Teliankas – Hauptstraße zur silbernen Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 9. Stunde Regen. Jeden Tag dasselbe. Entweder regnete es, oder das Wetter war so siffig und kalt, dass man sich schnell eine Lungenentzündung einfing. Jeder in Versia kannte das Klima und selbst nach Jahren hatte mancher noch Probleme sich damit anzufreunden. Allerdings gab es ausnahmen. Kinder zum Beispiel nutzten das Wetter um in den Pfützen umher zu springen und zu spielen. Andere sammelten das
Regenwasser zum bewässern, oder zum Kochen. Wieder andere nutzten Ihn als Aufhänger um sich lauthals beschweren zu können. So hatte das kühle Nass für jeden einen besonderen Zweck. In Teliankas war man meistens so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass man nicht so wirklich darauf achtete. Die düsteren Wolken am Himmel der Hauptstadt Versias und der Nebel auf den Straßen gehörten einfach zum alltäglichen Bild. Es war wie bei den Pocken: Man mochte sie nicht, aber irgendwann gewöhnte man sich an den Juckreiz. Ohnehin hatten die Bewohner von Teliankas genügend, worüber sie sich
beschwerten: Die Stadt sei zu groß, was nicht ganz falsch war. Mit über 10.000 Einwohnern war sie die größte Stadt des Landes. Umgeben von ihren meterhohen mächtigen Mauern, die sie vor eventuellen Feinden schützen sollten. In Zeiten des Friedens allerdings war sie nur ein schönes Bauwerk auf dem Soldaten patrouillierten, oder Kinder fangen spielten. Umso ansehnlicher waren die großen Wachtürme der Stadt die an der Mauer Standen. Sie dienten dazu das Umland zu überwachen. Außerdem besaßen die meisten von ihnen Taubenschläge von denen man aus Nachrichten nach ganz
Termia verschicken konnte. Einige waren schon sehr alt und wurden mit der Stadt in der ersten Ära von König Iretas errichtet. Der Stein war teilweise fahl und rissig geworden. Viele zierten hübsche Mooskleider. Manch kühner Knabe ließ sich dazu hinreißen die Türme sogar empor zu klettern, was aber meistens mit einer Predigt der Eltern verbunden war. Insgesamt besaß die Stadt 18 dieser Türme. Manche sogar mit Ballisten und Mangen versehen. In Tagen wie diesen, in denen der Nebel die Bollwerke so sehr verschleierte, dass man die Spitze kaum noch zu erblicken vermochte wirkten die Türme besonders gespenstig.
Männer erzählten sich die banalsten Geschichten in den Schenken über sie. Die eine handelte von einer jungen Maid die einst den Prinzen von Armath ehelichen sollte. Jedoch ließ er sie am Tag der Hochzeit am Traualtar stehen. Vor Gram stürzte sie sich von der Spitze des größten Turms, den die Bewohner Tel Parvakh – den Giganten – nannten. Allerdings hielt ihre Seele am Diesseits fest und sollte seit jeher durch den Turm und die umliegende Mauer spuken und jeden verschlingen, der es wagte ihr zu Nahe zu kommen. Besonders eignete sich diese Geschichte dafür kleine Kinder zu ängstigen. Im großen und ganzen war aber nicht sonderlich viel an
der Sache dran. Es gab dutzende die schon am Turm gewartet hatten um einen Blick auf die Maid zu erhaschen, ohne dass sie jemals erschienen war. Nur eine weitere Legende, die die Fantasie des Volkes nährte. Ganz sinnlos waren sie allerdings nicht. Sie hielten die Leute bei der Stange. Wenn es nichts gäbe was die Bürger ablenkte, würden sie leichter unzufrieden und das wollte niemand. Auch heute hing der Nebel dicht über Tel Parvakh und verhinderte die Sicht auf die Spitze. Der Turm lag am Eingang zur silbernen Festung – dem Hauptsitz des Königs von Versia. Der
Bergfried war mit Abstand das größte Gebäude der Stadt. Über 7 Stockwerke ragte das Gebäude in die Höhe. Die Türme, die auch die Stummen Wächter genannt wurden ruhten stumm mit ihrem goldenen Baldachin und den majestätischen Flaggen die im Wind wehten. Blaue Seide aus Horas war benutzt worden, um ihnen einen besonderen Glanz zu verleihen. Das Wappen der Königsfamilie, der Greif der einen Speer in den Klauen hält, war mit Gold darauf bestickt. Das Wappen der Familie Malantris, die nun schon seit über 100 Dekaden die herrschende Familie Versias war. Momentan herrschte König Detharion zusammen mit
seiner Frau Sareya. Gütige Herrscher unter denen das Volk florierte. Sie wurden vom Volk geliebt und verehrt. So wie auch der Rest der Familie. Prinz Sirous, der älteste Sohn des Königs war ein brillianter Kämpfer, der sich schon früh für den Weg eines Soldaten entschieden hatte. Ansehnlich und äußerst charismatisch, war er stets bei den Frauen beliebt. Dennoch war er nicht die Art von Prinz die es auf eine Hochzeit anlegten und so gab es wohl eine Menge verschmähter Damen, die um das Herz des Versianers gebuhlt hatten. Mit seinen 37 Dekaden war er in den Augen der meisten schon zu alt, um einen wirklich ansprechenden Gatten
abzugeben, was ihn allerdings nicht sonderlich kümmerte. Im Gegensatz dazu stand seine Schwester Laneema. Eine Prinzessin durch und durch. Allerdings ein wenig kühl und distanziert, wie so mancher bestätigen konnte. Sie war die Hoffnung der Familie, dass zumindest einer der Malantris-Sprösslinge sich einen Partner aussuchte um mit ihm den Rest seiner Tage zu verbringen. Schon seit ihrer Geburt war sie darauf vorbereitet worden und es schien ihr der Gedanke zu gefallen, an der Seite eines starken Königs zu herrschen. Sie war gut 8 Dekaden jünger als ihr Bruder und von einer Schönheit die ihresgleichen suchte.
In der Hauptstadt gab es nur eine Person, der die Männer mehr schmachtende Blicke zuwarfen: Ihre Schwester Leonora. Vor kurzem feierte sie ihren 20. Namenstag, doch vermisste man bei ihr alles was man von einer wohl erzogenen Prinzessin erwartete. Sie war weder eine Dame, noch jemand der die Gesellschaft der Aristokraten genoss. Eine Frau die den Schwertkampf liebte und die Nähe der Soldaten suchte. Das schwarze Schaf in der Familie, wenn man so wollte. Schon oft hatte sie für schlaflose Nächte ihrer Eltern gesorgt. Sie wollte nicht nähen, nicht tanzen lernen und die Gesellschaften bei Hofe waren ihr zu
wider. Lediglich mit dem Hoflehrer Melas Ramelle verbrachte sie viel Zeit, so dass man ihr eine Liebschaft mit ihm andichtete, was allerdings bis jetzt nicht bewiesen werden konnte. Diese verschiedenen Charaktere bildeten die Führung des Landes. Jeder hatte seine Bewunderer und seine Feinde. König Detharion behauptete immer dass beides wichtig war, um im Leben dazu zu lernen. Neben der Familie Malantris gab es natürlich noch den Stab der Berater des Königs. Zusammengesetzt aus den fähigsten Männern der Stadt. Da war zum Beispiel Carus Darmand. Ein alter Mann der bereits die 80 überschritten
hatte und die meiste Zeit schlief. Schon oft hatte man vermutet dass er während einer Sitzung gestorben war, weil er sich einfach nicht mehr regte, nur um wenig später erschrocken zu erwachen und in einen seiner üblichen Hustenanfälle zu verfallen. Manche hatten sogar Wetten darauf abgeschlossen, wie viele Jahre dem alten Mann noch blieben. Ursprünglich stammte er aus der Stadt Valanat im Süden des Landes, bevor er in jungen Jahren in die Hauptstadt umsiedelte. Der königlichen Familie diente er nun seit über 40 Dekaden mit seiner Weisheit. Der nächste in der Runde war Arienne Lavette, eine Frau im Alter von 36
Jahren. Ursprünglich hieß sie Arienne Ramelle und war die Schwester von Melas. Bevor sie allerdings in die Hauptstadt kam, lebte sie im Dorf Faron, einem Bauerndorf ganz im Süden des Landes. Dort verfiel sie einst dem Charme des Bürgermeisters Daron Ramelle, ehe seine raue und grausame Natur sie dazu brachte, ihn zu verlassen. Sie hinterließ ihm eine Tochter, Jelena. Sie war ein Jahr alt, als Arienne ihren Mann verließ. In Teliankas half ihr Bruder dabei eine Stelle als Gelehrte in der Bibliothek der silbernen Feste zu erhalten, bevor sie dort von Margus Lavette entdeckt wurde. Er war ein junger Mann der ihr potenzial
erkannte und sie dem König vorstellte. Dieser war beeindruckt von ihren Fähigkeiten und setzte sie in seinem Beraterstab ein. Am Hofe war sie stets gerne gesehen und beliebt. Es dauerte auch nicht lange, bis sie und Margus sich das Eheversprechen gaben. Aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder hervor: Fareena und Aron Lavette. Meistens verbringt Arienne die Zeit damit den König zu beraten, wenn sie nicht gerade damit zu tun hat Dothras Caius, ein weiteres Mitglied des Stabes, davon abzuhalten seinen etwas simpel gestrickten Sohn mit ihrer Tochter zu verheiraten. Dothras Caius war einer der obersten der
Händlergilde mit viel Einfluss und Macht. Ein gieriger Mann dem der eigene Reichtum stets am wichtigsten war. Ein wenig einfältig konnte man sagen. Schon seit langem behielt er einen Teil der Einnahmen für sich, sowie auch die besten Speisen aus den Handelsgütern, was mit dafür sorgte, dass er sich zusehens überfraß. Im Volksmund nannte man ihn gerne die fette Ratte, was auch auf seinen Charakter zurückzuführen war. Ähnlicher Natur war Garvin Orivier. Schatzmeister des Königs und ein Mann von herausragender Intelligenz. Ursprünglich stammte die ganze Familie Orivier aus Ebris, ehe sie nach Versia
umsiedelte und begann sich dort einen Namen zu machen. Orivier hält sich jedoch meist im Hintergrund und zieht von dort aus seine Fäden. Unter seiner Aufsicht konnte das Land einen gewissen Reichtum anhäufen der seinesgleichen suchte. Sonst noch wichtig zu nennen wäre Dumat Vaheran. Engster Vertrauter des Königs und so etwas wie seine rechte Hand. Ein Mann 30 Dekaden. Unverheiratet und bei den Damen sehr beliebt. Schon als kleiner Junge war er ein Zögling der Königsfamilie, da er ohne Eltern aufwuchs. Diese waren reiche Handelsleute aus dem Osten, ehe sie den Rathak, einer brutalen
reptilienartigen Spezies aus Flaeris zum Opfer fielen.Jedoch hegt Dumat keinerlei Verbindung zu seiner Vergangenheit. Er war stets ein Mann der in der Gegenwart lebte. Zielorientiert und fokussiert. An diesem regnerischen Morgen führte sein Weg wie üblich über die große Hauptstraße die zur silbernen Feste führte. Das Drängen der Städter war wie üblich, die Lautstärke beinahe ohrenbetäubend. Hier handelte man, dort versuchte ein junger Mann eine Hure zu bezirzen um etwas am Preis zu drehen. Ein paar Kinder drängten sich an dem Schwarzhaarigen vorbei und lachten.
Seine hohe Statur sorgte dafür, dass Dumat die meisten der Leute überragte. Die schwarze Uniform machte ihn als Stimme des Königs erkenntlich. Wo er entlang kam, hielten die Leute an um ihn zu bewundern. Er war ein ansehnlicher Mann. Glatte Gesichtszüge, breite starke Schultern, eisblaue Augen, in denen sich schon so manche Dame verloren hatte. Eine spitze große Nase, ähnlich wie die eines Geiers. Das Haar war mittelkurz und wirkte ein wenig wild. Von hellem Ton und schwarz. Eine seltene Mischung und ein weiterer Grund warum er so beliebt war. Viele Frauen mochten es, wenn Männer etwas besaßen, was nicht
jeder hatte. Alles in Allem ein Mann den wohl keine Frau von der Bettkante stoßen würde. So auch nicht die junge Dame, die sich ihm nährte. Ein hübsches junges Ding, mit wohligen Brüsten und langen Blonden Haaren, die ihn schwärmerisch mit ihren Braunen Augen musterte. Verführerisch lächelte sie ihm entgegen und legte dem Hünen eine Hand auf die Schulter. „Ser Vaheran. Das Wetter ist doch sicherlich sehr kalt. Wenn ihr wollt, kann ich Euch wärmen. Ein warmes Feuer ist viel angenehmer, als draußen im Regen herum zu wandern, meint ihr nicht?“ Dumat hielt inne und musterte die junge
Frau. Sie war hübsch, das ließ sich nicht bestreiten. Ihre Kleidung war leicht durchnässt und ließ einen Blick auf das zu was darunter lag. Eine schlanke Taille, ein graziler Körper. Wohl der Traum eines jeden Mannes. Allerdings schien Dumats Begleiter nicht sonderlich beeindruckt davon. „Wenn man die Wahl zwischen einer Erkältung und der Syphilis hat, sollte man doch abwägen, ob man sich an diesem Feuer nicht vielleicht verbrennt“, durchschnitt die kühle Stimme die Luft. Ein wenig Perplex sah die junge Dame auf den kleineren der Beiden, der sich eine grüne Haarsträhne aus dem Gesicht wischte und mehr als
gelangweilt schien. „Wie bitte?!“ Fassungslos sah sie ihn an, als hätte noch niemand es gewagt ihr je solche Worte entgegen zu bringen. Der Tonfall ließ vermuten, dass sie hoffte ihn damit zu verunsichern, doch der junge Mann blieb standhaft und seufzte. „Taub scheint sie auch zu sein. Nicht die beste Wahl, oder seid ihr anderer Meinung Dumat?“ Bevor einer der beiden Herren etwas sagen konnte, holte die junge Frau aus und gab dem Kleinen eine Ohrfeige, deren Schall über die Straße hallte. „Unverschämter Flegel!“ Damit rauschte die Schönheit davon und
ließ die beiden Männer zurück. Der Geschlagene blieb allerdings unbeeindruckt davon, während seine Wange begann sich langsam rot zu färben. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Versteh einer die Frauen. Ich verstehe es nicht. Die halbe Stadt will euch betten und ihr tut so als wärt ihr davon nicht beeindruckt. Seid ihr etwa doch ein Eunuch? Würde mich nicht wundern.“ Ser Alliser Thrassk hatte schon immer das Talent, durch seine Direktheit den Leuten auf die Füße zu treten. Sein taktisches Geschick allerdings sorgte dafür, dass er einer der oberen Generäle
der Armee war. Seine jugendlichen Züge sorgten jedoch dafür dass er auf den ersten Blick nicht ernst genommen wurde, was allerdings durch seinen Charakter ausgeglichen wurde. Er war sich nie zu schade darum jemandem die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie ihm nicht gefiel. Zynismus war hierbei seine beste Waffe und er scheute nie davor zurück sie auch einzusetzen wenn er es für richtig hielt. Stumm strich er sich über die blaue Uniform, während Dumat ihn mit nichtssagendem Blick musterte. „Ihr seid stets gut darin euch Feinde zu schaffen Thrassk.“ Der General lächelte müde, während die beiden Männer die Straße entlang in
Richtung Haupttor zur Feste schritten. Der Grünhaarige schien ein wenig genervt und angespannt. Stets konnte seine Laune schnell umschlagen. Einzig Dumat konnte sich mit ihm messen. Er zeigte sich unangreifbar durch die Worte des jungen Mannes, was wohl dafür sorgte, dass Alliser ihm zumindest ein wenig Respekt entgegen brachte. „Feinde sind die besten Lehrer. Das solltet ihr doch Wissen. Wozu brauch man falsche Freunde die einem gutes vorheucheln, während sie hinter eurem Rücken reden? Ein Feind ist stets zuverlässig und ehrlich. Er sagt einem zumindest die ehrliche Meinung und das ist etwas was man schätzen
sollte.“ Dabei griff er sich einen Apfel von einem der Stände und biss gemütlich hinein. Auf die Beleidigungen des Verkäufers reagierte er gar nicht. „Nun, das mag sein, aber das richtige Verhalten sorgt zumindest dafür, dass man ein Messer im Rücken weniger fürchten muss. Außerdem wäre es euch doch sowieso zu wider, sich mit Freunden zu umgeben, vorausgesetzt jemand würde euch mögen und das ist genau so wahrscheinlich wie die Tatsache dass eine Hure zur Königin gekrönt wird.“ Das war leider Ser Allisers Problem: Aufgrund seines forschen Charakters
fand er nicht bei jedem Anklang. Nicht dass es ihn irgendwie störte. Er war nicht die Art von Mann, die die Leute um sich herum belog und ein falsches Spiel spielte. Stets sagte er gerade heraus was er dachte, auch wenn es vielleicht ein wenig prekär sein mochte. So biss der General erneut in seinen Apfel. Sein Blick fiel auf einen kleinen Jungen, der neben dem Tor zur Feste saß und bettelte. Fast beiläufig warf er ihm den Rest des Apfels zu, ehe er sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht wischte. Ein süffisantes Grinsen wanderte auf seine Lippen. Die grauen Augen suchten Dumat. „Ich brauche niemanden der mich mag.
Der halbe Hof ist verdorben und falsch. Was habe ich davon, wenn ich mich mit solchen Schlangen umgebe? Die kriechen einander so tief in den Arsch dass man sie am Kopf streicheln könnte, bekäme man die Hand nur tief genug in den Rachen hinein.“ Der Schwarzhaarige konnte nicht anders als zu lächeln. Sie passierten das Tor, an dem zwei Gardisten Wache standen. Kurz begrüßten sie einander mit einem Nicken, ehe sie den Innenhof erreichten. Auf dem Weg zum Eingang der Feste tummelten sich allerhand Leute. Adelige, Gäste aus fernen Ländern und jene die ihre Bitten beim König vorbrachten.
