt im Himmel weil die Monster ihm wehgetan haben.“ Er sah sie an. 'Der liebe Polizist ist jetzt im Himmel weil dein beschissener Mr. Donald daran Schuld ist', hätte er ihr am liebsten gesagt. Stattdessen lächelte er und nickte nur. Natürlich hoffte er die Kleine damit losgeworden zu sein. Stattdessen ließ sie sich neben ihm nieder. Stumm zog er an seiner Zigarette. „Meine Mama sagt Rauchen macht das Leute sterben.“ Mir großen Augen sah sie auf die Zigarette, während sie von dem Riegel
abbiss. Gott. Dieses Mädchen konnte einem echt auf den Geist gehen. „Mama sagt du bist ein Verbrecher. Hast du jemanden getötet?“ Und sie hörte nicht auf zu fragen. Er seufzte und atmete den Rauch ein. „Hat deine Mama dir auch gesagt, dass Besserwisser in der Schule was auf die Nase kriegen?“ Darauf wusste sie offenbar keine Antwort und das folgende Schweigen klang beinahe wie Musik in seinen Ohren. Mit sich selbst zufrieden schloss er für einen Moment die Augen. „Prügeln ist was für Rüpel. Das hat-“ „-Dir deine Mama gesagt oder Kleines?“ Er verdrehte die Augen. Er wusste nicht
was ihn eher in den Wahnsinn treiben würde. Diese Dinger oder die Turners. Er hatte nicht darum gebeten die Verantwortung für sie zu übernehmen, aber irgendwie fühlte er sich Henry gegenüber schuldig. Immerhin war das der letzte Wunsch des Detectives gewesen. Warum hatte er nicht etwas anderes verlangen können? Ein paar von den Bastarden zur Hölle zu schicken oder so? Stattdessen musste er mit Hank und seiner Daily Soap-Familie Vorlieb nehmen. Das weibliche Oberhaupt stapfte nun geradewegs auf ihn zu. „Abby komm weg von ihm!“ Das Mädchen stand auf und tapste
treudoof zu ihrer Mutter. Diese hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Der Mann hat mir einen Schokoriegel geschenkt Mammi.“ Ihr Mund war von der Schokolade ganz verschmiert, aber wenigstens war sie glücklich. Bei ihrer Mutter sah das ganz anders aus. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn nicht leiden konnte. „Hören Sie Mister...“ „Ian..“ „Wie auch immer. Lassen sie meine Kinder in Ruhe! Kommen sie meiner Tochter nicht noch mal zu Nahe.“ Er fragte sich zwar, wie das in dieser kleinen Lagerhalle möglich sein sollte, aber er nickte. Dabei zog er erneut an
seiner Zigarette. „Hören sie zu Lady. Mir ist scheißegal ob sie mich leiden können oder nicht klar? Ich hab nicht darum gebeten mit ihnen hier festzusitzen aber wie es scheint haben wir heute alle die Niete im Lotto gezogen also verfickt noch mal. Hören sie auf damit hier rumzuscheißen und ihrem Mann für alles die Schuld zu geben. Der kann für das alles nichts. Genauso wenig wie ich. Diese Dinger sind immer noch da draußen und man weiß nicht wie lange wir hier noch sicher sind. Ich hab ihrer Tochter das Leben gerettet und Henry hat seinen verfickten Arsch geopfert also zeigen sie verdammt noch mal etwas mehr
Respekt! Wenn sie keinen Plan haben wie wir zu den Booten kommen dann halten sie ihren Mund und pflanzen sie ihren Arsch zu ihren Töchtern!“ Und das tat sie auch. Abby starrte mit offenem Mund in die Leere. Offensichtlich hatte sie nicht gedacht dass jemand ihre Mutter zu anblaffen würde. Auch Hank wirkte ein wenig darüber verwirrt. War ihm allerdings egal. Er hatte die Schnauze voll. So fasste er den Familienvater bei der Schulter und zog ihn ein wenig von den anderen weg. „Tut mir leid Ian. Natalie ist nur mit den Nerven durch, so wie wir alle. Nehmen sie es ihr bitte nicht übel. Sie
ist normalerweise ein guter Mensch.“ Ian bezweifelte zwar ob das stimmte aber er nickte, ehe er sich gegen eines der Boote lehnte. „Okay. Wir machen das was Henry gesagt hat. Unsere einzige Chance ist dass wir eines der Boote erwischen und rüber nach Kelleys Island fahren. Wenn wir Glück haben sind die Dinger noch nicht da. Das war der Plan und wir halten uns daran.“ Er sah noch einmal herüber zu dem toten Detective und schnippte dann seine Zigarette weg. Hank putzte seine Brille und zog sich die schwarze Jacke aus. Die band er sich um und
nickte. „Okay. Wenn ich ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen sie es nur. Ich tue was ich kann.“ Immerhin bot er ihm seine Hilfe an. So schlecht schien dieser Kerl gar nicht zu sein, auch wenn er bezweifelte dass er im Kampf entschlossen sein würde, wenn er schon bei seiner Ehefrau einknickte. Wer im Haushalt der Turners die Hosen anhatte war klar. Würde ihn nicht wundern wenn Hank seine Unterwäsche nach Tag und Monat sortierte und jedes Mal seine Frau anrief wenn er einkaufen ging um zu fragen was er holen sollte. Solche Leute trafen nicht gerne eigene Entscheidungen. Das
würde sich aber ändern müssen. „Gut. Wir haben ein Problem. Die Waffen und das meiste von den Vorräten aus der Basis ist noch draußen im Wagen. Wir brauchen die Sachen. Das heißt wir müssen da raus und irgendwie ans Auto kommen.“ Turner schien zu überlegen. „Vielleicht finden wir in dem Boot ja was das uns hilft.“ Zumindest klang das nach einem Plan. So durchsuchten die beiden Männer das Boot und nach ein paar Minuten wurden sie bereits fündig. Während Ian den Bug absuchte zeigte Hank ihm seinen Fund. Einen Koffer mit Leuchtpistole, sowie
zwei Schuss. Der Sträfling nickte. „Okay das wird helfen. Wir müssen ein Ablenkungsmanöver versuchen. Die Viecher sind sicher nicht sonderlich helle. Das sollte sie lange genug ablenken, so dass wir die Waffen holen können.“ Er beugte sich hinunter um etwas aufzuheben, während er andere überlegte. „Wir könnten direkt zu den Stegen.“ „Nein. Das muss durchdacht werden.“ Er hob etwas auf. Einen Moment lang warf Ian einen Blick auf sein Fundstück, ehe er grinste und die Harpune in die Luft hielt. „So n Ding wollte ich schon immer mal
benutzen.“ - Karen - „Dean. Lass uns eine Pause machen okay? Ich kann nicht mehr!“ Sie waren jetzt zwei Stunden unterwegs und hatten die Felder die Milan umgaben hinter sich gelassen. Ihre Knochen schmerzten und die Erschöpfung schien sie einmal mehr zu übermannen. Den ganzen Weg über hatte er sie an der Hand gehalten. Wegen ihr kamen sie generell nur langsam voran. Bis jetzt hatten sie allerdings Glück gehabt und
waren kaum auf Beißer gestoßen. Außerhalb der Stadt waren es nur sehr wenige gewesen die man leicht umgehen konnte. Karen konnte aufgrund ihres Gehörs immer sagen wenn irgendjemand in der Nähe war und so hielten sie sich von solchen Geräuschquellen fern. Sie hatten die Grenze des Reservats erreicht. Die Blinde lehnte sich gegen einen Baum und öffnete ihre Sporttasche aus der sie eine Flasche Saft hervor holte. Sie nahm einen kräftigen Schluck ehe sie Dean die Flasche reichte. Dass das Auto den Geist aufgegeben hatte war nicht sehr gut gewesen. Sie hätten längst da sein sollen. Zu Fuß war es nicht nur gefährlicher – es nahm auch
alles viel mehr Zeit in Anspruch als sie mit dem Wagen gebraucht hätten. Warum hatte er auch vergessen zu tanken? Sie ließ sich in die Knie sinken. Alles tat ihr weh. Am meisten ihr Arm. Er ließ sich kaum noch bewegen. „Soll ich mir das nicht doch mal ansehen Karen?“, wollte Dean wissen. Sie schüttelte nur den Kopf. „Nein, geht schon. Ich komme klar.“ Er legte die Flasche zurück in die Tasche und tat einen Schritt auf sie zu. „Vielleicht ist er gebrochen. Lass mich sehen.“ Er ließ aber auch nicht locker. Dabei wollte er wahrscheinlich nur nett sein.
Vielleicht konnte er ja doch etwas machen. „Okay, aber vorsichtig.“ Er nickte nur, und tastete vorsichtig ihren Arm entlang. „Ich muss die Jacke ausziehen. Sonst sehe ich nicht ob er angeschwollen ist.“ Er tat es so umsichtig wie er nur konnte, damit er ihr nicht versehentlich wehtat. Das ganze kostete natürlich nur noch mehr Zeit, aber sie war ganz dankbar dafür, dass sie mal ein paar Minuten nicht laufen musste. Ihre Füße taten weh. Eine kleine Pause war ihr ganz willkommen. „Mach schnell. Es ist scheißekalt hier
draußen!“ Immerhin regnete es nicht mehr. Das hätte ihr jetzt noch gefehlt. Wieder tastete er ihren Arm entlang. Er hatte starke Hände und einen ziemlich festen Griff. Also was das anging fehlte ihm wirklich ein wenig Feingefühl. „Er ist ausgekugelt. Ich muss ihn wieder einrenken. Ich zähl bis drei okay?“ Sie nickte nur. Mit einer Hand umfasste er ihre Schulter und mit der anderen den Oberarm. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Alles ging ganz schnell und ehe sie sich versah hatte er den Arm wieder eingerenkt. Allerdings nicht ganz ohne
Schmerzen. „Aua! Scheiße Dean! Kannst du nicht aufpassen?“ Immerhin konnte sie jetzt den Arm wieder einigermaßen bewegen. „Sorry Karen. Ich hab sowas nur ab und zu im Fernsehen gesehen. Geht es jetzt wieder?“ Sie bejahte und zog sich ihre Jacke wieder an. „Danke.“ Das Wort sorgte für einen seltsamen Geschmack im Mund. Sie mochte es normalerweise nicht wenn die Leute sie immer bemutterten nur weil sie blind war, aber in diesem Fall war sie auf ihn angewiesen und er versuchte nur sein
bestes um ihr zu helfen. Sie konnte ihm gar nicht böse sein. Er hatte sie immerhin bis hierher gebracht obwohl er es nicht hätte tun müssen. „Wo sind wir jetzt?“ Sie erhob sich langsam und versuchte ein Gefühl für ihre Umgebung zu bekommen. Es roch nach Tannenzapfen und frischem Morgentau. Der fiese Gestank des Todes war nur noch spärlich wahrzunehmen. „Gleich im Wald. Dahinter liegt Sandusky. Wenn wir weiter so unterwegs sind sind wir in etwa zwei Stunden da.“ Sie nickte, auch wenn ihr der Gedanke
zwei Stunden durch die Wildnis zu irren nicht sonderlich gut gefiel. Sie hätte ihm am liebsten vorgeschlagen ein Auto zu suchen, aber das würde er wahrscheinlich ablehnen. Das würde nur ein zu großes Risiko bedeuten. Diese Dinger konnten überall sein. Einen Augenblick hielt sie inne, ehe sie ein natürliches Bedürfnis überkam. „Ich muss mal.“ Perplex sah er sie an und kratzte sich am Hinterkopf. „Öh achso. Naja du kannst dich ja einfach...“ Fragend sah sie in seine Richtung. „Einfach was?“ Er schwieg einen Moment
lang. „Naja. Hock dich hin. Macht ihr Frauen das nicht so?“ Sie sah ihn an als ob er nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. „Du hast wohl n Knall. Was bist du? N mieser Spanner?!“ Abwehrend hob er die Hände. „Nein nein so war das nicht gemeint. Es ist nur sicherer wenn wir beide uns nicht zu weit voneinander entfernen. Ich dreh mich um.“ Sie zeigte ihm den Vogel. Der hatte vielleicht Nerven. „Du spinnst ja wohl. Warte hier!“ Und damit stapfte sie los und tastete sich an den Bäumen entlang. Das war ja
wohl die Höhe. Als würde sie vor ihm die Hose runterlassen. Der kam auf Ideen. Sie ging ein paar Schritte bis sie sicher war dass Dean weit genug weg war und ließ sich am Baum nieder. In diesem Augenblick hatte sie unglaubliche Angst. Wenn jetzt eines dieser Biester auftauchte wäre sie echt angeschmiert. Mit runtergelassenen Hosen würde es sie erwischen. Kein angenehmer Gedanke. Er knackte irgendwo im Unterholz und sie hob den Kopf. „Fuck Dean! Verpiss dich. Ich hab dir gesagt ich mach das allein!“ Es kam keine Antwort. Der würde sich doch nicht einfallen lassen sie beim
Pinkeln zu bespannen. Dem würde sie die Tracht Prügel seines Lebens verpassen. „Dean?“ Wieder nichts. Sie konnte nur hören wie sich etwas im Unterholz bewegte. Ganz in ihrer Nähe. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Das war gar nicht gut. Panik stieg in ihr auf. Schnell zog sie die Hose hoch und erhob sich wieder. Einen Augenblick hielt sie inne. Wenn das eines dieser Dinger wäre hätte sie es gerochen. Vielleicht war es auch nur ein Tier oder so. Wieder raschelte es. „FUCK! Scheiße. Wer ist da?!“ Sie tastete umher und griff nach einem
Stock den sie erfühlen konnte. Er war schwer genug um Schaden anrichten zu können. Sie konzentrierte sich auf die Quelle des Geräuschs das sich jetzt ganz in der Nähe befand. „Hallo.“ Das war das einzige was sie hörte, ehe sie mit voller Kraft zuschlug. Jemand japste vor Schmerzen und eine andere Person schrie vor Schreck. Eine Frau so wie es sich anhörte. „Verdammt. Scheiße. Leah sie hat mich geschlagen!“ Das war ein Junge. Offensichtlich hatte sie ihn voll erwischt. Es dauerte nicht lange bis Dean zu der Stelle kam an der
sich die drei befanden. „Karen ist alles okay?“ Er stellte sich neben sie und warf einen Blick auf die beiden jungen Erwachsenen die jetzt vor ihm standen. Ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren das nur ein Top und eine Jeans trug. Der junge hatte braunes langes Haar und trug eine Kapuzenjacke. Er hielt sich den Kopf da wo die Blinde zugeschlagen hatte. „Entschuldige. Wir wollten dich nicht erschrecken. Wir haben was gehört und wollten nachsehen. Ich bin Stan und das ist meine Freundin Leah.“ Karen ließ den Stock langsam sinken. „Ihr habt mir einen Heidenschreck
eingejagt. Ziemlich dumm sich einfach so an ne Blinde anzuschleichen.“ War ja auch so. Das hätte sonst was im Unterhals sein können. Sie fand dass sie sich richtig verhalten hatte. Dean pflichtete ihr nickend bei. „Das stimmt allerdings. Ihr habt Karen erschreckt. Ich bin Dean. Wo kommt ihr her?“ „Wir waren auf der Straße mit dem Auto. Am Weg wissen sie und dann haben wir ein Mädchen rufen gehört. Dann sind wir ausgestiegen um nachzusehen und haben ihre Tochter gefunden.“ Protestierend hob die Blinde die Hände. „Halt mal. Ich bin nicht seine – Moment.
Ihr habt ein Auto? Könnt ihr uns vielleicht mitnehmen?“ Das wäre die Rettung. Sie müssten nicht durch den Wald wandern und wären deutlich schneller in Sandusky als angenommen. Das Blatt schien sich ja doch noch zu ihren Gunsten zu wenden. „Klar. Wenn ihr was von euren Vorräten abgebt. Leah und ich haben echt Hunger.“ Die Blinde nickte nur und damit war alles geklärt. „Wir wollen nach Sandusky.“ „Gut. Da wollen wir auch hin.“ Die Blinde lächelte. Sie mochte diesen Stan jetzt schon. Er hatte ihr echt den Tag
gerettet. - Ethan - Ethan lehnte am Wagen und nahm einen Schluck aus seiner Flasche Mineralwasser. Sie waren kurz vor Clyde. Dwight stand neben ihm und rauchte eine Zigarette. Carrie schlief im Auto seitdem sie Bellevue verlassen hatten. So hatte er beschlossen eine kurze Pause einzulegen. Das würde sicherlich allen gut tun. Im Augenblick war es ruhig und es gab keinen Grund zur Eile. Es würde nicht mehr lange
dauern und sie waren in der Basis in Sicherheit. „Sie sind also Banker hm?“, wollte Dwight wissen. Ethan nickte nur und drehte die Flasche zu. „Hab fünf Jahre in Norwalk gearbeitet. Und sie? Haben sie schon lange in der Tankstelle gejobbt?“ Der Andere nickte. „Die Tankstelle gehört meiner Familie und nachdem mein Vater gestorben ist hab ich dort angefangen. Es ist nicht der rentabelste Job aber es reichte immer. Kann kaum glauben dass das jetzt alles vorbei ist. Ich meine jetzt wo diese Dinger überall rumlaufen. Meinen sie dass wir in Fremont Glück
haben?“ Das war eine berechtigte Frage. Er zuckte mit den Schultern. „Es ist der einzige Anhaltspunkt den wir haben.“ Sonst wüsste er nicht wo sie hin sollten. Vielleicht doch an die Küste? Vielleicht war Karens Idee gar nicht so verkehrt. Weiter oben im Norden war die Lage vielleicht nicht ganz so schlimm wie hier. Wer wusste das schon? Er seufzte. Wurde Zeit dass sie weiterfuhren. Je eher sie wieder unterwegs waren desto besser würde er sich fühlen. Also ging die Fahrt weiter. Eine Weile
herrschte Stille im Wagen bis Carrie aufwachte und sich streckte. Sah aus als hätte sie den Schlaf bitter nötig gehabt. Ethan selbst war hundemüde aber ans ausruhen war nicht zu denken. Wenn sie in Fremont waren würde er genug Zeit zum Schlafen haben. Jetzt galt es erst mal sie alle sicher dorthin zu bringen. „Sind wir schon da?“, fragte die Rothaarige mit müder Stimme. Ethan schüttelte nur den Kopf. „Nein. Wir sind kurz vor Clyde. Dauert aber nicht mehr lange und wir sind in Fremont. Konntest du zumindest ein bisschen schlafen?“ Sie nickte zufrieden und sah aus dem
Fenster. Dwight saß auf der Rückbank und tat sich an einem Sandwich gütlich das er aus der Tankstelle mitgenommen hatte. Die beiden waren eine angenehme Gesellschaft, auch wenn er sie lieber unter anderen Umständen kennen gelernt hätte. Was den Tankstellenbesitzer anging so verstand er sich jetzt einigermaßen mit ihm. Ganz anders als zu Beginn ihres Treffens wo er noch fürchten musste dass er ihm in den Kopf schoss. Kaum vorstellbar dass er jetzt auf der Rückbank saß und genüsslich eine Mahlzeit verdrückte. „Bin ich endlich froh wenn wir da sind. Ich hoffe die Army weiß ne Lösung.“ Sie klang zuversichtlich. Wie sie alle
hoffte sie natürlich dass dieser Alptraum schnell vorüber sein würde. Aber was wenn das nie endete? Wenn es keine Lösung gab? Nein. Daran wollte Ethan nicht denken. Er sollte zuversichtlich bleiben. Das brauchten sie jetzt. Der Banker blickte aus dem Fenster. Nicht mehr lange und die Sonne würde am Horizont aufgehen. Einen neuen Tag einläuten wie man es so schön sagte. Normalerweise wäre er jetzt aufgestanden und würde sich für die Arbeit fertig machen. Bei diesem Gedanken wurde er wehmütig. Würden sie je in ihr altes Leben zurückkehren können? Nichts war im Augenblick sicher außer die Tatsache dass man
vielleicht den morgigen Tag nicht erlebte. Wer wusste schon wo sie in ein paar Stunden waren? Nichts war mehr sicher. Er seufzte, dachte an Josh und fragte sich wie er wohl mit der ganzen Situation umgegangen wäre. Hätte er vielleicht besser oder anders gehandelt? Bestimmt hätte er sich mit Carrie und Dwight gut verstanden. Die beiden waren nett und freundlich und widersprachen nicht wenn er etwas sagte. Als behandelten sie ihn wie ihren Anführer. Dabei hatte er von so etwas keine Ahnung. „Soll ich mal fahren? Dann kannst du ein
bisschen schlafen?“ Carrie riss ihn mit ihrer Bitte aus seinen Gedanken. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Nein es geht schon.“ Dwight beugte sich von hinten nach vorne und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Sie hat Recht man. Sie fahren schon die ganze Zeit. Lassen sie uns mal übernehmen. Ne Pause wird ihnen ganz gut tun Mister.“ Wenn er ehrlich war, kämpfte er schon eine ganze Weile gegen die Müdigkeit und gegen zwei die dafür sprachen konnte er wohl auch nichts machen. Also übernahm Carrie das Steuer
während er auf dem Beifahrersitz saß und das Kinn auf der Faust abstützte. An Schlaf war eigentlich kaum zu denken. Dafür ging ihm viel zu viel durch den Kopf. Inzwischen hatten sie Clyde erreicht und fuhren durch die Kleinstadt. Dabei hielt die junge Frau sich allerdings so weit wie möglich vom Zentrum fern um nicht unnötig Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Das war besser. Man wusste ja nicht wie schlimm es hier aussah. Schnell hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und fuhren weiter Richtung Fremont. Von dort aus kamen ihnen mehrere Autos entgegen. Es schien so als wären die Leute dabei in Windeseile
die Stadt zu verlassen. Selbst ein Polizeiwagen kam ihnen entgegen. Carrie fuhr etwas langsamer und hielt neben einem entgegenkommenden Fahrzeug das nun ebenfalls stoppte. „Lady kehren sie um. Hier herrscht das Chaos“, kam es nur vom Fahrer. Ethan lehnte sich nach vorne. „Und die Militärbasis?“ Der Angesprochene lachte nur. „Die haben den allgemeinen Notstand ausgerufen. Hier kriegen sie keine Hilfe.“ Damit fuhr er weiter. Der Banker lehnte sich in seinem Sitz zurück. Das war es also mit ihrem Plan von Fremont und der Militärbasis. Dwight schlug gegen die
Autoscheibe. „So ein Mist. Und was machen wir jetzt?“ Carrie wirkte ebenfalls ziemlich ratlos. Beide sahen ihn an. Er überlegte einen Augenblick lang. Ins Landesinnere zu fahren würde wahrscheinlich nicht viel bringen. Es war besser wenn man sich an der Küste aufhielt. Zumindest hielt er das für eine gute Idee. „Wir fahren nach Sandusky. Nehmen ein Boot die Küste entlang. Vielleicht gibt es einen Ort an dem es die Dinger noch nicht hingeschafft haben.“ Er war sich nicht sicher ob er damit seine Gedanken beruhigen wollte. Er hätte auf Karen hören und gleich dorthin
fahren sollen. Es wäre besser wenn sie zusammen geblieben wären. Andererseits hätte er dann aber Carrie nicht das Leben retten können. Sie wäre wahrscheinlich jetzt einer von diesen Beißern und Dwight würde immer noch in seiner Tankstelle hocken und auf alles schießen was durch die Tür hereinkam. „Das klingt zumindest nach ner guten Idee“, entkam es dem Afroamerikaner mit ruhiger Stimme. Also drehte Carrie den Wagen. Sie würden zwar ein kleines Stück zurückmüssen aber immerhin hatten sie jetzt wieder ein Ziel vor Augen. Ethan war froh darüber dass sich die Situation so schnell geklärt hatte. Blieb nur abzuwarten ob sie dieses
Mal auch Erfolg haben würden. Sicher war hier nichts mehr. Zumindest kamen sie schnell voran und waren in kürzester Zeit auf dem Weg nach Sandusky. Wie es wohl dort in der Stadt aussah? Ethan wusste es nicht und konnte auch nicht mit Bestimmtheit sagen ob sie es gut durch die Stadt schafften. Wer wusste schon wie viele Beißer sich dort tummelten? Am Ende konnte die Entscheidung vielleicht sogar falsch gewesen sein und sie fuhren alle ihrem Ende entgegen. Der Banker schüttelte unwillkürlich den Kopf und holte ein Sandwich aus der Tüte hervor welches er Carrie reichte. Sie nahm dankend
an. „Hätte nie gedacht dass sogar die Army gegen diese Dinger machtlos ist“, kam es letztendlich von Carrie als sie die Stadtgrenze passierten. Sie fuhr langsamer und gab acht. Jedoch war nichts zu sehen. Schon mal ein gutes Zeichen, was sich allerdings schnell ändern konnte wie man wusste. Die Wohngebiete waren wie ausgestorben. Ethan war verwundert als die Rothaarige schließlich den Wagen vor einem Haus parkte. „Was ist los?“ Sie sah ihn an und schnallte sich ab. „Ich muss dringend mal auf die Toilette
und vielleicht finden wir ja in einem der Häuser was.“ Das klang absolut nicht nach einer guten Idee. Es war besser wenn sie keine Zeit verschwendeten. „Besser nicht. Wir wissen nicht wie es drinnen aussieht.“ Auch Dwight schnallte sich ab. „Also Mister. Die Lady hat Recht. Ich muss dringend mal einen abseilen.“ So verließen sie das Fahrzeug. Ethan konnte nicht anders als ihnen zu folgen. Es war besser wenn er sie nicht alleine ließ. Mit gezückter Winchester ging er hinter den beiden her. Dwight ging an der Spitze und hielt die Flinte vor. Es war nichts zu sehen. Die Tür des Hauses
stand offen. Wahrscheinlich hatten die Bewohner das Haus verlassen oder schlimmeres. Im Haus war es ruhig. Das Schlafzimmer war schnell gefunden und die drei beschlossen ersteinmal auszuruhen. Dwight verschloss die Tür. Über eine Stunde später erwachte der Banker wieder. Auch die anderen hatten ein wenig geschlafen. Gähnend erhoben sie sich. „Wir sollten uns umsehen und uns dann auf den Weg machen. Und so teilten sie sich auf. Ethan betrat das Wohnzimmer und sah sich um. Der Fernseher lief sogar noch. Ein Tisch war umgeworfen worden und
aus dem Bücherregal waren die Bücher herausgenommen und lagen im Raum verstreut. Wahrscheinlich hatte sie jemand geworfen so wie sie auf dem Boden herum lagen. Er ging weiter durch die Glastür in den Garten. Die Leute hier hatten sich sogar einen Pool geleistet, in dem jetzt ein Beißer schwamm. Ein Mann wie es aussah. Ihm fehlte der Arm und er trieb mehr an der Oberfläche als dass er schwamm. Als er Ethan erblickte knurrte er bedrohlich. Dwight und Carrie kamen nach. Der Tankwart wollte schon schießen, als der Banker die Waffe zur Seite drückte. „Nicht. Wir wollen diese Dinger nicht unnötig anlocken. Habt ihr was
gefunden?“ Carrie hielt eine Tasche hoch in die sie ein paar Lebensmittel sowie Taschenlampen gepackt hatte. Dwight zeigte ihm einen Revolver. „Der lag hinter dem Spülkasten. Wahrscheinlich hat er gedacht für den Fall dass ihn mal jemand auf dem Klo überfällt.“ Jetzt zog etwas anderes die Aufmerksamkeit auf sich. Carrie spähte in die Ferne. In der Dunkelheit war ein Leuchten zu erkennen. „Seht mal.Da hinten.“ Tatsächlich. Langsam aber sicher stieg ein leuchtender Punkt in den Himmel hinauf. Dicht gefolgt von einem
Rauchschweif. Jemand hatte eine Leuchtpistole abgeschossen. Hier waren noch andere Menschen. „Da steckt wahrscheinlich jemand in Schwierigkeiten“, kam es nur von Dwight. Ethan nickte. Was sollten sie jetzt tun? Diesen Leuten zur Hilfe eilen oder nicht? Ehe er wusste was er tat war er bereits los gelaufen. Die anderen beiden folgten ihm dicht auf den Fersen. - Ian - Stumm sah er der Leuchtkugel nach, während er aus der Lagerhalle lehnte.