Links und rechts war der Weg mit Kirschbäumen gesäumt, deren Früchte bereits reiften. Kleine Statuen standen auf den Vorsprüngen der Außenmauer der Feste und stellten die ehemaligen Könige Versias dar. Vom vielen Regen wirkte der Stein allerdings nicht mehr so prunkvoll wie noch zu Beginn. Dennoch gehörten sie zum Bild der silbernen Feste und würden auch noch weitere Äonen überdauern. So schritten die beiden Männer durch den Innenhof. Der Regen hatte inzwischen an Stärke verloren und sich in leichten Niesel verwandelt. Allerdings zerrte der kühle Wind noch immer an der Kleidung und so mancher würde sich
wohl nach dem heutigen Tag eine Erkältung einfangen. Zumindest jene die nicht gegen das Wetter gerüstet waren. Jener Mann der den beiden entgegen kam, wirkte allerdings nicht so. Sir Esthir war stets ein Mensch von zäher Natur und der Regen schien dem Ritter nicht wirklich etwas auszumachen. Wie immer ruhten seine blauen Augen entspannt in ihren Höhlen. Lediglich das dunkelbraune Haar und der Kinnbart waren ein wenig durchnässt, sowie der Umhang den er über der Rüstung trug. Auf der Brust thronte der Greif mit dem Speer. Lange schon stand Esthir im Dienst der Malantris Familie. Zielstrebig schritt er auf Dumat und Allisser
zu. „Guten Tag die Herren. Ser Alliser? Sir Ronak erwartet euch, um mit euch über den Plan für die neuen Rekruten zu sprechen. Er wollte dass ihr ihn in der Kaserne trefft.“ Thrassk schnaubte und richtete mit flinken Bewegungen seine Uniform. „Es hätte mich auch schwer gewundert, wenn irgendjemand aus dem Militär etwas ohne mich täte. Die Herren entschuldigen mich? Wir sehen uns beim Essen, wenn mir der Appetit bis dahin nicht vergangen ist.“ Mit diesen Worten marschierte Thrassk in Richtung der Kaserne davon. Dumat sah ihm noch eine Weile nach, ehe er
seine Aufmerksamkeit Esthir zuwandte. Er war ein Mann mittleren Alters. Eingefallene Wangen und ein langer Nasenrücken, waren Dinge die herausstachen, sowie seine breiten Schultern. Er wirkte ein wenig müde. Langsam fuhr er sich mit der Hand durchs Haar und kratzte sich dann kurz hinter dem Ohr. „Mir scheint er hat heute keine gute Laune“, eröffnete er das Gespräch und verwies dabei auf Alliser. Der Sarkasmus dahin war nicht zu überhören, denn jeder kannte das Wesen des Generals und hatte seine Art und Weise gefunden damit umzugehen. Dumat
nickte auf diese Worte und deutete dem Ritter ihm in Richtung der Feste zu folgen. Sir Esthir war schon länger am Hofe. Zuvor hatte er sich im Süden verdient gemacht. Meistens war er damit beschäftigt die Ordnung zu bewahren und für die Sicherheit zu garantieren. Heute schien er ein wenig gedankenverloren zu sein. „Ser Alliser wird stets seine eigene Meinung haben und seine Sturheit durchsetzen wollen. Das wäre nicht das erste Mal Ser“, erklärte Dumat und durchschritt mit dem Ritter die Eingangspforte, welche ins Innere führte. Auch hier herrschte Betrieb. In der Eingangshalle war das Tuscheln der
Leute zu hören. Gelehrte, Adelige, Geistliche und andere. Alle auf einem Haufen. Als die Männer eintraten nickten ein paar anerkennend in ihre Richtung. Ein paar senkten die Stimmen und ließen sich sonst nicht weiter von ihnen beirren. „Durchaus. Der König hatte euch bereits erwartet. Die Händler aus Horas sind eingetroffen. Außerdem wird Prinz Oran in den nächsten Tagen samt seines Gefolges erwartet. Fast jeder spricht jetzt darüber und über die eventuelle Hochzeit die daraus folgt. Besonders Lady Laneema spricht von nichts anderem.“ Es war das große Thema am Hofe: König
Malanatis und König Rhalys von Niat hatten sich geeinigt um die Beziehungen zwischen ihren Ländern zu festigen. Eine Hochzeit sollte hierbei den Grundstein legen. Dafür würde Prinz Oran Yavieren persönlich aus Niat anreisen. Er war schon ein paar Monate auf dem Weg nach Teliankas und sollte in den nächsten Tagen eintreffen. Laneema Malantis, die mittlere der drei Kinder des Königs sollte die Braut sein. Allerdings sollten die beiden zuerst einander kennen lernen. Der Prinz würde einen Monat in der Stadt bleiben um seine Zukünftige besser kennen zu lernen. Es gab geteilte Meinungen darüber. Fürsprecher die dem ganzen
positiv entgegensahen und natürlich auch die, die fürchteten Macht und Stellung zu verlieren, durch eventuelle Folgen der Hochzeit. Dumat war schon seit Monaten mit den Vorbereitungen beschäftigt. Auch jetzt waren die Leute um ihn herum damit beschäftigt alles für die Ankunft des Prinzen vorzubereiten. Elfische Dienerinnen putzten täglich Hallen, Rüstungen, Abtritte, Flaggen und was sonst noch so anstand. Die Küche war mit einem Großauftrag für das Eröffnungsbankett beschäftigt und der Koch sah fast jedes mal wenn der Schwarzhaarige ihn antraf so aus als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Alle waren in Aufregung. Es
schien manchmal so als würde sich das halbe Königreich mit dem Prinzen verheiraten, wenn man die Nervosität mancher betrachtete. „Der Prinz wird zusammen mit den Zwillingen eintreffen. Prinz Velkan und Prinzessin Arysa. Sie sollen auch ein wenig von Versia sehen und man hofft natürlich auf weitere eventuelle Verlobungen. Ihr wisst ja wie die Adeligen so sind. Wer buhlt heutzutage nicht gerne um jemanden mit blauem Blut? Wie dem auch sei. Außerdem wird auch ein Berater des Königs mit dabei sein um die Situation zu begutachten und natürlich um den Babysitter zu spielen“, erklärte Dumat langsam und
schritt mit dem Ritter durch den Hauptkorridor, welcher zum Thronsaal der Feste führte. Er fragte sich außerdem warum noch niemand zum König durchgelassen worden war. Immerhin war der Hof voller Leute und wenn die Händler aus Horas da waren, wäre es eigentlich angebracht sich ihrer anzunehmen. Jedoch konnte er sehen dass die Würdenträger vor den verschlossenen Türen des Saals standen. Nekomata, das katzenähnliche Volk, welches in der mittleren Region Termias lebte. Erkennbar an den großen Katzenohren, und den behaarten Gesichtern, wobei natürlich der lange Schwanz am auffälligsten war. Als sie
Dumat und Sir Esthir erblickten, wandten sich die drei natürlich sofort ihnen zu. „Wash niata'ak, laris vernar! Ni et Dumat Vaheran, Sirvant sel Majii. Si et Sir Esthir, Solidat sel King. Ni wat nu dares helanam. Hal wi nu Teliankas?“ (Seid gegrüßt, ehrenwerte Händler! Ich bin Dumat Vaheran, Berater seiner Majestät und dies ist Sir Esthir, ein Ritter des Königs. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise. Wie gefällt Euch Teliankas?“) Die Sprache der Nekomata war für sich ziemlich kompliziert und Dumat wusste, dass bei ihm ein derber Dialekt mitschwang, doch gehörte es nun mal zu
seinen Aufgaben auch mit Leuten aus anderen Ländern zu sprechen, weshalb er auch ihre Sprache lernen musste. Allerdings klang es eben nicht so melodisch wie bei den Handelsleuten, von denen der mit leichtem rosa Haar, gelben Augen und orangener Kleidung antwortete. (It et nia dares Orh Ser Vaheran. Ni et Hesh'Ur'Dir. Si et Vush'Nai'Dar te Ga'kin'har. Nia et thanko, nu Nia Requas quiq lal nan! Towna et vel wash'naan!“ („Es ist uns eine Ehre Ser Vaheran. Ich bin Hesh'Ur'Dir. Dies sind Vush'Nai'dar und Ga'kin'har. Wir sind dankbar, dass ihr unserer Anfrage so schnell
nachkommen konntet! Die Stadt ist auf ihre Art und Weise atemberaubend. Die Bauweise der Menschen fasziniert mich immer wieder aufs neue!“) Die Worte klangen beinahe melodisch. Zur Begrüßung beugten die beiden anderen Händler ihre Häupter und verzogen das Gesicht zu seinem Lächeln. Ihre Nasen waren Flach und ihre Zähne spitz. Für manchen wohl ein wenig furchteinflößend, doch Dumat ließ sich davon nicht weiter beirren.Es gab allerhand seltsame Rassen auf dieser Welt. So seltsam zum Beispiel die Nekomata für die Menschen erschienen, musste es wohl auch anders herum sein. Es war alles eine Frage des
Blickwinkels.
„Nun. Ser Dumat. Entschuldigt mich. Ich habe noch ein paar Dinge zu tun“, entschuldigte sich Esthir schließlich. Vaheran nickte, denn er wusste dass der Ritter nicht für solche Dinge geschaffen war. Außerdem beherrschte er die Sprache nicht sehr gut. Ein paar Wortfetzen vielleicht, aber das war es dann auch schon. Die Nekomata verabschiedeten sich von dem Ritter, ehe dieser davon schritt und Dumat mit den Händlern zurück ließ.
Teliankas – Kasernenhof - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 9. Stunde Ein kühler Wind pfiff durch den Kasernenhof, in dem an diesem Morgen die neuen Rekruten in Reih und Glied standen, um von Sir Ronak inspiziert zu werden. Allesamt junge Männer, die jedoch nicht sonderlich erfahren wirkten. Sie rissen ihre Witze, scherzten untereinander und schienen nicht wirklich diszipliniert zu sein. Als der Regen stärker war hatten sie alle unter dem Dach Schutz gesucht um nicht nass
zu werden. Nicht wirklich ein versprechender Nachwuchs für das Militär der Stadt. Leonora saß auf der Mauer neben der Baracke und beobachtete, wie der alte Mann zwischen den Reihen hindurch schritt und dabei jeden von ihnen mit ernstem Blick musterte. Die bärigen Arme hatte der Weißhaarige hinter dem Rücken verschränkt. Ronak Voltrin war ein angesehener Soldat und hatte so manchen ausgebildet. Heute schien er allerdings seine Hoffnung in die Zukunft verloren zu haben. Wenn man ehrlich war, waren diese Neulinge auch nichts besonderes. Sie seufzte. Ihr Vater hatte ihr lediglich erlaubt dem Training
beizuwohnen, nicht aber der Truppe beizutreten. Eine Dame tut so etwas nicht, sagte er stets. Wenn es nach ihm ging würde sie irgendeinen fetten Lord heiraten und ihm viele Kinder schenken. Das allerdings war das letzte was sie in ihrem Leben tun würde. Sie strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Es wuchs ihr bis über die Schultern. Ein wenig zerzaust und verdreckt vom Training, aber ansonsten lieblich anzusehen. Auch die Männer warfen ihr des öfteren den ein oder anderen Blick zu. Wohl auch deshalb weil sie nicht die für ihren Stand übliche Kleidung, sondern angefertigte leichte Kleidung für den Kampf trug.
Dafür hatte sie extra einen der Hofschneider engagiert. Als ihr Vater davon erfahren hatte, ließ er den Mann ohne Umschweife des Hofes verweisen. Eine Tat um ihr zu zeigen, dass er ihr Verhalten missbilligte. Nun allerdings war er nicht hier. Er war viel zu beschäftigt damit die Ankunft des Prinzen aus Niat vorzubereiten. Ihre hoch wohl geborene Schwester würde heiraten. Der Stolz der Familie. Sie stützte das Kinn auf die Faust und musterte die Birken, die in der Nähe standen und sich im Wind wiegten, während sie Ronak dabei zuhörte, wie er die Männer zu Recht wies. „Ihr alle wollt Soldaten sein. Ich sehe
allerdings nur ein paar Grünsporne die den Helden spielen wollen. Für so etwas gibt es in der Armee keinen Platz. Das Heer ist ein wichtiger Bestandteil des Landes und kein Platz für Kindereien.“ Er wirkte wie immer ziemlich launisch. Das hatte wohl etwas mit dem Alter zu tun. Wie alt war er nochmal? Sie hatte es vergessen. Wohl um die 60 Dekaden mussten es sein. Etwas jünger als Carus Darmand, aber dafür nicht weniger senil. Ihrer Meinung nach war er sowieso ungerecht. Sie sollte mit unter den Männern stehen und ihnen nicht vom Rand her zusehen müssen. Es war ungerecht das eine Frau einfach so in eine Rolle hineingezwängt wurde, die sie
gar nicht ausfüllen wollte, doch das verstand niemand. Sie alle hatten ihre Vorstellungen und Prinzipien. Alles andere war vollkommen gleichgültig. Dabei war sie gut. Sie könnte jeden von diesen Rekruten im Schwertkampf besiegen. Das wusste sie genau. Sir Esthir hatte sie trainiert wann immer er Zeit fand und ihr Lehrer Ser Melas nicht gerade in der Nähe war. Zwar tolerierte er ihre Eigenarten, aber man konnte ja nie wissen wann er einen Plausch mit ihrem Vater hielt. Deshalb besser nichts riskieren. So sah sie zu wie einer der Männer Ronak hinter seinen Rücken nachäffte, was sie zum Lachen brachte. Der Hauptmann warf ihr einen bissigen
Blick zu. „Was ist so amüsant Mylady?“ Er stemmte die Hände in die Hüfte und sah sie finster an. Wie sie diesen Ausdruck hasste. Er konnte einem wirklich Angst einjagen. Sie konnte fühlen wie ihr das Herz in die Hose rutschte. Die Männer machten es nicht wirklich besser, denn sie machten munter weiter damit ihren zukünftigen Trainer lächerlich zu machen. Leonora presste die Lippen zusammen, um nicht lauthals loszulachen. „Nichts Sir. Es ist immer wieder ein Genuss frischem Zuwachs für die Armee bei ihrem Training zuzusehen“, erklärte sie ihm mit engelsgleicher
Stimme, während sie ihn mit ihren blauen Augen musterte. Mürrisch dreinblickend nickte der alte Mann. Ein Stein fiel der jungen Frau vom Herzen. Einer der Rekruten fingerte einen Apfel aus seiner Tasche hervor und wollte gerade in ihn hinein beißen, als ein Pfeil ihn aus seinen Händen riss und in den nächsten Baum einschlug. Die Anwesenden erschraken und wandten sich zur Baracke. Alliser Thrassk ließ den Bogen wieder auf den Ständer zurückfallen und musterte die Anwesenden. Er sah überhaupt nicht zufrieden aus. Im Vergleich dazu wirkte Ronak wie ein
kleiner Junge der beleidigt war, weil man ihm etwas verboten hatte. Mit einem Mal war es still im Hof geworden. Allein aufgrund seiner Ausstrahlung wusste man, das es unklug war sich mit dem General anzulegen. Stumm ließ er seinen Blick über die Rekruten schweifen. Voltrin kam wie ein treuer Hund auf ihn zugestiefelt und verneigte sich leicht zu Begrüßung. Ehe er allerdings ein Wort an den Vorgesetzten richten konnte hob dieser die Hand, um ihn bereits im Keim zu ersticken. Der alte Mann schwieg und gesellte sich an seine Seite. Leonora lief es eiskalt über den Rücken. Thrassk mochte ein ansehnlicher junger
Mann sein. Dennoch war es seine Art die ihr Angst machte. Nicht so wie bei Sir Ronak. Das hier war etwas anderes. Ehrfurcht und Respekt. „Sir Ronak. Könnt ihr mir diese Situation erklären?“ Er sprach ruhig und verschränkte dabei die Arme hinter der Brust. Die Rekruten standen reglos da und musterten den Grünhaarigen, der sie keines Blickes würdigte, sondern vollkommen auf den Hauptmann fixiert war. „Ich habe die neuen Rekruten angesehen Sir. Ich freue mich dass euch meine Nachricht erreicht hat. Ihr könnt die Männer-“ Wieder hob der Andere die Hand um ihn
zu unterbrechen. „Ich sehe hier keine Männer“, begann er und schritt auf die Männer zu die eine Gasse bildeten, um ihn zwischen sich hindurch zu lassen.Kurz warf er Leonora einen Blick zu, der die Dame erschaudern ließ. Er mochte es nicht, wenn sie in der Kaserne war. Er fühlte sich jedes mal untergraben. Sie war eine Frau. Ihm war es egal wie talentiert sie war. Das wusste sie. Er respektierte sie nicht. Nicht einmal wegen ihres Standes. In seinen Augen war sie wie jede andere Frau. „Die Armee von Versia existiert schon seit tausenden von Dekaden. Sie hat sich ihren Ruf durch Disziplin, Stärke
und hartes Training verdient. Unsere Männer sind die besten. Sie unterziehen sich jahrelanger Ausbildung, um das Reich zu schützen. Ein jeder von ihnen ist bereit sein Leben für das Land zu geben. Seid ihr das auch?“ Unsicher musterten die Männer den General. Ein paar von ihnen nickten, aber eine klare Antwort brachte niemand hervor. Allisers Auftreten zeigte Wirkung. „Sicher sind viele von Euch hierher gekommen in der Annahme, sie würden ein Held werden. Bei den Frauen vielleicht besser ankommen, oder aus einem sonstig banalen Grund. Es ist mir gleichgültig wer ihr seid und woher ihr
kommt. Eure Träume sind hier nichts wert. Es ist mir egal welche Wertvorstellungen oder Ziele ihr habt. Hier seid ihr alle gleich. In der Armee gibt es keinen Platz für Tagträumer oder Idealisten die sich einfach nur einen Namen machen wollen. Ich brauche keine Helden. Ich brauche Soldaten.“ Er sprach vollkommen kühl, ohne Anzeichen der kleinsten Emotion. Leonora hatte über diesen Mann viel gehört. Er hatte in den Aufständen des Wildvolkes vor 13 Dekaden gekämpft und sich seitdem sehr verändert. Zwar war er schon zuvor dieser sarkastische Mann gewesen, doch nach dem Konflikt war er zusehens verbittert. Heute wusste
man dass es besser war keine Fragen darüber zu stellen. Zu der Zeit war Thrassk noch kein General gewesen. Erst danach hatte man ihn dazu befördert. Manchmal fragte sich die 20-Jährige schon, was er erlebt haben musste, um so zu werden. Er verzog keine Miene und wies Ronak an die Übungssäbel zu verteilen. Klingen aus Stahl geschmiedet, aber stumpf geschliffen, damit sie höchstens blaue Flecke bescherten. Jeder der etwa 30 Männer bekam eines. Thrassk ließ sie sich in einer Reihe aufstellen, während er seinen Mantel ablegte und seinen eigenen Säbel zog, der zuvor an seinem Gürtel geruht hatte. Feine Arbeitskunst
der Thaurie, einem Volk aus der Wüste Darkonias. Die Klinge war schmal, aber unglaublich scharf. Man konnte sehen wie sie im fahlen Tageslicht schimmerte. Sie war nicht gerade wie die normalen Klingen, sondern ein wenig rundgeschliffen. Leonora kannte dieses Schwert. Es surrte, wenn es durch den Wind schnitt. Stumm beobachteten die Männer den General, während er abwartete, bis jeder eine Waffe in den Händen hielt, bevor er seinen Säbel präsentierte. „Diese Waffe ist das einzige was in eurem Leben noch wichtig sein wird. Ob Bogenschütze oder Trommler: Die letzte Verteidigung zwischen euch und
eurem Feind ist das hier. Im Kampf ist der Säbel eure Lebensversicherung. Könnt ihr ihn führen, werdet ihr überleben und vielleicht noch euren Kindern davon erzählen können, wie ihr dem König dientet, bevor ihr alte Männer seid. Macht euch jedoch nicht all zu viel Hoffnung.“ Er machte eine kurze Pause. Inzwischen hing jeder im Hof an seinen Lippen. Leonora ließ ihren Blick über die Übungssäbel gleiten. Sie selbst hatte auch einen Säbel. Gut versteckt in ihren Quartieren. Die Anfertigung war heimlich und ohne das Wissen ihres Vaters geschehen. Er hätte es ihr niemals gestattet. Das wusste
sie. „Die Hälfte von euch, wird die nächsten zehn Dekaden nicht überleben. Der Rest, kann sich glücklich schätzen, wenn drei von ihnen die darauffolgenden 5 überstehen. Diese Welt ist weitaus gefährlicher als ihr denkt. Krieg ist nicht die einzige Gefahr. Das Leben kann tückisch sein und manchmal ist der Feind derjenige, den man mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Wachsamkeit ist euer wichtigster Schild.“ Damit steckte er seine Waffe wieder in die Scheide und bezog an Ronaks Seite Stellung. Sein Blick glitt auf die Blondine. Der Hauptmann schien über etwas nachzudenken, ehe er mit seinen
Ausführungen weitermachte. Er mochte ein Zyniker sein, aber wenn es darum ging Rekruten auszubilden, dann war er stets ein Mann von Disziplin. Er duldete auch nichts anderes unter seinem Kommando. Schon mancher hatte seit Alliser den Dienst quittiert. Nicht jeder kam mit der Art des Hauptmanns zurecht. Das war nicht nur bei den Soldaten so. Das wusste Leonora. Sie hatte schon häufiger Männer wie Orivier oder Caius wütend aus dem Thronsaal stapfen sehen, nachdem sie sich mit dem Hauptmann unterhalten hatten. Er war eben schwierig. „Wieso wusste ich nur, dass ich euch
hier finde Mylady?“ Die junge Frau zuckte zusammen. Sie war so auf die Situation fixiert, dass sie die beiden Neuankömmlinge überhaupt nicht bemerkt hatte. Melas war schon immer dazu fähig wie aus dem nichts aufzutauchen, ohne ein Geräusch von sich zu geben. Das musste sie ihrem Lehrer lassen. Wie üblich hing dabei seine Nichte Fareena, die Tochter von Arienne Lavette, an seinem Zipfel und begutachtete die Prinzessin mit nichtssagendem Blick. Sie sahen einander sehr ähnlich. Beide hatten das für die Familie typische rotbraune Haar und die türkisfarbenen Augen, wobei die des Mannes mehr ins
Grün übergingen. Wie üblich war Melas leger gekleidet. Er trug eine weiße Robe, mit silbernen Verzierungen an den Ärmeln. Das Haar hatte er zu einem Zopf gebunden. Ein Lächeln wanderte über seine kantigen Züge, während er sich vor der Prinzessin verbeugte. Fareena tat es ihm gleich. Leonora hob abwehrend die Hände. „Bitte Melas. Nicht. Ich hasse das. Wie wäre es, wenn ihr mir einfach die Hand schüttelt?“ Sie mochte es nicht, wenn jeder sie behandelte als wäre sie etwas besonderes. Diese Etikette gefiel ihr nicht. Das wusste ihr Lehrer und tat es meistens aus der Absicht, sie zu ärgern.
Er lächelte einfach nur und legte die Hände ineinander. Fareena lächelte sanft und sah sich dabei interessiert im Hof der Kaserne um. Mittlerweile tröpfelte es wieder leicht, wobei ihre Kleidung leicht durchnässte. Damit zog die zierliche 13-Jährige natürlich direkt die Aufmerksamkeit der Rekruten auf sich, was dafür sorgte dass diese nicht mehr wirklich bei der Sache waren. Allerdings war auch schon Thrassk zur Stelle der ihnen eine Predigt darüber hielt, dass sie Männer und keine triebgesteuerten Tiere waren. Lady Leonora sah dem nur beiläufig zu, während sie Melas Worten lauschte. „Natürlich. Ich kann Euch auch Duzen
und jedes Mal zur Begrüßung in den Arm nehmen wenn ihr das möchtet. Wie sieht es aus? Wieso gehen wir nicht in den Pub und trinken etwas zusammen? Hm?“ Fareena musste über diesen Scherz kichern. Die Blondine lächelte darüber, denn sie kannte Melas und seine Art von Humor. Sie runzelte die Stirn und wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht, ehe sie sich von ihrer Mauer erhob. „Ihr wisst doch, dass ich lieber Wein bevorzuge. Ich bezweifle dass es im Pub etwas anderes als Bier gibt. Ihr seid doch sicherlich nicht nur zum Plaudern hier nehme ich
an.“ Er schüttelte den Kopf. „Euer Vater schickt nach euch. Der Hofmaler ist für das Portrait eingetroffen. Allerdings würde ich euch empfehlen euch vorher ein wenig herzurichten.“ Sie seufzte. Vom Regen sah sie nicht mehr aus wie eine Dame. Das Haar war ein wenig zerzaust und nass, so wie auch Teile ihrer Kleidung. Sie hatte jedoch nicht wirklich Lust den halben Vormittag wie eine Statue dazustehen, während man ein Bild von ihr anfertigte. Helix Palasso war ein Künstler, der für seine immense Geduld bekannt war. Er ließ sich gerne viel Zeit, so dass es ab
und an vorkam, dass seine Modelle beim portraitieren einschliefen. Auch ihr war dies ein oder zweimal passiert, worüber er sich ziemlich aufgeregt hatte. Ihr Vater war ebenso wenig erfreut darüber gewesen. „Ist meine Anwesenheit denn wirklich von Nöten?“ „Nun, da es ein Portrait der königlichen Familie ist, wird dies wohl unvermeidbar sein Mylady.“ Aus dieser Lage würde es wohl keinen Ausweg geben, ohne sich dafür eine Rüge einzufangen. Das wusste sie. Außerdem wollte sie nicht schon wieder den Zorn ihrer Eltern auf sich ziehen. Die waren sowieso sehr damit
beschäftigt alles für die Ankunft der Leute aus Niat vorzubereiten. Da waren die Gemüter schon von vornherein erhitzt, weshalb sie nicht noch Öl ins Feuer gießen wollte. Dieses Mal musste sie eben in den sauren Apfel beißen. Leichtfüßig schritt sie voran hinaus aus dem Hof der Kaserne in Richtung der Gärten. Das war meistens ihre Abkürzung zu ihren Quartieren, wenn sie sich mal wieder hineinschlich. Die Blumen des Gartens waren noch vom Tau des Morgens bedeckt, der leicht glitzerte. Orchideen, Tulpen und andere wiegten leicht im Wind hin und her während Laneema ihren süßlichen Duft
einsog. „Fareena. Wie ich hörte hat Iven euch wieder seine Aufwartung gemacht“, begann die Prinzessin langsam und warf einen Blick auf die vielen Fenster der Festungsmauer. Die Angesprochene nickte ein wenig schüchtern und senkte den Blick. Es war kein Geheimnis dass Dothras Caius ständig versuchte Ariennes Tochter mit seinem Sohn zu verloben. Dessen Avancen waren aber bestenfalls plump und der hellste war er auch nicht. Melas runzelte nur die Stirn. „Das wäre zumindest einer der such darum bemüht einen Partner zu finden. Ihr könntet durchaus diesen Rat beherzigen. Es reicht schon dass euer
Bruder sich nicht dafür interessiert. Ihr müsst nicht unbedingt in seine Fußstapfen treten. Ein wenig mehr von eurer Schwester täte euch gut.“ Angesäuert warf sie dem Braunhaarigen einen Blick zu und schnaubte. „Ein wenig mehr von meiner Schwester und ich wäre genau so ekelhaft wie sie. Sie ist arrogant und selbstverliebt. Das sind nicht unbedingt Eigenschaften die ich teilen will. Ich habe mein eigenes Wesen Melas. Ich muss nicht versuchen jemand anders zu sein.“ Sie befürchtete dass dies wieder eines der Gespräche werden würde, in denen es darum ging sich doch bitte mehr wie eine Dame zu verhalten. Sie konnte das
inzwischen auswendig in ihrem Kopf abspielen. Man hielt ihr des öfteren vor dass sie sich an ihre Schwester Laneema halten sollte. Sie war die mittlere und die Hoffnung der Familie wenn man so wollte. Zwar hatte auch ihr Bruder Sirous seine Fehler, aber Leonora war eindeutig als schwarzes Schaf gebrandmarkt worden. In ihren Augen nicht sonderlich fair, aber diesbezüglich hatte sie es aufgegeben sich zu beschweren. „Das weiß ich durchaus, aber es wäre manchmal von Vorteil wenn ihr...nun ja...ein bisschen weniger Ihr währt. Versteht mich da bitte nicht falsch. Ich bin euer Freund. Das wisst ihr, aber man
kann sich nicht immer überall durchboxen. Manchmal muss man sich beugen, auch wenn es einem nicht gefällt.“ Natürlich gefiel es ihr nicht. Am besten wäre es wohl wenn sie zu allem einfach nur ja und amen sagen und irgendeinen fetten Lord heiraten würde. Bei der Göttin, allein die Vorstellung daran jagte ihr einen Schauer über den Rücken. So begnügte sie sich mit einem knausrigen Gesichtsausdruck, während die beiden die Feste durch einen der vielen Eingänge betraten. Sogleich spürte sie die Wärme der Fackeln, die überall an den Wänden hingen. Draußen war es wirklich etwas frisch gewesen. Sie hob
die Hände über eine der Flammen um sich daran aufzuwärmen. Fareena tat es ihr gleich während Melas die Tür schloss. „Ich werde mich schon noch früh genug den Männern beugen. Auf die eine, oder andere Art und Weise“, erklärte sie in schnippischem Tonfall, was Fareena zum erröten brachte. Ihr Lehrer legte das Gesicht in die Handfläche und schüttelte nur den Kopf. Die Prinzessin grinste ob dieser Reaktion und wanderte weiter pfeifend durch den Flur. Ein heißes Bad war das was sie jetzt brauchte, auch wenn es ihr nicht gefiel danach mehrere Stunden still zu stehen, damit man nur wieder eines dieser
Familiengemälde anfertigte. Dabei hingen in der Feste schon genug. Sicher, sie konnte sich soviel beschweren wie sie wollte. Es würde ihr niemand zuhören. Sie würde diese Prozedur über sich ergehen lassen, so wie sie es bei all den Anordnungen ihres Vaters tat. Es brachte ja doch nichts sich quer zu stellen. Es war sowieso ein Wunder dass sie nicht mehr beaufsichtigt wurde. Nach einer ihrer letzten Eskapaden, die damit zusammen hing dass sie nachts betrunken im Thronsaal auf einem der Esstische eingeschlafen war. Es wäre nicht so schlimm gewesen, hätte am Morgen der halbe Beraterstab sie nicht nackt wie die
Göttin sie schuf erblickt. An den Abend konnte sie sich nur noch verschwommen erinnern. Jedenfalls war das Ergebnis gewesen dass man ihr zwei Monate lang einen Soldaten zur Seite stellte, der sie auf Schritt und Tritt verfolgte. Das hieß kein heimliches Training bei Sir Esthir, kein Wein und auch sonst nicht irgendwas zu tun, das ihr Freude bereitete. Schließlich erreichte Leonora ihr Quartier und machte vor der Tür halt. Ihr Blick glitt zu ihren beiden Begleitern. Fareena gähnte und streckte sich, ehe sie sich eine rosa Haarsträhne aus dem Gesicht wischte und
seufzte. „Ich werde mich ein wenig frisch machen. Wir sehen uns dann sicher später Onkel.“ mit einem Lächeln im Gesicht umarmte sie Melas und schloss die Augen. Sie war wirklich ein liebes Mädchen. Später würde sie sicherlich eine gute Ehefrau abgeben. Das vermutete Leonora. Fareena war von ihrer Mutter Arienne gut erzogen worden, was sich auch in ihrem Verhalten zeigte. Nun gut, manchmal mochte sie ein wenig zurückhaltend sein, aber das würde sich mit den späteren Jahren auch noch geben. Als die Prinzessin in ihrem Alter war, hatte sie ihre Zeit damit verbracht
sich mit den Knaben zu prügeln. Beinahe jeden Tag war sie mit blauen Flecken übersät. Ein nostalgisches Lächeln huschte über ihre Lippen, während sich Melas und Fareena wieder voneinander lösten. Die türkisen Augen suchten die Blondine und auch ihr wurde eine Umarmung zu Teil. „Viel Glück beim Model stehen Mylady. Ihr steht das sicher durch!“ Leonora nickte zum Abschied, ehe die 13-Jährige von dann Schritt und die beiden alleine zurück ließ. Sie war wirklich ein guter Mensch. Hoffentlich gab es niemanden, der das irgendwie ausnutzte. Dem würde sie schon zeigen was mit solchen Leuten geschah. Nun
allerdings gab es erst einmal wichtigeres zu tun. Sie öffnete die Tür zu ihrem Quartier und zog Melas mit sich. Die Tür war noch nicht ganz ins Schloss gefallen, als sie die Arme um ihn Schlang. Mit einem Mal schien die Last und die schlechte Laune von ihren Schultern zu fallen, als sie ihren geliebten umarmte. Ein entspanntes Seufzen verließ ihre Lippen. „Endlich allein. Ich dachte schon ich hab dich heute überhaupt nicht für mich“, säuselte sie in seine Brust während er die Umarmung erwiderte. Unter anderen, war sie einfach nur seine Schülerin, die moserte wenn er mal wieder mit ihr meckerte, aber hier war
sie sein. In den Augen anderer mochte es vielleicht unsittlich sein, aber ihr war dies gleichgültig. Sie liebte ihn und nur das zählte für die junge Frau. Es war mittlerweile 2 Dekaden her, seitdem sie ihre Beziehung begonnen hatten. Sie hatte den Anfang gemacht. Melas hatte sich lange gewehrt und gesträubt, aber auch er war letztendlich seinen Gefühlen zu ihr erlegen. Dürfte sie, dann hätte sie ihn schon lange geheiratet. Er verstand sie und gab ihr nicht das Gefühl einfach nur eine Frau zu sein. Er akzeptierte sie, auch wenn er ihre Eskapaden manchmal kopfschüttelnd hinnahm,doch wusste er, dass sie immer wieder zu ihm
zurückkehren würde und das ihr Herz nur ihm gehörte. So löste sie sich von ihm. Mit seinen Fingern strich er ihr über die Wange und dann durch das Strohblonde Haar, bevor er mit dem Daumen wieder herab über ihre Lippen fuhr. Sie schloss die Augen und seufzte vergnügt, ehe sie sich zu einem Kuss nach vorne beugte. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Es war als würde Strom durch ihren Körper fahren. Dieses Gefühl war einfach unvergleichlich. Als sie sich wieder voneinander lösten, sah sie ihn wehmütig an, ehe sie zu Boden blickte. "Was betrübt dich?" Der Tonfall seiner lieblichen Stimme
brachte sie jedes Mal aufs neue zum Zittern.Sanft wie eine Sommerbrise. Vorsichtig schmiegte sie sich an ihn und schloss die Augen. „Wie lange müssen wir noch so leben? Uns immer nur verstecken? Von mir aus kann es der ganze Hof wissen, dass dir mein Herz gehört. Es kümmert mich nicht“, erklärte sie ruhig. Das war es, was sie am meisten bedrückte. Melas war kein adeliger und das Gesetz verbat ihre Beziehung. Ihr Vater würde es niemals akzeptieren, auch wenn er ein gütiger Mann war. Das wusste sie. Eigentlich war ihr dies von Anfang an klar, aber manchmal da wiegte das ganze schwer auf ihrem Herzen. Sich
immer zu verstecken und vor anderen zu verstellen, als wäre da gar nichts. Das war die schwerste Bürde von allen. Nicht das Leben als Prinzessin, oder die ganzen Dogmen. Nicht das ausleben zu dürfen, was sie wirklich fühlte, das war das schlimmste. „Manchmal wünschte ich, wir könnten einfach fort von hier gehen. An einen Ort an dem uns niemand kennt und unser Leben führen, so wie wir es möchten. Ohne diese ganzen Regeln. Einfach glücklich sein und das tun wonach uns der Sinn steht.“ Er seufzte und streichelte ihr über das Haar. „Es ist schwer, das weiß ich. Es tut mir
weh, dir nicht immer zeigen zu können, was ich wirklich für dich empfinde. Im Augenblick muss das reichen was wir haben, auch wenn es nicht immer einfach ist. So ist nun mal unser Leben. Wir können uns das nicht aussuchen, auch wenn wir es uns wünschen.“ Sie nickte und verstärkte ihre Umarmung. Eigentlich hatte er Recht. Es war ihre jugendliche Naivität die einfach nicht schweigen wollte. Dabei konnte sie sich für das glücklich schätzen, was sie hatte. Sie war glücklich mit Melas und das zählte. So schwer es auch manchmal war, so wusste sie stets, dass er an ihrer Seite stehen würde. Heute, sowie auch in
Zukunft.