Hank hielt die Leuchtpistole fest in der Hand. Die Beißer reagierten tatsächlich darauf und bewegten sich langsam aber sicher von ihnen fort. „Scheiße. Das funktioniert tatsächlich. Los jetzt Hank, ehe die Viecher noch was merken.“ Und damit setzten sie sich langsam in Bewegung. Natalie verschloss die Lagerhalle hinter ihnen während die Männer durch den grauenden Morgen schlichen. Die Idee mit der Leuchtpistole hatte sich tatsächlich bewährt und dafür gesorgt dass die Dinger sich von ihnen wegbewegten. Fragte sich natürlich nur wie lange das so blieb. Für den Fall der Fälle hatten sie
ja noch eine Kugel. Der Sträfling schritt langsam auf den Polizeiwagen zu und öffnete den Kofferraum, aus dem er die restlichen Vorräte und die Waffen nahm. Hank nahm ihm etwas davon ab. „Gut. Das wäre geschafft. War ja leichter als ich dachte. Gut gemacht Hank. Sie haben ja doch Eier!“ Er grinste und boxte dem anderen freundlich gegen die Schulter. Der Familienvater nickte einfach nur. Ian sah sich um. Die Dinger waren verschwunden, folgten offenbar der Leuchtkugel. Wenn das weiter so gut lief konnten sie sich bald auf den Weg nach Kelleys Island machen. Henry wäre sicher zufrieden damit, auch wenn er es
wahrscheinlich anders angestellt hätte. Er wäre wahrscheinlich bedachter vorgegangen als Gold es getan hatte. „Wir sollten zu Natalie und den Kindern zurück. Sie machen sich nur unnötig Sorgen.“ Der Sträfling nickte. Langsam setzten sich die beiden in Bewegung, als er etwas hörte. Das Geräusch eines Wagens der sich langsam nährte. „Fuck! Die werden die Viecher noch anlocken.“ Das war wirklich nicht gut. Besser sie gingen schnell zurück in die Halle. Wer wusste schon was das für Leute waren. Hank allerdings hatte andere Pläne. Er hob die Hände und winkte das Fahrzeug
zu sich herüber. „Wir sind hier drüben.“ Ian riss ihn nach unten. „Sind sie bescheuert Hank? Sie locken noch die Dinger an! Außerdem wissen wir nicht wer das ist! Naja ist ja jetzt auch egal. Bleiben sie in Deckung.“ Der Sträfling schritt langsam auf das andere Auto zu, dass jetzt etwas entfernt vor ihm hielt. Die Türen des Wagens öffneten sich. Vier Personen stiegen aus. Drei Teenager, davon zwei Mädchen und ein Junge und ein etwas dickerer Mann mit Brille. Wahrscheinlich hatten sie die Leuchtkugel am Himmel gesehen. Ian hielt den Revolver in der Hand und
begutachtete die Neuankömmlinge misstrauisch. „Keinen Schritt weiter Pummelluff!“ Die Angesprochenen blieben sofort stehen. Die junge Frau mit den langen schwarzen Haaren hob die Arme. Der Junge tat es ihr gleich. Das andere Mädchen stand teilnahmslos neben dem Dicken und starrte ins Leere. „Sie soll die Hände hochheben.“ „Sie ist Blind! Wir wollen keinen Ärger. Wir haben das Leuchtsignal gesehen.“ Na klasse. Er überlegte. Je länger sie hier draußen blieben, desto wahrscheinlicher war es dass sie die Aufmerksamkeit der Beißer auf sich zogen. Jetzt trat auch Hank aus seinem
Versteck. „Kommen sie Ian. Die planen sicher nichts. Sehen sie doch. Der Mann hat ein junges Mädchen bei sich. Das ist bestimmt seine Tochter.“ Er ging auf die Neuankömmlinge zu und begrüßte sie. Gold ließ die Waffe sinken und seufzte. Super. Jetzt hatte er noch mehr Leute die ihm auf die Nerven gehen konnten. Er ließ seinen Blick über die Fremden schweifen. Der Junge kam direkt auf ihn zu und hob die Hand zur Begrüßung. „Hey man. Sie haben uns echt einen Schreck eingejagt. Ich bin Stan. Das ist meine Freundin Leah. Das sind Dean und
Karen.“ Ian erwiderte den Gruß nicht sondern nickte einfach nur. Die Blinde rümpfte sich die Nase. „Es stinkt hier nach diesen Dingern.“ Das war der Satz der ihn dazu verleitete schnellstens wieder nach drinnen zu gehen. „Also gut. Entweder ihr schwingt jetzt alle eure Ärsche in die Lagerhalle oder ihr bleibt hier draußen bei den Dingern. Hank? Kommen sie?“ Sie taten es. Natalie beäugte die Neuankömmlinge mit gemischtem Gesichtsausdruck. Becca saß wieder auf ihrer Kiste und hüllte sich in Schweigen. Nur Abby kam lächelnd auf
die neuen zu und fasste ihren Vater an der Hand. Ian begnügte sich damit sich erst mal eine Zigarette anzuzünden. Wieder hockte er sich in die Nähe des Toten Detectives. Irgendwie genoss er dessen Gesellschaft mehr als die der Turners und der Fremden. Was sollte er jetzt machen? Henry hätte ihnen sicher seine Hilfe angeboten. Dieser verfickte Samariter. Bei dem Gedanken daran musste er grinsen. Der der ihm als Dean vorgestellt wurde kam auf ihn zu. „Hey. Danke dass sie uns geholfen haben. Wir waren in der Nähe als wir die Leuchtkugel gesehen haben. Ich bin Dean. Die anderen kennen sie ja schon.
Sind sie schon lange hier?“ Der Sträfling nickte nur und zog an seiner Zigarette. „Darf ich mir eine schnorren?“ Er hielt ihm die Schachtel hin und Dean bediente sich. Golds Blick schweifte durch die Lagerhalle. Leah unterhielt sich heiter mit Abby die ihr gerade Mr. Donald vorstellte. Ihr Freund war beschäftigt mit Natalie und Hank zu sprechen. Das blinde Mädchen saß etwas entfernt auf einer Kiste und starrte in die Leere. Sie schien auch nicht sonderlich begeistert von der Situation zu sein. „Ist er...ist er ein Freund von ihnen?“, fragte der Brillenträger und deutete auf
die Leiche. Ian schüttelte den Kopf. „Er war ein Detective. Wir sind von Fremont hierhergekommen. Er wollte mit uns nach Kelleys Island. Eines der Dinger hat ihn erwischt als er das Mädchen gerettet hat.“ Er deutete auf Abby. Dean nickte nur. „Das tut mir leid. Wie ist es in Fremont? Weiß das Militär eine Lösung?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Die haben den Notstand ausgerufen. Deshalb sitzen wir jetzt hier. Und sie? Schippern sie fröhlich Leute durch die Gegend die sie am Straßenrand treffen?“ „Nein. Also Karen ist meine Nachbarin. Wir kommen aus Norwalk. Unterwegs
haben wir Stan und Leah getroffen. Wir wollten zu Karens Großmutter, aber da haben wir niemanden gefunden. Also wollten wir sehen ob wir hier mehr Glück haben. Eines der Boote nehmen. Anscheinend hatten sie dieselbe Idee.“ Zumindest schien der Kerl einen Plan gehabt zu haben, auch wenn er sonst nicht den hellsten Eindruck machte. Zumindest war er nicht so nervig wie die Turners. Das war schon mal ein Anfang. Blieb abzuwarten wie sich das ganze entwickelte. Natalie war wieder wild mit ihrem Mann am diskutieren. Ab und zu sah sie dabei in seine Richtung. Der Sträfling streckte sich und marschierte auf das Boot
zu. „Was haben sie vor?“, wollte Dean wissen. „Ist mir egal was sie jetzt machen. Gehen sie zu Hank und schauen sie ob sie seine Frau bändigen können. Passen sie auf. Sie ist n richtiger Besen. Und nehmen sie sich vor dem Stoffhasen in Acht. Das Ding hat schon Henry auf dem Gewissen.“ Der Angesprochene wirkte ein wenig verunsichert als er das Boot heraufkletterte. Auch die Anderen sahen jetzt zu ihm. „Was machen sie da?“, wollte Natalie wissen. „Ich hau mich aufs Ohr. Ich hab die
Schnauze voll. Weckt mich in ner Stunde. Dann sehen wir weiter!“
- Karen - Stumm saß sie einfach nur da und starrte ins Leere. Um sich herum nahm sie zwar das Gerede der Leute wahr, aber eigentlich war sie mit sich und ihren Gedanken beschäftigt. Im Innern wusste sie nicht mehr was sie überhaupt noch fühlen sollte. Jetzt waren sie zwar hier in Sandusky, aber ihren Vater und ihre Großmutter hatten sie nicht gefunden. Die Wohnung war verlassen gewesen. Nicht einmal eine Notiz hatten
sie gefunden. Als wären die beiden einfach verschwunden. Karen wollte nicht glauben dass sie tot waren. Es hätte nur bedeutet, dass sie noch mehr geliebte Menschen verloren hatte. Dean war nicht wirklich hilfreich gewesen. Stets hatte er gemeint sie dürfen sich nicht solange in der Stadt aufhalten. Letztendlich war er derjenige gewesen der auf das Leuchtsignal aufmerksam geworden war. Eigentlich hatte er nicht nachsehen wollen, aber Stan und Leah hatten ihn dazu gedrängt dem ganzen auf dem Grund zu gehen. Und jetzt waren sie hier und saßen in irgendeiner miefenden Halle, umgeben von diesen Dingern. Sie konnte sie von draußen
riechen. Der Gestank drängte sich ihr förmlich auf. Die neuen Leute waren auch nicht das gelbe vom Ei. Die Turners waren eine typische Kleinfamilie. Mutter und Vater stritten die ganze Zeit wobei es die Frau war die am meisten redete. Hank hörte eigentlich nur zu. Es ging meistens über ihre jetzige Situation und diesen Typen Ian der wohl ein Häftling war und ob sie ihm trauen konnten. Aus so Sachen hielt sie sich raus. Für den Moment wollte sie einfach nur ausruhen. Es war gut mal nicht von einem Ort zum anderen rennen zu müssen in der Angst wie man die nächsten zehn Minuten unbeschadet überstand. Sie seufzte und holte eine
Banane aus ihrer Sporttasche hervor. Zumindest hatten sie erst einmal genug zu essen und zu trinken. Zumindest für die nächsten Stunden. Langsam schälte sie die Frucht, während sie hörte wie jemand mit leichten Füßen auf sie zukam und sie schweigend zu beobachten schien. Sie konnte sich schon denken wer das war. Die ganze Zeit über konnte sie schon hören wie die Kleine nervös von einem Fleck zum anderen tapste. „Hey Abby. Möchtest du ne Banane?“ Sie hielt sie in die Richtung des Mädchens, welche lächelnd annahm und ein großes Stück von der Frucht abbiss. Fröhlich kauend schaute sie in der Gegend umher und hielt dabei ihren
Stoffhasen fest umklammert. „Sag mal...wie heißt du denn?“ „Ich heiße Karen.“ Das Mädchen ließ sich vor ihr auf dem Boden nieder und beobachtete sie aufmerksam. Nachdenklich legte sie den Kopf schief. „Mama sagt du bist blind. Was bedeutet das?“ Klar, für solch ein kleines Kind mochte etwas wie Blindheit wohl ziemlich seltsam wirken. Wahrscheinlich hatte Abby noch keine Erfahrung damit gemacht und traf das erste mal auf jemanden der so geboren war. Die 16-Jährige legte die Hände in den Schoß und dachte kurz nach. Wie konnte sie
das am besten erklären? „Naja also weißt du. Ich kann nichts sehen. Schon seitdem ich ein kleines Baby war.“ Was sie jetzt nicht sehen konnte war, dass Abby große Augen machte und sie fragend anblickte. Nachdenklich kratzte sich die Kleine am Hinterkopf. Es schien ihr wohl nicht so recht einleuchten zu wollen dass es Leute gab die nichts sehen konnten, wo so etwas für sie doch selbstverständlich war. „Das verstehe ich nicht. Mr. Donald auch nicht.“ Mr. Donald? War wohl irgendein Kosename für ein Spielzeug oder so. War ja auch egal. Karen legte den Kopf
schief und ließ den Blick ins leere schweifen. War doch komplizierter als sie es sich gedacht hatte. Dann fiel ihr aber eine Möglichkeit ein, wie sie es der kleinen wohl doch begreiflich machen konnte. „Ich sehe mit den Ohren weißt du? Ich weiß immer wenn jemand in der Nähe ist, wenn manche es noch nicht wissen. Ich erkenne Leute daran wie sie riechen.“ Im groben und ganzen war das die beste Erklärung die sie hatte. Ein wenig schwer viel es ihr ja schon, da sie nie wirklich jemand gefragt hatte was ihre Krankheit anging. In der Schule in der sie war, war das ja alles vollkommen
normal denn dort gab es andere die so waren wie sie. Jetzt allerdings war es etwas vollkommen anderes. Abby war eben ein normales wissbegieriges Kind das wissen wollte wie die Welt um sie herum funktionierte. Jetzt legte sie nachdenklich den Finger an die Lippen und sah zu Boden. Vor lauter Neugierde hatte sie die Banane völlig vergessen. Die hielt sie immer noch mit einer Hand Fest. „Du meinst wenn jemand stinkig ist dann riechst du das?“ Sie musste grinsen. Ein Nicken entkam der Schwarzhaarigen. „Ja so in etwa.“ Das war zumindest schon mal ein
Anfang. Das schien die Kleine zufrieden zu stellen denn sie aß weiter ihre Banane und sah sich dabei in der Halle um. Jetzt gesellte sich noch jemand zu den beiden. Wie es sich herausstellte handelte er sich dabei um Abbys große Schwester Becca die offenbar vor Langeweile nach etwas Ablenkung suchte. „Hey. Ich hoffe meine Schwester geht dir mit ihrer Fragerei nicht zu sehr auf die Nerven. Das macht sie immer. Ich bin Becca. Du warst Karen oder? Du bist mit diesem Dean und den Turteltäubchen gekommen.“ Karen nickte nur. Becca klang ein wenig
müde. Es war das erste mal dass sie das Mädchen überhaupt reden hörte. Meistens hatte sie geschwiegen und sich kaum bewegt. Wie sie wohl mit der Situation zurecht kam? Sie verstand ja immerhin viel mehr als ihre kleine Schwester. „Ja genau. Und ihr zwei seit mit euren Eltern und Ian unterwegs?“ Becca nickte nur und spielte mit ihren Haaren. „Ja genau. Mum mag ihn nicht besonders, aber er hat Abby das Leben gerettet. Da war noch ein Polizist, aber der ist tot. Er wollte dass wir alle mit dem Boot fahren. Mum meckert jetzt schon die ganze Zeit mit Dad und regt
sich auf.“ Sie schien ganz schön genervt zu sein was das anging. Klar, wer mochte es schon wenn sich die Eltern ständig zankten? Karen hatte nur ein paar mal mitbekommen wie ihre Eltern stritten, aber meist hatte sich das schnell wieder gelegt. Die Turners hingegen diskutierten seit sie angekommen war. Wie lange das wohl noch so gehen mochte? „Wie alt bist du Becca?“ „Ich bin Dreizehn. Nächsten Monat werde ich Vierzehn. Naja aber keine Ahnung ob wir dann nicht schon alle tot sind.“ Das brachte Abby auf. Sie stand auf und
sah ihre Schwester böse an. „Sag sowas nicht!“ Die 13-Jährige Blondine streckte ihrer Schwester die Zunge raus. „Verzieh dich du Nervensäge!“ Und damit verzog sich die kleine schluchzend zu ihren Eltern, wo sie sich wieder an ihre Mutter klammerte. Ihrer älteren Schwester schien das allerdings nicht viel auszumachen dass sie ihr vielleicht ein wenig Angst gemacht hatte. Generell wirkte sie ein wenig teilnahmslos. War das nur eine Masche um cool zu wirken? Da war Karen sich nicht sicher. Immerhin war das alles ein großer Schock. Vielleicht verarbeitete Becca so die Situation. Sie war noch
jung und wusste es wohl nicht besser. Wie ging man schon mit so etwas um? Die Blinde wollte sich gar nicht ausmalen was die Turner-Schwestern bis jetzt wohl durchgemacht haben mussten. „Wo sind deine Eltern? Hab irgendwas von deiner Grandma mitgekriegt.“ Jetzt schnitt sie genau das Thema an was sie eigentlich vermeiden wollte. Ließ sich wohl auf Dauer einfach nicht vermeiden darüber zu reden. „Ich...meine Mum und ich waren auf dem Weg nach Hause...Wir hatten einen Unfall. Meine Mum hats nicht geschafft. Ich war auf der Suche nach meinem Dad
und meiner Grandma aber ihr Haus war leer.“ Es schmerzte doch noch zu sehr darüber zu sprechen wie sie feststellte. Die Kehle schnürte sich ihr zu. Am liebsten wäre sie aufgestanden und losgestürmt. Dennoch zwang sie sich zum sitzen bleiben. Wo sollte sie auch anders hin? Hier gab es keine Privatsphäre. Sie waren alle auf diesem engem Raum eingepfercht wie Tiere. Draußen warteten die Beißer auf sie. „Tut mir echt leid“, entkam es der Blonden nur. Immerhin sagte sie nicht so Dinge wie: Vielleicht sind die beiden tot. Das hätte ihr den Rest gegeben. Immerhin ließ sie ihr die Hoffnung dass
die beiden vielleicht noch lebten. Das war alles an dem sie sich im Augenblick festhalten konnte. Sie schloss die Augen und horchte in sich hinein. Abby sang ein Lied vor sich hin. Ihre Eltern sprachen nicht mehr miteinander. Dean unterhielt sich mit Stan und Leah. Ian lag auf dem Boot und schnarchte vor sich hin. Alles wirkte ruhig. Zumindest solange, bis sie von draußen ein Geräusch hörte. Erst konnte sie es nicht genau einordnen, aber dann wusste sie was es war. „Da kommt ein Auto!“ Tatsächlich. Das Geräusch eines sich nährenden Wagens drang von außen in
die Halle. Da war noch jemand am leben. Die Anwesenden horchten auf. Dean weckte Ian, der sich langsam streckte und vom Boot herunterblickte. Sie alle horchten gebannt in die Stille hinein. Erst war nichts zu hören. Dann schrie jemand. Schüsse folgten. Da draußen war jemand und er steckte offensichtlich in Schwierigkeiten. Hank war der erste der das Wort ergriff. „Da draußen sind Leute. Ian wir müssen ihnen helfen!“ Natalie hielt ihn zurück. Sie schien von der Idee nicht begeistert. „Was wenn sie gebissen sind? Der Detective hat sich extra erschießen lassen damit er sich nicht verwandelt.
Ich halte das für keine gute Idee.“ Karen schwieg und lauschte aufmerksam. Dean war jetzt derjenige der sprach. „Natalie hat Recht. Vielleicht sind sie infiziert. Am Ende sind wir alle dran!“ Man. Er war echt ein Feigling. Klar, sie hatte auch Angst davor dass diese Dinger hier herein kamen, aber trotzdem waren da draußen Menschen. Sie konnten sie nicht einfach sterben lassen. Wieder ertönten Schüsse. Ian sprang vom Boot und zog seinen Revolver. Er schien genau zu wissen was er vorhatte. „Wartet hier. Alle!“ Er ging zum Tor der Lagerhalle. Hank
folgte ihm. Mit vereinten Kräften zogen sie es auf und winkten von drinnen die Leute heran. Alles musste schnell gehen. Von draußen konnte Karen die Beißer hören die kreischten und knurrten. Gemischt mit Rufen und Schüssen. Dann war es auch schon vorbei. Das Tor schloss sich wieder. Sie hatten es wohl geschafft. „Danke“, sagte eine Stimme langsam. Es war ein Mann der ziemlich außer Atem klang, doch erkannte sie ihn sofort. Die Blinde erhob sich langsam von ihrer Kiste und ging in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. „Ethan? Ethan bist du
das?“ - Ethan - Er war außer Atem. Am Rande der Erschöpfung. Wie durch ein Wunder hatten sie es geschafft aus diesem Alptraum zu entkommen und befanden sich jetzt in einer Lagerhalle in der Nähe der Docks. Carrie lehnte sich gegen die nächste Wand und sank weinend in die Knie. Ein Beißer hätte sie beinahe erwischt aber Dwight rettete ihr das Leben. Der Afroamerikaner stand in der Nähe und musste selbst erst mal nach
Luft schnappen. Das war für sie alle ein Höllentrip gewesen. Zum Glück waren hier andere Leute. Das mussten diejenigen gewesen sein die die Leuchtkugel abgefeuert hatten. Ein junger Mann mit Kinnbart und blutverschmiertem Oberteil stand vor ihm. Daneben ein Mann mit Brille und schwarzem Hemd. Da waren noch andere. Als erstes fiel dem Banker die Leiche auf die abgedeckt worden war. Also hatten diese Leute ebenfalls schon Verluste erlitten. „Ethan? Ethan bist du das?“ Er hob den Kopf und konnte es kaum fassen. Mitten unter den Leuten stand das Mädchen Karen Miller das er
zusammen mit Josh auf der Straße aufgelesen hatte. Er konnte gar nicht glauben dass sie noch am Leben war. Daneben stand auch dieser Dean. Er hatte also sein Wort gehalten und sie sicher hierher gebracht. „Ja, ich bin's“, erklärte er nur. Es tat gut ein bekanntes Gesicht zu sehen und auch sie lächelte leicht. Ganz anders als bei ihrem Abschied. Er konnte sich noch gut daran erinnern wie sie ihm klar gemacht hatte dass sie ihn nicht brauchte. Er war ihr nicht böse. Er hatte es sogar verstehen können. Er war nur froh dass sie gesund und munter war. Viele andere in der Halle sahen die Neuankömmlinge an. Es waren beinahe
über zehn Leute hier. Eine richtige Gruppe. Dwight war der erste der die Stimme wieder fand und den jungen Mann namens Ian ansprach. „Man, danke. Sie haben uns da draußen echt den Arsch gerettet. Ich dachte wir wären Hackfleisch.“ Der Angesprochene nickte nur und steckte seinen Revolver wieder weg. Er wirkte nicht sonderlich begeistert von der ganzen Sache. Ethan hakte nach. „Hey. Haben sie hier das sagen? Ian, so war ihr Name doch oder?“ Der andere hatte sich schon zum gehen umgewandt, blieb jetzt aber stehen und legte den Kopf leicht schief. Er hatte dem Banker immer noch den Rücken
zugewandt. Allerdings war nicht er derjenige der das Wort ergriff, sondern eine junge Frau die bei zwei blonden Mädchen stand. „Hat er nicht. Wir kommen aus Fremont. Ich bin Natalie. Das ist mein man Hank und meine Töchter Becca und Abby. Karen und Dean kennen sie ja anscheinend schon. Das sind Stan und Leah und er ist nur ein Sträfling. Ein Detective war auch bei uns aber er starb als er meine Tochter gerettet hat.“ Sie sprach nicht mit viel Sympathie über Ian aber das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Ethan nickte nur auf ihre Worte. Also sollte er diesen Ian wohl besser im Auge behalten. Wenn er
wirklich ein Krimineller war wusste man nie was er im Schilde führte. Es wunderte ihn allerdings dass er hier bei den Leuten geblieben war. Vielleicht war ihm nichts anderes übrig geblieben. Dwight betrachtete das ganze ziemlich argwöhnisch. „Wenn er ein Krimineller ist warum hat er dann eine Waffe? Hey Mister. Versuchen sie ja nichts dummes kapiert?“ Mit einer Hand hielt er seine Flinte fest um seine Drohung zu untermalen. Der Sträfling allerdings wirkte darüber eher gelangweilt. „Keine Sorge Django. Ich mach hier keinen Ärger. Passen sie lieber auf dass unsere Fürsorgliche Mutter sie nicht
auch unter den Pantoffel stellt. Das macht sie nämlich gerne.“ Das war offensichtlich nicht das richtige um ein Gespräch zu beginnen denn Dwight reagierte auf diese Äußerung ziemlich allergisch. Er tat einen Schritt auf den Mann zu und sah ihn dabei finster an. „Wie haben sie mich gerade genannt Arschloch?“ Na klasse. Er fasste den Tankwart bei der Schulter. Der Andere wandte sich jetzt zu ihm um. Der wirkte nicht so aufgelegt als wäre ihm nach gutem Benehmen zu Mute. „Hören sie. Ich weiß nicht wer sie sind oder was sie hier wollen. Ehrlich gesagt
ist mir das auch scheißegal. Ich hab die Schnauze voll von Leuten die ständig nur darüber jammern wie scheiße die Situation ist. Mir hat schon die eine gereicht die mir die ganze Zeit auf die Eier geht. Da brauche ich nicht noch einen dummen Wixxer der meint er müsste den Dicken markieren.“ Dwight hob seine Waffe und zielte auf den Sträfling. Abby schrie vor Angst auf und klammerte sich an ihre Mutter. „Passen sie auf was sie sagen!“ Der Andere hob die Hände. „Na kommen sie doch. Erschießen sie mich.“ Die Luft war zum zerreißen gespannt. Ethan war wie paralysiert. Was sollte er
jetzt tun? Dazwischen gehen? Auf Dwight einreden damit der die Waffe runter nahm? War zumindest ein Anfang. „Komm Dwight. Nimm die Knarre runter. Wir sollten uns alle beruhigen!“ Er machte keine Anstalten die Flinte niederzulegen. Ian kam einen Schritt auf ihn zu. Wenn er Angst hatte, dann überspielte er das verdammt gut. Die anderen sahen dabei nur gebannt zu. Das kleine Mädchen weinte jetzt sogar. Jetzt war es Karen die das Wort ergriff. „Hört auf mit dem Unsinn! Dean tu doch was!“ Der hielt sich allerdings komplett im Hintergrund und wäre wohl fast vor Schreck umgefallen als sie seinen Namen
erwähnte. „Was ich? Der hat ne Knarre. Vergiss es.“ Sie schüttelte nur den Kopf. „Fuck. Du mieser Feigling. Ethan. Tu was!“ Ehe er wusste was er tat hatte er Dwight wieder bei der Schulter gepackt und ihm die Flinte aus der Hand genommen. Das ging so schnell dass er nicht reagieren konnte. Er starrte Ethan nur überrascht an. Dieser warf die Flinte in die Ecke. „Verflucht noch mal. Es nützt uns nichts wenn wir uns gegenseitig an die Kehle springen. Ian hat Recht. Wir müssen überlegen was in dieser Situation
zu tun ist. Natalie. Sie müssen sich beruhigen. Wenn sie etwas gegen Ian haben dann gehen sie ihm aus dem Weg. Jetzt ist wichtig dass wir alle an einem Strang ziehen. Diese Dinger sind da draußen und wer weiß wie lange die Tore sie abhalten wenn sie erst auf den Trichter kommen dass wir hier drin sind.“ Das regte die Anwesenden offensichtlich zum Nachdenken an. Ian ließ sich auf einer Kiste nieder und zündete sich eine Zigarette an. Natalie tröstete ihre Tochter. Hank putzte seine Brille und richtete das Wort an die Anwesenden. „Der Detective hatte den Plan dass wir
ein Boot nach Kelleys Island nehmen. Ich bin dafür dass wir es versuchen. Wir haben noch eine Leuchtkugel übrig oder Ian? Das könnte doch funktionieren oder?“ Der Sträfling schnaubte und atmete Zigarettenqualm aus. „Wenn sie versuchen wollen diese Wixxer da draußen mit einer Leuchtpistole zu bekämpfen dann bitte Hank. Das Ablenkungsmanöver wird nicht nochmal funktionieren. Dafür sind wir jetzt zu viele. Wir haben zu lange gewartet. Die Dinger blockieren die Stege und es sind einfach zu viele.“ Das klang überhaupt nicht ermutigend. Klang fast so als hätte er im Augenblick
seinen Willen zu kämpfen verloren. Wer konnte es ihm verdenken? Es musste nicht leicht sein als der Aussätzige behandelt zu werden. Was ihn anging so würde er ihn nicht verurteilen. Bis jetzt hatte er nichts weiter getan außer Dwight ein wenig zu beleidigen aber das war auch schon alles. Der Banker sah sich in der Halle um. Sein Blick fiel auf den Truck der in einer Ecke stand. Langsam schritt er auf ihn zu. Er öffnete die Tür und warf einen Blick hinein. Der Tank war noch fast voll und die Schlüssel lagen auf dem Armaturenbrett. Es war ein kleiner Truck mit Laderaum. „Wir könnten den hier
nehmen.“ Er ging nach hinten und öffnete die Ladefläche. Es bot genug Platz für alle. Dwight, Hank, Dean und Ian waren an seine Seite getreten und musterten das Fahrzeug. „Und? Was schlägst du vor?“, wollte Dwight wissen. Ethan überlegte. Noch war die Idee nicht komplett und wenn er ehrlich war klang das in seinem Kopf ziemlich verrückt. Entweder gingen sie alle bei dem Versuch drauf oder das klappte wirklich. „Wir benutzen den Wagen und fahren einfach durch sie durch. Zwei von uns sitzen vorne und der Rest bleibt hinten auf der Rampe. Wir fahren durch bis zu
den Stegen und schnappen uns dann eins der Boote. Für die Dinger hängt meistens ein Zweitbund im Bootshaus am Steg. Einer von uns muss den Bund holen und dann suchen wir uns ein Boot was groß genug ist und fahren rüber nach Kelleys Island.“ Die anderen sahen ihn an. Eine Weile sagte niemand etwas. Dean war der erste der das Wort ergriff. „Ist das nicht ziemlich gefährlich?“ „Sie können ja gerne hier bleiben. Ich halte die Idee für gar nicht so schlecht“, kam es von Ian der die Arme vor der Brust verschränkte. „Ich fahre. Ethan sie sind mein Beifahrer
okay?“ Der Banker nickte nur. Also war das ja geklärt. „Gut. Dann sagen wir es jetzt den anderen.“ So stießen sie wieder zum Rest der Gruppe und versammelten alle. Abwartend blickten sie zu den Männern. Ian war derjenige der das Wort an die Leute richtete. „Also. Wir haben uns einen Plan überlegt. Wir nehmen den Truck, brechen durch die Meute zu den Stegen und schnappen uns ein Boot. Einer von uns muss ins Bootshaus und den Bund mit den Zweitschlüsseln für die Boote
holen. Irgendwelche Freiwilligen?“ Man hüllte sich in Schweigen. Schließlich war es Stan der die Hand hob. „Ich machs.“ Seine Freundin Leah wollte ihn zurückhalten aber er winkte sie ab. Ian nickte nur. „Alles klar Junge. Du fährst vorne bei Ethan und mir mit. Der Rest geht hinten in den Laderaum. Ich presche direkt durch. Ihr macht das Rolltor erst auf wenn ich dreimal klopfe kapiert?“ Sie nickten alle nacheinander. Niemand entgegnete etwas. Das war die einzige Chance die sie im Augenblick hatten. Wenn sie hier blieben würden sie früher
oder später nur Futter für die Beißer. Das war sicher. Ethan war immerhin froh darüber dass sie sich nicht mehr gegenseitig an die Gurgel gingen. Dieser Ian versuchte zumindest sein bestes um sie hier raus zu schaffen. Er war gar kein so schlechter Kerl. „Also. Wenn keiner mehr was zu sagen hat dann geht’s los“, kam es nur vom Sträfling der seine Zigarette ausdrückte. „Aber vorher geht jeder noch mal pissen. Ich hab kein Bock dass jemand während der Fahrt rummeckert weil er aufs Klo muss kapiert? Und Abby?“ Das Mädchen sah ihn mit ihren Kulleraugen
an. „Ja?“ „Halt Mr. Donald ja gut fest!“ - Ian - „Jetzt schwing deinen Fettarsch endlich in den Truck Dean, oder wir fahren ohne dich los!“ Langsam hatte er die Nase gestrichen voll. Immerhin hatten sie sich auf einen Plan geeinigt. Das war schon mal etwas. Wenn das ganze jetzt auch noch schneller von statten gehen würde dann wäre er höchst zufrieden, aber nein der
Fettsack musste ja unbedingt noch einen abseilen und Zehn Minuten auf sich warten lassen. Unsanft schob er ihn hinten auf die Ladefläche und zog das Rolltor herunter. Ein gutes hatte das ja. Er musste sich nicht weiter Natalies Gelaber anhören. Dieser Ethan schien ganz in Ordnung zu sein. Zumindest redete der nicht so viel. Was Stan anging so konnte sich der Häftling noch kein wirkliches Urteil über ihn bilden da der die meiste Zeit mit seiner Freundin verbracht hatte. Was die Turners anging war er eher geteilter Meinung. Die Kinder konnten nichts dafür dass sie Kinder waren und Natalie genoss er mit Vorsicht. Hank war ganz okay aber für
seinen Geschmack zu hellhörig was seine Frau anging. Ein wenig mehr Eigeninitiative würde ihm nicht schaden. Nun gut. Darüber konnte er später noch nachdenken. Jetzt galt es der folgenden Aufgabe volle Konzentration zukommen zu lassen. Er setzte sich ans Steuer des Trucks und startete ihn. Ethan saß neben ihm. Stan stand am Tor und wartete auf sein Zeichen um es zu öffnen. Die Beifahrertür war offen damit der Junge in den Truck steigen konnte. Er sah zu Ethan und zündete sich eine Zigarette an ehe er ihm die Schachtel hinhielt. Der Banker schüttelte nur den Kopf. Er wirkte ziemlich angespannt.
Kein Wunder. Entweder das hier klappte oder es ging total in die Hose. Konnte man nie wissen. Er machte die Luke zum Frachtraum auf. „Alles klar dahinten?“ „Mum ich muss pinkeln!“ „Okay.“ Er schloss die Luke wieder und seufzte. War ja alles bestens. „Na dann. Alle man festhalten und die Arschbacken zusammenkneifen!“ Er gab Stan das Zeichen und trat aufs Pedal. Der Truck schob sich ein Stück nach vorne während sich das Tor zur Halle öffnete. Draußen konnte man die Scharen von Beißern sehen die sich vor dem Lager tummelten und nach Blut
lechzten. Der Junge sprang ins Auto und schloss die Tür. „Und jetzt alle man festhalten!“ Er trat voll aufs Gas und das Fahrzeug schoss nach vorne. Hinten konnte er die Kinder schreien hören aber da gab er im Augenblick nicht viel drum. Er war hochkonzentriert. Im Kopf spielten sich die Sekunden bis er auf die Beißer traf wie in Zeitlupe ab...ehe der Wagen in die Masse tauchte. Untote wurden umher geschleudert und er spürte wie der Wagen sich sträubte als er auf Widerstand traf. Doch gab er nicht nach. Er legte den nächsten Gang ein und trieb den Truck weiter vorwärts. Die Stege waren jetzt in Sicht und es
waren sogar noch ein paar Boote übrig. Bis zum Bootshaus waren es noch etwa 200 Meter und sie hatten die Hälfte der Menge passiert. Die Bestien kreischten und schlugen gegen die Seiten des Wagens aber Ian blieb ruhig. „Scheiße! Wir gehen alle drauf!“, rief Dean von hinten. „Fresse halten verdammt!“, konterte Gold nur. Sie passierten die Menge und der Wagen konnte sich frei ohne Hindernisse bewegen, was ihn um einiges an Tempo beschleunigte. Sie erreichten das Bootshaus. „Kleiner du bist dran. Hol den Bund.“ Der Junge sprang aus dem Fahrzeug und
betrat die kleine Kabine. Suchend sah er sich um. „Scheiße. Hier ist nichts.“ Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. „Such weiter!“, forderte Ian und warf einen Blick in den Rückspiegel. Die Beißer waren noch ein Stück entfernt aber bewegten sich bereits auf sie zu. Sie saßen hier wie auf dem Präsentierteller. Nicht mehr lange und sie wären ihnen ausgeliefert. Zum Glück hielt Stan nach ein paar Sekunden triumphierend den Bund in den Händen und grinste. „Hör auf so blöd zu grinsen und schwing dich wieder in den Truck!“ Das ließ sich der Junge natürlich nicht
zweimal sagen und setzte sich wieder auf seinen Platz. Immerhin hatten sie das geschafft. Jetzt mussten sie nur noch ein Boot finden was groß genug war. Zum Glück stand ganz am Ende ein etwas größeres das aussah als würde es für sie alle Platz bieten. Ian hielt genau auf das Ende zu. Noch war es jedoch nicht überstanden. Er stoppte den Truck und gab das Klopfzeichen. Die Männer stürmten aus dem Truck. Während Ethan den anderen half auszusteigen machte sich Stan daran das ausgewählte Boot zu starten, nur musste er erstmal den passenden Schlüssel finden. „An dem Ding sind über zwanzig Schlüssel
dran.“ Ian lud seinen Revolver und erschoss den ersten Beißer. „Such weiter!“ Die Dinger waren jetzt fast am Truck. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Hank und Dean halfen derweil den anderen auf das Boot. Dwight gab zusammen mit Ethan ebenfalls Feuerschutz für die Gruppe doch es war aussichtslos. Es waren über zweihundert Beißer auf dem Steg und sie kamen immer näher. Das würde nicht lange gut gehen. Die Zeit drängte. „Jetzt starte endlich dieses verfickte Boot!“, forderte Ian. Und endlich hörte er wie der Motor startete. Geschafft. Mit
einer Handbewegung wies er Ethan und Dwight an aufs Boot zu steigen, doch die Beißer waren bei der Gruppe. Gold schoss zwei aus dem Weg und half mit den Rest aufs Boot zu schaffen. Endlich setzten sie sich in Bewegung. Einen Augenblick noch sah der Sträfling zum Steg. Sie hatten es tatsächlich geschafft. „IAN!“ Es war Hank der ihn rief. Im ersten Moment realisierte er gar nicht was los war und dann sah er es: Blut lag auf dem Boden. Alle standen im Halbkreis. Niemand sagte wirklich etwas. Hank kniete auf dem Boden. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er schüttelte sich vor Trauer. Sie alle waren
schockiert. In jedem anderen Augenblick hätte Ian sich gefreut, wenn Natalie einmal den Mund hielt, nicht aber jetzt als sie über der bleichen Abby gebeugt saß und vollkommen ratlos mit ansehen musste, wie die Kleine immer bleicher wurde. Einer der Beißer musste sie erwischt haben. Sie blutete stark, zitterte am ganzen Körper. Becca stand daneben und weinte. „M-mammi...m-mir ist so kalt M-mammi.“ Ihre Mutter konnte nichts anderes tun als ihre Hand zu halten. „Mammie ist hier Liebes...“ Die Worte gingen halb in ihrem Schluchzen unter. Hank saß beinahe
lethargisch da. Carrie tat ihr bestes um ihm zu helfen. Auch Ethan und die anderen. Doch konnten sie alle nichts tun. Ian fühlte sich in diesem Augenblick von allen am hilflosesten. Er hatte alles so gut durchdacht. Alles war so gut gelaufen. Wieso hatte er es nicht gesehen? Wieso hatte er es nicht gesehen? „W-wo ist Mr D-donald? Ich k-kann ihn nicht sehen...“ Ian kniete sich hin und hob den Stoffhasen auf. Langsam legte er ihn dem Mädchen in die Arme. „Hier ist er kleine. Mr. Donald ist hier.“ Sie lächelte. Dann wurde sie starr. Nichts regte sich mehr in ihr. Das
nächste was man hörte war nichts, nur das rauschen des Ozeans und der Motor des Bootes. Das einzige was Ian von diesem Tag noch im Gedächtnis sein würde war nur das: Sie lag da, friedlich. Mit ihrem Stoffhasen im Arm. Kein Zeichen von Angst oder Schmerz lag auf Abbys Lippen. Es wirkte, als wäre ein glücklicher Mensch gestorben...
- Karen - Während der restlichen Überfahrt hatte niemand mehr ein Wort gesagt.Nur das Schluchzen der Turners war zu hören nachdem Ian dafür gesorgt hatte dass sich die Kleine nicht mehr verwandelte. Karen konnte sich nicht vorstellen wie es sein musste das eigene Kind zu verlieren. Es kam ihr so unwirklich vor, wenn sie daran dachte dass sie zuvor noch mit der 9-Jährigen gesprochen hatte. Alles hier wirkte immer mehr wie
ein Alptraum aus dem sie einfach nicht erwachen konnte. Sie erreichten Kelleys und wie es schien sollten sie zumindest dieses Mal Glück gehabt haben. Keinerlei Infizierte waren zu sehen. Nein. Es liefen sogar Menschen an der Küste entlang. Sie konnten ihren Augen kaum trauen. „Ich fass es nicht. Man was bin ich froh keinen Untoten zu sehen“, erklärte Dwight mit müder stimme während das Boot in die Bucht einfuhr. Mehrere Menschen kamen bereits auf sie zu und beäugten sie misstrauisch. Einige stießen entsetzte Schreie aus als sie die tote Abby im Boot liegen sahen. Die Blinde war mit Ethan eine der ersten die
von Bord gingen und von den Bewohnern der Insel begrüßt wurden. Man half ihnen die Vorräte an Land zu bringen. Man hatte hier von dem Grauen auf dem Festland gehört und wie es schien war dieser kleine Fleck bis jetzt unbehelligt gewesen. Konnten sie hier tatsächlich sicher sein? „Kleines, du siehst ja total müde und hungrig aus. Ist sie ihre Tochter Sir?“, fragte jemand Ethan, nachdem man sich Karen ansah. Sicher. Die Reise hatte ihre Spuren hinterlassen. „Nein. Sie und die anderen waren in Sandusky. Wir sind mit dem Boot gerade noch entkommen. Ich bin Ethan, Ethan Rain und das ist
Karen.“ Die Anderen wurden ebenfalls von den Neuankömmlingen begrüßt. Ein paar Frauen kümmerten sich um die Turners und sorgten für sie, während man Leah, Stan und Carrie etwas zu trinken und zu Essen brachte. Dean saß am Rand und sah sich das ganze schweigend an. „Komm Karen. Ich bin Martha. Martha Stevens. Kannst aber auch Marie zu mir sagen. Lassen wir die Erwachsenen sich ein wenig unterhalten. Ich sehe mir deine Wunde an und dann schauen wir mal dass du saubere Sachen und etwas zu Essen bekommst.“ Das war die erste gute Nachricht seit Stunden. Sie konnte nicht anders als zu
nicken während die Frau sie an der Hand nahm und sanft hinter sich her zog. In ihrem Kopf drehte sich alles. Noch immer schmerzte ihre Wunde und sie fühlte sich als würde sie gleich umfallen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor seitdem sie etwas vernünftiges gegessen und richtig geschlafen hatte. „Wie alt bist du Mädchen?“, fragte sie mit freundlicher Stimme. Sie gingen einen Weg entlang, weg vom Strand wie es schien. Die Luft roch frisch und Autos waren so gut wie keine zu hören. Alles in allem machte dieser Ort einen idyllischen Eindruck auf die Teenagerin. „16. Sind hier noch andere? Also andere
Überlebende?“ Vielleicht waren ihr Vater und ihre Großmutter ebenfalls hierhergekommen. Zumindest war da ein kleiner Teil von ihr der das hoffte. „Nein. Ihr wart das einzige Boot dass hier angekommen ist Kleine. Es ist aber gut zu sehen dass ihr alle wohlauf seid. Es tut mir sehr leid wegen dem kleinen Mädchen. Hat sie sehr gelitten?“ Sie zuckte unsicher mit den Schultern. Es war ihr unangenehm über Abby zu sprechen. Sie hatte das Mädchen gemocht. Martha merkte, dass sie dieses Thema besser ruhen ließ und hüllte sich in Schweigen, bis sie schließlich ihr Ziel erreichten. Ein großes Haus mit weitem
Garten. „Wir sind da Karen. Pass auf da vorne ist eine Stufe.“ Sie nickte und hielt die Hand der anderen weiterhin fest umschlossen. Hier wirkte alles so friedlich. Kaum vorstellbar dass sich diese Dinger bis hierher nicht ausgebreitet hatten. Das war gut und vielleicht würden sie sich alle hier wohl fühlen und neu anfangen können. Zumindest für eine Weile. Sie betraten die Küche des Hauses, wo Martha Karen an den Esstisch setzte und zum Kühlschrank trat. Sie goss der Blinden ein großes Glas Milch ein was sie ihr hinstellte. Die 16-Jährige trank es
in schnellen Zügen aus. Stumm lauschte sie der Stille. Nur das Ticken der Küchenuhr drang in ihr Ohr. Draußen war das Lachen von Kindern zu hören die spielten. Ihre Gastgeberin öffnete einen Schrank und schien etwas zu suchen, während sie weiter mit ihr sprach. „Magst du Pfannkuchen?“ Sie nickte nur. Sie hätte zu allem ja und amen gesagt. Wirklich etwas gegessen hatte sie die ganze Zeit nicht und da war ihr jede Mahlzeit willkommen. Martha stellte eine Pfanne auf und holte einen Verbandskasten aus dem Küchenschrank. Die Wunde reinigte sie und verband das ganze. Sie konnte das
deutlich besser als es Dean getan hatte. Jetzt wirkte das ganze nicht mehr so notdürftig wie zuvor. „Komm. Ich zeige dir das Badezimmer. Da kannst du eine Dusche nehmen und ich bereite inzwischen das Essen vor.“ Das klang zumindest nach einer guten Idee. So folgte sie der Frau durch das groß wirkende Haus ins Badezimmer, wo sie sich erst einmal herumtastete, ehe sie sich auf einem Hocker niederließ. Martha half ihr dabei ihre alte Kleidung auszuziehen und stellte ihr die Dusche an. „Ich suche dir frische Sachen raus okay? Ich leg sie dir dann auf den
Hocker.“ Karen stieg in die Dusche. Das beste Gefühl seit Stunden. Sie hatte ganz vergessen wie erholsam und entspannend eine warme Dusche sein konnte. Etwas später wehte ihr bereits der Duft frischer Pfannkuchen in die Nase. Hier könnte ihr es wirklich gefallen. Was wohl die anderen dazu sagten? Wie es ihnen wohl gerade ging? Unwillkürlich musste sie wieder an die Turners denken. Abby hätte es hier sicher sehr gut gefallen und zu Pfannkuchen hätte sie sicherlich auch nicht nein gesagt. Ein Seufzer entkam ihr während sie aus der Dusche stieg und sich