Teliankas – Thronsaal der silbernen Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 10. Stunde Wieder verfiel Carus Darmand in einer seiner üblichen Hustenanfälle, welche durch den ganzen Thronsaal hallten. Die Anwesenden bedachten ihn dabei schweigend und warteten bis er geendet hatte. Der Saal leuchtete in den blauen Farben Versias. Drei Throne waren am Ende des Raumes aufgestellt. Einer für den König selbst, einer für die Königin und der letzte für Dumat Vaheran, welcher seinen Stuhl jedoch aus
Freundlichkeit dem alten Carus angeboten hatte. Der alte Mann saß wie ein Häufchen elend darin. Ein Räuspern entkam seiner Kehle, was allerdings eher klang als würde er beinahe ersticken. Im Thronsaal herrschte höchster Betrieb. Aufgrund des Besuchs aus Niat hatte König Malantris angeordnet den Saal in den Farben des Königshauses der Familie Yavieren zu schmücken. Seit Tagen waren die Dienerinnen damit beschäftigt alles so herzurichten, damit es einen guten Eindruck auf die Gäste aus dem Süden machte. Darmand selbst war eine der treibenden Kräfte dahinter und sorgte dafür dass alles seine
Ordnung hatte. Von vorne bis hinten musste viel geplant werden. Das Bankett zur Begrüßung, die Unterbringung der Leute und und und. Manch anderer wäre daran wohl verzweifelt, aber der alte Mann blieb standhaft, wobei mancher vermutete dass er nach der ganzen Geschichte aufgrund der Anstrengung wohl einem Herzinfarkt zum Opfer fallen würde. Im Augenblick war die Stimmung im Raum eher gedrückt. Der Maler Helix Palasso saß an einem der Tische in der Mitte des Raumes, an dem normalerweise die königliche Familie mit dem Hofstab speiste. Er hatte die Angewohnheit zum Wein zu greifen,
wenn man ihn zu lange warten ließ und da drei aus der Familie noch fehlten, konnte man sich denken dass er sich dementsprechend an seinem Krug gütlich tat. Königin Sareya saß auf ihrem Thron und begutachtete alles. Ob ihres Alters, wirkte sie wie eine junge Blume. Auch sie trug das für die Familie typische blonde Haar und besaß dieselben blauen Augen. Den linken Teil ihres Schopfes hatte die Königin zu einem Zopf gebunden. Sie trug ein Gewand in den blauen Farben Versias, welches allerdings eher schlicht gehalten war. Wegen der ganzen Vorbereitungen war das einfach angenehmer als eines ihrer normalen
festlichen Gewänder. „Euer Gnaden. Gibt es einen Grund dafür dass die Hälfte der Familie abstinent ist? Oder soll ich ein einzelnes Portrait von euch anfertigten?“, entkam es Palasso mit ruhiger Stimme, während er sich eine Strähne seines violetten Haarschopfes aus dem Gesicht wischte. Er war schon jahrelang Maler am königlichen Hofe und seine Fähigkeiten sehr angesehen. Dennoch hatte er sich bis jetzt nicht wirklich daran gewöhnt, dass das ein oder andere Familienmitglied die Angewohnheit hatte zu vereinbarten Terminen nicht rechtzeitig zu erscheinen. Dothras Caius zupfte sich seinen Schnurrbart zurecht
und schob sich eine Weintraube in den Mund und lächelte, wobei es so aussah als würde er dabei seine dicken Wangen aufplustern wie ein Kugelfisch. Er war sehr viel fülliger als die meisten im Raum, was damit zusammen hing dass er es sich immer sehr gut gehen ließ. Alliser Thrassk hatte bereits deswegen angemerkt, dass man den Händler wohl bald durch die Gänge rollen könnte, wenn er so weiter machte. „Seine Majestät spricht noch mit den Nekomata soweit ich weiß und Ser Sirous ist dabei die Mauer zu inspizieren. Prinzessin Laneema nimmt ein Bad um sich auf das Bildnis vorzubereiten. Man versicherte mir dass
sie bald eintreffen Allerdings habe ich keine Ahnung wo sich Lady Leonora gerade befindet.“ Die Königin verzog das Gesicht. Ihre jüngste Tochter hatte die Angewohnheit sich nicht immer an Vereinbarungen zu halten die man mit ihr traf. Dieser Trotz war etwas, das man ihr noch austreiben musste. Wahrscheinlich trieb sie sich wieder in der Kaserne herum. Sareya wusste dass ihre Tochter diese Vorlieben hatte. Dennoch wünschte sie sich, dass sie sich zumindest ein wenig wie eine Dame benahm. Warum konnte sie nicht mehr wie Laneema sein? Zumindest ein wenig. Das wäre immerhin ein
Anfang. „Mein Bruder ist bereits auf dem Weg um sie zu suchen. Ich bin mir sicher dass sie bald hier eintrifft.“ Bis jetzt hatte sich Arienne in Schweigen gehüllt. Mit nichtssagendem Ausdruck stand sie neben Garvin Orivier und begutachtete die Situation. Das Rosa Haar hing heute offen von ihren Schultern herab. Sie trug ein fliederfarbenes Kleid mit Perlenverziehrungen. Nicht zu auffällig, aber auch nicht zu schlicht. Sie war nicht die Art von Frau die sich wie ein Pfau aufplusterte, aber dennoch hatte sie gelernt zumindest in der Anwesenheit der Adeligen ein wenig
Klasse zu zeigen. Zu Anfangs war es alles ein wenig schwierig gewesen mit dieser neuen Umgebung zurecht zu kommen. Immerhin hatte sie zuvor lange im Süden in Faron, einem einfachen Bauerndorf gelebt, ehe sie nach Norden gezogen war. Ihr Bruder Melas hatte ihr beigebracht wie es war am königlichen Hof zu leben. Noch heute war es manchmal ein wenig ungewohnt, aber es wurde einfacher. „Dann bin ich mir ziemlich sicher dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sie hier eintrifft nicht wahr Mylady? Zumindest wenn man den Gerüchten glauben darf“, erklärte Caius, woraufhin sie das Gesicht verzog. Es war kein
Geheimnis dass viele Leute vermuteten ihr Bruder hätte eine Beziehung zu der jungen Prinzessin. Ein Gerücht dass sich ziemlich hartnäckig hielt. Jedoch beteuerte Melas jedes Mal dass dem nicht so wahr. Allerdings war sie sich nicht sicher ob sie dem glauben konnte. Es war wegen der Art mit der die junge Lady Leonora ihren Bruder manchmal ansah und wie er diesen Blick erwiderte. Sie hatte bereits ihre Tochter Fareena darum gebeten ein wenig darauf zu achten. Bis jetzt war nicht viel dabei herumgekommen. Das einzige was offensichtlich war, war dass die beiden sich sehr gut verstanden. Mehr aber auch
nicht. „Sehr Caius. Wie ihr wisst ist Lady Leonora von königlichem Blut. Sie kennt die Gesetze und wird sicherlich nicht so einfach den Ruf der Familie aufs Spiel setzen indem sie mit ihrem Lehrer anbändelt. So viel Vernunft traue ich ihr zu. Sie weiß, wie schändlich es wäre, würden sich diese Gerüchte bewahrheiten. Sie ist ein wenig aufgeweckt und hat andere Ansichten, aber sie ist klug genug um das zu wissen.“ Dumat war immer derjenige der versuchte die Wogen zu glätten. Besonders wenn es um die königliche Familie ging. Über die Jahre waren sie
ihm ans Herz gewachsen. Der König selbst hatte ihn in sein Haus aufgenommen und aufgezogen. Er würde nicht zulassen, dass irgendjemand den Namen Malantis so leichtfertig in den Schmutz zog. Besonders nicht so jemand wie Caius, der stets auf seinen eigenen Teller starrte und versuchte dafür zu sorgen dass dieser immer gefüllt blieb. Vaheran wusste um die Verschlagenheit von Dothras. Dennoch hatte er ihm eine solche Diffamierung bezüglich der Prinzessin nicht zugetraut. Besonders nicht in Anwesenheit ihrer Mutter. Der Händler lächelte allerdings nur süffisant und kratzte sich am Kinn, als würde er diese
Worte nicht wirklich zur Kenntnis nehmen. Die Beziehung zwischen Dumat und Dothras war schon immer ein wenig hitzig gewesen. Das wusste jeder. „Ich bringe lediglich meine Besorgnis zum Ausdruck mein werter Freund. Wir alles sind doch nur um das Wohlergehen der Familie bemüht nicht wahr? Lady Leonora ist nun mal ein Mensch, der viel Führung bedarf. Vielleicht hilft der Besuch aus Niat ein wenig sie in die richtige Bahn zu leiten. Meint ihr nicht auch? Prinz Oran bringt seinen Bruder mit an den Hof. Man kann hoffen dass er vielleicht im Stande ist ihr Herz für sich zu gewinnen.“ Vaheran lächelte matt. Eher würde Lady
Lonora den alten Carus betten, bevor sie irgendeinen Adeligen heiratete. Auch die anderen wirkten nicht wirklich überzeugt von diesen Worten. Sareya schüttelte den Kopf und seufzte. „Das ist eher unwahrscheinlich. Außerdem ist meine Tochter noch jung. Sie wird schon noch früh genug einen angemessenen Gatten für sich finden.“ Im Augenblick hegte die Königin diesbezüglich wenig Hoffnung. Ihre Tochter hatte bereits das 20. Lebensjahr erreicht und sich noch nicht für einen Gemahl entschieden.Etliche Bewerber waren bereits an den Hof gekommen um um ihre Hand anzuhalten. Die Prinzessin hatte sie alle wieder fortgeschickt.
Ernüchternd. Ihr ältester Sohn war ähnlich gestrickt. Er hatte sich dem Schwert gewidmet und es wirkte so als würde ihre jüngste ihm nacheifern. Einzig Laneema schien sich darum zu bemühen eine gute Tochter zu sein. Sie war voller Vorfreude im Angesicht der baldigen Ankunft des Prinzen. Sareya war sich sicher, dass ihre Tochter sie nicht enttäuschen würde. Die Tür zum Thronsaal öffnete sich schwungvoll. Erleichterung kam in den Anwesenden auf als Prinz Sirous und Prinzessin Laneema eintraten. Palasso sah kurz von seinem Weinkrug auf und nickte anerkennend. Die restlichen
Anwesenden verneigten sich leicht zur Begrüßung. Der älteste der Malantris-Kinder trug seine Rüstung: Ein leichter Harnisch mit starken Schulterplatten. Abgerundet von einem blauen Umhang und dem Zeichen des Greifen auf der Brust. Das Haar war beinahe schon weißblond und etwas kürzer als das von Laneema, die es Schulterlang trug. Dazu gehörte ein sanft grünes Kleid mit einert Rose auf der Brust. Die Prinzessin war die einzige in der Familie die keine blauen, sondern grüne Augen hatte. Ansonsten trug sie ebenfalls das blonde Haar. Heute wirkte sie wieder sehr anmutig, was wohl auch daran lag, dass sie hier eine Chance hatte sich zu
präsentieren. Das Portrait würde eine gute Gelegenheit für sie darstellen, sich von einer guten Seite zu zeigen. „Wie es scheint ist unsere Schwester noch nicht da. Vater lässt sich noch einen Augenblick entschuldigen. Er wird gleich soweit sein Mutter. Leonora habe ich allerdings heute Morgen noch gar nicht gesehen“, erklärte die Blondine langsam und nahm am Tisch neben Palasso Platz. Sirous gesellte sich zu Dumat und den Anderen. Er wirkte ein wenig müde. In den letzten Tagen leistete er oft nächtlichen Dienst auf den Stadtmauern. Das zeigte sich natürlich, wobei sich Sareya gewünscht hätte, dass er zumindest für heute darauf
verzichten würde, damit er frisch und ausgeruht aussah. Da konnte man eben nichts machen. Ihre Kinder hatten leider ihren eigenen Kopf. Wenigstens konnte sie sich auf ihre ältesten Kinder verlassen. Die wussten wie man sich benahm und dass man bei solchen Dingen wie einem Familienportrait anwesend war. „Ich bin mir sicher dass unsere Schwester schon auf dem Weg ist. Sie mag eigensinnig sein, aber nicht einfältig. Außerdem ist dieses Portrait für dich viel wichtiger als für unsere Schwester. Du kennst Leonora. Sie hat dem noch nie sonderlich viel Interesse entgegengebracht. Nichts für ungut Ser
Palasso!“ Sirous sah kurz zu dem Maler, der einfach nur nickte. Laneema quittierte das ganze mit Schweigen, denn sie wusste dass sie ihren Bruder dabei nicht auf ihre Seite ziehen konnte. Er versuchte immer der unparteiische zu sein. Es sei denn natürlich jemand versuchte seine kleine Schwester Leonora schlecht zu machen. Das schien immer eine Art Beschützerinstinkt in ihm zu wecken. Schon von kleinauf hatte er sich immer um sie gekümmert. Mit ihr hatte er sich immer besser verstanden als mit Laneema, was wohl daran lag dass sie beide nicht die typischen Königskinder
waren. Keiner von beiden war darauf erpicht dem Klischee zu entsprechen und versuchte nun mal seinen eigenen Weg zu gehen. Sirous war nur besser daran das nicht ganz so offen zu zeigen wie die jüngste der drei. Seine Mittel waren viel unauffälliger. Auf der einen Seite folgte er zwar den Wünschen seiner Eltern, aber bog es immer so dass es ihm zusagte. „Wie stehen die Dinge auf der Mauer mein Prinz? Ich nehme doch an das alles seinen geregelten Gang hat?“, wollte Caius wissen, woraufhin der Prinz nickte. „Natürlich. Generell sind die Leute aufgeregt und nervös ob der Ankunft von
Prinz Oran und seinen Geschwistern. Ser Thrassk wollte eine vollständige Inspektion der Stadtwache bevor sie eintreffen.“ Der dicke Händler nickte darauf und zupfte sich an seinem Schnurrbart, ehe er zum Tisch schritt und sich an einem Becher Wasser gütlich tat. „Ah. Und wo steckt der Hauptmann? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Ich dachte er wäre ebenfalls hier.“ Ein paar der Anwesenden begannen zu schmunzeln. Selbst Königin Sareya konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Jeder von ihnen wusste dass Ser Alliser alles nur erdenkliche tun würde, um nicht bei dieser Farce anwesend sein zu
müssen. So etwas lag ihm einfach nicht. Er war ein hochrangiger Militär und kein Adeliger. Aristokratie war etwas von dem er schon immer großen Abstand genommen hatte. „Ser Alliser ist zurzeit in der Kaserne und wirft zusammen mit Sir Ronak einen Blick auf die neuen Rekruten. Wir werden ihn frühstens beim Mittagessen wiedersehen, wenn überhaupt. Ihr wisst wie er sein kann, wenn etwas nicht so läuft wie er es will und da er damit gerechnet hatte dass Ronak alleine mit den Neulingen zurecht kommt und dies nicht der Fall ist, könnt ihr euch sicherlich von selbst erklären warum er nicht hier ist“, erklärte Dumat langsam
und fuhr sich mit der Hand durchs Schwarze Haar. Sie alle kannten den Hauptmann, aber außer Vaheran wusste niemand wirklich wie er tickte. Die Laune von Thrassk konnte oft variieren und wenn man die Umstände bedachte, würde sie wohl nicht sonderlich gut sein, wenn er im Thronsaal eintraf. Dorf Faron - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 10. Stunde Geräuschvoll knarrten die Räder des Wagens auf dem steinigen Weg, wobei bei jedem Stein der Karren immer wieder ein wenig auf und ab wippte. Der alte Gaul der ihn Zog trottete vor
sich hin, während man in der ferne die Morgensonne betrachten konnte. Das war ein Vorteil im Süden. Das Wetter war hier nicht ganz so launisch wie in der Hauptstadt. Es regnete nicht so oft und war auch nicht so kalt. Ein eher mildes Klima. Für die Bauern sehr angenehm, da sie nicht den Luxus genossen, den andere kannten. Ihre Hütten waren schlicht errichtet. Aus Holz gebaut und mit Stroh überdacht. In kalten Nächten fand der Wind immer einen Weg hinein und sorgte dafür dass die Bewohner auf ihren Strohmatten froren. Nicht die besten Lebensverhältnisse, aber es genügte ihnen. Es gab wichtigeres als weltliche
Güter und Wohlstand für die Menschen von Faron. Familie, Freundschaft und das Leben miteinander. Sie hatten andere Dinge zu schätzen gelernt, so wie auch das Mädchen Freia, das ein wenig gedankenverloren neben ihrem Vater Harvin saß, der die Zügel in der Hand hielt und sich auf die Straße konzentrierte. Sie war ein Mädchen von 15 Jahren. Ihre Mutter starb im Kindbett. Seitdem gab es nur sie und ihren Vater, einen bescheidenen Bauern aus dem Dorf der seinen Unterhalt damit verdiente Gemüse in der nahen Stadt Valanat zu verkaufen. Ein notwendiges Geschäft, denn der Bürgermeister Daron Ramelle war ein
raffgieriger alter Mann, der hohe Steuern festgesetzt hatte. Die Bewohner mussten hart arbeiten und wer es sich nicht leisten konnte, musste Teile seiner Ernte als Steuer abgeben. Die Dörfler waren machtlos dagegen, denn Ramelle war vom König selbst eingesetzt worden. Ein Aufbegehren hätte gleichzeitig auch Verrat bedeutet und das wollte niemand. So hatte man gelernt damit zu leben, auch wenn es nicht immer ganz einfach war. Für das junge Mädchen war es jedoch nicht ganz so schlimm. Sie versuchte trotzdem ihr Leben zu genießen und nicht immer an ihre schlechten Lebensverhältnisse zu denken. Freia war ein Mädchen von
kindlichen Zügen. Weiche Wangen, ein zierlicher Hals und Sommersprossen in ihrem Gesicht. Für die Menschen vom Land eine Schönheit. Das lange blonde Haar wuchs ihr bald bis zur Hüfte. Sie ließ es nicht gerne schneiden. Sie mochte ihre Haare und sträubte sich gerne, wenn ihr Vater versuchte sie davon zu überzeugen, es etwas zu kürzen. Im Augenblick hatte er es aufgegeben auf sie einzugehen. Ihre braunen Augen wanderten ziellos in der Landschaft umher. Beobachteten ein paar Rehe, die in der Nähe grasten. Sie trug ein einfaches Kleid, dass ihr etwa bis zu den Knien ging. Keine Schuhe. Die mochte sie nicht. Sie liebte es das
Gras unter ihren Sohlen zu spüren, oder das kühle Nass des Flusses, wenn sie durch ihn hindurch watete. Die Natur war in ihren Augen etwas sehr schönes. Ein Aufheller, wenn die Stunden manchmal Trist waren. Sie seufzte. In der Ferne konnte man bereits den Rauch vom Haus des Bürgermeisters aufsteigen sehen. Noch wurde der Blick auf das Dorf von den vielen Fichten versperrt die um ihn herum wuchsen. Faron lag zwischen den Wäldern und der Küste zur See, die ein paar Meilen entfernt war. Dennoch konnte man im Dorf die frische Luft des Meeres riechen. Sie war noch nie am Meer gewesen. Lediglich im Wald war
sie oft unterwegs und verbrachte dort die Stunden. Manchmal legte sie sich einfach auf eine Lichtung, schloss die Augen und träumte von einem anderen Leben. Einem Leben, in dem es ihr und ihrem Vater besser ging. Sie hatten einander und das war schon wichtig, aber manchmal wünschte sie sich, dass es einfacher wäre. Man konnte es ihm manchmal ansehen, dass die Situation an ihm zehrte, auch wenn ihr Vater es nicht zur Sprache brachte. Sie kannte ihn gut genug um das zu wissen. Auch jetzt schien er im Gedanken versunken. „Ist alles in Ordnung Papa? Du träumst schon wieder.“ Harvin sah zu seiner Tochter auf und
lächelte. Das kurze blonde Haar wehte leicht in der morgendlichen Brise während seine smaragdgrünen Augen leicht funkelten. „Es ist nichts besonderes. Ich habe an deine Mutter gedacht. Nichts weiter. Und du? Du wirkst selbst ein wenig geistesabwesend. Sicher kannst du es nicht mehr erwarten bis wir wieder im Dorf sind. Du wirst direkt zu Elias gehen nicht wahr?“ Sie konnte spüren, wie ihr das Rot ins Gesicht wanderte. Elias war der Sohn von Adane. Ein Junge von 14 den sie von klein auf kannte. Sie waren die besten Freunde. Es verstrich eigentlich kein Tag an dem sie nich zusammen
waren. Es sei denn sie war so wie jetzt mit ihrem Vater auf Reisen. Vier Tage hatte sie ihn nicht gesehen. Das kam ihr beinahe wie eine Ewigkeit vor. Harvin hatte sie voll ertappt. Natürlich würde sie direkt zu ihm gehen. So wie immer, wenn sie nach Hause zurück kehrte. „Ich hab ihn die letzten Tage nicht gesehen. Wer weiß schon was er in der Zeit wieder angestellt hat“, versuchte sie sich aus der Sache heraus zu reden. Ihr Vater grinste nur und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er kannte seine Tochter eben noch am Besten. Wer konnte es ihr auch verübeln? Sie mochte Elias und er schaffte es immer wieder ihre Laune zu heben, wenn es ihr mal
nicht so gut ging. Das war eine seltene Gabe die er besaß. Dieser unscheinbare, etwas schüchterne Junge faszinierte sie. Gut, eigentlich war er ziemlich langweilig, da man ihn zu allem überreden musste, aber das war auch wieder etwas, das ihn auszeichnete. Er sagte nicht zu allem sofort ja, wie es die Meisten taten. Elias hatte seine eigene Meinung und seine eigenen Ansichten. Etwas, dass ihn reifer wirken ließ als andere in seinem Alter. Solche wie ihn gab es nicht sooft. Das hatte auch ihr Vater immer betont. So erreichten sie schließlich das Dorf. Es war nicht sonderlich groß. Insgesamt
Zehn Häuser, ein paar Felder und ein kleiner See, an dem die Kinder spielten und die Älteren saßen, um sich zu unterhalten. Umringt von Bäumen wirkte es wie ein altes Gemälde. Das Gackern der Hühner drang an ihr Ohr, während der Karren die Dorfgrenze passierte. Die Blicke der Bewohner fielen auf die Beiden. Ein paar winkten ihnen zu und lächelten. Kinder liefen dem Karren nach oder streichelten Bessy, den Gaul der ihn zog. Ein paar Kühe grasten auf einer kleinen Weide. Anders wo war ein Bauer dabei sein Feld ab zu ernten. Das typische Dorfbild. Ihre Heimat. Sie war froh wieder hier zu sein. Mit einem Satz hüpfte sie vom Karren herunter und lief
los. Das Ziel fest vor Augen. Der Junge mit dem rostbraunen Haar, der an einem Zaun stand und sie ansah. Seine blauen Augen vollkommen auf sie konzentriert. „Tapsie!“ Sie riss ihn zu Boden und hielt ihn dort fest, während sie sich auf ihn setzte. Natürlich versuchte Elias sich zu wehren, aber es gelang ihm nie sich aus diesem Griff zu befreien. Nach ein paar Sekunden des Widerstandes, gab er sich schließlich geschlagen. Er atmete schwer. „Mückie! Geh runter von mir! Ich krieg doch gar keine Luft!“ Sie lachte und half ihm wieder auf die Beine zu kommen, bevor sie ihm gegen
die Schulter boxte. „Ich freu mich auch dich zu sehen du Doofie“, tat sie gespielt beleidigt, ehe sie erneut grinste. Dann umarmete sie ihn. Sie war froh wieder hier zu sein. Adane stand am Eingang ihrer Hütte und winkte Freia zu. Sie war bereits etwas Älter. Das schwarze lange Haar an einigen Stellen ergraut. Leichte Falten zierten ihre Züge. Dennoch war sie eine liebenswerte Frau. Freia mochte sie sehr. Ein Lächeln wanderte ihr auf die Lippen während sie das Winken erwiderte, ehe sie ihren besten Freund an der Hand nahm und hinter sich her zog. Leichtfüßig schien sie förmlich über das Gras zu gleiten, welches
angenehm unter ihren Füßen kitzelte. Ihr Ziel war der Nahe Wald. Die Lichtung, auf der sie immer spielten. Inmitten von Bäumen mit einem kleinen Teich, auf dem die Wasserlilien sich leicht im Wind wiegten. Spechte trommelten gegen die Bäume und waren von überall her zu hören. Ein paar Kaninchen hüpften über die Wiese. Schließlich machte sie halt und ließ ihn wieder los. „Lass uns spielen Tapsie!“ Elias zog leicht die Augenbrauen nach Oben, ehe er grinste. Das war Freia. Gerade mal ein paar Minuten wieder zu Hause und schon wieder voller Tatendrang. Natürlich würde er es ihr
nicht ganz so einfach machen. Immerhin hatte er sich ohne sie vier Tage lang gelangweilt. Das sollte sie schon merken. So verschränkte er trotzig die Arme vor der Brust und wandte das Gesicht ab. „Nö. Keine Lust.“ Wieder boxte sie ihm in die Seite. „Jetzt sei nicht so ein fader Langweiler! Oder hast du ein Mädchen aufgerissen als ich weg war, die du jetzt lieber hast als mich?“, frotzelte sie grinste dabei verschmitzt. Entrüstet sah er sie an und schüttelte nur den Kopf. „Sehr witzig Mückie!“ „Was denn? Vielleicht hast du ja die Tochter des Bürgermeisters aufgerissen.