abtrocknete. Wie es Hank und seiner Frau jetzt wohl ging? Und was machte Becca? Wie würde sie mit dem tot ihrer Schwester umgehen. Sie schüttelte den Kopf. Das alles waren Dinge über die sie jetzt nicht nachdenken wollte. So schlüpfte sie in die neuen Sachen die aus einer Jeans und einem Hemd bestanden. Marthas Sachen passten ihr sogar und sie rochen angenehm nach frischem Waschmittel. So schritt sie zurück in die Küche wo ihre Gastgeberin bereits wartete. „Setz dich Karen. Dann können wir essen und du erzählst mir ein bisschen mehr von dir
okay?“ Sie nickte und nahm am Tisch Platz. Ein erster großer Bissen Pfannkuchen wanderte umgehend in ihren Mund. Es schmeckte echt gut. „Also Karen. Wo kommst du her?“ Sie schluckte herunter und sah ziellos im Raum umher. „Aus Norwalk. Da bin ich aufgewachsen.“ Die andere nickte nur und faltete die Hände ineinander. „Und du warst ganz allein unterwegs?“ Karen schüttelte nur den Kopf. „Nein. Meine Mum und ich waren auf dem Rückweg nach Hause und hatten einen Unfall...Sie hat es leider nicht
geschafft. Ethan hat mich gefunden und nach Hause gebracht. Von da aus bin ich dann mit einem Nachbarn weiter nach Sandusky. Ich hab gedacht dass ich da meinen Dad und meine Grandma finde.“ Noch immer fiel es ihr schwer darüber zu sprechen. Trauer schwang in ihrer Stimme mit und einmal mehr fragte sie sich, ob sie ihren Vater und ihre Großmutter jemals wiedersehen würde. Waren sie dieser Hölle entkommen? „Das mit deiner Mutter tut mir sehr leid Karen. Jetzt bist du hier bei uns in Sicherheit. Mein Haus ist groß genug und du kannst gerne hier bleiben. Ich bin mir sicher die anderen auch. Natürlich kann ich das nicht alleine
entscheiden. Ich denke mal da wird Nick unser Bürgermeister noch ein paar Worte zu sagen, aber er ist ein netter Kerl. Du musst ihn unbedingt mal kennen lernen. Jetzt iss aber erstmal. Dann kannst du dich ein wenig ausruhen. Du bist sicher müde.“ Die Blinde nickte. Das war sie und würde nichts lieber tun als jetzt in einem richtigen Bett zu schlafen. So aß sie den Rest ihres Pfannkuchens. Martha räumte den Tisch ab und führte sie aus der Küche. Es ging durch den Flur, dann eine Treppe hinauf bis sie schließlich in einem Gästezimmer angekommen sein mussten, wo sich Karen auf dem Bett
niederließ. „Also gut. Ich werd jetzt in die Stadt gehen und sehen wie es deinen Freunden geht. Schlaf dich erstmal aus. Ich bin in ein paar Stunden wieder da. Fühl dich wie zu Hause.“ Martha legte ihr eine Hand auf die Schulter und lächelte sanft, ehe sie den Raum verließ. Die Blinde ließ sich nach hinten aufs Bett fallen und atmete tief durch. Jetzt merkte sie erst richtig wie müde sie eigentlich war. Das Bett war sehr bequem und es dauerte auch nicht lange, da war sie bereits
eingeschlafen. - Ethan - Der Banker war noch immer nicht sicher wie er mit dieser neuen Situation umgehen. Sollte. Sie waren sicher auf Kelleys Island angekommen. Zumindest die meisten. Man hatte Abby in eines der Häuser gebracht, wo sich die Turners von ihr verabschieden konnten. Man hatte ihnen zugesichert dass ihre Tochter heute noch auf dem Friedhof der Insel beerdigt werden würde. Nach ihrer Ankunft hatte sich die Gruppe
etwas zerstreut. Karen war mit dieser Martha mitgegangen. Dean und Dwight hatten sich dazu entschieden sich ein Bild von der Insel zu machen und Leah und Stan mitgenommen. Ian stand neben ihm und rauchte eine Zigarette. Er hatte die Begrüßung der Bewohner eher schweigend angenommen. Man hatte ihnen gesagt sie sollten hier warten. Der Bürgermeister war wohl auf dem Weg um sie zu treffen und sich ein Bild von der Situation zu machen. Tatsächlich kam jemand. Ein Mann in Anzug, gepflegter Frisur und Brille. Ein richtiger Krawattenträger wenn man so wollte. Begleitet wurde er von ein paar Stadtbewohnern. Winkend begrüßte er
Ian und Ethan. „Hallo. Ich hoffe sie haben sich mittlerweile ein wenig eingefunden. Wir dachten schon nachdem die Verbindung zum Festland abbrach dass es keiner schafft. Sie haben wohl einen großen Schutzengel gehabt. Ich bin Nick Stanton. Bürgermeister von Kelleys Island wenn sie so wollen.“ Er hatte einen ziemlich festen Händedruck, machte aber ansonsten einen ziemlich freundlichen Eindruck. Er lächelte. „Ich bin Ethan, Ethan Rain. Das ist Ian Gold. Danke dass sie uns geholfen haben.“ Der andere winkte
ab. „Kein Problem. In Zeiten wie diesen ist es wichtig dass die Menschen zusammenhalten. Sie können hierbleiben wenn sie wollen. Wir schicken hier niemanden einfach wieder fort. Ihre Leute werden versorgt. Das Ehepaar, also Hank und Natalie werden gerade von ein paar Leuten unterstützt. Das mit ihrer Tochter war sicherlich ein herber Schlag. Das tut mir sehr leid.“ Ethan nickte nur. Es war gut zu hören dass sich jetzt um alles gekümmert wurde. Jetzt konnte es nur noch bergauf gehen. Einer der Gefolgsleute des Bürgermeisters kam ebenfalls auf ihn zu. Er hatte lange Gesichtszüge,
braunrotes Haar und trug eine Weste. „Hey. Ich bin Nate. Die rechte Hand des Bügermeisters wenn ihr so wollt.“ Auch er machte einen guten Eindruck. Ian sah sich das ganze eher mit minderer Begeisterung an, ehe er das Wort an den Bürgermeister richtete. „Sehr schön Willy Wonka, aber wo sind die ganzen alten Leute in ihrer Schokoladenfabrik? Ich seh hier nur Leute Mitte 30 und drunter. Wo sind die Anderen?“ Das stimmte allerdings. Ethan wäre es gar nicht aufgefallen, hätte der Sträfling es nicht angesprochen. Der Bürgermeister lächelte allerdings nur über den
Kommentar. „Die sind auf Wanderung. Wissen sie wir haben hier auch etwas Wald und die alten gehen gerne morgens spazieren. Sie wissen ja wie das ist. Die suchen immer Beschäftigung. Sie müssen Ian sein. Ich hab schon ein bisschen was über sie gehört.“ „Nur gutes will ich hoffen“, konterte er und zog von seiner Zigarette. Der Bürgermeister nickte und legte die Hände ineinander. „Keine Sorge. Wir sind nicht hier um sie verurteilen. Wie ich hörte waren sie es auch der alle hierher brachte. Das war sehr mutig von ihnen. Was mich angeht bin ich nicht nachtragend. Sie sind hier
herzlich willkommen.“ Der Angesprochene nickte nur darüber. Ethan sah sich ein wenig um. Er erblickte die Frau die Karen mit sich genommen hatte. Er tat einen Schritt auf sie zu. „Hey. Wie geht es Karen?“ Sie sah zu ihm und lächelte. Beide Hände hatte sie in der Hosentasche. „Der geht’s gut. Sie schläft jetzt. Das arme Ding hat viel durchgemacht.Sie hat mir gesagt dass sie sie gefunden haben nachdem sie und ihre Mutter einen Unfall hatten.“ Der Banker nickte und ließ sich auf einer Bank nieder. Sie tat es ihm gleich und setzte sich neben
ihn. „Genau. Ich hab sie in Sandusky wieder getroffen. Danke dass sie sich um sie gekümmert haben. Sie hatte es echt nicht einfach.“ Sie tat das mit einer Handbewegung ab. „Ach, kein Problem. Wir helfen gerne. Das werden sie noch feststellen. Machen sie sich mal keine Gedanken. Hier ist es sicher für sie und ihre Leute. Kommen sie. Ich lade sie auf einen Kaffee ein. Es gibt ein gutes Restaurant hier in der Nähe. Da gibt’s ausgezeichnete Waffeln.“ Das hörte sich doch schon mal nicht schlecht an. Kurz sah er noch einmal zu Ian, der gerade mit Nick sprach. Gold
würde sicher eine Weile ohne ihn zurecht kommen. So erhob er sich und folgte ihr. Auf dem Weg zum Restaurant trafen sie auch Carrie, die sich gerade ein wenig umsah. Sie schloss sich den beiden an und gemeinsam betraten sie das Restaurant, in dem um diese Uhrzeit noch nicht sonderlich viel Betrieb herrschte. Martha bestellte ihnen allen einen Kaffee und Waffeln während sich Ethan mit der Rothaarigen an einem freien Tisch niederließ. „Ich kanns noch gar nicht wirklich fassen dass wir jetzt hier sind. Die Leute hier sind unglaublich. Kaum zu glauben dass die Dinger es nicht bis
hierher geschafft haben.“ Sie wirkte ein wenig ruhiger, jetzt da sie nicht mehr ums nackte Überleben kämpften und auch er fühlte sich entspannter. Es war als wäre eine große Last von ihren Schultern gefallen. Wenn er daran dachte dass sie vor ein paar Stunden noch von einem Ort zum anderen gefahren waren auf der Suche nach Antworten da kam ihm das hier wie ein schöner Traum vor. Alles lief gut. Sie waren am Leben und konnten sich hier vielleicht sogar etwas neues aufbauen. „Ja. Das hier sind gute Leute. Ich habe schon mit dem Bürgermeister gesprochen und der meinte dass wir alle
hierbleiben können. Er hat einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht. Nur Ian wirkt als fühle er sich hier ein wenig Fehl am Platze.“ Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und seufzte. „Er hat uns echt gerettet, auch wenn er sich ab und zu wie ein Arsch verhält. Ich kann gar nicht glauben dass der ein Krimineller sein soll. Naja. Ich hoffe nur er stellt nichts dummes an. Ich würde ungern wieder von hier fort gehen.“ Ethan winkte ab. „Mach dir keine Sorgen. Ich denke er braucht nur ein wenig Zeit um sich einzugewöhnen, so wie wir alle. Du
weißt ja wie der ist. Wahrscheinlich ist dieses Leben einfach nichts für ihn.“ Er konnte sich gut vorstellen dass Ian jemand war der lieber von einem Ort zum anderen zog anstatt irgendwo auf einer Insel sesshaft zu werden. Es gab eben solche und solche. Wer konnte es ihm schon verdenken? Er hatte ebenfalls eine Menge durchgemacht so wie sie alle. Nach ein paar Minuten kam auch schon Martha zurück mit drei Tassen Kaffee, von denen sie jedem eine hinstellte und sich dann zu ihnen an den Tisch setzte. Ethan setzte die Tasse an und nahm ein paar Schlücke. Wärme breitete sich in seinem Körper aus. Ein durchaus
willkommenes Gefühl. Auch Carrie schien sehr erfreut über diese Geste zu sein. Schon seltsam. Heute Morgen hatte er nicht gedacht dass er noch einmal in einem Restaurant sitzen und frühstücken würde und jetzt waren sie hier. „Also sie sind Carrie nicht wahr? Wie sind sie nach Sandusky gekommen?“, wollte Martha schließlich wissen und umklammerte interessiert ihre Kaffeetasse. „Naja ich hatte Glück. Ich war ganz allein da draußen und Ethan hat mich gerettet. Er hat mich vor den Dingern beschützt ehe sie die Chance hatten...naja...andere haben es nicht
geschafft. Abby...“ Sie wirkte wehmütig und auch dem Banker war der Tod der Kleinen nahe gegangen, auch wenn er sie kaum gekannt hatte. Es war furchtbar wenn ein so junges Mädchen sterben musste. Martha nickte nur. „Das war sicher schwierig für euch alle. Karen hat mir ein wenig erzählt. Jetzt ist das vorbei. Sie sind hier sicher!“ Der Koch brachte ihnen die Waffeln und Ethans Magen knurrte. Er hatte wirklich Hunger. Das letzte mal hatte er etwas im Diner gegessen. Als Ed und Josh noch da waren. Er vermisste die beiden. Nachdenklich sah er auf sein Frühstück.
Es waren so viele gestorben. Wenn er so darüber nachdachte verging ihm der Appetit wieder. Carrie hingegen machte sich fröhlich über ihre Waffeln her. „Also, Ethan. Ich hab überlegt Karen zu mir zu nehmen. Sie kann bei mir wohnen. Ich sorge für sie. Sie braucht jemanden der für sie da ist.“ Der Banker nickte nur. „Das ist nicht meine Entscheidung. Das werden sie mit ihr besprechen müssen. Ich bin nicht ihr Vater aber sie haben wohl Recht. Nachdem was sie durchgemacht hat kann sie ihren Halt gut gebrauchen.“ Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. Es war gut wenn Karen jemand hatte der
für sie sorgte. Solange es ihr gut ging war doch alles in Ordnung. Sicher, es würde etwas Zeit brauchen aber sie würde sich daran gewöhnen. Das würden sie alle...irgendwann... - Ian - Jetzt hatte man ihn tatsächlich alleine mit diese Hinterwäldlern gelassen. Super. Der Bürgermeister und sein Handlanger machten einen ziemlich seltsamen Eindruck auf ihn, so wie die anderen Leute hier. Das ganze wirkte ziemlich suspekt. Er wusste nicht
wirklich ob Henrys Idee so gut gewesen war. Natürlich hatte er an Sicherheit gedacht, aber irgendwie sorgte dieser Ort für ein seltsames Gefühl in seiner Magengrube. Er konnte es auch nicht so wirklich beschreiben. Zum Beispiel die Tatsache dass hier keine alten Leute zu sehen waren. Das war merkwürdig. Naja, vielleicht machte er sich auch einfach nur zu viele Gedanken darum. Noch immer stand er mit dem Bürgermeister und Nate am Straßenrand. „Also, wie ich schon sagte. Sie können gerne hierbleiben. Für sie und ihre Leute wird gut gesorgt. Machen sie sich also darum keine Gedanken. Es war sicher schwierig für sie alle. Wenn sie wollen
dann sehe ich ob ich einen Platz für sie finde. Damit sie sich ausruhen können.“ Er hob abwehrend die Hand. „Ist schon okay Nick. Ich weiß nicht ob ich hierbleibe. Vielleicht gehe ich, wenn wir Abby beerdigt haben.“ Er zündete sich eine Zigarette an. Für ihn war dieses Inselleben einfach nichts. Er war sowieso nicht der Typ der lange an einem Ort blieb. Hier würde er nur verrückt werden mit diesen ganzen Leuten. Das war nicht sein Ding. Nick legte den Kopf schief. „Naja. Das wäre natürlich schade. Ich meine. Hier sind sie sicher, aber wir können sie nicht zwingen. Wenn sie gehen wollen dann werden wir sie nicht
zurückhalten. Nate wird ihnen später helfen ein paar Vorräte zu besorgen. Bis dahin können sie es sich ja noch überlegen.“ Naja. Eigentlich gab es da nicht viel zum Nachdenken. Trotzdem nickte er und zog an seiner Zigarette. „Das sehen wir dann. So gerne ich auch mit ihnen plaudere Nick. Ich bin mir sicher sie und ihr Hilfsaffe haben ne Menge zu tun. Reden schwingen, irgendwelche Bänder durchschneiden, oder den Spatenstich für ein Waisenhaus setzen. Sowas eben. Ich verdrück mich. Wir sehen uns später.“ Er ließ die beiden einfach stehen. Sie machten einen seltsamen Eindruck auf
ihn und von solchen Schlipsträgern hielt er sowieso nicht viel. Ian sah sich um. Von den Anderen war niemand mehr zu sehen. Hatten sie ihn doch tatsächlich mit diesen Typen allein gelassen. Er drückte seine Zigarette aus und schritt den Bürgersteig entlang. Im ersten Augenblick wusste er nichts mit sich anzufangen, bis ihm dann doch etwas einfiel. Er erkundigte sich danach wo die Turners hingebracht worden waren und wurde schließlich zu einer kleinen Arztpraxis geführt. Hier war nicht viel los. Im Aufenthaltsraum schlief Becca auf einem der Stühle. Eine junge Frau war
bei ihr. Sie hatte dunkelbraunes langes Haar und trug einen weißen Arztkittel. Als sie Gold erblickte kam sie sofort auf ihn zu. „Guten Tag. Ich bin Dr. Billings. Was kann ich für sie tun?“ Sie beäugte ihn langsam, bis ihr der Daumen auffiel. Den hatte er sich ja gebrochen um aus seinen Handschellen zu entkommen. „Darf ich mir den mal ansehen?“ Er nickte nur und warf einen Blick auf das schlafende Mädchen. „Wie geht es Ihr Doktor?“ Die Ärztin hob beruhigend die Hände. „Sie schläft jetzt. Ich habe ihr etwas zur Beruhigung gegeben. Lassen sie sie.
Für's erste ist es gut wenn sie sich ausruht. Sie hat viel durchgemacht. Sie hat die ganze Zeit über geweint. Ich habe das andere Mädchen in den Untersuchungsraum bringen lassen. Die Eltern verabschieden sich gerade von ihr.“ Er konnte die Turners von drinnen schluchzen hören. Auch wenn er Natalie nicht sonderlich gut leiden konnte, das hatte niemand verdient. Hank ebenso wenig. Er war zwar ein Weichling, aber kein Vater sollte sein Kind verlieren. Ian gab sich selbst die Schuld für das was geschehen war. Hätte er besser aufgepasst, wäre die kleine Abby vielleicht noch am Leben. Er stand einen
Augenblick lang vor der Tür. Dr. Billings musterte ihn. „Sie können gleich zu ihnen. Ich will mir nur ihre Verletzung ansehen. Kommen sie!“ Er folgte ihr ins Untersuchungszimmer, wo er sich auf die Liege setzte. Die Ärztin schloss die Tür und holte ein paar Sachen aus den Schränken. Ian musterte sie. Sie wirkte noch ziemlich jung. Musste wohl ende zwanzig sein. Immerhin wirkte sie nicht so verklemmt wie der Bürgermeister und sein anderes Gefolge. Das war ja schon mal etwas. „Ziehen sie das Shirt aus. Ich will mir das ansehen.“ Er winkte
ab. „Soll ich jetzt für sie strippen Doc?“, erklärte er nur, aber sie sah ihn mit einem Blick an der keinen Widerspruch duldete. Also zog er das Oberteil aus. Als sie sah dass er dort keine Wunden hatte nickte sie zufrieden und warf einen Blick auf seinen Daumen. „Der ist gebrochen. Ich muss ihn schienen und verbinden und sie dürfen ihn eine Zeit nicht belasten. Wir ist das passiert? Sieht aus als hätte da jemand ordentlich zugepackt.“ Er grinste über diesen Kommentar. Natürlich würde ihr das nicht auf die Nase binden. War besser wenn nicht direkt jeder alles über ihn
wusste. „Ist passiert als ich das kleine Mädchen gerettet hab. Die Dinger packen echt fest zu.“ Die Ärztin säuberte alles und begann den Daumen zu verbinden. „Dann haben sie die Leute hierher gebracht?“ „Naja. Also eigentlich haben wir alle zusammen gearbeitet. Sie wissen ja wie das ist.“ Sie lächelte. „Sie müssen vor mir nicht angeben. Man darf sich durchaus auch mal Lob erlauben. Becca hat mir ein wenig erzählt bevor sie eingeschlafen ist. Sie haben da draußen einiges riskiert.
Stimmt das mit dem Detective? Waren sie sein Gefangener?“ Gold nickte langsam. „Ja. Wir haben die Turners in Fremont getroffen. Von da aus sind wir nach Sandusky. Der Plan mit Kelleys Island kam eigentlich vom Detective, aber leider hat er es nicht mehr geschafft ihn in die Tat umzusetzen.“ Der Verband war fertig und er zog sich sein Oberteil wieder an. Immerhin tat der Daumen jetzt nicht mehr so weh wie vorher. Sie hatte gute Arbeit geleistet. „Sie sind echt ne Magierin Doc. Danke. Wenns ihnen nichts ausmacht gehe ich mal zu Hank und seiner Angebeteten. Ich bin übrigens
Ian.“ „Rita. Rita Billings. Wenn sie noch etwas brauchen, sagen sie einfach Bescheid.“ Er verließ ohne ein weiteres Wort das Untersuchungszimmer und machte vor dem nächsten Raum halt. Er zögerte, holte einen Augenblick Luft und öffnete dann die Tür. Abby war auf die Liege gelegt und gesäubert worden. Sie trug noch immer ihre Sachen. Mr. Donald lag auf ihrer Brust. Die Augen waren geschlossen. Für einen banalen Augenblick wirkte es fast so als würde sie einfach nur schlafen. Natalie saß am Kopfende und streichelte ihr durch das blonde Haar.
Hank saß daneben auf einem Stuhl. Die Brille lag achtlos auf dem Tisch. Beide hatten rote Augen vom Weinen. Als Ian hereinkam warfen sie ihm einen kurzen Blick zu. Natalie hüllte sich in Schweigen. Wahrscheinlich fehlte ihr im Moment einfach nur die Kraft ihn anzubrüllen. Ihr Mann nickte dem Sträfling zur Begrüßung zu. Gold steckte die Hände in die Hosentaschen und warf einen langen Blick auf das Mädchen. Jetzt wo er sie so sah, überkamen ihn die Schuldgefühle. Wenn er vielleicht ein wenig anders reagierte würde sie wahrscheinlich noch leben und lachend mit Mr. Donald spielen und nicht hier liegen, während ihre Eltern um
sie trauerten. 'Jetzt hast du wenigstens Gesellschaft Henry. Du Scheißbastard! Wärst du nicht gestorben wäre sie wahrscheinlich auch noch am Leben', sagte er zu sich selbst im Gedanken. „Sie war immer ein aufgewecktes Mädchen“, begann Natalie schließlich mit zittriger Stimme. „Sie kam immer mit irgendwelchen Blessuren nach Hause. Immer hatte sie Mr. Donald dabei. Meine Mutter hat ihr ihn zur Geburt geschenkt. Sie hat ihn immer überall mit hin genommen. Einmal da sind wir in den Urlaub gefahren und haben ihn vergessen. Hank musste auf halber Strecke umdrehen und
ihn holen, weil wir sie einfach nicht ruhig gekriegt haben.“ Er sah sie an. Machten das Leute so? Riefen sie sich alte Erinnerungen in den Sinn, damit es nicht ganz so schwer war? Er wusste nicht was er darauf entgegnen sollte. So nickte er einfach nur. „Ian, ich weiß wir hatten keinen guten Start. Ich hab mich nicht fair verhalten. Und das tut mir leid. Sie haben ihr das Leben gerettet. Sonst hätten wir sie wahrscheinlich schon früher verloren. Danke dafür.“ Ein unangenehmer Klos bildete sich in seinem Hals. Klasse. Warum konnte sie ihn nicht einfach anblaffen und ihm die
Schuld für ihren Tod geben? Das würde einiges leichter machen. Er fühlte sich mehr als unwohl. Hank nickte nur auf die Worte seiner Frau. „Sie haben viel für uns getan Ian. Ich weiß nicht was sie jetzt vorhaben, aber wir würden uns beide freuen, wenn sie bei der Beerdigung dabei sind.“ Er nickte. Das hatte er ohnehin vorgehabt. Was er danach tun würde wusste er nicht. Im Augenblick war ihm das alles zu viel. Vielleicht war es besser wenn er einfach ging. Was hatte er schon mit diesen Leuten zu schaffen? Sie brauchten ihn jetzt nicht mehr. Hier würde es ihnen gut gehen. Er hatte
Henrys letzte Bitte erfüllt. Was sie jetzt taten war ihre Sache. „Ich werd wahrscheinlich nicht hierbleiben Hank. Dieses Inselleben ist nichts für mich. Der Bürgermeister ist mir zu verkniffen. Ich mag solche Fuzzis nicht. Ihr packt das schon. Die anderen sind ja auch noch da. Okay, Ethan hat zwar n ziemlichen Stock im Arsch aber der Rest ist okay. Versucht das Beste draus zu machen. Fangt neu an. Ich verzieh mich fürs erste. Wir sehen uns später.“ Und damit ging er. Er wollte nicht mehr länger hier bleiben. Das ganze hatte ihn doch ziemlich mitgenommen. Vielleicht würde er sich jetzt erstmal einen Platz
zum ausruhen suchen. Er wollte gerade die Praxis gerade wieder verlassen, als er ein Gespräch zwischen Doktor Billings und ihrem Arzthelfer mitbekam. „Hast du Agnes heute schon gesehen? Sie war noch gar nicht wegen der Tabletten hier. Und Morris war auch noch nicht da.“ Der andere zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Du weißt doch wie alte Leute manchmal drauf sind Rita. Wahrscheinlich spielen die ne Runde Bridge oder so.“ Ian hielt einen Moment lang inne. Das klang allerdings ein wenig seltsam. Ihm war es ja auch schon aufgefallen dass hier die Alten abhanden gekommen
waren. Dieser Stanton hatte das alles leichtfertig abgetan aber er traute dem Braten nicht so Recht. Vielleicht sollte er mal mit einem der Anderen reden wenn er sie traf. Für's erste allerdings würde er sich aufs Ohr legen. Er ging wieder auf die Straße hinaus. Es herrschte nicht wirklich viel Betrieb hier. Einer der Bewohner war gerade dabei ein Plakat aufzuhängen was ankündigte dass um 14 Uhr eine Versammlung stattfinden würde. Konnte ganz interessant sein um den Haufen etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Gerade wollte er weitergehen als ihm ein großer schwarzer Van auffiel, der am Rand stand. Dieser Nate stand davor
und unterhielt sich mit dem Bürgermeister im Flüsterton. Als sie Ian erblickten sagten sie noch etwas. Dann fuhr der Handlanger des Bürgermeisters auch schon davon in Richtung Ortsgrenze. Nachdenklich sah Gold ihm hinterher und zündete sich eine Zigarette an. „Man. Diese Inselfreaks sind echt komisch.“ - Karen - Jemand weckte sie. Langsam streckte sich die 16-Jährige und gähnte herzhaft.
Sie brauchte einen Augenblick bis sie ihre Umgebung erfasste. Sie war bei Martha und lag noch immer auf dem Bett. Den Schlaf hatte sie jetzt echt gebraucht. Sie fühlte sich auch sehr viel besser. Langsam setzte sie sich auf. Es war ihre Gastgeberin die sie geweckt hatte. „Hey du Schlafmütze. Entschuldige dass ich dich geweckt hab aber so einen schönen Tag sollte man nicht verschlafen. Hat alles ein bisschen länger gebraucht. Ich hab Ethan und Carrie getroffen. Ihnen geht es gut und man hat sich nach dir erkundigt. Um 14 Uhr ist eine Versammlung. Die beiden werden auch da sein. Dann lernst du den
Rest der Leute hier kennen.“ Sie nickte nur und erhob sich. Erst einmal streckte sie sich. Sie fühlte sich als hätte sie ewig nicht so gut geschlafen. Für diesen Augenblick schienen alle Sorgen beiseite geschoben. Vielleicht ging ja jetzt wirklich alles gut. Zumindest hatte die Blinde keine Bedenken was Martha anging. Sie war sehr nett und hatte ihr sogar angeboten bei ihr zu Leben. Wer machte so etwas schon? Da gab es nicht viele Leute die so freundlich und zuvorkommend waren. „Der Bürgermeister ist unten und würde dich gerne kennen lernen. Ich hab dir ein Kleid besorgt was deine Größe hat.“ Sie nickte. Das Umziehen ging schnell.
Es war ein helles Sommerkleid, was sie natürlich nicht sehen konnte. Dazu hatte Martha ihr auch die passenden Sandalen besorgt. Sie kämmte ihr das Haar und band es anschließend mit einer roten Schleife zu einem Zopf zusammen. Abgerundet wurde das ganze von einem Sommerhut. Nicht wirklich das was Karen gewohnt war, aber sie wollte auch nicht unhöflich wirken. Die Frau nahm sie bei der Hand und führte sie die Treppe hinunter in die Küche, wo sie am Tisch Platz nahm. „Also. Das ist Karen. Karen, das ist Nick Stanton.“ Er roch nach Parfum und Desinfektionsmittel. Eine seltsame
Mischung. Sie nickte einfach nur und lächelte dann. „Freut mich sehr Karen. Ich bin der Bürgermeister von Kelleys Island. Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Das ist übrigens ein sehr schönes Kleid. Du bist wirklich hübsch für dein Alter.“ Sie errötete unter diesem Kommentar. Bis jetzt hatte sie nie wirklich viel mit so etwas anfangen können. Ein Kompliment wie dieses war ihr selten gegeben worden, so dass sie einfach nur nickte. Zumindest war er ihr danach ein wenig sympathischer. „Danke.“ Mehr brachte sie nicht hervor. Sie fühlte sich fast schon wie eines dieser
dummen Hühner die direkt über so etwas giggelten und Kichern. Gerade kam sie sich ganz schön blöd vor. „Martha hat mir bereits gesagt dass sie dich aufnehmen will. Ich habe nichts dagegen und du würdest gut in unsere Gemeinde passen. Natürlich nur wenn du das auch willst.“ Also hatte sie das ganze Ernst gemeint. Im ersten Augenblick war sie sich nicht sicher. Immerhin hatte sie ja noch ihren Dad und ihre Grandma, die da draußen irgendwo waren. War es jetzt fair einfach zu anderen Leuten zu gehen? Sie wirkte unsicher. Der andere nahm sie bei der Hand. „Du musst dich nicht sofort entscheiden.
Nimm dir erst einmal ein bisschen Zeit und lass das alles auf dich wirken. Du könntest hier neu anfangen. Freunde finden, zur Schule gehen. Wir hätten sogar einen Lehrer für dich der dich unterrichten kann wenn du willst.“ Das alles kam ihr viel zu schön vor um wahr zu sein. Diese Leute waren wirklich nett. Dabei kannten sie einander gar nicht. Karen war es nicht gewohnt dass man sich so um sie sorgte. Klar, ihre Eltern hatten sie immer sehr bemuttert, aber das hier war etwas anderes. Sie fühlte sich nicht eingesperrt wie es früher der Fall war. Das erste mal gab man ihr die Chance für sich selbst etwas zu entscheiden und
das fühlte sich einfach nur gut an. Sie lächelte. „Danke Mr. Stanton. Für alles. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.“ Martha lachte. Sie hatte sich neben ihr niedergelassen und streichelte ihr über die Schulter. „Hab keine falsche Scheu. Wie Nick schon sagte. Nimm dir Zeit und lass alles erstmal auf dich wirken. Am besten du kommst später mit zur Versammlung wie ich schon vorgeschlagen habe. Da kannst du dir dann ein besseres Bild machen.“ Sie nickte eifrig. Der Gedanke hier zu leben gefiel ihr. Was wohl Ethan und die anderen dazu sagen würden? Hatte man
ihnen ein ähnliches Angebot unterbreitet? Sie musste unbedingt mit den anderen sprechen wenn sich die Zeit dafür fand. „Gut. Dann wäre das ja geklärt. Nach der Versammlung gibt es ein Barbecue. Alle Bewohner werden da sein. Du kannst auch kommen wenn du willst. Da bietet sich dir Gelegenheit unsere Gemeinde ein bisschen besser kennen zu lernen.“ Das klang sehr gut. Es sprach nichts dagegen. Sie würde vielleicht sogar andere in ihrem Alter kennen lernen. Ihre Mutter hätte ihr jetzt nur wieder verboten dorthin zu gehen. Diese Leute waren nicht so. Sie hießen sie in ihrem
Kreis willkommen. Als wäre sie schon eine von ihnen und das fühlte sich sehr schön an. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm. Was war schon falsch daran dieses Angebot anzunehmen? Dennoch würde sie sich natürlich selbst ein wenig Bedenkzeit dafür geben. „Wenn sonst nichts ist dann muss ich mich leider auch schon verabschieden“, begann Stanton und erhob sich vom Tisch. „Wir sehen uns dann nachher bei der Versammlung Karen. Martha kann dir ja solange ein wenig unser Städtchen zeigen wenn du magst. Ich wünsch dir einen schönen Tag. Bis
nachher.“ Und damit war er auch schon wieder verschwunden. Eigentlich machte er ja einen ganz freundlichen Eindruck. Sie alle hier waren sehr nett. Ihre Gastfreundschaft ließ keine Wünsche offen. Es gab nicht viele Menschen die so nett und offen waren. Wahrscheinlich lag das einfach daran dass sie hier alle eng beieinander lebten. Das schweißte ja auch zusammen. „Er ist wirklich sehr nett“, begann die 16-Jährige. Martha nickte und goss ihnen beiden ein Glas Milch ein. Dann holte sie ein Glas mit Keksen aus dem Schrank hervor und legte sie auf einen Teller. Die Blinde aß ein paar davon. Es
wirkte alles wie in einer glücklichen kleinen Familie. Sie hätte sich vorher kaum träumen lassen jetzt hier zu sitzen bei Milch und Keksen, dabei ein Sommerkleid tragend. Hatte schon etwas seltsames an sich, aber es gefiel ihr auch auf eine gewisse Art und Weise. Sie musste eben nur noch lernen damit umzugehen. Das war alles. „Ja das ist er. Wir können froh sein dass wir jemanden wie ihn haben. Und dich mag er auch. Das hat man sofort gemerkt.“ Zumindest das war schön zu hören. Dabei hielt sie sich selbst meistens gar nicht für so toll. Besonders jetzt kam sie sich eher langweilig vor. Sie kaute
nachdenklich auf ihrem Keks herum und nahm einen Schluck von ihrer Milch. Nach ihrem kleinen Snack nahm die Frau sie mit in den Garten, wo sie sich auf einem Liegestuhl niederließ und die Beine übereinander legte. Sie konnte hören wie Martha damit beschäftigt war ein paar Blumen zu beschneiden. Sie konnte riechen dass es hier eine Menge verschiedener Pflanzenarten gab. Wahrscheinlich war sie jemand der sich gerne im Garten aufhielt. Die Luft roch angenehm frisch. „Wo bist du eigentlich zur Schule gegangen Karen?“, nahm ihre Gastgeberin das Gespräch wieder auf. Die Blinde verschränkte die Arme hinter
dem Kopf. „Auf eine Blindenschule und Norwalk. Heute hätte ich einen naja wie sagt man...Auftritt gehabt. Meine Mum hat mich deswegen immer gedrängt dass ich fleißig übe. Naja und jetzt sitz ich hier.“ Wenn sie so darüber Sprach stieg Wehmut in ihr auf. Sie vermisste ihre Klassenkameraden. Ob es wohl ein paar von ihnen geschafft hatten und wenn ja, wie ging es ihnen jetzt wohl? Sie hatte zwar nicht viele Freunde, aber durchaus ein paar mit denen sie sich gut verstanden hatte. Da war zum einen Lisa gewesen. Ein blindes Mädchen in ihrem Alter. Und Tucker, ein Junge aus ihrer Klasse. Die beiden fehlten ihr. Was wohl
aus ihnen geworden war? Hoffentlich hatten sie es geschafft. „Wenn du willst, kannst du für mich singen“, riss die junge Frau sie aus ihren Gedanken. Das überraschte sie schon ein wenig. „Naja ich weiß nicht. Ich kann sowas nicht so gut. Auch wenn alle immer sagen ich hätte eine gute Stimme.“ Ehrlich gesagt war ihr das ganze schon ein wenig peinlich. Warum hatte sie auch damit angefangen? Ein Seufzer entkam ihr. Jetzt hatte sie den Salat. „Ach. Bestimmt kannst du das ganz gut. Du musst nicht wenn du nicht willst.“ Und sie wollte doch. Irgendwie war ihr
danach. „Okay. Aber lach mich bitte nicht aus ja?“ Sie räusperte sich und setzte sich auf. Zumindest waren die Übungsstunden dafür nicht ganz umsonst gewesen. Zwar stellte Martha ihre einzige Zuschauerin dar, aber das machte ihr nicht sonderlich viel aus. Sie begann damit die Melodie von 'Ode an die Freude' zu summen, ehe sie mit ruhiger Stimme den Gesang anstimmte. „Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium. Wir betreten feuertrunken himmlische dein Heiligtum.“ Sie hatte wirklich keine Probleme damit vor Martha zu singen. Im Gegenteil: Es
verschaffte ihr sogar innere Entspannung und Ruhe. Sie fühlte sich gut damit und ließ sich ganz davon mitreißen. „Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt.“ Jetzt lächelte sie sogar. Langsam aber sicher kam ihr mehr und mehr die Einsicht, dass es doch nicht ganz so verkehrt war hier zu bleiben. Hier würde es ihr sicher gutgehen. Die Leute waren nett. Sie war sicher und würde hier ein gutes Leben haben. Mehr und mehr war sie sich sicher: Hier würde sie bleiben. „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel
weilt...“ - Ethan - Nach dem Frühstück mit Martha hatte man ihnen die Möglichkeit gegeben sich zu Duschen und frische Kleidung anzuziehen. Ethan hatte die Zeit außerdem genutzt um ein wenig zu schlafen. Das war bitter nötig gewesen. Dwight und die anderen hatte er vor der Stadthalle wieder getroffen, wo sich jetzt alle langsam zur Versammlung einfanden. Sie wirkten alle etwas ausgeruhter. Die Turners waren auch da.
Becca trug jetzt ein weißes Kleid was sie um einiges kindlicher wirken ließ. Sie sagte keinen Ton. Auch ihre Eltern hüllten sich eher in Schweigen. Der Verlust von Abby saß tief. Niemand sprach das Thema an. Der Banker stand bei Dwight, Leah und Stan. Carrie unterhielt sich gerade mit Dean und der Ärztin Rita Billings. Stanton war noch nicht da. Der Afroamerikaner verschränkte die Arme vor der Brust und sah sich um. „Also. Ich find es ganz nett hier Ethan. Die Leute sind okay. Was meinst du?“ Er zuckte mit den Schultern. Er hatte sich noch nicht wirklich die Zeit genommen Kelleys Island kennen zu
lernen. Er musste das ganze erstmal richtig auf sich wirken lassen bevor er sich ein Urteil bildete. Suchend sah er sich um. Von Karen oder Ian war nichts zu sehen. Die Blinde war bei Martha das wusste er. Was Gold anging hatte er keine Ahnung. Vielleicht hielt der sich lieber im Hintergrund, oder war schon dabei seine Sachen zu packen. Sicher würde er nicht hierbleiben. Dabei hatte Rain eigentlich gehofft dass er zumindest bis zu Abbys Beerdigung bleiben würde. Er hätte sich gerne ordentlich von ihm verabschiedet, aber der Sträfling war wohl einfach nicht der Typ der sich etwas aus rührenden Abschieden
machte. „Also ich finds ziemlich spießig hier“, entkam es Leah. Sie war meistens mit ihrem Freund Stan unterwegs und sagte sonst nicht sonderlich viel. Sie wirkte wie diese typischen Mädchen die kein Blatt vor den Mund nahmen. „Du findest immer alles spießig Schatz. Ich finds cool hier und die Leute sind echt nett. Immerhin haben sie uns aufgenommen.“ Die anderen beiden nickten zustimmend. Nicht jeder wäre so nett und zuvorkommend gewesen. Das wusste er. Sie hätten sie ja auch einfach wieder fortschicken können, aber das hatten sie nicht getan. Immer mehr Leute fanden
sich vor der Stadthalle ein und jetzt merke Ethan auch, was Ian gemeint hatte. Alte Menschen gab es hier nicht. Nur junge Leute und ihre Kinder. Das war schon etwas seltsam. Der Bürgermeister hatte zwar gesagt dass sie unterwegs waren, aber sollten sie nicht bei der Versammlung dabei sein? Dwight merkte offenbar dass ihm etwas durch den Kopf ging. „Hey. Was ist los? Du siehst aus als hätte dir jemand in den Kaffee gespuckt.“ Der Banker legte nur den Kopf schief. Er war sich nicht sicher ob er das zur Sprache bringen sollte. Er wollte die anderen nicht unnötig
beunruhigen. „Ich erzähls dir später wenn die Versammlung vorbei ist.“ Der andere nickte nur. „Okay. Wo ist eigentlich Gold? Hat der sich schon verpisst?“ „Wahrscheinlich pennt der irgendwo“, kam es nur von Leah. Konnte ja auch sein dass er sich erst mal von den ganzen Strapazen erholte. Sicher würde der schon wieder auftauchen. Ethan lehnte sich gegen ein Geländer und seufzte. Das alles war noch ein wenig ungewohnt für ihn. Jetzt waren sie hier bei diesen ganzen Fremden Leuten die sie aufs wärmste begrüßt hatten. Sie alle würden sicher
noch damit zu kämpfen haben hier einen Platz zu finden. Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Dwight erstaunt in die Ferne blickte. „Scheiße...ist das Karen?“ Tatsächlich. Sie kam zusammen mit Martha. Aber das konnte sie doch nicht sein. Sie trug ein langes Sommerkleid, welches mit Blumenmustern gespickt war, dazu braune Sandalen und einen Sommerhut. Das Haar war zu seinem Zopf zusammen gebunden. Sie wirkte so ganz und gar nicht mehr wie der Teenager den er kennen gelernt hatte. „Wow“, entkam es Stan, was von seiner Freundin Leah mit einem bösen
Gesichtsausdruck gewürdigt wurde. Die beiden kamen zu ihnen, wobei Martha sie eigentlich nur abstellte und dann in der Menge verschwand. Ethan musterte sie. „Gut siehst du aus. Sag mal...ist das Rouge?“ Beschämt senkte die Angesprochene den Kopf. „Ach halt die Klappe.“ Okay. Das war tatsächlich Karen. So sehr man sie auch äußerlich verwandelte so behielt sie immer noch ihren Charakter. Auch Dean und Carrie waren jetzt auf sie aufmerksam geworden und gesellten sich zu ihnen. „Wie ist es so bei Martha?“, wollte die
Rothaarige interessiert wissen. „Naja. Sie hat mir angeboten dass ich bei ihr wohne, aber ich wollte mir das noch überlegen. Sogar der Bürgermeister hat mich besucht.“ Man konnte ihr ansehen, dass sie sich noch ein wenig unwohl fühlte, aber das würde sich bald bestimmt legen. Ethan lächelte nur. „Warum nicht? Sie scheint ganz nett zu sein.“ Die andere zuckte mit den Schultern. „Naja. Ich meine ich kenne hier ja so gar keinen. Erstmal schauen. Ich will hier erst alles richtig kennen lernen. Wo ist Ian? Ich dachte bei der Versammlung sollten alle da
sein.“ „Der liegt wahrscheinlich irgendwo und ruht sich aus“, erklärte er ihr. Jetzt strömten die Leute langsam ins Gebäude und auch Stanton war schon da. Am Eingang zum Versammlungsraum begrüßte er die Gruppe. „Ah.Mr. Rain. Wie ich sehe haben sie sich schon ein bisschen eingelebt. Ihr Freund Ian ist leider schon gegangen. Ich wollte ihn zwar umstimmen, aber sie wissen ja wie das ist.“ Also war er tatsächlich schon gegangen. Okay er war ein Eigenbrötler aber ohne ein Wiedersehen einfach abzuhauen hätte selbst der Banker ihm nicht zugetraut. Naja. Vielleicht war das hier wirklich
nichts für ihn gewesen. Er hoffte nur dass es ihm gut ging und er da draußen zurecht kam. So ließen sie sich alle im Saal nieder, während Stanton zur Bühne hinauf marschierte und mit Applaus begrüßt wurde. Die Leute priesen ihn beinahe schon wie einen heiligen. „Hallo alle zusammen. Freut mich dass ihr es alle geschafft habt. Wir ihr alle wisst, haben wir seit heute Morgen einiges an Zuwachs bekommen. Ihr wisst alle um die Situation auf dem Festland. Es handelt sich um Überlebende und ich freue mich sehr sie auf unserer kleinen Insel willkommen zu heißen.“ Es gab
Applaus. „Sie können sich ja später noch mit ihnen unterhalten wenn sie möchten. Wer sich bereit erklärt ihnen Unterschlupf zu geben wird natürlich dementsprechend unterstützt. Wichtig ist hierbei nur die neue Ausgangsreglung zu beachten. Nach Neun Uhr herrscht strickte Ausgangssperre. Ich bitte sie alle das zu berücksichtigen. Das war es eigentlich auch schon. Ich will euch nicht länger mit meinem Geschwafel langweilen. Draußen wartet das Barbecue und nachher wäre es schön wenn sich zumindest ein paar von euch der Beerdigung von Abby Turner anschließen würden. Ihre Eltern
brauchen Beistand. Heißt sie willkommen und steht ihnen in dieser schweren Zeit bei!“ Wieder herrschte Applaus und langsam aber sicher bewegten sich die Leute nach draußen. War ja nicht wirklich eine lange Rede gewesen. Dwight wirkte ein bisschen misstrauisch. „Neun Uhr Ausgangssperre? Schon komisch oder?“ Ethan nickte nur und nahm ihn zur Seite, so dass ihn niemand hören konnte. „Ich wollte es dir vorhin nicht vor den anderen sagen. Ian hat mich darauf angesprochen und sicher ist es dir auch schon aufgefallen. Es gibt hier keine alten Leute. Und auch Kranke habe ich
nicht gesehen. Ich will hier keine Panik verbreiten aber halt ein bisschen die Augen offen okay?“ Der Afroamerikaner nickte nur. „Alles klar. Das sind ja tolle Aussichten. Wenn du mich fragst, ich trau diesem Stanton nicht.“ Der Banker nickte. „Ich auch nicht Dwight. Ich auch nicht.“ - Ian - Das ganze war ihm doch ziemlich merkwürdig. Es war nur ein Gefühl, aber irgendwas schien hier nicht zu
stimmen. Eigentlich hätte es ihm egal sein sollen, aber die Neugier war zu groß. So hatte der Sträfling beschlossen sich ein wenig besser umzusehen. In der Stadt wirkte alles in Ordnung, aber je näher er auf die Grenze zukam, desto leerer wurde es. Auch konnte er mehrere Leute ausmachen die durch die Straßen zu patrouillieren schienen. Schon seltsam. Er konnte sie umgehen ohne größeres Aufsehen zu erwecken und befand sich wenig später im Wald wieder. Der schwarze Van war in diese Richtung gefahren. Das war der einzige Anhaltspunkt den er hatte. Nur den Wagen erstmal finden. Das konnte eine Weile dauern. Erst hatte er darüber
nachgedacht einem der anderen Bescheid zu sagen, entschied sich dann aber doch das ganze auf eigene Faust zu untersuchen. Es dauerte eine Weile, bis er ein etwas größeres Gebäude im Wald fand. Der Van stand davor. Dieser Nate unterhielt sich gerade mit zwei Leuten. Sie waren aber zu weit weg, als dass er es verstehen konnte. Als sie außer Sicht waren, trat er näher an das Gebäude heran. Daneben war so etwas wie eine Grube ausgehoben worden. Es stank und man konnte Stöhnen hören. Langsam aber sicher schritt Gold zum Rand der Grube und warf einen Blick hinein. Es musste eine ganze Horde von
Beißern sein die sich dort tummelte. „Fuck!“ Er wich zurück und ging in Deckung. Davon hatte der Bürgermeister allerdings nichts in seiner Begrüßungsrede gesagt. Was zum Teufel war hier nur los? Durch ein Fenster konnte er Rufe hören. Es klang als würde jemand wimmern. Langsam schlich er herum, bis er eine Hintertür fand, durch die er sich begab. Im Flur konnte er Stimmen hören. „Das waren jetzt alle Sir. Die alten und die Kranken. So wie sie wollten.“ Das war dieser Nate. Der Speichellecker des Bürgermeisters. Diese Stimme erkannte der Häftling
sofort. „Gut. Ich will nicht dass sie hier rauskommen. Die anderen wissen schon Bescheid. Zumindest die meisten.“ Das war Stanton. Dieser miese Wichser. Wie es aussah pferchten sie die Leute hier ein. „Die Ärztin stellt ziemlich viele Fragen. Ich hab ihr zwar schon gesagt dass es nichts ist aber sie ist ziemlich neugierig.“ Damit meinte er wahrscheinlich Rita. Ihr war das auch aufgefallen. Ian spähte um die Ecke und konnte sehen wie Stanton nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkte. „Kümmer dich darum. Aber erst nach der
Versammlung. Ich muss los. Martha wartet auf mich. Wir sehen uns dann später.“ Nate nickte nur und wenig später waren beide verschwunden so dass Ian sich weiter durch den Flur wagte, bis zu einer Tür die mit einem Glasfenster versehen war. Jetzt wusste er was sie mit den Alten gemacht hatten. Sie waren gefesselt und eingesperrt worden. Ebenso wie die Kranken. Die hatten sie einfach hierher geschleppt. Was zum Teufel führten diese kranken Spinner nur im Schilde? Er musste dringend Ethan und den anderen davon erzählen. Wer wusste schon was Stanton vorhatte. Die Tür war verschlossen. War
ja eigentlich klar. Sie jetzt zu befreien würde auch zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es blieb ihm nichts anderes übrig als sie fürs erste hier zu lassen. So wollte er gerade wieder umdrehen, als er sich direkt Nate gegenüber sah.
„Da ist ja jemand ziemlich neugierig.“
Das nächste was er sah war der Gewehrkolben, der ihm direkt ins Gesicht geschlagen wurde. Der Sträfling taumelte nach hinten.
„Du...mieses... Arschloch...“
Dann verlor er das Bewusstsein...