Jelena ist doch hübsch. Oder nicht?“ Er verdrehte die Augen und ließ sich am Ufer des Teiches nieder. Immer fand sie neue Mittel und Wege sich über ihn lustig zu machen. Das mit Jelena war nichts neues. Oft zog sie darüber her dass er ja etwas für sie übrig haben könnte, was aber eigentlich gar nicht der Fall war. Immerhin bekam man Jelena Ramelle sowieso fast nie zu Gesicht. Ihr Vater hielt sie immer im Haus. Ein paar mal, wenn sie sich rausschlich hatte er sie schon gesehen. Gesprochen hatten sie allerdings nie miteinander. Sie war sehr zurückhaltend. Meistens beobachtete sie die Leute, ohne dass sie es mitbekamen.
Sie konnte einem schon leid tun. Elias wollte sich gar nicht vorstellen, wie das war den Großteil seines Lebens eingesperrt zu sein. Oft hatte er seine Mutter gefragt, warum das so war, aber die konnte sich auch keinen wirklichen Reim darauf machen. Was Elias wusste war, dass Jelenas Mutter Arienne, sie verlassen hatte als sie noch sehr jung war. Sie hatte es mit Daron nicht mehr ausgehalten, was nicht verwunderlich war. Er war ein grausamer Mann und nun musste seine Tochter darunter leiden. Manchmal wünschte der Knabe sich, dass er ihr helfen könnte, aber was sollte er schon daran ändern können? Er war nur ein Junge.Manche
Dinge ließen sich einfach nicht ändern. Das hatte er schon relativ früh begriffen. Eigentlich schade, aber da konnte man wohl nichts machen. So saß er einfach nur am Wasser und ließ die nackten Füße hineingleiten, während er die Fische beobachtete. Freia ließ sich neben ihm im Gras nieder und tat es ihm gleich. Eine Weile schwiegen sie einfach nur und blickten auf die glitzernde Wasseroberfläche. Nur das Trommeln der Spechte und das leichte pfeifen des Windes waren zu hören. Eine angenehme Atmosphäre. Er mochte das sehr. Hier konnte er einfach unbeschwert die Seele baumeln lassen, ohne an die ganzen negativen Dinge zu denken die ihn
beschäftigten. „Sag mal Mückie, denkst du nicht manchmal auch daran eifnach weg zu gehen und das Dorf zu verlassen?“ Fragend hob sie den Kopf und sah in seine Richtung. Die braunen Augen musterten ihn interessiert. „Was meinst du denn jetzt damit? Wie kommst du darauf?“ „Naja. Ich meine, gefällt es dir denn wie wir leben? Klar, wir haben hier unsere Heimat und das alles, aber wir sind auch nicht wirklich frei. Daron ist ein Schwein und das weißt du. Er findet immer wieder neue Wege um uns zu schikanieren. Manchmal wünschte ich, wir würden einfach fortgehen. Die Welt
sehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen mein ganzes Leben hier zu verbringen.“ Sie lächelte. Zu reisen und die Welt zu sehen, das war schon immer Elias Traum gewesen. Das wusste sie. Er hatte sogar eine alte Landkarte zu Hause, die er immer betrachtete. Er hatte Recht. Es gab so viel mehr als nur das Leben im Dorf. Allerdings war das hier auch ihre Heimat. Sie waren hier geboren und aufgewachsen. So leicht es auch klang: Niemand konnte das einfach hinter sich lassen.Egal wie negativ manche Erfahrungen waren. Es gab ja schließlich auch nicht nur schlechtes. Da waren auch schöne Erinnerungen. Sie
konnte sich zum Beispiel noch gut daran erinnern, wie sie als Kinder immer verstecken gespielt hatten. Das taten sie dann bis in die späte Nacht, so dass es oft vorgekommen war, dass ihre Eltern sie voller Sorge gesucht hatten. Sie musste lächeln, während sie daran dachte. Langsam schmiegte sie sich an die Schulter des Jungen und schloss die Augen. „Nicht alles hier ist schlecht oder? Ich meine das hier ist unser zu Hause. Auch wenn Daron eine alte Stinkmorchel ist. Ich meine, wir alle hier: Deine Mutter, mein Vater und die Anderen. Wir sind doch eine große Familie. Wir unterstützen einander und helfen uns
gegenseitig. Das ist auch etwas sehr schönes. Ich sag ja nicht das wir für immer hierbleiben müssen. Ich will auch nicht meinen Lebtag lang Rüben essen und Felder abernten. Irgendwann, wenn es soweit ist, dann geh ich mit dir von hier weg. Ich wollte schon immer das Meer sehen. Wie sich die Wellen in die Brandung schlagen und die Möwen über dem Ufer ihre Kreise ziehen.“ Dabei klang sie ein wenig sentimental und für andere mochte es vielleicht absurd klingen, aber das war nun mal ein Traum den sie verfolgte, so wie es seiner war die Welt zu sehen.Elias legte seinen Arm um sie und seufzte entspannt.Die Füße des Knaben wiegten
im Wasser hin und her, während ein paar Fische diese neugierig begutachteten. „Dann machen wir das. Ich gehe mit dir ans Meer. Aber nicht dass du mir absäufst!“ Wieder boxte sie ihm in die Seite und musste grinsen. „Ich kann gut schwimmen!“ „Wie eine bleierne Ente!“ „Ach wirklich? Dann pass mal gut auf!“ Langsam erhob sie sich von ihrem Uferplatz und streckte ihre Glieder. Fragend musterte sie Elias. Was hatte sie denn jetzt vor? Ehe er sich versah, griff die 15-Jährige an den Saum ihres
Kleides und entledigte sich dessen. Sofort wandte der Junge den Blick von ihr ab, worüber sie nur Grinsen konnte. „Jetzt hab dich mal nicht so Tapsie! Als Kinder haben wir immer zusammen gebadet!“ „Das war aber auch als wir Kinder waren! Was wenn jemand vorbeikommt? Der könnte doch sonst was denken!“ „Ach und was?“ „Du weißt schon...Man Mückie du bist doof!“ Er war bis über beide Ohren errötet und glich einer reifen Feldtomate. Sie konnte darüber nur lachen. Manchmal war er eben wirklich noch ein Kind. Sie ließ ihr Kleid ins Gras fallen und sprang mit
einem Satz ins kühle Nass. Das Wasser war angenehm auf ihrer Haut. Es tat gut.Elias hingegen versuchte den Blick auf etwas anderes zu lenken und beobachtete einen Käfer, der über einen nahen Baumstamm wanderte.Ganz einfach war das natürlich nicht. Was dachte sie sich nur dabei? Freia und ihre seltsamen Ideen. Er konnte hören wie sie durchs Wasser schwamm und kicherte. Sie fand das auch noch lustig. „Komm rein. Das Wasser ist schön. Wir schwimmen ein wenig!“ „Bei der Göttin Freia! Nein!“ „Wieso nicht?“ „Ähhh...weil du nackt bist?“ „Na und?! Jetzt hab dich mal nicht so.
Du bist genau so verklemmt wie die Tür von eurer Hütte!“ Der Junge seufzte. Manchmal war sie wirklich schwierig. Besonders bei solchen Situationen. Das machte sie mit Absicht um ihn zu ärgern. Da war er sich sicher. Am Ende würde sie sich wieder über ihn lustig machen, so wie sie es immer tat. Allerdings wusste er sich auch im Moment nicht wirklich anders zu helfen. Er konnte noch stundenlang hier rumsitzen und den Tieren zusehen, wie sie fröhlich über die Wiese hüpften, oder eben klein bei geben.Zu Freias Überraschung erhob er sich und entledigte sich ebenfalls seiner Kleidung. Dieses Spiel konnte man auch
zu zweit spielen. Mit einem Satz war er ins Wasser gesprungen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es war kalt. Er zitterte ein wenig. Natürlich war er weiterhin darauf bedacht seine beste Freundin nicht anzusehen, weshalb er den Blick auf die Wasseroberfläche richtete. Die Blondine lud ihm mit den Händen einen Schwall Wasser ins Gesicht. Damit hatte er nicht gerechnet. Er spuckte aus und hustete. „Sehr witzig Mückie! Wie alt bist du? Acht?!“ Wieder konnte er hören wie sie ihn auslachte und dann durchs Wasser schwamm. Durch die Bewegungen des Wassers und die Spiegelung konnte er
sehen, dass sie jetzt genau vor ihm stand. Sein Herz klopfte in seiner Brust so dass es schmerzte. Das war langsam nicht mehr komisch. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken einfach zu gehen und sie hier allein zu lassen, ehe sie seine Schultern umfasste und mit einer Hand sein Gesicht so manövrierte, dass er ihr genau in die Augen sah. Er konnte die Wärme ihrer Hände auf seinen Wangen fühlen, während sie sich ihm langsam nährte. „Freia?“ Ehe er sich versah, gab sie ihm einen Kuss und es schien in diesem Augenblick, als würde sein gesamtes Inneres explodieren. Nie hatte er sie auf
eine solche Weise betrachtet. Nun gut, vielleicht ein wenig für sie geschwärmt, aber Hoffnungen hatte er sich nie gemacht. Das hier kam sehr überraschend. Lange dauerte es jedoch nicht an, denn lautes Gezeter aus dem Dorf, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Bei näherem hinhören konnte man feststellen, dass es sich offensichtlich um einen der Bewohner des Dorfes handelte. Sofort schoben sich die beiden Jugendlichen aus dem Wasser und legten ihre Kleidung an.Wieder im Dorf angekommen zeigte sich schnell der Grund für diese Aufregung: Seristan Tarmont, einer der Bauern lag zusammen gekrümmt auf dem Boden.
Blut lief ihm aus der Nase. Seine Frau Rovena kniete neben ihm und hatte den Arm um ihn gelegt. Ihr Sohn Levin weinte während Adane ihn zu trösten versuchte. Mehrere Bauern hatten sich um das Geschehen herum versammelt. Über Seristan stand Daron Ramelle. Ein älterer Mann mit halbglatze und langem schwarzen Haaren. Die düsteren Augen waren auf den Mann fixiert. Sein Leibwächter Boros, ein Mann mit braunem Vollbart und Glatze stand neben ihm. Wie üblich trug er seine Rüstung und grinste spöttisch über das Bild das sich ihm hier bot. Freia schob sich zwischen den Leuten hindurch um besser sehen zu können. Elias folgte ihr.
Sie fanden Harvin der in der Nähe von Adane stand und das ganze mit Sorge beobachtete. „Vater. Was ist passiert?“ Er antwortete nicht, sondern sah weiterhin starr auf das Geschehen. Daron hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und die Augen geschlossen. Furcht war in den Augen der Anwesenden zu lesen. Elias war unsicher. Was war hier passiert? Er konnte fühlen wie Freia seine Hand ergriff und sie sanft drückte.So stark sie sich auch gab. Im Augenblick hatte sie Angst. Das wusste er. Er konnte spüren wie sie leicht zitterte. Nein. Er selbst zitterte aufgrund dieses
Anblicks. „Ihr kennt das Gesetzt Seristan. Wenn ihr nicht in der Lage seid die Steuern zu bezahlen, dann müsst ihr eben eure Ernte abtreten, um den Verlust auszugleichen.“ Der grünhaarige Bauer schaffte es, sich in eine sitzende Position zu begeben. Er hielt sich die Brust, während seine Frau weiterhin den Arm um ihn gelegt hatte. Seristans Augen suchten den Bürgermeister. Etwas flehentliches lag in ihnen. Man konnte sehen, wie die anderen Dörfler mit ihm litten, denn sie alle kannten die Härte und Kälte ihres Bürgermeisters. Doch sagte niemand etwas. Keiner von ihnen wollte seinen
Zorn auf sich ziehen. Nicht nur um ihr eigenes Wohl besorgt. Daron hatte die Angewohnheit seinen Groll an einer ganzen Familie auszulassen und das wollte niemand riskieren. „Aber Bürgermeister. Es ist nicht so viel. Wenn ich ihnen unsere Ernte gebe, dann müssen meine Familie und ich verhungern!“, krächzte Seristan voller Schmerzen. Daron öffnete die Augen und fixierte ihn wütend. Er mochte es nicht, wenn man ihm Widerspruch leistete. Kurz blickte er zu Boros, welcher sofort verstand und mit seiner Hand ausholte. Man konnte seine Frau Rovena schreien hören, während ihr Mann Blut spuckte und hustete. Elias
ballte wütend eine Hand zur Faust. Er hasste das! Er hasste Daron und seinen grausamen Leibwächter. Er hasste es wie sie aller immer wieder unter ihm leiden mussten. Diese Unfähigkeit nichts dagegen tun zu können, machte ihn nur noch wütender. „Das ist nicht mein Problem Seristan. Ich erwarte eure Ernte Morgen vor meinem Lagerhaus. Das wäre dann alles! Habt ihr nichts zu tun? Geht wieder an die Arbeit!“ Die Menge löste sich langsam wieder auf während Daron in Richtung seines Hauses verschwand. Boros folgte ihm langsam. Harvin half Seristan auf die Beine. Elias sah fassungslos zu. Freia
zitterte nun ebenfalls. Tränen liefen ihr über die Wangen. Langsam zog der Knabe sie an sich und tröstete sie.
„Ich hasse das Tapsie!“, schluchzte sie in seine Schulter. Er nickte nur.
„Ich auch Mückie. Ich auch!“
Ebenen südlich von Teliankas - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 13. Stunde Nun waren sie schon 16 Zyklen unterwegs, seitdem sie von der Hauptstadt Niats aufgebrochen waren. Der Weg durch Versia war lang und beschwerlich gewesen, doch hatten sie nun die Hauptstadt vor Augen. In der Ferne konnte man bereits die vielen Türme der Stadt Teliankas erblicken, von denen man schon viel gehört hatte. Prinz Oran hielt sein Pferd an um diesen Anblick für einen Moment zu genießen.