- Karen - „Noch n Burger Dean?“ „Ja bitte, aber ich glaub den musst du mir bringen. Ich hab das Gefühl, dass ich aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen kann.“ Das Barbecue war in vollem Gange und um sich herum hörte sie wie fröhlich und glücklich die Menschen waren. Beinahe wie in einem wunderschönen Traum, von dem sie nie gedacht hatte, dass er wahr werden würde. Und doch
saßen sie jetzt alle hier, scherzten und lachten miteinander wie eine große und glückliche Familie. Es war gut gewesen nach Kelleys Island zu kommen. Das wusste sie jetzt während sie da saß und mittlerweile ihren dritten Burger verdrückte. Sie saß zusammen mit Ethan, Dean, Dwight und Stan an einem Tisch. Sie wirkten alle viel entspannter und gelassener als zuvor. Sie hörten sich zufrieden an, wenn auch etwas Ethan zu beunruhigen schien. Darauf ging sie allerdings jetzt nicht ein. Sie war viel zu sehr von diesem Fest abgelenkt und davon wie glücklich sie sich fühlte. Die meiste Zeit lächelte sie einfach nur, lachte über einen dummen
Witz den Stan machte und unterhielt sich über vollkommen belanglose Dinge mit ihnen. „Ich muss sagen der unschuldige Look steht dir Karen. Hätte ich gar nicht gedacht dass du auch auf braves Mädchen machen kannst“, scherzte Dwight und trank einen Schluck Bier. Das sorgte für einige Lacher und jetzt war es Dean der sich einschaltete. „Naja eigentlich war Karen ja immer nett, nur ab und zu vielleicht mal ein bisschen temperamentvoll wenn es nicht nach ihrer Pfeife ging.“ Sie blickte böse in ihre Richtung und verschränkte kauend die Arme vor der
Brust. „Waff fa fla daff ihr wiewder auf eima feite fteht“, meinte sie mit vollem Mund. Beinahe hätte sie sich an ihrem Burger verschluckt. Stan klopfte ihr auf den Rücken und gab ihr einen Schluck von seinem Bier. Das war das erste Mal dass sie überhaupt Alkohol trank und wenn sie ehrlich war war sie schon nach einer halben Flasche vollkommen beschwipst. Sie lachte über vollkommen banales Zeug und gab sich vollkommen locker. Sie waren alle etwas angeheitert, bis auf Ethan, der nichts getrunken hatte. Sie saß direkt neben ihm und boxte ihm in die Seite. „Hey Brummbär...warum...warum denn
so muffig?“ Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und kicherte wie eines dieser dummen Schulmädchen. Dem war sie sich selbst natürlich nicht bewusst. Für den Augenblick hatte sie endlich mal etwas Spaß und das zählte. Sie nahm noch einen großen Schluck Bier. „Wir sollten nicht so übertreiben“, erklärte Ethan. „Immerhin wird Abby nachher noch beerdigt und die Turners sind sicher nicht zu scherzen aufgelegt wenn wir alle total besoffen auf der Trauerfeier ihrer Tochter auftauchen.“ Stimmte ja. Das war ja auch noch. Das hatte sie irgendwie total verdrängt. Die
Turners waren auch beim Fest. Während Hank sich betrank war Natalie mit ihrer Tochter Becca allein. Karen hatte noch kein Wort mit ihnen gesprochen. Das alles hatte sie einfach viel zu sehr vereinnahmt. So vieles ging ihr durch den Kopf. Sie vermisste ihre Eltern, die ihr solch eine Feier sicher verboten hätten. Dann dachte sie an die Freunde die sie nie wieder sah. Natürlich nur am Anfang. Mittlerweile war sie vom Alkohol wieder gut gelaunt. Sie fühlte sich ein wenig schwindelig wenn sie ehrlich war, aber auf eine positive Art und Weise, auch wenn sie sich beim auf die Toilette gehen mittlerweile immer mit Carrie
kurzschloss da sie alleine nur noch wankte. Mit der Rothaarigen verstand sie sich ganz gut. Am Anfang des Festes hatte sie fast pausenlos nur mit ihr gesprochen. Irgendwann war sie dann verschwunden. Wollte wohl die anderen etwas näher kennen lernen. Leah hatte sich irgendwie abgesetzt. War ihr ja auch egal. Die war irgendwie unsympathisch. Stan war ganz okay und schien sehr nett zu sein. Auch er war mittlerweile etwas angetrunken und nutzte die ein oder andere Gelegenheit seinen Arm um ihre Schulter zu legen. Irgendwann schob sich Ethan allerdings dazwischen so dass sie jetzt getrennt
nebeneinander saßen. Karen sah böse in seine Richtung. „Och Mensch Ethan...Du bist so ein Spielverderber +hicks+.“ Der Banker ließ sich allerdings nicht von ihr erweichen. „Karen. Du bist betrunken. Du weißt doch gar nicht was du tust“, versuchte er mit ihr zu reden, aber sie schaltete auf Stur. „Du bist...du bist nicht mein Dad“, frotzelte sie und versuchte dabei so ernst zu klingen wie möglich. Was mischte der sich eigentlich da ein? Ganz zu Anfangs hätte er sie doch hängen lassen. Er war stur gewesen und handelte nur nach seinem Kopf. Ein
richtiger Snob. „Vielleicht nicht, aber morgen bereust du das. Ich passe nur auf dass du nichts anstellst was dir leid tun könnte.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und tat auf beleidigt. „Du bist echt n Arsch Ethan.“ Dwight und Dean sahen dem kleinen Streit eher amüsiert zu. Stand war, nachdem er sah dass er hier keine Gelegenheit mehr hatte aufgestanden und verschwunden. Wahrscheinlich um Leah zu suchen. Nach ein paar Minuten kehrte auch Carrie zurück. Auch sie war ein wenig angeheitert, allerdings nicht so betrunken wie die Blinde. Sie ließ sich neben der 16-Jährigen
nieder. „Kaum zu fassen dass Ian einfach weg ist oder?“, begann sie und legte die Hände auf den Tisch. „Ich meine der hätte sich ja wenigstens verabschieden können.“ An den hatte sie gar nicht mehr gedacht. Eigentlich hatte sie den Sträfling sowieso kaum auf dem Schirm gehabt. Klar, er hatte sie auf die Insel gebracht aber sonst hatte Karen nicht sonderlich viel mit ihm zu tun. Sie lächelte als sie hörte dass ihre neue Freundin wieder da war. „Hey Carrie. Ethan ist voll gemein zu mir“, meinte sie nur und umarmte die andere Freundschaftlich, wobei sie ein
plötzliches Gefühl der Übelkeit überkam. „Ich glaub ich muss kotzen.“ Der Alkohol zeigte Wirkung und außerdem hatte sie viel zu viel gegessen. Na super. Das wäre ja echt ein prima Einstand wenn sie sich vor versammelter Mannschaft bereiherte. Sie wollte aufstehen, schwankte aber direkt wieder in die Sitzposition zurück. Die Rothaarige half ihr auf die Beine zu kommen. „Ich bring sie mal eben zum Klo.“ Karen winkte ab. „Ach was. Halb so wild.“ Als sie zwei Minuten später über der Schüssel hing, wirkte sie nicht mehr
ganz so optimistisch. Alles drehte sich und sie fühlte sich mehr als scheußlich. „Oh mein Gott. Ich sterbe urrrgh.“ Wieder übergab sie sich in die Toilette. Carrie hielt ihr das Haar Fest. Den Hut hatte sie einfach auf den Boden abgelegt. „Ach was. Das überstehst du schon. Nur morgen könntest du nen ordentlichen Kater haben. Ist das dein erstes Mal?“ Sie nickte über den Rand der Schüssel hinweg. „Meine Eltern haben mir immer alles verboten was Spaß macht. Diese miesen Verbieter“, lallte sie und stützte sich ab. „Dabei wollte ich einfach nur wie andere Mädchen sein, aber nein. Immer
hieß es tu dies nicht, tu das nicht...oh Gott...“ Sie übergab sich erneut mit unschönen Lauten. Man war ihr das peinlich. Ihr Hals brannte. Das war die Erfahrung echt nicht wert gewesen. Zumindest hatte sie sich nicht das neue Kleid bekotzt. Martha würde sie wahrscheinlich umbringen. Oh man, wenn die das erfuhr. Das würde Ärger geben. „Und Ethan ist genau so. Dieser Vollarsch“, beschwerte sie sich. „Also ich find ihn ganz nett. Okay, er macht manchmal einen brummigen Eindruck, aber sonst ist er ganz okay.“ Die Blinde
grinste. „Stehst...stehst du etwa auf ihn?“ Peinliche Stille herrschte, die von ihr genutzt wurde sich erneut zu übergeben. Was sie so mitbekam, so war es dass Carrie ja viel Zeit mit ihm verbrachte. Sie allerdings verneinte nur. „Neee. Außerdem ist der viel zu alt und immer so ernst. Er hat in Norwalk ein paar Freunde verloren. Das hat er mir erzählt.“ Karen nickte. Diesen Josh hatte sie flüchtig kennen gelernt. Der Junge war den Beißern zum Opfer gefallen während die beiden nach ihr im Wald gesucht hatten. Sie ließ sich neben der Toilette nieder und starrte in die Leere.Ihr war
ganz Flau im Magen aber so wie es schien hatte sie das schlimmste überstanden. Zumindest war sie sich sicher, dass das erst mal das letzte Bier für sie war. „Du hast ganz schön zugelangt. Geht es dir jetzt besser?“, wollte die andere nur wissen. Sie nickte. „Hey...das war meine erste richtige Party. Und ich hab mein erstes Bier getrunken. Das war...das war gut.“ Für sie ein durchaus positives Fazit. Sie dachte nach. Auch zu Hause hatte sie auf eine Feier gehen wollen, aber ihre Eltern waren dagegen gewesen. Wahrscheinlich hätte sie den Tag wieder zu Hause verbracht. Kaum zu glauben
dass sie jetzt hier saß. Etwas wehmütiges wanderte in ihren Ausdruck „Ich vermiss meine Mum. Mir fehlt sogar ihr ständiges Genörgel. Und mein Dad. Die beiden fehlen mir. Ich kann gar nicht glauben dass....dass meine Mum nicht mehr da ist.“ Ihr versagte die Stimme. Einzelne Tränen liefen ihr übers Gesicht. So sehr sie sich auch dagegen gesträubt hatte näher darüber nachzudenken, so kam jetzt doch alles in ihr hoch. Zwar hatte sie so taff getan aber innerlich da vermisste sie die beiden sehr. Carrie ließ sich neben ihr nieder und nahm sie in den arm. Drückte sie dabei sanft an sich. „Ich vermiss meine Mum auch. Mein Dad
ist abgehauen als ich klein war. Ich hatte nur sie. In der letzten Zeit haben wir uns allerdings immer nur noch gestritten und dann bin ich irgendwann von zu Hause ausgezogen. Ich weiß gar nicht was aus ihr geworden ist. Manchmal denk ich, ich hab mich falsch verhalten und sie nicht richtig behandelt. Das denke ich zumindest jetzt. Es gibt so viel was ich ihr jetzt nicht mehr sagen kann weißt du, aber trotzdem. Ich weiß dass meine Mum will dass ich weitermache. Und das solltest du auch. Deine Eltern würden das wollen. Wir sind jetzt hier Karen. Fangen neu an. Leben weiter.“ Ihre Worte klangen ehrlich und von
Herzen. So hatte sie Carrie gar nicht eingeschätzt, aber sie war froh dass sie jetzt hier war. Sie mochte die junge Frau und vielleicht wurde aus den beiden ja noch so etwas wie beste Freundinnen. Konnte man ja nie wissen. Die andere boxte ihr sanft in die Seite. „Und jetzt komm. Lass uns zu den anderen gehen. Dann kannst du weiter mit Stan flirten. Nur küssen würde ich ihn erstmal nicht. Dein Atem stinkt total nach Burgern.“ Sie lachte und die Blinde konnte spüren wie sie errötete. „Dummie! Geh schon mal vor. Ich muss mal!“ Sie hievte sich nach oben. Stan war
schon ganz nett. Das musste sie ja zugeben. Über Carries Worte musste sie trotzdem grinsen, ehe sie sich langsam an der Wand in Richtung Ausgang tastete. Allerdings wurde sie jäh von jemandem zurück ins Badezimmer gestoßen. Sie erschrak und verlor den Halt. Unsanft kam sie auf dem Boden auf. „Ahh. Was zur Hölle?“ Da war jemand im Badezimmer. Carrie war es nicht. Die Person roch ziemlich stark nach Bier. Karen rutschte ein bisschen zurück und sah in die Richtung in der der Neuankömmling stand. „Wer ist da?“ Jemand trat sie unsanft in die Seite.
Schmerz machte sich breit. Dann beugte sich ihr Angreifer zu ihr runter und zog sie an den Haaren. Sie konnte Parfum riechen. „Leah?“ Sie schubste sie wieder zu Boden und kniete sich jetzt neben ihr auf dem Boden. „Du kleines Flittchen. Denkst du nicht ich hab dich nicht durchschaut? Die anderen fallen vielleicht auf deine Brave-Mädchen Masche rein, aber mich kannst du damit nicht verarschen.“ Sie klang wütend. Richtig erzürnt. Karen war vollkommen durcheinander. Mit diesem Angriff hatte sie wirklich nicht gerechnet. Langsam versuchte sie
sich durch den Raum von der Anderen weg zu robben, aber mit einem Tritt brachte diese sie wieder zu Boden. „Lass die Finger von meinem Freund du Nutte! Oder ich mach dich fertig!“ Darum ging es ihr also. Na super. Sie wusste gar nicht so recht was sie darauf sagen sollte. „Hör mal. Dein Freund hat mich angebaggert. Lass mich in Ruhe!“ Sie war wütend und tastete mit den Händen umher, fand etwas und warf es in die Richtung der anderen. Klang nicht so als hätte sie getroffen. Die andere lachte verächtlich. „Klar. Als würde der was mit Kindern anfangen. Pass auf was du sagst du
kleine Schlampe. Ich mach dich richtig fertig.“ Das war überhaupt nicht gut. Karen war immer noch angeschlagen vom Alkohol und die zwei Schläge von Leah hatten ihren Effekt erzielt. Die Andere zog sie an den Haaren in die Mitte des Raumes. Die 16-Jährige schrie. Ihre Angreiferin war total betrunken und stinksauer. Die würde so einfach nicht aufhören. Sie spürte wie die Teenagerin sie von hinten in den Schwitzkasten nehmen wollte, allerdings wusste sie sich dieses Mal zu helfen, packte die andere an der Hand und biss zu. Leah schrie auf und stieß sie von sich weg. Karen schlug mit dem Kopf irgendwo
gegen. „Du Miststück“, raunte Leah ihr entgegen. Die 16-Jährige robbte über den Boden, möglichst fort von ihr. Sie konnte Schritte von draußen hören und ehe sie sich versah war jemand herbei geeilt. „Lass sie sofort in Ruhe!“ Es war Carrie. Sie war zurück gekommen. Hilfesuchend kroch die Blinde auf die Rothaarige zu. Sie schien allerdings nicht allein zu sein. „Was ist hier los?“ Es war Dwight der ebenfalls im Türrahmen stand und die Situation beäugte. Carrie beugte sich zu ihr herunter und half ihr langsam auf die
Beine. Sie blutete aus Lippe und Nase. Konnte den Geschmack des Blutes auf ihrer Zunge schmecken. Sie spuckte aus. „Leah hat mich angegriffen“, erklärte sie mit brüchiger Stimme. Die andere protestierte lauthals. „Die Schlampe hat meinen Freund angebaggert.“ „Ladys. Es reicht jetzt“, kam es nur von Dwight. „Was soll das? Musst du sie gleich grün und blau schlagen? Du tickst wohl nicht richtig!“ Jetzt waren auch andere Leute dazu gekommen die den Lärm mitbekommen hatten. Ein paar kümmerten sich um Karen und versorgten sofort ihre
Verletzungen, während die anderen Leah beruhigten. Martha war eine der ersten die bei ihr waren und sich das ganze ansahen. „Was ist passiert Karen?“, wollte sie wissen und setzte die Blinde auf eine der Bänke. „Sie hat mich einfach angegriffen. Ich hab gar nichts gemacht“, verteidigte sie sich. „Bist du betrunken?“ „Nein...ja...ein bisschen.“ Sie reinigte ihre Wunde und setzte sich neben ihr auf die Bank. Auch Carrie war bei ihr und half mit die Situation aufzuklären. „Leah war eifersüchtig weil sich Stan an
Karen rangemacht hat. Sie hat ihr wahrscheinlich auf der Toilette aufgelauert.“ Die andere lauschte aufmerksam. Die 16-Jährige hoffte nur, dass das nicht all zu viel Ärger geben würde. Sie beide schilderten ihr so gut es ging die Situation. Letztendlich nickte Martha. „Okay. Ich werd mit Leah reden. Jetzt gibt’s kein Bier mehr. Nachher ist noch die Beerdigung von Abby. Und Karen?“ Fragend sah die Blinde in ihre Richtung. „Ja?“ „Du hast
Hausarrest!“ „WAS?!“ - Ethan - Die meiste Zeit über hatte er sich eher im Hintergrund gehalten und sich die Situation aus Distanz betrachtet. Das Barbecue war in vollem Gange. Die Auseinandersetzung zwischen Leah und Karen hatte der Banker nur am Rande mitbekommen. Ihm war klar dass so etwas früher oder später mal passieren musste. Besonders im Zusammenhang mit Alkohol. Er würde allerdings
niemandem eine Predigt halten. Das war nicht seine Art und Mittlerweile hatte sich die Lage auch wieder entspannt. Martha ließ die Blinde allerdings seit der Geschichte nicht mehr aus den Augen und wie es schien hatte die 16-Jährige Ärger bekommen. Er hatte sie gewarnt. Ein Seufzer entkam ihm. Er saß mit Dean an einem Tisch und nippte an seinem Glas Orangensaft. Der füllige Mann schien noch derjenige zu sein der am wenigsten angetrunken war. Mit ihm wurde er allerdings nicht sonderlich warm. Dieser Typ hatte eine komische Art und Weise an sich. Er war ein Mitläufer der keine eigenen Entscheidungen treffen konnte und nicht
wirklich Mumm hatte. Als die Mädchen stritten hatte er weiterhin am Tisch gesessen und gemeint sie sollten sich besser nicht da einmischen. Wenn er ehrlich war vermisste er Ian. Mit dem konnte man zumindest ein normales Gespräch führen. Kaum zu fassen dass er einfach gegangen war. Ethan sah zu Stanton der sich gerade mit ein paar Leuten unterhielt. Der Bürgermeister kam ihm schon etwas komisch vor. Naja, lag wohl an diesem verschrobenen Inselcharme. War ähnlich wie bei den Leuten vom Land. Die tickten wohl nun mal ein wenig anders. „Und was werden sie jetzt machen Dean? Bleiben sie auch
hier?“ Der Angesprochene biss in seinen Burger und nickte nur. „Ist wohl das beste. Ich mein, hier ist es sicher und die Dinger haben es nicht geschafft sich hier auszubreiten, also werd ich wohl hierbleiben. Ist das beste was wir machen können. Und sie Ethan?“ Er zuckte nur mit den Schultern und tippte mit der Hand auf dem Tisch herum. „Ich finde es nur ein wenig schade dass auf einmal alle so tun wollen als wäre nie etwas passiert. Wir haben gute Leute verloren und das scheint auf einmal vollkommen egal zu sein. Die Turners
sind die einzigen die noch wirklich trauern. Und Carrie. Dem Rest scheints nicht viel auszumachen dass wir jetzt hier sind. Für sie geht das Leben weiter.“ Er klang ziemlich verbittert dabei. Sie hatten alle jemanden verloren der ihnen Nahestand und es schien beinahe so als versuchten die meisten diesen Umstand einfach vergessen zu wollen. Natürlich schloss jemand irgendwann mit den Dingen ab aber doch nicht so. Er fand es einfach nicht richtig hier zu sitzen und zu feiern. Das war alles. „Naja Ethan. Die einen haben eben mehr verloren als andere. Ich hatte niemanden dem ich nachweinen
könnte.“ Er verputzte den Rest seines Burgers und seufzte entspannt. Der Typ war ihm echt unsympathisch. Das er so gleichgültig sein konnte. Dachte wohl wirklich nur an seine eigene Haut. Verdammter Egoist. „Und Karens Eltern? Ich dachte sie haben sie gut gekannt.“ War ja eine berechtigte Frage. Dean zuckte nur mit den Schultern. „Natürlich ist das traurig. Besonders für Karen, aber sehen sie doch mal selbst. Ihr geht es gut hier. Sie hat eine neue Chance bekommen. So wie wir alle.“ Man. Das genügte ihm. Er erhob sich vom Tisch und ließ den Brillenträger
allein zurück. Der sah ihm noch verdutzt nach. Dean war wirklich kein Gesprächspartner für ihn. Er suchte nach Dwight, fand allerdings nur Stanton, der geradewegs auf ihn zuschritt und ihm zulächelte. Mittlerweile hatte er sein Jackett ausgezogen und trug ein weißes Hemd darunter, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. „Ethan. Da war ganz schön was los vorhin was? Die Mädchen haben sich jetzt beruhigt. Martha hat Karen ne kleine Predigt gehalten aber das war richtig. Ich meine, ihr seid jetzt allein Teil der Gemeinde und hier gibt es nun mal Regeln an die man sich halten soll.
Ich bin natürlich kein Spielverderber. Spaß kann jeder haben, man sollte es nur nicht übertreiben. Oder wie sehen sie das?“ Er nickte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. „Natürlich. Sie haben Recht. Wahrscheinlich waren sie einfach nur noch ein bisschen unsicher. Ich mein es ist viel passiert bis wir hier angekommen sind.“ Stanton lächelte nur. „Natürlich. Jedenfalls sollen sie wissen, wenn sie oder ihre Leute etwas brauchen, dann scheuen sie nicht mich zu fragen. Ich denke ich werd hier gleich auch Schluss machen. Sonst
kommt die arme Abby heute gar nicht mehr unter die Erde. Es wurde bereits alles vorbereitet. Ich war auf dem Friedhof und hab eine schöne Stelle ausgesucht. Ihre Eltern werden sie mögen. Und sie? Sind sie auch dabei?“ Er nickte. Natürlich wollte er der 9-Jährigen die letzte Ehre erweisen. Alles andere wäre ihm falsch vorgekommen. Die Turners würden es sicherlich auch gut finden, wenn man ihrer Tochter den richtigen Respekt zollte, auch wenn er die Kleine nicht wirklich gekannt hatte. „Das ist gut Ethan. Es ist schade und sehr bedauerlich dass ein so junger Mensch so früh sterben musste. Gab es
keine Chance sie zu retten?“ Er schüttelte den Kopf. „Alles ging viel zu schnell. Als wir es wirklich bemerkten war es schon zu spät. Alles was wir tun konnten, war es ihr so bequem wie möglich zu machen und dafür zu sorgen dass sie sich nicht in eines dieser Monster verwandelt. Das hätte ihren Eltern wahrscheinlich den Rest gegeben.“ Er biss sich auf die Unterlippe. Daran wollte er gar nicht denken. Diese Dinger waren eine Sache, aber wenn es sich dabei um einen geliebten Menschen handelte, war das etwas vollkommen anderes. Stanton putzte sich seine Brille und nickte auf die Worte des
Bankers. „Ich will mir gar nicht ausmalen wie das da draußen wohl ist. Wir hatten hier eine Menge Glück.“ Ethan musterte ihn. „Und sie hatten keinen Ausbruch?“ Der andere schüttelte nur den Kopf. „Nein. Hier ist alles ruhig geblieben. Wir leben hier abgeschieden. Wäre die Seuche hier ausgebrochen hätten wir es wohl nicht geschafft. Wir sind nur eine kleine Gemeinde. Wie schon gesagt. Wir hatten Glück.“ Er zwinkerte ihm zu und schritt davon. Ethan sah ihn einen Augenblick lang nach. Kaum vorzustellen dass sich hier nichts zugetragen hatte. Trotzdem
verließ ihn dieses seltsame Gefühl einfach nicht. Erst die Sache mit den alten Leuten die Ian angesprochen hatte, dann war der Sträfling einfach ohne Abschied verschwunden und jetzt die Tatsache dass es hier offensichtlich keine Beißer gab. Da passte doch etwas nicht zusammen. Er sah Stanton nach. Dieser Mann verheimlichte ihm doch irgendetwas. Sollte er vielleicht doch mit den anderen darüber sprechen? Und was wenn er sich irrte? Es gab einfach zu viele Ungereimtheiten die ihm sauer aufstießen. Er fand schließlich Dwight und zog den Afroamerikaner zur Seite. „Sag mal. Du hast dich doch mit den
Anderen ein wenig umgesehen oder? Ist dir hier nichts seltsames aufgefallen?“ Der andere sah ihn nur fragend an. „Was meinst du man? Also wir sind nicht wirklich weit gekommen. Am Stadtrand hat man uns wieder zurückgeschickt. Man meinte ohne Fremdenführer sei die Wildnis zu gefährlich für Neuankömmlinge. Wir habens dann sein gelassen. Ich hab mir da nichts weiter bei gedacht. Aber du hast Recht. Der Braten riecht faul. Keine Alten und Kranken. Dann die Ausgangssperre. Scheint mir beinahe so als wolle unser lieber Bürgermeister uns im Auge behalten und dafür sorgen dass wir die Stadt nicht
verlassen.“ Ethan nickte. „Genau. Das hat Ian auch schon gesagt. Ihm war das mit den Alten nämlich zuerst aufgefallen. Auch find ichs n bisschen seltsam dass er einfach ohne ein Wort abhaut. Ich meine klar, er ist n Arsch aber der geht nicht einfach so. Besonders meinte er ja noch er würde bis zu Abbys Beerdigung bleiben. Da stimmt doch irgendwas nicht Dwight. Keiner sieht das.“ Nachdenklich legte der andere den Kopf schief. Er war sich nicht sicher was er darauf sagen sollte. „Meinst du Ian ist was zugestoßen? Vielleicht hat er sich hier umgesehen?
Und dann was gesehen was unserm Nick nicht gefallen hat.“ Ethan sah ihn skeptisch an. „Okay hier stimmt was nicht, aber meinst du die würden ihm was antun?“ Der andere zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung aber bei diesem Stanton klingelt mein sechster Sinn. Irgendwas stimmt mit diesem weißen nicht.“ Zumindest waren sie sich was das anging einer Meinung, aber was sollten sie jetzt machen? Sie hatten keine Beweise dafür und es würde auffallen wenn sie sich jetzt von der Gruppe absetzten. Ethan überlegte. „Wir sollten bis nach der Beerdigung warten und dann mit den Anderen
reden.“ Dwight nickte nur und kratzte sich an der Nase. Es war gut dass er auf seiner Seite war. Da war er immerhin nicht der einzige dem die Sache hier spanisch vorkam. Seltsam war hierbei nur dass niemand der Bewohner etwas sagte. Wussten die Bescheid? Innerlich schüttelte er den Kopf. Es war besser keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wenn er sich irrte und jemanden zu unrecht beschuldigte würde das nur ein schlechtes Licht auf sie alle werfen und er wollte hier niemandem die Chance nehmen neu anzufangen. Besonders Karen tat es gut dass sie jetzt hier war. Erst einmal würde er abwarten und dann
weitersehen. - Ian - Langsam regte er sich. Alles schmerzte ihm und er füllte sich seltsam benommen. Grunzend und schnaubend kehrte er in die Realität zurück. Man hatte er vielleicht Kopfschmerzen. Als hätte er gestern Nacht ordentlich gefeiert. Ihm war schwarz vor Augen und alles drehte sich. Er war völlig orientierungslos. Was war passiert? Das letzte woran er sich erinnern konnte, war dass er sich ein wenig umgesehen
hatte. Der schwarze Van! Genau! Er war diesem Van gefolgt bis zu einem Gebäude im Wald. Er hielt sich den Kopf. Das würde eine Beule geben. Langsam setzte Gold sich auf. Er brauchte einen Moment ehe er realisierte wo er war. Man hatte ihn in eine Kammer gesperrt, zusammen mit den alten und Kranken die er schon gesucht hatte. Zumindest die hatte er gefunden. Einer der Anwesenden, ein alter Mann mit Brille und beiger Jacke kam etwas näher. „Man wir dachten schon sie stehen gar nicht mehr auf. Sie haben da aber einen ordentlichen Schlag abbekommen.“ Er brauchte noch einen Moment, bis er
sich langsam aber sicher an seine Umgebung gewöhnt hatte. Dann fummelte er in seiner Tasche herum. Zumindest hatten sie ihm nicht seine Zigaretten abgenommen. Eine steckte er sich an und warf einen Blick auf den alten, der bei den anderen saß. „Wie lange war ich weg?“ Der Alte zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht ein paar Stunden. Die haben sie hier hinein geworfen und sind dann wieder weg.“ Ian nickte nur. Dann zog er an seiner Zigarette. „Und sie? Wieso sind die ganzen Leute hier?“ Der alte Mann sah ihn bitter
an. „Naja. Es ging hier vorgestern los. Jemand starb und stand wieder auf und fing an die Lebenden anzugreifen. Dann hat der Bürgermeister gestern Abend verfügt dass alle Alten und Kranken von den Anderen weggesperrt werden um eine Ausbreitung zu verhindern. Seitdem sitzen wir hier. Die die's nicht schaffen bringen sie nach draußen und werfen sie in die Grube zu den Anderen.“ Na Klasse. Also hatte er Recht gehabt. Etwas lief hier ganz und gar nicht wie es sollte. Das war ihm gleich seltsam vorgekommen. Jetzt saß er hier fest und die anderen waren da draußen und hatten wahrscheinlich keinen blassen
Schimmer was hier eigentlich abging. „Und sie? Wie sind sie hierhergekommen?“, wollte der Alte wissen. „Naja, ich komme vom Festland mit ein paar Anderen. Wir sind heute Morgen hier angekommen. Mir kam das alles n bisschen komisch vor und da bin ich der Sache natürlich auf den Grund gegangen. Verfickte Scheiße. Wer hätte ahnen können dass der Bürgermeister sie nicht mehr alle hat?“ Wenn doch nur Henry hier wäre. Der wüsste sicher was zu tun hatte. Allerdings war's auch sein Plan gewesen hier herzukommen. Schöne Scheiße. Das hatten sie jetzt davon. Stumm saß er
da und dachte nach. Von den anderen wusste wahrscheinlich keiner dass er hier war. Sicher hatte man ihnen irgendeine Geschichte erzählt so wie bei den alten Leuten. Klasse Aussichten. Er war nicht hierher gekommen um in irgendeinem Bunker im Wald zu verrecken. „Ich bin übrigens Norman.“ „Ian. Ian Gold. Hat schon jemand versucht von hier abzuhauen?“ Der andere schüttelte den Kopf. „Nein. Das wäre Irrsinn. Nate lässt die Gänge kontrollieren. Außerdem sind sie alle bewaffnet. Wer versucht auszubrechen findet sich höchstens in der Grube wieder. Das hat keinen
Zweck. Was ist mit den Leuten mit denen sie gekommen sind?“ Gold zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung. Ich hab zwar gesagt dass ich das alles seltsam finde, aber ob da einer nachhakt ist ne andere Frage. Fuck. War ja klar dass irgendwas mit diesen Inselfreaks nicht stimmt.“ Der alte Norman lächelte nur. Wenn es einen Ausweg gab dann hatte der ihn noch nicht gefunden. Der Sträfling sah sich im Raum um. Die Fenster waren vergittert und die Tür abgeschlossen. Hier kam man nicht so einfach raus. Dafür hatte man gesorgt. Es wäre besser gewesen er wäre zurück gegangen um die anderen zu warnen,
aber nein, er musste es ja unbedingt wieder auf eigene Faust machen. Shit. Wenn ihm nicht was einfiel würden er und die anderen wahrscheinlich ebenfalls in der Grube enden. Er überlegte. Mit reiner Logik allein würde man hier nicht weit kommen. Er musste sich etwas ausdenken. Draußen konnte er hören wie der Van wieder wegfuhr. Wahrscheinlich erstatteten die braven Handlanger ihrem Boss Bericht. Stumm sah er sich im Raum um und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Dann sah er noch einmal zur Tür. In seinem Kopf bildete sich tatsächlich so etwas wie eine Idee. Wenn das klappte würden sie es hier raus
schaffen. Wenn nicht, waren sie alle tot. Jedenfalls war er nicht der Typ der hierbleiben würde um die Sache einfach aus zu sitzen. Er sah sich weiter im Raum um. An der Decke hingen ein paar Balken die man durch etwas springen erreichen konnte. Er versuchte es und konnte sich zumindest an sie dran hängen. Fragend musterte Norman ihn. „Was haben sie vor?“ Der Sträfling ließ sich fallen und drückte seine Zigarette aus. Ein Grinsen zierte seine Gesichtszüge. „Ich rette ihren faltigen alten Arsch. Lady? Geben sie mir bitte ihre Haarnadel.“ Die Aufforderung war an eine alte Frau
gerichtet, die ihm Folge leistete. Gold kniete an der Tür und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Keine zwei Minuten dauerte es bis es klickte. Zufrieden mit sich selbst gab er die Haarnadel zurück. „Das wär schon mal geschafft.“ Überrascht starrten die Anwesenden ihn an. „Wie haben sie das gemacht?“ „Betriebsgeheimnis! Und jetzt passen sie auf. Gehen sie alle in eine Ecke.“ Sie taten was er ihnen Befahl. Anschließend öffnete er vorsichtig in den Flur an deren Ende ein Wachposten stand. Mit einem Pfiff machte er auf sich Aufmerksam und verschwand
wieder im Innern des Raums. Ian zog sich an einem der Balken über der Tür hoch und wartete bis der Wachposten mit gezogener Waffe den Raum betrat. Wütend starrte er zu Norman. „Scheiße. Ihr alten Wichser! Wo ist der Neue?“ Mit diesen Worten sprang er von Oben herab und setzte den Mann mit einem gezielten Schlag außer Gefecht. Das hatte ja ganz gut geklappt. Er schnappte sich die Waffe des Wachmanns. Am Gürtel hatte der auch noch ein Messer dass sich Gold an den Gürtel steckte. Dann sah er wieder in den Flur hinaus. Der Weg war frei. „Ihr wartet hier. Ich bin gleich
zurück.“ Der alte Mann sah ihn zögernd an. „Was haben sie vor Ian?“ Der Sträfling überprüfte das Magazin der Pistole und steckte sich eine weitere Zigarette an. „Ich sag mal Hallo!“ Langsam bahnte er sich seinen weg durch den Korridor und gab darauf acht, ja nicht zu laut zu sein. Wer wusste schon wie viele von diesen Typen hier waren? An der nächsten Ecke spähte vorsichtig in den nächsten Gang. Wieder einer von diesen Wachleuten. Mit dem wurde er fertig. Er wollte gerade los, als ihn jemand an der Schulter
packte. „Sie gehen nicht alleine!“ „Scheiße Norman! Sind sie bescheuert?“, flüsterte er. Die Wache hatte sie nicht bemerkt. „Schwingen sie ihren faltigen Hintern wieder zurück zu den Anderen!“ Der alte Mann ließ sich nicht darauf ein schüttelte vehement den Kopf. „Das schaffen sie nicht allein, auch wenn sie n bisschen was drauf haben. Die Typen werden sie erschießen.“ Der Sträfling verdrehte die Augen. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Er schob ihn etwas in den Gang zurück. Zu spät. Der Wachmann hatte sie bemerkt.
Ian konnte gerade schnell genug reagieren um ihn zu entwaffnen. Der andere holte zum Faustschlag aus. Gold blockte mit der rechten und trat dem Wachmann in die Weichteile. Er taumelte. Mit einem weiteren Schlag brachte er ihn zu Fall. Alles passierte schnell. Norman sah sich das ganze an. „Okay. Ich weiß was ich mache.“ Ian nickte „Ja sie schieben ihren Arsch da jetzt wieder rein!“ Der alte Mann nickte nur und ging zu den Anderen zurück. Zumindest wäre das jetzt geklärt. Aber was jetzt? Er konnte entweder zurück in die Stadt und versuchen den Rest zu warnen oder
hierbleiben. Blieb nur die Frage was sie mit den alten Knackern machen würden, wenn sie herausfanden dass er weg war. Das Risiko würde er nicht eingehen. Es klebte schon genügend Blut an seinen Händen. Allerdings hatte Norman Recht. Alleine würde er es sicher nicht schaffen. Dafür waren es zu viele. Außerdem würde es nicht lange dauern bis sein kleiner Ausbruchsversuch ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Was also tun? Die Leute raus schaffen? Und was dann? Man würde sie verfolgen. Es sei denn man konnte Stanton öffentlich konfrontieren. Dabei stellte sich natürlich die Frage wie viele Leute hier involviert waren. Was
scherten ihn eigentlich diese Leute? Man, die Anderen hatten ihn echt ein wenig verweichlicht. Warum sah er nicht einfach zu, dass er sich selbst rettete? Wenn die Anderen nicht zu neugierig waren, würde ihnen schon nichts passieren. Das Gesicht von Henry Mills tauchte vor seinem geistigen Auge auf. „Führen Sie sie weiter!“, drang seine Stimme in sein Ohr. Das hatte er. Bis hierher. Und jetzt? Er hatte doch nicht ahnen können dass die Insel von einem Irren kontrolliert wurde. Er biss sich auf die Unterlippe. Unwillkürlich musste er wieder an die kleine Abby denken und an ihren dummen Stoffhasen Mr.
Donald. „Scheiße Henry. Warum hast du mich damit allein gelassen du mieser Wichser?“, flüsterte er in die Stille hinein. „Hast sogar noch Abby zu dir geholt du blödes Arschloch!“ Mit einem Mal war er stinksauer. Wütend auf Henry, wütend auf sich selbst. Er konnte die Anderen nicht einfach sich selbst überlassen. Er überprüfte den Weg zur Hintertür. Da gab es nur einen Wachposten, den er mit einem Schlag der Pistole auf dessen Hinterkopf außer Gefecht setzte. Draußen war es verdächtig ruhig. Nur
das Grunzen und Knurren der Beißer von der Grube war zu hören. Schien so als wäre der Weg in den Wald frei. Das war zumindest ein Anfang. Er kehrte zurück zu Norman und den Anderen. „Also gut. Ich hab den Hinterausgang gesichert. Wir sehen zu dass wir hier rauskommen. Wahrscheinlich sind die Anderen auf dem Weg zu Abbys Beerdigung. Gibt es noch einen anderen Weg von der Insel außer die Boote?“ Der alte Mann sah ihn perplex an. „Was haben sie denn vor?“ Der Sträfling fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich bleib sicher keinen Moment länger auf diesem beschissenen Felsen. Also
Norman. Raus mit der Sprache!“ Der alte Mann nickte. „Ja. Es gibt einen Flugplatz. Hinter dem Wald.“ Das war zumindest ein Anfang. Klang schon mal nicht schlecht. „Super. Ich denke aber nicht dass sie ne Boeing da stehen haben oder? Ich brauch n bisschen Platz wenn sie auch mitkommen wollen. Es sei denn natürlich sie wollen hierbleiben.“ Norman schüttelte nur den Kopf. „Es gibt eine etwas größere Maschine für Touristengruppen.“ Gut. Das klang sogar sehr gut. War eine Überlegung wert. Fragte sich nur wie er sie alle zum Flugplatz bringen sollte. Und
wer wusste schon ob der nicht auch bewacht wahr? Sicher hatte Stanton es nicht gern, wenn sich jemand einfach so von seiner Insel verdrückte. Ihm musste etwas einfallen. Am besten so etwas wie ein Ablenkungsmanöver. Wenn alle bei der Beerdigung waren würde es in der Stadt sicher nicht ganz so voll sein. Vielleicht sollte er versuchen Stanton irgendwie gefangen zu nehmen. Nein. Das war Blödsinn. Der Plan mit dem Flugzeug war schon ganz gut, nur an der Umsetzung musste er noch arbeiten. Stumm lehnte er an der Wand und tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen die
Stirn. „Ian?“ „Klappe, ich versuch nachzudenken. Wie weit ist es vom Friedhof zum Flugplatz?“ „Öh...Keine Ahnung? Zu Fuß eine halbe Stunde glaube ich. Was haben sie vor?“ Der Sträfling zündete sich eine Zigarette an. „Also gut. Norman sie kommen mit mir. Ich brauche einen Zeugen. Der Rest von euch wartet im Wald in der Nähe vom Flugplatz. Keine Alleingänge kapiert? Norman und ich holen die Anderen und dann treffen wir uns im Wald in der Nähe vom Flugplatz.“ Entweder das funktionierte, oder das war der dümmste Einfall aller Zeiten.
Der Alte starrte ihn an.
„Okay. Und wie wollen sie ihre Freunde da raus holen?“
„Daran arbeite ich noch...“
Er seufzte und zog an seiner Zigarette.
„Also. Jeder geht nochmal pissen. Ich will nicht das unterwegs jemand jammert weil er auf's Klo muss kapiert?“
- Karen - Es wehte eine leichte Brise auf dem Friedhof. Es roch nach frisch gemähtem Gras, frischen Blumen und den verschiedenen Parfums der Anwesenden. Inzwischen ging es ihr wieder besser. Martha hatte sie kurz zu sich nach Hause mitgenommen, damit sie sich für Abbys Beerdigung ein wenig frisch machen konnte. Dennoch war Karen ein wenig verunsichert. Die Konfrontation mit Leah ging ihr nicht
aus dem Kopf. Wenn sie sich anders verhalten hätte, hätte es für sie keinen Grund gegeben sie anzugreifen. Vielleicht hätte sie Stan auf Distanz halten sollen. Das wäre besser gewesen. Wer flirtete auch schon mit Jungs die eine Freundin hatten? Das war ziemlich dumm. Sie seufzte und faltete die Hände vor dem Bauch ineinander. Nach dem Fest waren sie alle hierher gekommen um von Hanks und Natalies Tochter Abschied zu nehmen. Sie konnte das Schluchzen der Familie hören. Immer wieder drang es an ihr Ohr. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Die Leute hüllten sich während dem Gang zum Friedhof im Schweigen und auch jetzt da sie hier
standen schwiegen sie alle, während sie hören konnte, wie man den Sarg langsam in sein Grab hinab ließ. Stanton hatte ziemlich schnell alles für die Beerdigung organisiert.. Es war gut dass Hank und Natalie die Gelegenheit hatten von ihrer Tochter Abschied zu nehmen. Sie selbst hatte diese Chance nicht gehabt, was ihre Mutter betraf. Ethan hatte sie einfach in dem Auto liegen lassen. Niemand würde Blumen auf ihr Grab legen, oder einen Ort haben, an dem er sie besuchen konnte. Dieser Gedanke stimmte die 16-Jährige traurig. Schon immer hatte sie Beerdigungen gehasst. Die Stimmung war nichts für sie. Das hatte sich auch
jetzt nicht geändert. Die bedrückende Lage ließ sich beinahe auf der Zunge schmecken. Jemand nahm sie bei der Hand und reichte ihr etwas. Langsam tastete Karen über das Objekt und erkannte, dass es eine Blume war. „Das ist eine weiße Rose. Jeder bekommt eine, damit er sie in Abbys Grab legen kann“, erklärte ihr Martha mit ruhiger und melodischer Stimme. Sie nickte. Sie kannte diese Frau zwar noch nicht sonderlich lange, aber sie war ihr ein wenig ans Herz gewachsen. Sie freute sich schon sehr darauf sie und die anderen Bewohner der Insel besser kennen zu lernen. Am Anfang hatte sie Zweifel gehegt, ob dies wirklich
richtig war. Einfach neu anzufangen, aber jetzt fühlte sich das ganze gar nicht mehr so seltsam an. „Danke. Martha? Ich habe nachgedacht. Ich weiß ich hab heute nicht wirklich mit bestem Benehmen geglänzt.“ Sie legte den Kopf ein wenig schief. Ja, wegen ihrem Verhalten auf der Feier hatte es Ärger gegeben. Sie hatte Hausarrest und durfte das Haus eine Woche nicht verlassen. Man hatte ihr allerdings gestattet der Beerdigung beizuwohnen. Ansonsten hätte sie wohl auch protestiert. Sie wollte sich richtig von der Kleinen verabschieden. „Ist schon in Ordnung Karen. Jeder stellt mal Unsinn an. Wir waren alle mal
jung. Mach dir deswegen keinen Kopf.“ Sie streichelte ihr über die Schulter. Diese Frau hatte viel Liebe in sich. Es war schade, dass sie keinen Mann hatte. Solche Menschen verdienten es eigentlich nicht allein zu sein. Niemand verdiente das. Es war gut dass Abby Menschen hatte, die sie liebten und sich die Zeit nahmen, lebe Wohl zu sagen. Sie roch an der Rose und sog den lieblichen Duft der Blume ein. „Danke, dass du so viel für mich tust, obwohl du's es eigentlich gar nicht musst. Was ich sagen wollte, ich will bleiben. Also bei dir. Ich bin vielleicht keine große Hilfe bei der Post oder beim Socken sortieren, aber ne Glühbirne
auszuwechseln oder so werde ich bestimmt hinkriegen.“ Die Andere lachte über diesen Kommentar und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Das hört sich doch gut an. Ich freue mich sehr. Du wirst dich hier sicher gut einleben. Ehe du dich versiehst bist du eine von uns.“ Sie nickte nur, auch wenn sie sich innerlich gar nicht so fühlte. Nach außen hin mochte sie hinter dem Sommerkleid, den Sandalen und dem schicken Hut vielleicht so wirken, aber es gab vieles, was sie beschäftigte. Jedoch verwarf sie diese Gedanken fürs erste. Es war jetzt wichtig, sich auf die
Beerdigung zu konzentrieren. Es wurde etwas ruhiger. Anscheinend ging es jetzt los. Stanton begann seine Rede und durchbrach die Stille: „Ich finde es gut, dass so viele von euch hierher gekommen sind, obwohl sie es nicht gemusst hätten. Das ist klasse. Ich bin mir sicher, dass die Turners es sehr zu schätzen wissen, dass ihr heute zusammen mit ihnen von ihrer Tochter Abschied nehmt. Diese Familie ist jetzt ein Teil unserer Gemeinschaft und ich würde es mir wünschen, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, ihnen in dieser Zeit beizustehen, ihnen Trost spendet und ihnen zeigt, dass sie nicht alleine sind.
Wir zeigen ihnen, dass sie jetzt Teil unserer Familie sind und in einer Familie steht man sich in schweren Augenblicken bei. Man weint zusammen, lacht zusammen. Niemand steht allein. Das ist wichtig.“ Er sprach sehr gut und jeder schien ihm aufmerksam zuzuhören. Da war niemand der dazwischen plapperte. Alle schienen an seinen Lippen zu hängen, wie auch sie selbst. Was seine Ausstrahlung anging, war er nicht zu unrecht Bürgermeister dieser Leute. Er wusste was er tat und was er im richtigen Augenblick sagen musste. Sie schwieg, ließ sich von seinen Worten berieseln, während sie die frische Luft genoss, die
ihr ins Gesicht wehte. Sie mochte diese frische Luft, die sich mit dem Salzgeruch des Meeres mischte. Es kitzelte angenehm in ihrer Nase. Die Stadt roch immer so nach Abgasen und allem möglichen anderen Gestank. Hier war die Luft viel reiner und frischer. Dennoch war da etwas in der Luft. Einen Augenblick lang, als eine Brise ihr entgegenwehte, nahm sie es war, diesen Geruch. Diesen fauligen Gestank. Über dies überrascht hob die Blinde den Kopf, rümpfte die Nase. „Was ist los?“, wollte Martha wissen. Sie hatte es direkt mitbekommen. Karen schüttelte den Kopf und lächelte. „Nichts, mir ist nur gerade etwas wieder
eingefallen. Alles in Ordnung.“ Ein wenig hatte es sie irritiert, aber als sie in sich ging, war der Geruch auch schon wieder verschwunden. Nur für den Bruchteil eines Augenblicks hatte sie ihn wahrgenommen. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Wahrscheinlich hatte ihr Verstand ihr nur einen Streich gespielt. Hier gab es keines von diesen Dingern. Hier waren sie alle sicher. Das musste sie sich immer wieder in den Hinterkopf rufen. Sie konzentrierte sich wieder auf die Zeremonie und die Rede des Bürgermeisters. „Nun gut. Ich denke das reicht für den Anfang. Wie euch sicher aufgefallen ist,
hat Martha jedem von euch eine Blume gegeben. Ihr könnt sie jetzt auf Abbys Grab legen und ein paar Worte sagen wenn ihr möchtet. Den Anfang macht Hank, ihr Vater.“ Wieder wurde es still während sie hören konnte wie Abbys Vater langsamen Schrittes durch das Gras stapfte und dann stehen blieb. Sie konnte hören dass er um Fassung rang. Auch ihr standen die Tränen in den Augen. „Abby war ein gutes Mädchen. Sie war immer ziemlich neugierig und hat sich nie davor gescheut die Dinge um sich zu erkunden und zu entdecken. Immer wenn sie traurig war, hat sie sich an ihren Stoffhasen gekuschelt und dann
später gelacht. Sie...sie liebte Schokolade...und und spielte gerne draußen. Im Herbst...Im Herbst hat sie sich immer auf die...auf die Laubhaufen gelegt oder sich in ihnen versteckt...Einmal da haben wir sie stundenlang gesucht...Sie war in einem Laubhaufen eingeschlafen in dem sie sich versteckt hatte...“ Er brach wieder in Tränen aus. Leute murmelten Beileidsbekundungen und drückten ihr Mitgefühl aus. Der 16-Jährigen liefen die Tränen über die Wange. Sie hatte versucht stark zu sein, aber jetzt brach alles vor ihr zusammen. Der Verlust ihrer Mutter, das verschwinden ihres Vaters und ihrer
Grandma und jetzt der Tod von Abby. Noch immer konnte sie nicht verstehen wer so grausam sein konnte und Eltern einfach ihr Kind nahm. Die Kleine hatte niemals jemandem etwas getan. Das war so verdammt unfair und ungerecht! Das hatte sie einfach nicht verdient. Carrie trat an ihre Seite, um sie zu trösten. Karen konnte hören dass sie kaum merklich schluchzte. Sie standen Arm und Arm und ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Die weiße Rose hielt die Schwarzhaarige fest umklammert. Sie zitterte. Auch Ethan war an ihrer Seite und spendete Trost. Sie alle trauerten. Die einen zeigten es eben mehr und die anderen
weniger. Es war nur schade, dass Ian nicht geblieben war. Abby hätte sicher gewollt, dass er sich von ihr verabschiedet hätte. Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und versuchte sich wieder zu fassen. Natalie sagte gerade ein paar Worte über ihre Tochter, als sie wieder diesen Geruch wahr nahm. In der Stadt war das nicht so gewesen. Nur hier draußen im freien, wo sie von der Natur umgeben waren. Das beunruhigte sie. Vorhin noch hatte sie es für einen Zufall gehalten, aber jetzt drängte sich ihr dieser Gestank wieder auf. Der Wind trug ihn
her. „Was ist los Karen? Du bist ziemlich blass. Ist alles in Ordnung?“, kam es von Ethan, der ihr eine Hand auf die Schulter legte. Der Duft des Todes vermischte sich mit dem scharfen seines Rasierwassers und trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr wurde übel davon. „Es...es stinkt. Die Luft...Ich kann es in der Luft riechen Ethan. Es riecht nach Tod. Nach diesen Dingern...“ Sie flüsterte, so dass nur er es hören konnte. Martha sollte das nicht unbedingt mitbekommen. Sie wollte niemanden beunruhigen und so war es besser, wenn nur er es erfuhr. Ob er ihr Glauben schenkte war eine andere Frage.
Die Hand des Bankers ruhte noch immer auf ihrer Schulter. „Ach mach dir keinen Kopf. Das ist nur der Friedhof.“ Sie schüttelte den Kopf und löste sich von ihm. „Nein. Das ist es nicht. Ich bin vielleicht blind aber nicht blöd Ethan! Es riecht nach diesen Dingern. Wie in Sandusky!“ Sie war beunruhigt. Dabei hatte man doch gesagt dass es hier keine Ausbrüche gegeben hätte. Ihre Nase allerdings sagte etwas anderes und wenn es eines gab auf dass sie sich verlassen konnte, dann war es ihr verdammter Geruchssinn. Der hatte sie noch nie im
Stich gelassen. Nein. Sie war sich vollkommen sicher. Das konnte nichts anderes sein. „Und vorher? Hast du das schon vorher gerochen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht bevor wir die Stadt verlassen haben. Vielleicht weil es hier nicht zu viel gibt dass den Geruch überdecken kann. Aber ich bin mir sicher. Meine Nase hat mich noch nie enttäuscht.“ Er schwieg. Das schien ihn verunsichert zu haben. Sie wollte niemandem Angst einjagen, aber es war besser wenn zumindest er Bescheid wusste. Ihr kleines Gespräch schien allerdings Aufmerksamkeit erregt zu haben. Wieder
war Martha zur Stelle. „Gibt es ein Problem Karen? Was ist los? Du benimmst dich komisch.“ Abwehrend hob sie die Hände. Konnte sie ihr das anvertrauen? Sie war bis jetzt so nett zu ihr gewesen, warum also nicht? Wenn es Grund zur Annahme von Gefahr gab dann sollte sie es wissen. Dem Bürgermeister Bescheid sagen. Der wusste sicher was zu tun war. „Die Dinger. Weißt du, ich konnte sie immer riechen weil sie so furchtbar stinken. Ich kanns auch jetzt riechen. Ich hab nur am Anfang nichts gesagt, weil ich dachte ich hätte mir das eingebildet.“ Einen Augenblick lang herrschte Stille.