Der große Fluss vor der Stadt wurde der Felon genannt. Das wusste er. Zuvor hatte er ein paar Informationen über dieses Land eingeholt. Immerhin konnte es ja gut sein, dass er bald hier lebte. Das kam natürlich darauf an wie der nächste Monat ablief. Solange würde er sich Zeit nehmen Prinzessin Laneema Malantris, seine vielleicht zukünftige Braut kennen zu lernen. Bis jetzt hatte er nur Geschichten über sie gehört. Sie sollte eine wohl erzogene junge Frau sein. Das gefiel ihm. Sie war die mittlere der drei Kinder des Königs. Das hatte ihm sein Vater König Rhalys erzählt. Der älteste war Prinz Sirous. Die jüngste Prinzessin Laneema. Er war
schon gespannt darauf, was für Leute sie waren. Man hatte ihm immer gesagt die Versianer seien ein wenig arrogant und aufgeplustert. Besonders die Handelsleute und die Adeligen. Die die er bis jetzt kennen gelernt hatte, waren allerdings alle sehr freundlich gewesen. Überall wo er durchkam, hatte man ihn mit Freuden begrüßt. Ob das in der Hauptstadt auch der Fall sein würde, war natürlich eine andere Frage, denn er hatte keine Ahnung davon wie der Adel von Teliankas tickte. Natürlich hoffte er, dass es keine Komplikationen gab. Eine kühle Brise wehte ihm durch das blaue lange Haar während er einen Blick auf den wolkenverhangenen Himmel
warf. Den ganzen Morgen hatte es geregnet. Es war eine willkommene Abwechslung dass es mal einfach nur kalt war. Das Wetter war schlimmer als in der Heimat. Dort war es zwar auch etwas rau aber das Wetter in Versia spielte in einer ganz anderen Liga. Daran musste er sich eben noch gewöhnen. „So imposant ist sie gar nicht. Shisaria ist größer. Gut. Vielleicht hat sie nicht so viele Türme, aber sonst? Ich weiß nicht warum die Versianer ihre Hauptstadt so hochloben. Da darf man auf die Bewohner gespannt sein, nicht wahr Bruder?“ Prinz Velkan war vom Pferd abgestiegen,
um die Stadt ganz in ruhe betrachten zu können. Er der jüngere Bruder Orans. Ein Mann im Alter von 18. Er besaß ebenfalls blaues Haar, jedoch war es weit kürzer und dunkler, als das seines Bruders. Des weiteren besaß es einen violetten Stich. Die grauen Augen wirkten ein wenig angriffslustig. Der Prinz trug die schwarzroten Farben Niats. Auf den Schultern waren die Worte seines Hauses links und rechts eingenäht. Mut und Stärke. Seine Augen leuchteten leicht fliederfarben. Von der Statur her war er eigentlich ziemlich normal: Nicht zu füllig und nicht zu stark gebaut. Er war einer der beiden Zwillinge aus dem Hause Yavieren. Seine
Schwester war Arysa, die ihm bis auf die Farbe der Augen, wie aus dem Gesicht geschnitten war. Die allerdings zog es vor in der Kutsche zu reisen. Sie waren beide 6 Jahre jünger als Oran, der mittlerweile 24 Lenzen zählte. Die jüngste der Yavieren-Kinder war Prinzessin Sarasa, die allerdings mit ihren Eltern in der heimischen Hauptstadt Shisaria geblieben war. Die niatische Königsfamilie war noch älter als die Versias. Ihr Stammbaum ließ sich bis in die 1. Ära zurück verfolgen, als noch die Stämme Termia beherrschten und es keine festen Reiche gab. So mancher bildete sich darauf etwas ein, sowie auch Velkan. Ein Adeliger durch
und durch der vom niedrigen Stand nicht viel hielt. Der Süden des Landes war für ihn eher ein unangenehmer Anblick gewesen. Die ärmlichen Bauerndörfer waren mehr als armselig und die Lebensumstände lachhaft. Der Wohlstand des Landes ließ sich wohl auf den Norden des Landes begrenzen. Der Prinz verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte ein wenig nachdenklich. „Beinahe 100 Dekaden herrscht die Familie Malantris hier in Versia. So wie ich hörte soll der alte Detharion viel zu nett sein. Der besitzt keine Härte, weshalb wohl auch das halbe Land in Armut versinkt. Die Reichen füllen ihre
Taschen. Beinahe schon typisch für diese Art von Monarchie. Das Militär allerdings ist sehr gut ausgebildet. Während des Aufstands des Wildvolkes hat sich Versia bewährt. Ich bin schon gespannt wie die Führungsriege aussieht.“ Velkan hatte natürlich zuvor Informationen über das Land gesammelt. Das tat er immer. Vorbereitung war ihm wichtig. Akribisch hatte er jedes noch so kleine Detail studiert, hatte alles was es über die Mitglieder der Malantris-Familie zu wissen gab förmlich aufgesogen, nur um bestens vorbereitet zu sein. Der Beraterstab des Königs schien nur aus
gierigen Dekadenten zu bestehen. Handelsleute und jene die viel Einfluss besaßen. Der nächste Monat konnte amüsant werden, wenn man diese Informationen betrachte. Oran brachte dem allerdings nur ein Lächeln entgegen. „Du solltest weniger Zeit damit verschwenden nur über die Dinge zu lesen und damit anfangen sie für dich selbst zu erfassen kleiner Bruder. Ein Buch kann noch so gut geschrieben sein, es ist nichts im Gegensatz zum tatsächlichen. Vielleicht gefällt dir die Hauptstadt ja doch. Das Mosern steht dir nicht gut. Du machst immer einen düsteren Eindruck damit und du willst doch nicht dass die Leute vor dir Angst
haben oder?“ Velkan setzte ein süffisantes Grinsen auf und tätschelte sein schwarzes Ross, welches Luft aus seinen Nüstern blies. Sein Bruder war immer derjenige, der versuchte ihm gut zuzureden. Das war schon so seitdem er ein kleines Kind gewesen war. Manche Gepflogenheiten änderten sich nicht. Der Prinz sah seinen älteren Bruder knapp an und wischte sich eine einzelne Haarsträhne aus dem Gesicht. Langsam fing es wieder leicht zu Nieseln an. „Furcht kann eine mächtige Waffe sein. Sie sorgt dafür, dass die Leute vor dir Respekt haben. Nimm zum Beispiel die Rathak aus Flaeris: Eine von Natur aus
brutale Rasse, aber aufgrund ihrer Eigenarten von Anderen respektiert, auch wenn es nur Echsen sind.“ Oran seufzte. Manchmal konnte er die radikalen Ansichten seines kleinen Bruders nicht nachvollziehen. Velkan war kein schlechter Mensch. Das Problem war einfach nur, dass er sich viel zu sehr mit seinen Büchern, als mit der Realität befasste. Das tat ihm nicht sonderlich gut. Er war eher zurückhaltend und baute zu den Leuten um sich herum eher weniger Kontakt auf. Einzig zu seiner Zwillingsschwester Arysa. Die hatte zumindest einen geringen Einfluss auf ihn, wenn der auch nicht sonderlich groß war. König
Rhalys selbst sagte immer, dass seinem Sohn die Distanz gut stünde. Er ermutigte ihn noch dazu so zu sein. Etwas was der ältere nicht verstehen konnte, denn aufgrund dieses Verhaltens war Velkan auch sehr einsam. Er hoffte innerlich dass der Knabe in der Hauptstadt zumindest einen Freund für sich gewann. Vielleicht würde ihm das ein wenig helfen um innerlich aufzutauen. Einen Versuch war es wert. „Wir werden heute Abend in der Hauptstadt ankommen. Etwas früher als gedacht. Das wird sicher für Überraschung sorgen, aber ich habe bereits einen Boten entsandt, der sich um die Angelegenheit kümmert. Dann
musst du dich auch nicht mehr beschweren, im Zelt schlafen zu müssen. Ich bin mir sicher dass die Betten in der Feste des Königs gut gefedert sind“, neckte er seinen jüngeren Bruder und hatte dabei ein freundliches Lächeln im Gesicht. Vielleicht würde sich der jüngere ja entspannen, sobald sie in Teliankas angekommen waren. Es war das erste mal dass Velkan so weit fort von zu Hause war. Arysa ebenfalls, aber die ließ es sich nicht anmerken. Außerdem war sie blind geboren. Ein Umstand, der ihr einen anderen Blick auf die Dinge um sie herum war. Sie war ein gütiger Mensch und Oran hoffte,
dass auch sein kleiner Bruder irgendwann etwas davon lernte. Es lebte sich einfach besser mit Freude im Herzen. Das war eine Devise der der älteste der Kinder schon immer gefolgt war. Man wurde von den Leuten um sich herum gemocht, egal von welcher Rasse sie waren. Wer gutes tat erntete es gleichermaßen. Das hatte ihm auch sein Vater oft beigebracht. Oran war anders als sein Bruder, weshalb man ihm auch andere Wege gelehrt hatte. Im Augenblick war er es, der die Zukunft der Familie in den Händen hielt. Eine eventuelle Hochzeit würde den Einfluss Niats auf den Norden ausdehnen. Wenn er Lady Laneema heiratete, würde er
König werden, wenn Detharion irgendwann seinem Alter erlag. Das war in Versia ein Gesetz das wusste er. Nur verheiratete der Königsfamilie hatten einen Anspruch auf den Thron. Allerdings hatte er nicht wirklich Ahnung davon wie man herrschte, oder ein Volk zufrieden stellte. Der Gedanke daran, machte ihm ein wenig Angst. Doch war es noch so früh solche Gespinste zu haben. Er hatte die Frau ja noch nicht einmal gesehen. Dennoch konnte er eine gewisse Neugier nicht verbergen. Bis jetzt hatte er nur von der jungen Prinzessin gehört. Man sagte ihr einen starken Charakter nach. Das schätzte er. Er mochte es wenn Frauen
einen starken Willen hatten und sagten was sie dachten. Natürlich fragte er sich auch, was sie von ihm denken würde. Würde er ihr gefallen? Er seufzte. Es brachte nichts sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn es soweit war, würde er sowieso Gewissheit haben. So nahm er die Zügel seines Rosses fest in die Hände, während Velkan ihn musterte. „Wenn wir angekommen sind, werde ich Vater einen Brief schreiben. Er wollte wissen ob wir gut angekommen sind“, begann er und wirkte dabei ein wenig nachdenklich. „Manchmal bin ich froh darüber, dass ich nicht so geworden bin wie er. Er ist
ein guter Mann, aber ihm fehlt der Weitblick. Was erhofft er sich eigentlich von dieser Farce? Mehr Macht für Niat? Unser Land ist stark genug. Ich kann mir nicht vorstellen dass ihm irgendwas daran liegt sich mit diesen Leuten einfach nur zu verbrüdern. Es brächte ihm keinen großen Vorteil. Einfluss vielleicht, aber das ist nicht das wichtigste für einen König.“ „Nun, kleiner Bruder. Vielleicht will er auch einfach nur nett sein. Du solltest nicht immer jede seiner Entscheidungen hinterfragen. Versia ist ein gutes Land. Das Volk ist freundlich und uns wohlgesinnt. Warum nicht einen Bund zwischen uns fördern? Und wer weiß?
Vielleicht findest du ja auch jemanden, dem du das Eheversprechen gibst.“ Velkan schüttelte den Kopf. „Eher nicht. Ich halte nichts davon mich an jemanden zu binden, den ich nicht kenne. Natürlich, du hast einen Monat um diese Prinzessin kennen zu lernen, aber reicht das? Der Gedanke mit jemandem nach so kurzer Zeit in Gelöbnis für die Ewigkeit abzulegen ist absurd. Außerdem ist es dir zugetan, unsere Linie fortzusetzen. So kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Für mich also ein Vorteil. Ich muss niemanden heiraten. Zumindest lege ich keinen Wert darauf.“ Mit diesen Worten wandte er sich von
seinem Bruder ab und wies einen der Soldaten die sie begleiteten an, sich um sein Pferd zu kümmern, während er zur Kutsche schritt. Er war eben nicht die Art von Mann die darauf aus war, sich einfach nur eine Frau zu suchen, sie zu heiraten und den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Das war ihm zu gewöhnlich. Fast jeder gründete irgendwann eine Familie und setzte Kinder in die Welt. Man erwartete es förmlich, aber er war anders.Das wusste er schon immer. Er hatte sich andere Regeln gesetzt. Er war nicht der Typ dafür irgendwann eine Frau zu ehelichen und sein 'Happy End' zu haben, wie man es so schön nannte.
Es war zu wenig. Er wollte mehr erreichen als einfach nur jemand zu sein der die Zukunft seiner Blutlinie sicherte. Oran konnte sich darum kümmern. Er war wie geschaffen dafür. Ein liebenswerter und netter Mensch. Er passte in diese Rolle. Sollte er ruhig König werden. Mit diesem Gedanken öffnete der Prinz die Kutsche und betrat sie. Das Gefährt war wunderbar ausgepolstert und verziert.Jedoch konnte die junge Frau die im Innern saß nichts davon sehen. Blass schimmerten die birnengrünen Augen im dimmen Tageslicht. Das Haar war ebenso Kurz wie Velkans und ebenso dunkel. Ihre Züge waren weicher, auch wenn sie
ähnlich distanziert wirkte. Sie trug ein Kleid aus weiß und grau. Nur an den Schultern war es rot gehalten. Außerdem trug sie eine Kette mit grünen Perlen die ihre Augen zumindest ein wenig zur Geltung brachten. Zaghaft hob sie den Kopf als ihr Zwillingsbruder eintrat und ihr gegenüber Platz nahm. Sie wirkte ein wenig schlaftrunken. „Hattest du wieder einen deiner Träume?“ Sie nickte. Es mochte ein wenig absurd klingen, aber manche sagten dass Arysa in der Lage sei in ihren Träumen gewisse Aspekte der Zukunft voraus zu sehen. Dies geschah nicht immer, sondern nur manchmal. Danach war sie
meist ausgezehrt und wirkte noch müder, so wie jetzt auch. Ihr Bruder beugte sich nach vorne und nahm vorsichtig ihre Hand. Bei ihr war er ganz anders als sonst. Er war behütend und freundlich, so weit es ihm möglich war. Sie war ein Mensch dem er alles erzählen konnte und anders herum war es genau so. Dies traf auch auf ihre Träume zu. „Was hast du gesehen?“ Velkan zweifelte keinesfalls an den Fähigkeiten seiner Schwester, denn ihre Träume hatten sich schon oft als wahr erwiesen. Sie hatte die Geburt der jüngsten Schwester Sarasa vorausgesagt, noch bevor ihre Mutter
überhaupt schwanger gewesen war. Sie war es auch die von dieser Reise gewusst hatte, bevor man anfing Pläne diesbezüglich zu schmieden. Deshalb war es ihm immer wichtig bei solchen Visionen anwesend zu sein. Die anderen mochten vielleicht nicht davon überzeugt sein, aber er war es. Sie hatte sich noch nie geirrt. Wahrscheinlich würde sie die Hochzeit ihres Bruders voraussagen. Das wäre zumindest das logischste. Allerdings glaubte er nicht daran. Sie wirkte verunsichert, beinahe ängstlich. „Ich sah Schlangen die sich winden. Eine junge Blume die erblühte, aber von ihnen verzehrt wurde. Das Feld auf dem
sie wuchs starb aus und nichts als Schwärze blieb zurück.“ Er erwiderte nichts darauf, sondern hielt einfach nur ihre Hand, während er ins Leere blickte. Er wirkte wenig überrascht darüber. Was auch immer das zu bedeuten hatte: Es hieß auf jeden Fall Vorsicht zu bewahren. Er traute diesen Versianern nicht und bis jetzt hatte er auch keinen Grund seine Meinung diesbezüglich zu
ändern. Teliankas – Thronsaal der silbernen Feste - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 15. Zyklus - 14. Stunde Das Klirren von Messer und Gabel war im Thronsaal zu hören. Nachdem Palasso
sein Bild vollendet hatte, war das Mittagessen serviert worden. Wie immer speiste die königliche Familie zusammen mit dem Beraterstab auf der mittleren Ebene des Saals, etwas entfernt der drei Throne. Einzig Ser Alliser und Dumat waren bereits fertig. Der Hauptmann musterte gerade eines der neuen Banner die neben dem Eingangstor angebracht worden waren. Die schwarzroten Farben Niats schimmerten ihm entgegen und bedächtig fuhr er mit der Hand über den Stoff. Dumat musterte ihn ruhig. Die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt. „Feinste Seide aus Horas. Der König hat nichts gescheut um den Gästen einen
guten Empfang zu bereiten.“ Der Grünhaarige legte den Kopf schief und schloss einen Augenblick lang die Augen. Inzwischen sprach jeder davon und er selbst konnte noch so sehr zum Ausdruck bringen wie gleichgültig ihm das ganze war: Am Ende behelligte man ihn doch damit. Jedoch hegte er deswegen keinen Groll gegen Vaheran. Der tat auch nur das was man ihm befohlen hatte. „Es ist zu viel. Bei den ganzen niatischen Flaggen und Symbolen könnte man denken dass seine Majestät dem Prinzen die Stadt als Willkommensgeschenk macht. Immerhin ist es nur ein Besuch. Der Prinz sieht
sich die Prinzessin an, steig vielleicht mit ihr ins Bett und das wars dann. Man tut hier beinahe schon so als gäbe es bald eine Hochzeit.“ Die grauen Augen musterten das Banner nichtssagend während Alliser in seinem üblich kühlen Ton sprach. Heute war sowieso nicht sein Tag gewesen. Die Rekruten die ihm Sir Ronak angeschleift hatte, waren allesamt plumpe Jünglinge die zuvor noch nie eine Waffe in der Hand hielten. Sie auszubilden würde harte Arbeit werden und er bezweifelte dass es viele von ihnen schafften. Heutzutage waren die Männer eben nicht mehr so wie früher. Es fehlte ihnen an Robustheit und Selbstvertrauen. Da
konnte man ihnen noch so viele Vorträge halten. Jemand der nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt war, würde niemals richtig lernen was es bedeutete ein Soldat der Armee zu sein. „Euch einfach mal zu freuen wäre wohl zu viel verlangt nich wahr? Immerhin ist es ein fröhlicher Anlass. Ihr könntet die Zeit nutzen. Vielleicht findet ihr ja unter den Gästen eine Frau für euch Ser Alliser.“ Er schüttelte nur den Kopf und legte die Handfläche vors Gesicht. „Das bezweifle ich stark. Die Adeligen aus Niat sind doch alle gleich. Hochnäsig weil sie mit dem Silberlöffel im Hintern zu Welt kamen. Nein. Wenn
dann suche ich mir eine junge Dirne die gut kochen kann. Das ist wichtig. Schlechtes Essen war schon immer ein Grund für ein schlechtes Beziehungen und so wie ich weiß können Adelige nur sehr schlecht kochen, da dies meist die Diener für sie übernehmen.“ „Das Problem ist allerdings dass ihr selbst schon ein Magnet für schlechtes Klima seid. Ihr könntet auch ein Mädchen aus der Gosse ehelichen. Irgendwann würde es euch zu trist werden, oder sie würde aufgrund eures herzlichen Charakters das Weite suchen.“ Der Hauptmann lachte leise. Für wahr. Da hatte Dumat wohl Recht. Außerdem war das hier ja nichts weiter als
Geplänkel um sich die Zeit zu vertreiben. In Wahrheit würde er sich wohl keine Frau aussuchen. Dafür kostete sein Posten beim Militär einfach zu viel Zeit. Außerdem hatte er bis jetzt noch keine Frau getroffen die es wirklich wert wäre ihr seine Zeit zu schenken. Lady Leonora war zwar etwas anders, aber die war ihm zu querköpfig. Eine Frau die man nie zähmen konnte war wie der Ritt auf einem Drachen: Wenn man nicht aufpasste wurde man verschluckt. Ansonsten war ihm hier am Hof niemand aufgefallen. Fareena Caius vielleicht, aber das junge Ding war beinahe noch ein Kind. Die musste erst mal alle
Milchzähne verlieren bevor sie überhaupt solche Dinge in Angriff nahm. „Ich frage mich sowieso warum ihr euch den Kopf über mein Liebesleben zerbrecht Vaheran. Ihr seid selbst auch nicht gerade verheiratet nicht wahr? Man sollte nicht in anderen Gärten graben wenn der eigene total zerschunden ist. Außerdem gehört meine Liebe einzig und allein unserem Militär. Das wisst ihr doch. Ich halte lieber einen Säbel in der Hand als ein plärrendes Balg auf dem Arm. Ich bin mit der Armee verheiratet wenn ihr so wollt und meine Kinder sind die Grünschnäbel die denken sie wären Manns genug um Soldaten zu werden. Da
habe ich genug zu tun. Ich brauche nicht noch ein Weibsbild.“ Dumat nickte knapp. „Und? Wie ist die Auswahl dieses Mal?“ Der Grünhaarige seufzte nur. Über seine Meinung diesbezüglich war er sich selbst noch nicht ganz im klaren. „Der Großteil ist unbrauchbar. Verzogen und undiszipliniert. Es gibt allerdings zwei oder drei Ausnahmen die mich überrascht haben. Ein Junge aus Ulos. Gerade mal 18 Dekaden alt, aber flink und wendig. Mit dem richtigen Training könnte ich was aus ihm machen. Dann gibt es da noch einen Elfen aus dem Norden. Aus Dorf Belas. Er hat bereits die elfische Grunddisziplin und die Härte
die es braucht um ein Soldat zu sein. Gutes Material. Der Rest braucht viel Arbeit. Drei Jahre Ausbildung mindestens. Ich frage mich was Sir Ronak sich dabei gedacht hat diese Rekruten auszuwählen.“ „Vielleicht wollte er dass ihr mal wieder einer richtigen Herausforderung begegnet.“ „Oder der alte Furz liebt es einfach nur meine Zeit zu verschwenden. Wie dem auch sei. Ich werde mich jetzt zurück ziehen. Ihr könnt euch ja noch ein wenig über die Dekoration den Kopf zerbrechen mein Freund.“ Er verneigte sich zum Abschied vor dem Schwarzhaarigen und verließ dann den
Thronsaal. Für den Augenblick war ihm das genug gehobene Gesellschaft. Langsam schritt er den Korridor entlang direkt nach draußen in den Vorhof. Es regnete wieder so dass hier nur wenige Leute anzutreffen waren. Jene die ihn kannten machten ihm Platz wenn er vorbei kam. Man respektierte ihn. Wenige fürchteten ihn auch, aber daraus machte er sich nichts. Seine Gedanken waren bei den kommenden Tagen. Er musste zugeben dass er ein wenig gespannt auf die Adeligen aus Niat war. Vielleicht konnte er den Prinzen ja davon überzeugen eine Rede vor den Rekruten zu halten. Womöglich entfachte
das das richtige Feuer in ihnen um sie anzutreiben. Einen Versuch war es wert. Wenn das nicht funktionierte musste er eben auf harte Trainingsmethoden zurückgreifen. Meisterns funktionierte das und zeigte entsprechend Wirkung. So schritt er durch die Gärten der Feste und steuerte die Hauptstraße in Richtung des bronzenen Viertels an. Es lag etwas Abseits des Trubels. Hier lebte Thrassk. Neben ihm auch noch ein paar Handelsleute. Vorrangig hatte er diesen Ort allerdings wegen der Ruhe gewählt. Hier herrschte nur wenig Betrieb. Vereinzelt waren ein paar Leute auf den Straßen anzutreffen. Meist lebten hier auch andersrassige wie Elfen,
Nekomata oder Thaurie. Niemand behelligte ihn hier denn die Leute hatten genug mit sich selbst zu tun. Sein Haus befand sich am Ende der Straße. Ein gewöhnlicher Stadtbau. Nichts zu prunkvolles. Solche Dekadenz lag ihm nicht. Die Hauptsache war, dass er vier Wände besaß hinter die er sich zurückziehen konnte. Langsam stieg er die Stufen zur Eingangstür hinauf. Diese war aus feinem Holz geschnitzt und besaß ein paar elfische Verzierungen. Er mochte die Architektur der Spitzohren. Sie wirkte freier als die der Menschen und nicht so gezwungen. Für ihn genau das Richtige. So öffnete er die Tür und trat ins Innere. Diener hatte er keine.
Auf solchen Luxus verzichtete er gänzlich. Das nahm einem nur die Eigeninitiative. So legte er seinen Mantel ab und hängte ihn auf den Garderobenständer. Den Säbel löste er vom Gürtel und legte ihn in eine Truhe im Wohnzimmer. Es war schlicht eingerichtet. Ein kleiner Kamin der Feuer spendete, ein Sessel und eine Ecke in der er arbeiten konnte. Ansonsten war der Raum mit vielen Bücherregalen über die Geschichte Termias, Militärstrategien und anderem gefüllt. Der Raum war eher dunkel gehalten. Kirschholz. Es war stabil und robust, genau wie er. Einen Augenblick lang kniete der
Hauptmann noch vor der Truhe und holte etwas anderes daraus hervor: Eine Violine. Er spielte oft. Meist um sich auf andere Gedanken zu bringen, oder um sich von der Musik inspirieren zu lassen. Schon als kleiner Junge hatte er diese Begeisterung entwickelt und pflegte sie wie einen Garten. Das Spielen verschaffte ihm innere Ruhe und Gelassenheit. Etwas das man in seinem Beruf unbedingt brauchte. Er setzte das Instrument an und die ruhigen Töne hallten sanft durch das Zimmer. Es war ein Lied dass er schon lange kannte und deren Ferse sich in sein Gehirn gebrannt hatten wie Tinte auf Pergament. Der Marsch des Kriegers. Eine leichte Ballade
die auch in Tavernen oft gespielt wurde. Die sanften Klänge hatten ihm schon immer sehr gefallen. Heute lenkte jedoch etwas sein Spiel ab. Er nahm eine Bewegung vor dem Fenster wahr. Ein Lächeln wanderte über seine Lippen während er die Violine ablegte. Sie kam immer um ihm beim Spielen zuzuhören, doch so früh hatte er nicht mit ihr gerechnet. So schritt er langsam zur Tür und öffnete sie. Die Gestalt trug einen Kapuzenumhang, damit sie nicht nass wurde. „Ihr solltet nicht so schnell essen. Das schlägt auf den Magen Mylady. Ihr hättet auch später kommen können. Ich
bin den ganzen Tag hier“, erklärte er der jungen Frau, die eintrat und den Mantel ablegte. Das blasse rosa Haar kam zum Vorschwein. Die türkisen Augen musterten den Hauptmann einen Augenblick lang, ehe sie sich zur Begrüßung leicht verneigte und ihm ins Wohnzimmer folgte. „Ich mag die Aufregung im Moment nicht. Alle reden nur noch über Prinz Oran und seinen Besuch. Außerdem wollte ich Iven ausweichen. Seit sein Vater ihm den Floh ins Ohr gesetzt hat ich wäre vielleicht eine gute Frau für ihn lässt er mich nicht mehr in Ruhe.“ Wie immer sprach Fareena mit ruhiger und zögerlicher Stimme. Die 13-Jährige
hatte eben nicht viel Selbstbewusstsein. Am Hof betrachtete man sie nur als eine zukünftige Brutmaschine für einen der adeligen Söhne. Bei Thrassk fand sie wenigstens ein wenig Zuflucht. Sie lauschte gerne seiner Musik und er brachte ihr das Spielen bei. Das war alles. Der Hauptmann nickte und reichte ihr seine Violine, bevor er aufstand und ein Feuer im Kamin entzündete. „Wenigstens habt ihr so deutlich gemacht, dass der junge Caius den Verstand einer Amöbe besitzt. Sonst hätte er eure Abweisungen verstanden. Er ist ebenso ungehobelt wie sein Vater, aber glaubt mir: Irgendwann wird es leichter. Wenn nicht dann hilft meist ein
gut gezielter Tritt in die Familienplanung. Das macht einen Standpunkt ziemlich deutlich wenn alles andere versagt.“ Fareena schüttelte ein wenig verunsichert den Kopf. Nervös tippte sie mit einem Finger auf ihrem Oberschenkel herum während Thrassk ihr einen Becher Wasser eingoss. „Mutter sagt ein solches Verhalten geziemt sich nicht. Ich soll eine subtile Art finden auszudrücken dass ich nicht an Iven interessiert bin, aber was sagt man jemandem der so energisch ist?“ Alliser konnte darüber nur lachen. Die junge Lady Lavette hatte wirklich noch viel zu lernen. Er strich sich eine
Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihr in die Augen. Ein süffisantes Grinsen zierte seine Gesichtszüge. „Meine Liebe. Niemand am Hof achtet darauf ob sich ein Verhalten geziemt oder nicht. Zumindest die meisten. Habt ihr die Handelsleute beobachtet? Caius ist ein gieriger Mann der nur auf sein eigenes Wohl bedacht ist. Nicht ziemlich. Orivier ist ähnlich gestrickt, aber er versteckt es sehr subtil, wenn er nicht gerade durch die Freudenhäuser zieht. Auch hier: Nicht wirklich vorzeigbares Verhalten. Helix Palasso wird sich irgendwann in Wein ertränken und ich denke nicht dass man von ihm sagen kann dass er der frommste Mann
ist. Das zieht sich so weiter. Das einzige in dem die meisten wirklich gut sind, ist das Lügen. Am Hof ist jeder ein Lügner. Der eine beherrscht das Spiel einfach nur besser, so dass es nicht auffällt. Überall lässt sich Verderbtheit finden. Man muss nur richtig hinsehen.“ Diese Worte verunsicherten sie ein wenig. Die Violine hatte sie inzwischen auf den Schoß gelegt und sah den anderen fragend an. „Denkt ihr, dass ich auch verdorben bin Ser?“ „Nein. Noch nicht. Ihr müsst mehr Selbstvertrauen fassen Mylady. Setzt euch von den anderen ab. Zeigt Unabhängigkeit. Das ist wichtig. Hört
nicht immer auf das was andere euch versuchen ins Ohr zu setzen. Außer natürlich bei eurer Mutter und eurem Vater. Sie sind gute Leute. Haltet euch an sie. Und werdet Iven los. Das wäre mein Ratschlag. Wenn ihr ihm jetzt nicht seine Grenzen aufzeigt, wird er es nie lernen.“ Verschüchtert nickte sie und nahm einen Schluck aus ihrem Becher. Alliser seufzte. Er wollte sie nicht verunsichern. Das arme Ding war schon zu sehr von diesen Schlangen umgeben. Es war wichtig dass man ihr half. Auf Dauer würden ihre Eltern auch nicht verhindern können dass der junge Caius seine Avancen beendete. Allerdings
brachte es nichts sich die ganze Zeit den Kopf darüber zu zerbrechen. „Kommt Mylady. Spielt. Das bringt euch auf andere Gedanken.“ Und so nahm sie das Instrument in die Hand und begann zu spielen. Mit einem Mal wirkte sie deutlich entspannter. Ihre Augen waren geschlossen. Der ganze Kummer vergessen, so dass nur der Augenblick
zählte. Teliankas – Die silberne Festung - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 15.
Stunde „Für die Ankunft des Prinzen ist alles vorbereitet. Nur noch ein paar Kleinigkeiten die zu erledigen sind Mylady“, erklärte Garvin Orivier der Königin, während sie durch den Fackel erhellten Korridor schritten. Inzwischen hatte sich die Stimmung ein wenig gehoben, denn Am Ende war Leonora doch noch für das Portrait erschienen. Sareya entschied ihrer Tochter dieses Mal keine Rüge zu erteilen. Sie alle waren schon genug gestresst. Da musste es nicht auch noch böses Blut unter ihnen geben. Nach dem Essen war sie mit Orivier noch ein paar Details
durchgegangen. Der Mann mit dem hellbraunen dunklen Haar war ebenfalls ein Mitglied des Beraterstabes und gleichzeitig in der Handelsgilde. Auch er besaß viel Einfluss und half der königlichen Familie dabei die Finanzen des Reiches zu verwalten. Er kümmerte sich außerdem auch um die Ausgaben die für den Empfang des Prinzen gemacht worden waren. Keine einfache Aufgabe und manchmal raubte es ihm wirklich den Schlaf. Einzig bei seiner Frau Landra und seiner Tochter Janeha fand er Zerstreuung in diesen Tagen. „Das ist gut. Vor morgen sollte alles vorbereitet sein. Ich bin ziemlich nervös. Es ist lange her dass wir einen
Adeligen aus Niat zu Gast hatten und jetzt sind es sogar drei davon. Ich frage mich ob König Rhalys sich selbst damit nicht einen kleinen Urlaub gönnen wollte, indem er fast all seine Kinder in unsere Obhut gibt.“ Garivier nickte nur und faltete die Hände hintereinander. Sie erreichen einen offenen Teil der Mauer, deren große Fenster einen Blick auf den Fluss Felon zuließen. Allerdings wirkte der Ausblick durch das trübe Wetter eher trist und ein wenig gespenstig. Nebel lag über den Flussufern und in der Ferne sammelten sich die finsteren Wolken. Alles Vorzeichen für ein Unwetter. Nicht gerade die besten
Voraussetzungen für Prinz Orans Ankunft, aber davon durfte man sich nicht entmutigen lassen. „Nun ich denke das dürfte kein großes Problem sein. Prinz Oran ist über 20 und die beiden Zwillinge sind ebenfalls alt genug um auf sich aufzupassen. Außerdem denke ich dass es euren Töchtern auch gut tun wird, wenn sie Leute um sich herum haben die nicht alle älter oder jünger sind als sie. Davon abgesehen könnte sich auch die Chance ergeben eure widerspenstige Leonora zu zähmen.“ Die blonde Königin wirkte ein wenig verunsichert ob dieses Kommentars und sah ihren Gegenüber fragend
an. „Inwiefern?“ „Nun wie ich hörte ist Prinz Velkan ebenfalls ungebunden. Vielleicht besteht die Möglichkeit dass er das Herz eurer Jüngsten gewinnt. So hättet ihr zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ihr hättet für sie endlich einen Gemahl und vielleicht auch jemanden, der in der Lage ist ihr Temperament zu zügeln.“ Die Königin legte den Kopf schief. Dass Leonora sich mit Prinz Velkan einlassen würde war unwahrscheinlich. Dafür war das Mädchen einfach zu widerspenstig. Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein. Das wird nicht funktionieren. Leonora hat ein ganz anderes Weltbild
und eine völlig andere Einstellung. Sie wird nicht einfach Ja dazu sagen, wenn ich entschließe sie mit einem fremden Mann zu verheiraten. Sie würde sich sträuben und alles erdenkliche tun um den entgegen zu wirken. Ich will meine Tochter nicht gegen mich aufbringen Orivier, sondern einfach nur dass sie ein wenig gelöster ist. In ihr scheint so viel zu brodeln, aber ich habe irgendwie meinen Draht zu ihr verloren.“ Früher war es für Sareya einfacher. Da hatte sie mit ihrer jüngsten Tochter immer sprechen können, wenn diese etwas bedrückt hatte. Je älter sie wurde, desto weniger kam dies jedoch vor und mittlerweile schien es so, als
hätte Leonora eine dichte Mauer um sich herum errichtet, durch die niemand sie wirklich erreichen konnte. Sie mochte noch immer dieses aufgeweckte und lustige Mädchen sein, aber da war etwas das an ihr nagte. Das konnte ihre Mutter sehen. „Nun. Ich denke dass sich das später wieder legen wird. Sie ist eben in einem schwierigen Alter. Es ist nicht leicht die jüngste zu sein. Man wird an den Taten der älteren Geschwister gemessen. Leonora versucht sicher euch eine gute Tochter zu sein, nur eben auf ihre Art und Weise. Sie hat ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen. Sie lässt sich nicht einfach in irgendeine Rolle
hinein zwängen, die wir für sie aussuchen. Was das betrifft hat sie viel von ihrem Bruder. Besonders das Selbstbewusstsein und die Unabhängigkeit. Sie sitzt nun mal lieber im Hof und sieht den Soldaten beim Kampf zu, anstatt sich Zöpfe in die Haare zu flechten. Das ist ein Umstand den ihr akzeptieren müsst.“ Sareya schüttelte den Kopf. Eigentlich wusste sie das selbst ganz genau. Orivier musste es ihr nicht bestätigen, aber es war schwer loszulassen. Was würde aus Leonora werden, wenn man ihr wirklich in diesen Dingen freie Hand ließ? Die Ungewissheit darüber machte ihr
Angst. „Aber das was sie sich wünscht, kann ich ihr unmöglich erfüllen, versteht ihr? Wenn es nach ihr ginge, dann wäre sie wahrscheinlich schon längst dem Militär beigetreten und würde in der Welt herumreisen. Sie ist wie ein Vogel im Käfig. Das weiß ich, aber sie ist auch meine Tochter. Soll ich sie ruhigen Gewissens hinaus in diese düstere Welt schicken? Könntet ihr das Orivier?“ „Ich weiß es nicht. Jedoch sollte man wissen, was das eigene Kind braucht. Majestät, ich will euch hierbei keine Vorschriften machen. Wirklich nicht, aber ihr könnt sie nicht ewig festhalten. Es ist normal dass sie sich Freiraum
wünscht. Sie hat ihre eigenen Träume die sie verfolgen möchte. Ich verstehe das ihr Angst um sie habt, aber es kommt für jeden Elternteil mal der Zeitpunkt, an dem er sich eingestehen muss, dass sein kleines Kind erwachsen geworden ist. Dass das Küken das Nest irgendwann verlässt.“ Die Worte brannten in Ihr wie glühendes Eisen. Es wog auf ihrem Herzen, denn sie wusste dass er Recht hatte. Würde sie sich weiter sträuben und Leonora so behandeln wie sie es jetzt tat, dann würde sich ihre Tochter wahrscheinlich ganz von ihr entfernen und das war das letzte was sie wollte. Die junge Prinzessin sollte sie nicht als jemand
betrachten, der sie gefangen hielt und ihr ihre eigene Zukunft verwehrte. Der König selbst war auch der Meinung, dass man ihrer Tochter mehr Freiheiten zusprechen sollte, aber Sareya war stur gewesen. Sie konnte sich einfach nicht damit anfreunden. Besonders, wenn sie daran dachte dass Leonora ins Militär wollte. Immer wieder drängte sich dieses Bild in ihren Kopf, wie ihre Tochter am Ende einer Schlacht auf dem Felde liegen würde, allein und verlassen in ihren letzten Minuten, während das Licht in ihren Augen erlosch. Dieser Gedanke wäre ihr unerträglich und dennoch wusste sie, dass sie loslassen musste.
Irgendwann. „Nun. Ich werde mit dem König darüber sprechen, aber erst nach dem Besuch der Königsfamilie. Wir haben ohnehin genug um die Ohren. Leonora wird sich bis dahin gedulden müssen. Es geht jetzt erst einmal um Laneemas Wohl. Ich hoffe, dass sie in Oran ihre Liebe findet. Ich wünsche es ihr.“ Das tat sie wirklich. Außerdem würde der Bund zwischen Niat und Versia so enger werden. Eine gute Freundschaft würde sicherlich zwischen den beiden Familien entstehen und das war ebenfalls wichtig. An allererster Stelle stand jedoch das Wohl ihrer Kinder. Der
kommende Monat würde alles zeigen. Man sollte sich nicht den Kopf über ungelegte Eier zerbrechen. Das wusste sie. Sie musste ja selbst erst einmal mit den Besuchern warm werden. König Rhalys Kinder waren ihr vollkommen unbekannt und ihn selbst hatte sie nur einmal auf einem Turnier gesehen und das als sie noch sehr jung war. Damals war er noch kein König, sondern einfach nur Prinz von Niat. Daran merkte man auch, wie schnell die Zeit verstreichen konnte. Seitdem waren viele Dekaden ins Land gezogen. Jetzt war sie dreifache Mutter und nicht mehr das junge Ding aus jener Zeit, als sie noch ein ganz anderes Bild von der Welt
und andere Wünsche hatte. Königin zu werden, daran hatte sie nie gedacht, bis zu dem Tag an dem sie Detharion kennen lernte. Sie liebte ihren Mann sehr. Er war ihre Sonne und ihr Mond, bis sie alt waren und ihre Zeit auf dieser Welt zu Ende ging. „Durchaus. Dieser Besuch ist für uns alle auch eine große Ehre. Vielleicht ist dies der Beginn einer neuen Ära. Einer großen Ära des Friedens. Das könnte der erste Schritt dahin sein. Denkt mal daran: Zwei Länder, die eins werden. Wäre das nicht ein wundervoller Gedanke?“ „Das ist weit spekuliert, aber ja. Und es wäre ein Beispiel für andere. Aber weben
wir jetzt keine Zukunftsgeschichten. Konzentrieren wir uns auf den Augenblick und das was vor uns liegt. Sonst verketten wir uns nur in unseren Wünschen und Träumen. Natürlich ist es geplant dass der Prinz und Laneema viel Zeit miteinander verbringen. Bei ihrer Ankunft hier werden wir der Königsfamilie ein Bankett halten. Am Ende des Monats wird dann ein Ball statt finden, bevor sie uns wieder verlassen. Vielleicht haben wir dann ein neues Band der Liebe zu beglückwünschen. Wer weiß das schon?“ Ihr Gespräch wurde jeh unterbrochen. Sareya konnte den alten Carus Darmand entdecken, der hustend auf die beiden
zukam. Er wirkte sichtlich verunsichert. Besorgnis wanderte in das Gesicht der Königin und sogleich schritt sie auf den alten Mann zu, wobei sie ihn behutsam bei der Schulter fasste. „Was ist los? Geht es euch nicht gut?“ Er hob die Hand. Es dauerte einen kleinen Moment, bis er sich wieder gefasst hatte. Er atmete schwer und sie befürchtete er würde das Bewusstsein verlieren. Armer Carus. Die Maester sagten dass er nicht mehr lange zu Leben hatte. Er war alt und seine Kraft beinahe aufgebraucht. Man hatte ihm den Ruhestand angeboten, doch er hatte gesagt er würde dem König bis zu seinem letzten Atemzug dienen. So sah er
sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck an und sie hatte das Gefühl dass ihr nicht gefallen würde, was er zu sagen hatte. „Euer Gnaden...Ihr müsst den König informieren...Ein Bote ist gerade eingetroffen. Einer vom niatischen Gefolge!“ Sie sah zu Orivier, welcher sich sofort in Bewegung setzte um seine Majestät davon in Kenntnis zu setzen. Er würde wahrscheinlich gleich hier sein. Wenn es Nachrichten über die Leute aus Niat gab, fackelte er sicher nicht lange. Darmand nahm Sareya bei der Hand nun da sie allein waren. „Das Gefolge wird noch...vor Einbruch
der Nacht eintreffen!“ „Was? Das ist ein Tag früher als geplant. Wir haben erst morgen mit ihnen gerechnet.“ Das bedeutete, dass sie ihre Planungen um einiges beschleunigen musste. Innerlich fluchte die Königin während sie nun durch den Korridor schritt. Darmand hatte Schwierigkeiten mit ihr mitzuhalten. W§as dachte sich Oran dabei? Nun, er hatte sicherlich nichts schlechtes im Sinn. Wahrscheinlich wollte er sie nur überraschen. Dennoch kam das ganze ein wenig unerwartet. Zu kurzfristig. Die Diener würden doppelte Arbeit leisten müssen, damit der Empfang am heutigen Abend nicht in
einer totalen Blamage endete.