Wahrscheinlich musste sich das in ihren Ohren vollkommen verrückt anhören. Sie wollte es ja selbst nicht einmal glauben. Aber was wenn es wahr war? Das konnte sie nicht für sich behalten. Martha lachte amüsiert. „Ach, Karen. Dein Verstand spielt dir nur einen Streich. Du bist sicher noch ein bisschen durcheinander vom Alkohol. Mach dir keine Sorgen. Alles ist gut.“ Sie schüttelte den Kopf und wandte sich in ihre Richtung. „Nein. Martha bitte. Ich weiß genau was ich tue. Mir geht es gut. Das kommt nicht vom Alkohol.“ Sie klang verzweifelt. Warum wollte sie
ihr keinen Glauben schenken? Sie fühlte sich vollkommen hilflos. In Momenten wie diesen hasste sie es ein Teenager zu sein. Jetzt schaltete sich auch Ethan in das Gespräch ein. „Vertrauen sie ihr. Ich finde man sollte der Sache nachgehen. Ich will mit Stanton darüber sprechen.“ Zumindest einer der beiden war vernünftig. Allerdings ließ sich Martha nicht darauf ein. „Das ist nicht nötig. Lassen sie sich nicht von ihren Hirngespinsten erschrecken Ethan. Hier gibt es keine...Dinger...Alles ist in Ordnung.“ Sie war zwar selbst manchmal stur, aber dass schlug echt dem Fass den Boden
aus. Wie konnte sie nur so verbohrt sein? Das war doch nicht zu fassen. „Aber ich weiß was ich gerochen habe. Bitte Martha ich-“ „DAS REICHT JETZT!“ Die andere sprach laut und in einem scharfen Tonfall, den sie von ihr noch nie gehört hatte. Sie wich einen Schritt zurück und stieß dabei mit dem Rücken gegen Ethans Brust. Vor Schreck hatte sie sogar die weiße Rose fallen lassen. Sie war verunsichert. Warum war Martha auf einmal so wütend auf sie? Sie hatte nichts böses gewollt. Karen schluckte. Ihr Hals war trocken. Sie wusste nicht mehr was sie noch sagen
sollte. „Karen. Entschuldige, aber du solltest jetzt damit aufhören. Ich weiß dass du durcheinander bist wegen dem Tod deiner Mutter und der neuen Umgebung, aber du machst den Leuten Angst. Das reicht jetzt! Ich bringe dich jetzt nach Hause. Für heute hast du dir schon genug Ärger eingehandelt.“ Das war ja sowas von klar. Fassungslos starrte sie ins Leere. Warum hörte man nicht auf sie? Wusste Martha etwa davon? Verheimlichte man ihnen etwas? Das wollte sie nicht wahrhaben. Sicher war das alles nur ein riesiges Missverständnis. Sie blieb
stehen. „Nein.“ Das Wort war einfach aus ihr herausgeplatzt. Stumm stand sie da. Ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust. „Wie bitte?“ Martha klang davon etwas überrascht. Dennoch ließ sich Karen nicht verunsichern. Etwas war hier nicht richtig und sie wollte wissen was los war. Inzwischen sagte niemand mehr etwas. Offensichtlich hatte diese kleine Auseinandersetzung die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sie gezogen. „Ich komme nicht mit! Hier stimmt doch was nicht. Ethan denkt das auch.“ Sie hoffte dass der Banker mitspielte,
damit sie hier nicht vollkommen als Idiotin dastand. Eigentlich wollte sie gar nicht so sein, aber das engstirnige Verhalten von Martha hatte sie wütend gemacht. Sie hasste es, wenn Erwachsene ihr kein Gehör schenkten. Karen konnte die Anspannung in der Luft beinahe spüren. „Was fällt dir ein so mit mir zu reden? Ich hab dich bei mir aufgenommen und so dankst du mir das du undankbares Kind?“ Sie schäumte vor Wut. Das konnte die Blinde deutlich hören. Jetzt hatte sie wirklich etwas
losgetreten... - Ethan - Er hatte blitzschnell reagiert und sie aufgehalten. Sie hatte tatsächlich zur Ohrfeige gegen Karen ausgeholt. Das reichte. Er hielt ihre Hand fest. Mittlerweile sahen alle zu ihnen. Immerhin war er nicht der einzige der vermutet hatte dass hier etwas nicht stimmte. Jetzt war es sogar der Blinden aufgefallen und wenn sie sagte dass sie Beißer roch, dann würde er ihr Gehör schenken. Vor allem war es ziemlich
seltsam, wie Martha auf ihre Worte reagiert hatte. Stumm sah sie ihn jetzt an, als er ihre Hand noch immer festhielt. Mit der anderen schob er Karen hinter sich. Jetzt kamen auch Dwight und die Anderen hinzu. Stanton ebenfalls. Er wirkte ein wenig überrascht über das Durcheinander. Der Banker löste seinen Griff und musterte den Bürgermeister. Dieser sah ihn fragend an. „Gibt es ein Problem?“ Ethan nickte nur. Er hatte genug davon den ahnungslosen zu spielen. Irgendetwas stimmte hier einfach nicht und es war an der Zeit dass man dieses Rätsel lüftete. Natürlich sahen jetzt alle
her, aber das war ihm egal. Er hatte genug von diesen Spielereien. „Stanton, bei aller Liebe aber etwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Karen mag vielleicht blind sein, aber alle Anderen sehen es: Die Alten sind schon den ganzen Tag verschwunden und die Kranken auch. Dann sagt Karen mir dass es nach Beißern stinkt. Schon etwas merkwürdig, wo sie doch beteuert haben dass es hier keine Ausbrüche gab. Ich verlange eine Erklärung. Was ist hier los Nick?“ Er sah ihn abwartend an. Sein Gegenüber lächelte matt und setzte seine Brille ab. Seine smaragdgrünen Augen fixierten Ethan. Jetzt kam auch
dieser Nate an seine Seite, so wie ein paar Andere. Die Luft war zum zerreißen gespannt. Schließlich nickte der Andere. „Also gut. Gut sie haben Recht. Ich wollte damit eigentlich bis nach der Beerdigung warten, aber jetzt gibt es wohl keinen Grund mehr ihnen das noch länger zu verheimlichen. Sie und ihre Leute verdienen die Wahrheit.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Etwas an ihm hatte sich verändert. Die freundlichen und vertrauenswürdigen Züge die ihn am Anfang ausgezeichnet hatten, waren vollkommen verschwunden. Er wirkte beinahe kalt und
berechnend. „Es gab einen Ausbruch ja. Wir haben gute Leute dabei verloren und ich habe nur das getan was ich für das beste hielt. Zum Wohle der gesamten Gemeinde. Wir haben es geschafft die Infizierten zu isolieren wegzusperren. Natürlich wusste ich dass damit nicht alles getan war. Ich habe die Alten und Kranken in Quarantäne gesteckt um einen weiteren Ausbruch zu verhindern. All das diente zum Schutz unserer Gemeinde. Sonst wären sie bei ihrer Ankunft auf das totale Chaos gestoßen. Ich habe die Sicherheit gewahrt.“ Andere nickten zustimmend. Ein paar Unwissende wirkten entsetzt, so wie
auch die Ärztin Rita Billings, die fassungslos den Kopf schüttelte. Anscheinend haben es die meisten der Stadtbewohner gewusst denn sie wirkten keinesfalls überrascht über diese Aussage. Ethan schloss einen Moment lang die Augen. Er konnte nicht glauben was er da hörte. „Die Sicherheit gewahrt? Sie haben hilflose Menschen einfach weggesperrt nur weil sie Angst hatten dass sie sich in diese Dinger verwandeln könnten! Sie haben sie einfach wie Vieh zusammen gepfercht! Zum Wohl der Gemeinde? Das ich nicht lache. Sie hatten nicht das Recht dazu!“ Stanton lachte. Er wirkte offensichtlich
amüsiert über die Worte des Bankers. Auch Nate grinste, so wie ein paar Andere. Dwight und die übrigen der Gruppe wirkten über diese Neuigkeiten erschüttert. Niemand hätte wohl damit gerechnet das beinahe die ganze Insel unter einer Decke steckte. Diese Leute waren nicht mehr ganz normal. Von Anfang an war ihm das alles seltsam vorgekommen, aber mit so etwas hatte er wirklich nicht gerechnet. „Kein Recht?“ Stanton spuckte diese Worte beinahe aus und legte dabei den Kopf schief. Wieder dieser kühle Blick. „Sie haben gesehen wie es da draußen ist. Sie haben gesehen was passiert ist.
Die alten Regeln gelten hier nicht mehr. Wenn wir überleben wollen dann müssen wir als eine Einheit zusammenhalten und das können wir nur, wenn wir die Schwachen aussortieren. Wie heißt es doch so schön: Nur die Stärksten überleben. Ich habe unser aller Überleben gesichert. Wir Leben. Also, jetzt frage ich Sie: Auf welcher Seite stehen sie dabei Ethan? Sind sie stark und Überleben, oder sind sie schwach und gehen mit den Anderen zu Grunde? Es ist allein ihre Entscheidung.“ Er wandte sich an den Rest der Gruppe. „Das gilt auch für den Rest von euch. Ihr könnt entscheiden. Schließt euch uns an und wir vergessen das ganze. Wir
können hier Sicherheit und Stabilität gewährleisten.“ Es herrschte Stille. Das war doch kaum zu fassen. Jetzt stellte er sie tatsächlich vor die Wahl? Dieser Mann war nicht mehr ganz bei Trost. Wie sollte Ethan diese Situation lösen? Scheiße! Wo war Ian wenn man ihn brauchte? Wahrscheinlich hatten sie ihn schon aus dem Weg geräumt. Die Situation war äußerst pikant. Gegen Stanton und seine Fanatisten konnte er alleine nichts ausrichten. Dean war der erste der sich auf seine Seite stellte. Fassungslos sah Ethan ihm nach. Dieser gottverdammte Feigling! Er verriet sie tatsächlich. Der Banker sah sich um ob noch mehr sich
dazu entschieden dem Bürgermeister zu folgen. Hank und Natalie berieten einander. Schließlich nahmen sie einander bei der Hand. „Entschuldige Ethan“, begann Hank. „Aber hierbei geht es auch um Becca. Sie ist alles was wir noch haben. Ich will sie nicht auch noch verlieren!“ Die Turners gesellten sich zu Dean. Das war gar nicht gut. Okay, ihnen konnte er es nicht verübeln. Sie hatten bereits eine Tochter verloren und dachten an Beccas Sicherheit. Er hätte wahrscheinlich an ihrer Stelle dasselbe getan. Sollte er tatsächlich alleine stehen was das anging? Sie waren gemeinsam hierhergekommen. Als
Gruppe. Wahrscheinlich war der Gedanke hier neu anzufangen für viele einfach zu verlockend. Jetzt bewegte sich auch Stan. Allerdings stellte er sich nicht zum Bürgermeister, sondern neben den Banker. „Sie sind verrückt Mister. Ethan hat Recht. Stecken sie sich ihre Stabilität sonst wohin!“ Wenigstens einer, auch wenn Leah kopfschüttelnd zu ihm hinüber sah. Stanton nickte noch, ehe er einen Revolver zog und abdrückte. Stan sank leblos in die Knie. Leah schrie auf. Natalie hielt Becca die Augen zu. Dwight und die anderen waren geschockt
über das was hier gerade geschah. Er hatte dem Jungen einfach in den Kopf geschossen. Ihn einfach getötet. Der Banker machte einen Schritt nach vorne, wurde allerdings sofort von Stanton mit seiner Waffe bedroht. „Dieser Junge hätte nicht sterben müssen Ethan. Sein Blut klebt an ihren Händen! Sie haben ihn mit ihrem Wahn angesteckt. Nur wegen ihnen ist er jetzt Tod. Ein unnützes Opfer.“ Leah wimmerte neben der Leiche ihres Freundes. Karen war in die Knie gesunken und wurde von Carrie gehalten. Wenn ihm nicht bald etwas einfiel würde die Situation noch eskalieren. Jetzt hatte auch Nate seine
Waffe gezogen. Diese Leute waren echt verrückt. Wahnsinnig. Stanton wandte sich an den Rest der Gruppe. „Also. Es muss niemand mehr sterben. Ethan hat sein Schicksal gewählt. Ihr müsst nicht mit ihm sterben.“ Niemand rührte sich. Die Situation war zum zerreißen gespannt. Er konnte nichts ausrichten. Seine Waffe hatte er in der Stadt gelassen. Mit bloßen Fäusten würde er nichts herbeiführen. Er musste es anders versuchen. Viele Möglichkeiten blieb ihm nicht mehr. Er richtete das Wort an die Stadtbewohner. „Seht euch euren Bürgermeister an. Seht euch an was er getan
hat.“ Er deutete auf den Toten Stan. Fragend sahen Nate und Stanton in seine Richtung. Er selber war sich nicht mal sicher ob das überhaupt klappte, aber das war seine einzige Chance. „Er versprach euch Stabilität und dennoch vergießt er Blut. Die Leute die er weggesperrt hat. Eure Freunde, Familienmitglieder. Soll das tatsächlich der Preis sein? Er mag damit Leben können, aber könnt ihr das? Stanton hat euch alle unter seiner Kontrolle indem er eure Lieben einsperrt mit der Begründung sie wären zu schwach. Er behauptet er wäre der Starke, aber er ist nur so stark wie ihr ihn macht! Lasst
nicht zu dass er das tut. Dass er euch dazu zwingt sich von euren Lieben zu trennen. Ihr seid eine Gemeinde, also steht auch als solche zusammen! Ihr müsst das nicht tun und in eurem Innern wisst ihr das auch!“ Ernst sah er in die Runde. Einen Augenblick lang dachte er seine Worte wären auf taube Ohren gestoßen aber nun stellten sich tatsächlich ein paar der Bewohner an seine Seite, ebenso wie Dwight und die anderen. Sie standen Seite an Seite mit ihm. Zwar nicht alle, aber eine überschaubare Menge. Stanton schüttelte nur seinen Kopf. „So dankt ihr mir also? Indem ihr mich mit Füßen
tretet?“ Offensichtlich war er überrascht davon wie sich das Blatt gewendet hatte. Dennoch verlor er nichts von seiner Sicherheit. Einen Moment lang hielt er noch Inne. Dann hob er seine Waffe. „Dann zahlt auch den Preis dafür.“ Schüsse fielen. Panik brach aus und die Menschen stoben schreiend auseinander. Chaos brach aus, während Stanton und seine Leute sich jetzt gegenseitig an die Gurgel sprangen. Schüsse fielen. Menschen starben. Ethan stolperte, fiel Rückwärts. Schützend hob er die Hände vors Gesicht während die Leute über ihn hinweg stürmten. Kurz darauf zog ihn
bereits jemand nach oben. Es war Dwight. Bei ihm waren Carrie und die Turners. Leah kauerte noch immer beim toten Stan. Der Blick des Bankers wanderte umher und er konnte gerade noch sehen wie Dean von der panischen Menge zu Tode getrampelt wurde. Dann hörte er einen Schrei. Karen. Martha zog sie an den Haaren hinter sich her. Von Stanton war bei dem Durcheinander keine Spur mehr. Wahrscheinlich hatte er das Weite gesucht. Das zählte allerdings jetzt auch nicht mehr. „Martha! Lassen sie sie los!“ Die Angesprochene hielt inne und zog eine Waffe, die sie der Blinden an den Kopf
hielt. „Keinen Schritt näher oder ihre kleine Freundin ist tot!“ Karen wimmerte. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Der Banker erstarrte in seiner Bewegung. Was sollte er jetzt tun? Um ihn herum war die Situation unkontrollierbar geworden. Die ersten Toten erhoben sich wieder und griffen die Lebenden an. Martha hatte noch immer die Pistole erhoben und drückte diese der 16-Jährigen an die Schläfe. Plötzlich erschlaffte sie und sackte zusammen. Jemand hatte ihr von hinten auf den Kopf geschlagen. Die Anwesenden brauchten einen Moment ehe sie realisierten um wen es sich bei
dem Neuankömmling handelte. „Na ihr Wichser? Ich hab doch gesagt es stimmt was nicht mit diesen Insel-Freaks aber keiner wollte auf mich hören!“ Gold stand grinsend da und hob Karen auf die Beine... - Ian - Es dauerte nicht lange bis er sie gefunden hatte. Vor allem das Geschrei hatte ihm die Richtung gewiesen. Er kam gerade auf dem Friedhof an als das Chaos losgebrochen hatte. Die Gruppe
war gottseidank beieinander so dass er sich nicht noch die Mühe machen musste jeden einzelnen von ihnen zu suchen. Von Stanton und seinen Handlangern war allerdings keine Spur. Wahrscheinlich hatte der sich verpisst. War ja auch egal. Okay, Ian hätte ihm gerne eine reingehauen aber wichtiger war jetzt dass sie hier wegkamen. Überrascht sahen die anderen ihn an. „Ian! Scheiße Ian wo warst du verdammt?“, kam es nur von Ethan. Der Sträfling grinste und zündete sich eine Zigarette an, ehe er einen Beißer niederschoss. „Lange Geschichte. Erzähl ich später. Für's erste sollten wir zusehen dass wir
abhauen. Los in den Wald!“ Sein Ton ließ keinerlei Widersprüche zu. Inzwischen war auf dem Friedhof ein wahres Schlachtfeld entstanden. Beißer machten sich über die Lebenden her. Die Gruppe suchte sich ihren Weg zwischen ihnen hindurch. Carrie, Dwight, Leah, Karen, die Turners und der Doktor. Lächelnd nickte er ihr zu. „Willkommen im Team Doc.“ Jedoch merkte er dass das nicht alle waren. „Wo sind Stan und der Fettsack?“ Die anderen senkten bitter den Blick. Das benötigte keiner weiteren Erklärung. Scheiße. Na gut Dean hatte er nicht sonderlich leiden können und
mit Stan hatte er nicht viel zu tun aber trotzdem waren sie ein Teil der Gruppe gewesen. Jetzt war jedoch nicht die Zeit darüber nachzudenken. Sie erreichten den Wald, wo der schwarze Van stand. Ian hatte ihn ein Stück weiter gefunden und zuvor hier abgestellt. Zu Fuß würde es zu lange zum Flugplatz dauern. Mobil waren sie einfach schneller. Die Gruppe stieg ein und der Wagen startete. Ethan nahm zusammen mit Dwight vorne Platz. „Was ist passiert Ian?“ Der Sträfling zog an seiner Zigarette. „Mir war von Anfang an klar dass hier was nicht stimmt. Naja und dann hab ich mich umgesehen. Ich hab die alten gefunden. Die sind schon am Flugplatz.
Es gibt eine kleine Maschine die für uns alle reicht. Ich denke mal nicht dass einer von euch vorhat hier zu bleiben oder?“ Die Anderen schüttelten nur den Kopf. „Alles klar. Dann würde ich sagen dass wir uns jetzt verpissen. Was ist da eigentlich passiert? Ich dachte hier wäre alles Friede Freude Eierkuchen?“ War ja ne berechtigte Frage. Die Situation schien ja ziemlich schnell eskaliert zu sein. Soviel zum Thema Sicherheit. „Karen hat Beißer gerochen. Ich habe Stanton damit konfrontiert und dann hat er alles erzählt. Von den Alten. Er hat die Leute vor die Wahl gestellt. Stan hat
er erschossen weil er nicht zu ihm gehalten hat. Und Dean...naja Dean hat uns verraten. Die Menge hat ihn totgetrampelt als die Panik ausgebrochen ist.“ Waren ja keine guten Neuigkeiten. Anscheinend hatte dieser Bürgermeister wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. War ja jetzt auch egal. Wichtig war nur dass sie jetzt den Flugplatz erreichten. Alles andere konnte später geklärt werden. „War ja klar. Dieser dumme Fettarsch“, fluchte er nur. Gut dass die Meute ihn totgetrampelt hatte, sonst hätte er ihm wahrscheinlich gehörig den Marsch geblasen. Stumm sah er aus dem Fenster
nach vorne auf den Waldweg den er entlang fuhr. Bis zum Flugplatz war es nicht mehr weit. Hoffentlich gab es keine Probleme und Norman hatte alles vorbereitet. Allerdings war ja nicht sicher ob sich dort Wachleute befanden oder nicht. Das würden sie gleich wohl herausfinden. „Warum bist du zurückgekommen Ian? Du hättest auch einfach abhauen können.“ Der Sträfling zuckte mit den Schultern. War ja klar dass er jetzt damit um die Ecke kam. Hätte ihn ja auch gewundert wenn er einfach mal den Schnabel gehalten hätte. Tolle Wurst. „Sagen wir es so: Ich schulde es
jemanden!“ Dabei dachte er nur an Henry. Was der Detective wohl jetzt über ihn dachte. 'Wahrscheinlich sitzt du da oben auf einer rosa-wolke und lachst dir den Arsch ab hm Henry? Hoffentlich treiben Abby und ihr beschissener Mr. Donald dich in den Wahnsinn!' Sie erreichten das Flugfeld und wie es das Glück wollte hatte es hier tatsächlich keine Wachen gegeben. Das Flugzeug stand sogar schon auf der Bahn. Ian stoppte den Van und die Gruppe verließ den Wagen. Norman stand bei der Maschine und winkte sie zu sich heran. „Ian! Los kommen sie. Ich hab bereits
alle Vorkehrungen getroffen. Ich dachte schon sie hätten es nicht geschafft.“ Er grinste. „Das hätten sie wohl sie alter Furz! Leute das ist Norman. Norman, der Rest. Und jetzt rein da, ich hab-“ Ein Auto fuhr auf den Flugplatz vor. Es war kein geringerer als Stanton der Ausstieg. Er war angeschlagen, blutete am Kopf. Ein Biss zeichnete sich am Handgelenk ab. Offensichtlich hatten die Dinger ihn erwischt. Wütend sah er sie an und hielt in der Hand seinen Revolver, den er auf die Gruppe richtete. „Keine Bewegung. Okay, hier endet die Reise!“ Er trat auf sie zu. Die Anderen hoben die
Hände hinter den Kopf. Ian konnte nicht reagieren. Das ganze war viel zu schnell und überraschend passiert. Jetzt sah er sich dem Lauf des Revolvers gegenüber. Die Anderen standen hinter ihm. „Sie haben verkackt! Sehen sie's ein. Nicht mehr lange und sie sterben und dann werden sie auch einer von diesen untoten Wichsern!“ Stanton schüttelte den Kopf und lachte. „Ach, wirklich? Soll ich ihnen mal was verraten?“ Er hielt inne und trat näher auf sie zu. „Wissen sie warum ich die Kranken und Alten isoliert habe? Wir sind alle infiziert! Wenn man stirbt kommt man wieder! So einfach ist
das!“ Die Anderen wirkten fassungslos. Auch Ian hatte mit dieser Information nicht gerechnet. Das konnte doch nicht wahr sein. Was war das nur für eine Krankheit? Kein Wunder dass Stanton den Verstand verloren hatte. Wer würde schon normal bleiben wenn er so etwas wusste? Offensichtlich verschaffte ihr Schock dem Bürgermeister eine gewisse Genugtuung. Er grinste süffisant. „Es gibt keinen Ausweg. Keine Hoffnung. Wir alle sterben! Ich und Sie!“ Er drückte ab. Nichts geschah. Überrascht versuchte er es noch mal. Allerdings ohne Erfolg. Anscheinend
hatte er seine Munition verpulvert. Jetzt zog Ian seinen Revolver und richtete ihn auf Stanton. Der ließ seine Waffe fallen und breitete die Arme aus. „Na kommen sie! Tun sie's! Töten sie mich! Sie sind nicht besser als ich. Nach außen hin mögen sie sich als stark geben aber im Innern sind wir alle Tiere die nur an unser Überleben denken. Jetzt seid ihr vielleicht noch eine Gruppe, aber wie sieht das aus wenn es nichts mehr zu essen gibt? Hm? Steht ihr dann noch tapfer zusammen? Ich sag euch was: Ihr werdet alle sterben. Früher oder später gehen wir alle zu Grunde.“ Gold sah ihn an und schüttelte nur den
Kopf. Langsam schob er sich in Richtung Flugzeug. Das schien den Bürgermeister zu überraschen. „Worauf warten sie noch? Erschießen sie mich!“ Er hielt Inne und steckte seine Waffe weg. „Die Gnade verdienen sie nicht. Eher sterbe ich als dass ich ihnen diesen Gefallen tue.“ Er wandte sich um und ging in Richtung der Treppe zum Flugzeug. Die Anderen taten es ihm gleich. Er würde Stanton nicht erschießen. Sollte er die restlichen Stunden die er noch hatte damit verbringen, zu wissen was er getan hatte. Ihm war das egal. Er konnte
immer noch hören, wie er ihm hinterher rief, aber das kümmerte ihn nicht mehr. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Norman saß am Steuer. Die anderen auf den Sitzplätzen. Erschöpft ließ Gold sich auf einem Platz nieder. Er war fertig, mit den Kräften vollkommen am Ende, aber er hatte es geschafft. Er hatte sie sicher hier raus gebracht, so wie er es Henry versprochen hatte. Ethan ließ sich neben ihm nieder. „Was sie getan haben war richtig. Dass sie ihn nicht getötet haben. Sie sind gar kein so schlechter Kerl Ian, auch wenn sie uns das alle manchmal glauben lassen wollen.“ Er griff zu seiner Zigarettenschachtel,
musste allerdings feststellen, dass sie jetzt leer war. Er grinste nur. „Ach halt die Fresse Ethan...“ Er warf die Schachtel auf den Boden und stellte seinen Sitz in die liegende Position. Dann verschränkte er die Arme hinter dem Rücken. Zwar wusste er dass viele ihn im Augenblick ansahen, und wohl auf einen weiteren Plan warteten. Dwight war der erste der das Wort ergriff. „Und was machen wir jetzt? Was haben sie vor?“ Er grinste zufrieden und zuckte mit den Schultern. Für den Augenblick war ihm vollkommen egal wohin sie flogen. Sie hatten diese kranke Insel hinter sich
gebracht und das zählte. Was vor ihnen lag wusste er nicht und er würde den Teufel tun, jetzt darüber nachzudenken.
„Was weiß ich. Ich hau mich hin. Weckt mich inner Stunde!“
Er schloss die Augen. Vor seinem Geistigen Auge tauchte Mills auf.
„Gut gemacht Gold“, sagte er nur. „Gut gemacht!“