Teliankas – Die silberne Festung - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 16. Stunde Wieder traf ihr Säbel auf seinen, wobei er einen Schritt zurück machte, ehe er sich einem weiteren seitlich geführten Hieb der Blondine gegenübersah. Sie trainierten jetzt seit beinahe zwei Stunden in einem Raum in den unteren Katakomben der Feste. Sir Esthir hatte ihn extra für das Training mit Prinzessin Leonora ausgewählt. Hier würde sie niemand stören und sie konnten sich ganz in Ruhe dem Schwertkampf
widmen. Der Raum war durch Fackeln erleuchtet. Fässer und Kisten standen überall herum, um Hindernisse zu bieten die den Kampf erschweren sollten. Auf eine dieser Kisten sprang jetzt die junge Dame um einem Streich des Ritters zu entgehen. Er lächelte beeindruckt. „Gar nicht übel. Ihr habt das Training verinnerlicht wie ich sehe. Ihr werdet besser.“ „Vielleicht werdet ihr auch einfach nur älter.“ Sie sprang von der Kiste und erneut drang das Klirren der Waffen durch den Raum. Dieses Mal hatte Esthir die Oberhand, der seine Kontrahentin mit
Hieben und Stichen immer weiter in die Ecke zwang. Mit einer Rolle konnte Leonora unter einem Hieb hindurch tauchen und zog dem Ritter die Beine weg. Er landete Hart auf dem Boden und japste. Sie befand sich bereits wieder über ihn, aber mit einer Drehung zur Seite, konnte er ihr entgehen. Schnell kam er wieder auf die Beine und drängte nach vorn. Der Atem ging mittlerweile schwer. Er musste zugeben dass sie inzwischen wirklich sehr gut war. Sie lernte sehr schnell und entwickelte eigene Techniken um aus scheinbar verzwickten Situationen zu entkommen. Jeden anderen Anfänger hätte er schon in die Ecke gedrängt, aber
Leonora war kein Anfänger mehr. Inzwischen trainierte er sie schon über drei Dekaden lang und dies immer heimlich. Andernfalls würde Königin Sareya wahrscheinlich durch die halbe Stadt jagen. Er führte einen vertikalen Hieb, wobei er nicht mit der Klinge, sondern dem Knauf des Säbels zuschlug. Das brachte die Prinzessin letztendlich zu Fall. Er hielt ihr die Klinge des Übungssäbels an die Schulter und lächelte. „Das war wirklich sehr gut Mylady. Eure Fähigkeiten sind beachtlich, aber ihr müsst noch an eurer Beinarbeit achten. Außerdem dürft ihr einem Feind niemals erlauben euch zu überraschen,
denn in einem richtigen Kampf kann das über Sieg oder Niederlage entscheiden.“ Der Schwarzhaarige half der jungen Frau wieder auf die Beine. Leonora klopfte sich den Dreck von der Kleidung und lächelte. Schweiß lief ihr von der Stirn hinab. Das Training hatte sie heute wirklich gefordert. Allerdings war sie auch noch nie so enthusiastisch gewesen wie heute. Sie hatte den Kampf richtig genossen. Es war immer ein befreiendes Gefühl. Das war ihre Art eine Situation zu verarbeiten und sich zu lockern. Sie ließ sich auf eine der Kisten nieder und legte den Säbel neben sich. Esthir nahm neben ihr Platz. Er wirkte
zufrieden. „Das habt ihr wie immer gut gemacht. Ihr seid den Rekruten um einiges voraus Mylady. Wenn es mal nötig sein sollte, dann werdet ihr in der Lage sein euch durchaus selbst zu verteidigen.“ „Das ist gut, aber was bringt es mir wenn ich besser bin als die Rekruten? Ich habe sowieso niemanden an dem ich meine Fähigkeiten messen kann. Nur euch. Nichts für ungut Ser, aber ich wünsche mir manchmal doch mehr. Ich möchte auch mit anderen diese Freude teilen. Ich will mit ihnen trainieren. Man kann nicht stärker werden wenn man immer nur einen Gegner hat.“ Der Ritter sah sie väterlich an. In letzter
Zeit hatte sie diesen Wunsch immer häufiger geäußert und zu Anfangs hatte er gehofft dass sich das irgendwann legen würde, doch Leonora war ein hartnäckiger Kandidat. Sie würde das nicht einfach aufgeben. Das wusste er. Jedoch konnte er nichts für sie tun, außer sie weiterhin heimlich zu trainieren. Immerhin war sie die Tochter des Königs und ihre Eltern würden sicherlich nicht zustimmen, dass sie ein Soldat wurde. Außerdem stellte sich dabei immer die Frage ob man für so etwas gemacht war. Natürlich war sie eine hervorragende Kämpferin, aber das Training unter Hauptmann Thrassk war mit seinem gar nicht zu vergleichen. Sir
Esthir nahm teilweise Rücksicht auf die Prinzessin und drillte sie nicht. Thrassk zeigte keinerlei Erbarmen um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die meisten Rekruten brachen ihre Ausbildung schon sehr früh wieder ab oder beantragten eine Versetzung, da ihnen die Grundbedingungen einfach zu hart waren. Vor allem bestand das Training bei Alliser nicht nur aus dem Kampf mit dem Säbel. Lange Märsche waren auf dem Programm. Rekruten mussten einen Tag lang auf der Mauer stehen und dort Wache halten und das ohne Schlaf oder sonstige Verpflegung und das waren nur ein paar Beispiele. Der Ritter war sich nicht sicher, ob Leonora das durchhalten
würde. „Ich kann euch nur zu gut verstehen Mylady, aber seid mit dem zufrieden was ihr im Moment habt. Ihr seid eine gute Schülerin. Das weiß ich zu beurteilen. Ich bin mir darüber bewusst, dass ihr euch auch gerne mit anderen messen würdet, um eure Fähigkeiten einzuschätzen. Das ist ein Grundverlangen das wir Menschen besitzen. Wir wollen uns an anderen messen um selbst zu wachsen. Ihr müsst nun mal mit mir Vorlieb nehmen, so sehr euch das auch manchmal langweilen mag. Ihr wisst, dass eure Eltern das niemals erlauben würden. Ich kann daran aber auch nichts ändern. Ich
bin nur ein Ritter. Alles was ich tun kann ist euch beizubringen, was man mir beigebracht hat.“ Die Prinzessin seufzte. Eine Spur von Wehmut lag in ihren Augen. Sie wusste, dass es nichts brachte mit Sir Esthir darüber zu argumentieren, denn er konnte nichts an der Situation ändern, so gern er es auch wollen würde. Das war nun mal das Los das sie gezogen hatte. Sie war eine Frau und die wurden eben anders behandelt als die Männer. Hinzu kam dann auch noch dass sie die jüngste in der Familie war. Die Leute erwarteten alles mögliche von ihr, ohne dabei auf das zu achten, was sie selbst wollte. Darum scherte sich
niemand. „Es ist unfair. Ich weiß dass ich auch Pflichten als Prinzessin habe, aber das hier, diese ganzen Regeln und Dogmen. Die Leute die mir ständig vormachen wie ich mein Leben zu führen habe. Das erdrückt mich. Manchmal da fühle ich mich einfach nur wie eine Puppe die Befehle ausführt, weil andere es von ihr verlangen. Ich hab nicht mal wirklich ein eigenes Leben. Versteht ihr? Ich habe bis jetzt nichts erreicht, auf das ich selber auch stolz sein kann, sondern immer nur das was Andere zufrieden stellt. Ich will aber nicht die Träume meiner Mutter oder meines Vaters leben, sondern meine eigenen. Ich
bin eben keine Prinzessin die auf Bällen tanzt oder bei Banketten über einen dämlichen Witz lacht. Das bin ich nicht, aber das sieht keiner.“ Sir Esthir nickte. Ein wenig erinnerte Leonora ihn an sich selbst, als er noch jünger war. Sein Vater war ebenfalls Soldat gewesen und hatte ihm immer vorschreiben wollen wie er sein Leben zu führen hatte. Eine Zeit lang hatte er geglaubt dass dies der richtige Weg sei, ehe er erkannte dass es auch anders ging. Er wurde Soldat, beschritt aber einen anderen Weg. Er zog durch das Land und sammelte neue Erfahrungen. Er war an vielen Orten gewesen und hatte viel gesehen. Teilweise war er
sogar sesshaft geworden. Er hatte eine Frau geliebt. Ihren Namen würde er nie vergessen. Adane war ein Mensch gewesen, der ihn bezaubert hatte. Jedoch siegte am Ende seine Ehre und er kehrte nach Norden in die Hauptstadt zurück. Seitdem vergrub er diese Dinge, zusammen mit allem anderen, was ihm nachts den Schlaf raubte. Leonora würde es irgendwann sicher ebenso ergehen. Noch war sie jung und unerfahren, aber irgendwann würde man sie nicht mehr halten können. Das wusste er. Sie war wie ein Vogel der einfach nur fliegen wollte. „Leider ist es nun mal so, dass wenn wir jung sind die Älteren das Denken für
uns übernehmen. Das ist der Beschützerinstinkt. Es ist nicht so dass sie uns unterdrücken wollen. Sie sorgen sich einfach und wollen das Beste für uns. Das Problem ist hierbei manchmal nur, dass die Leute von sich selbst ausgehen, ohne auf unsere Bedürfnisse zu achten. Es ist schwer ich weiß, aber ich bin mir sicher dass ihr irgendwann die Anerkennung erhalten werdet, die ihr verdient. Im Augenblick könnt ihr das nicht von euren Eltern erwarten. Sie haben viel zu tun. Das wisst ihr. Man muss geduldig mit ihnen sein. Man darf ihnen nicht immer nur ihre Fehler vorhalten, sondern muss auch an das gute denken was sie für einen
tun.“ Leonora erhob sich und warf einen nichtssagenden Blick auf den Ritter. Sie wusste dass er mit seinen Worten absolut Recht hatte. Sie durfte im Augenblick nicht an sich denken.Das war nicht fair. Es ging hierbei auch um die Zukunft ihrer Schwester. Da war es vollkommen normal, dass sich nicht alles um sie drehte. Jetzt stand Laneema im Vordergrund. Natürlich wünschte sie sich, dass ihre ältere Schwester ihr Glück fand, nur irgendwie war es bitter dass jemand anders sich seine Träume erfüllen konnte und dabei sogar noch unterstützt wurde, während sie einfach daneben stand und zusah wobei ihre
eigenen unerfüllt blieben. Es gab so vieles was sie sich anders wünschte. Es ging nicht nur um die Angelegenheit mit der Armee. Es ging auch um die Sache mit Melas, die sie immer vor allen geheim halten musste. Das war etwas, dass sie sich selbst Sir Esthir nicht zu sagen traute. Es war schwer zu sagen wie er darauf reagieren würde. Nein. Dieses Geheimnis musste sie für sich bewahren, so wie auch ihre Gefühle. Dennoch hatte sie diesen Weg für sich ausgewählt. Irgendwann würde alles anders sein. Das hoffte sie. Wenn der Monat vorüber war, würde sie ein paar Dinge in Angriff nehmen. Dazu gehörte auch ihren Eltern von ihrer Beziehung zu
erzählen. Sie würde alles offen legen. Vielleicht würde man sie dann endlich ein wenig besser verstehen. Das hoffte sie zumindest. So griff sie wieder nach ihrem Übungssäbel und lächelte Esthir an. „Kommt. Ihr müsst mir das mit dem Überraschungsmoment noch einmal genauer erklären!“ Teliankas – Die silberne Festung - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 16. Stunde Das Zimmer der Prinzessin lag in den oberen Stockwerken der Feste. Von hier
aus konnte man die ganze Stadt überblicken, wenn man aus dem Fenster sah. Dahinter die majestätischen Gebirge des Rohin Passes. Ein Ausblick den nicht jeder genießen durfte. Das Zimmer selbst war groß. In einer Ecke stand das Doppelbett, bezogen mit bordeaux-farbenen Decken. Daneben stand eine Kommode mit Spiegel, damit die Prinzessin sich hübsch machen konnte. An den Wänden hingen Bilder von vergangen Königen, oder aus der Familie. Pflanzen waren in die Ecke gestellt worden und in der Mitte des Raumes stand ein Waschzuber, aus dem gerade die Blondine herausstieg. Langsam liefen die einzelnen Tropfen
ihren Rücken und den Rest ihrer Haut hinab. Ihre elfische Dienerin machte sich sofort daran sie abzutrocknen. Dies war Laneemas persönliches Dienstmädchen. Eine Elfin namens Mythandriel. Sie war etwas jünger als die Prinzessin und trug ein grünes langes Kleid, denn ihre Herrin verlangte dass sie immer gut aussah. Im Haar hing eine Rosenknospe, die die roten Augen zur Geltung brachten. Das mintgrüne Haar war ebenfalls besonders schön anzusehen. Bedächtig trocknete sie die Blondine mit dem Handtuch ab. Auf dem Bett saß noch jemand. Eine junge Frau die ihr Haar zu Zöpfen geflochten hatte. Rot leuchtete es. Mit ihren braunen
Augen musterte sie die Situation. Dies war Daria Caius – Tochter von Dothras und Mara Caius, sowie Schwester des jungen Iven. Von klein auf hatte sie stets am Rockzipfel der anderen gehangen, die mit ihren 29 Dekaden um 5 älter war als sie. Es gab kaum einen Tag, an dem die beiden nichts miteinander zu tun hatten. Für Laneema selbst war die Rothaarige wie eine zweite Schwester und es kam schon oft vor, dass sie Leonora am liebsten gegen sie getauscht hätte. Das Mädchen war einfach nicht normal mit ihrem seltsamen Benehmen. Wo gab es schon so etwas? Eine junge Frau die lieber den Schwertkampf vorzog? Das war absurd.
Sie seufzte. Jetzt würde sie nicht darüber nachdenken. Ihre Gedanken waren vollkommen auf den Prinzen von Niat fixiert, der einen Tag früher als erwartet eintreffen würde. Deshalb nutzte sie die Zeit um sich noch einmal frisch zu machen. Mit einer Handbewegung deutete sie ihre Dienerin an, es mit dem Abtrocknen gut sein zu lassen. „Das genügt jetzt. Das Feigenöl, bitte.“ Dies ließ sich die Elfe natürlich nicht zweimal sagen und schritt zur Kommode, wo sie bereits alles vorbereitet hatte. Bedächtig tauchte sie zwei Finger in die Schale um sie mit dem Öl zu benetzen, bevor sie damit
begann es auf dem Rücken der Prinzessin aufzutragen. Ein angenehmer Schauer lief Laneema über den Rücken. Die Grünhaarige war wirklich sehr sanft. Als würde sie ein Bild malen, ließ sie ihre Finger über den Körper der Blondine gleiten. Das mochte sie sehr an ihr. Mythandriel war immer zärtlich und achtete stets darauf dass sie ihre Herrin mit Vorsicht behandelte. Daria beäugte das ganze grinsend und legte die Hand ans Kinn. „Das scheint ihr zu gefallen Lanee. Wie sanft sie dich berührt. Da kann sich so mancher Mann eine Scheibe von abschneiden.“ Die Elfe errötete kaum merklich und hielt
einen Augenblick inne. Es stimmte, sie mochte ihre Herrin, aber wagte es nicht ein Wort diesbezüglich zu verlieren. Sie war nur ihre Dienerin, die dafür lebte ihrer Herrin zu dienen. „Die Herrin hat einen schönen Körper. Der Prinz wird sicher nicht die Augen von ihr abwenden können. Er kann sich glücklich schätzen, eine hübsche Frau wie die Herrin als Partnerin zu bekommen.“ Sie sprach von sich selbst stets in der dritten Person. Das taten alle Sklaven. Sie sahen sich selbst als wertlos an und verschrieben sich nur dem Dienst ihres Herrn. Sie war froh der Prinzessin dienen zu dürfen. Es erfüllte sie mit
Freude diesen Menschen glücklich zu machen. Daran sah sie, dass sie ihre Arbeit gut machte. Manchmal schimpfte die Herrin auch, aber meistens war sie zufrieden mit dem was sie tat. „Danke Mythandriel. Das ist zu freundlich, aber wir sollten den Tag nicht vor dem Abend loben. Zu aller erst will ich mir diesen Prinzen ansehen“, erklärte sie während sie in den Spiegel sah. Für ihr Alter hatte sie sich wirklich gut gehalten. Sie sah 10 Dekaden jünger aus als sie es wirklich war. Ihr Körper war wohl und schlank geformt. Ihr Busen straff und schön anzusehen. Eigentlich alles, was sich ein Mann wünschen konnte und wenn dieser Prinz
Oran ihr gefiel würde sie auch nicht lange fackeln. Stets hatte sie davon geträumt einen Prinzen zu heiraten und nun schien das zum greifen nahe. Später würde sie dann Königin werden und an Orans Seite über das Land herrschen. Sofern er ihr zusagte. Da sie sich selbst als bezaubernd erachtete, musste ihr Partner ebenfalls gut aussehen, denn unter Wert würde sie sich sicher nicht anbieten. „Sieh nur. Sie kann den Blick gar nicht von dir lassen, nicht wahr Mythandriel? Findest du deine Herrin sehr hübsch?“ Die Angesprochene nickte, wobei wieder ein Hauch von zartem Rosa auf ihre Wangen wanderte. Caius Tochter
erhob sich langsam vom Bett und stellte sich hinter die Dienerin. Bedächtig ließ sie ihre Hände über den Körper der Elfe gleiten, woraufhin diese nur noch mehr errötete. „Bitte. Die Lady macht Mythandriel verlegen.“ „Das musst du nicht. Dir gefällt es doch, oder? Sicher würdest du dir wünschen, deine Herrin würde dich ebenso liebkosen, nicht wahr?“ Laneema lachte kurz auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie liebte es, wenn Daria mal wieder eines ihrer Spielchen spielte. Mit der jungen Frau wurde einem niemals langweilig, denn ihr viel immer wieder etwas neues ein.
Inzwischen war ihre Dienerin sichtlich nervös geworden und ein Teil von ihr war neugierig, wie weit sie dieses Spiel treiben konnten. So gesellte sie sich zu den beiden und begann langsam die Kordel des Kleides der Elfe zu lösen. „H-Herrin!“ Ehe man sich versah hatte die Prinzessin ihren Oberköper entblöst. Mythandriel hatte wirklich weiche Haut und ihre Brust war ähnlich wohl geformt wie die ihre. Sie war hübsch. Das ließ sich nicht bezweifeln und ihre Schüchternheit verlieh ihr einen gewissen Charme. Süffisant lächelte sie, während sie damit begann mit ihren Händen über die Schulter der Elfe zu
fahre und sie näher zu betrachten. „Ihr seid sehr hübsch. So mancher Mann würde sich glücklich schätzen eine Frau wie euch in seinem Leben zu wissen.“ „Mythandriel dient nur der Herrin. Sie braucht keinen Mann.“ Sie hatte den Blick zu Boden gerichtet und musste sich anstrengen nicht zu stottern. Das Herz schlug ihr heftig in der Brust. Solch eine Situation war ihr noch nie begegnet. Die beiden anderen Frauen waren deutlich amüsiert darüber. Daria schritt nun nach vorne und begann die Elfe zu mustern und zu betrachten.Die Dienerin wirkte verunsichert darüber wie die beiden
Frauen sie behandelten. Laneema hatte inzwischen auf dem Bett Platz genommen um der Situation zuzusehen. Es war auf eine angenehme Art und Weise sehr erregend, besonders darüber nachzudenken was sie alles mit der Elfe anstellen könnte, doch konnte sie sich beherrschen nicht an diesem Spiel teilzunehmen. Sollte Daria das Vergnügen haben. Die 29-Jährige begann währenddessen sich langsam anzukleiden. Als Laneema fertig war, erhob sie sich von dem Bett und strich der Grünhaarigen langsam durch das Haar. „Sieh das hier als Belohnung an Mythandriel. Daria, sorg dafür dass sie
sich wohl fühlt. Ich werde ein wenig frische Luft im Hof schnappen.“ Und damit schritt sie hinaus auf den Korridor. Sollte Daria ruhig ein wenig Spaß haben wenn sie wollte. Immerhin schien es ihrer Dienerin zu gefallen und das war ja auch etwas positives, auch wenn eine solche Art von Spiel eigentlich nicht ihre Art und Weise war. Sie hatte ohnehin wichtigeres im Kopf als solch niederen Gelüsten zu folgen. Ihre Gedanken hingen bereits bei dem Augenblick in dem die niatische Königsfamilie eintreffen würde. Natürlich hoffte sie dass ihre beiden Geschwister dem ganzen ebenfalls ein wenig Ernsthaftigkeit
beimaßen. So schritt sie den Korridor entlang. Da die meisten Arbeiten erledigt waren, befanden sich nicht viele Leute auf den Fluren. Das tat mal ganz gut und war eine Abwechslung im Gegensatz zu den letzten Tagen in denen sie immer nur gestressten Leuten begegnet war. Natürlich war sie selbst auch ein wenig aufgeregt, aber man sollte deswegen nicht gleich den Verstand verlieren. Wahrscheinlich waren die meisten so aus dem Häuschen, weil es in ihrem Leben sonst nichts aufregendes gab. Sie labten sich an so etwas. Lebten davon. Für Laneema eher weniger lukrativ, aber
sie behielt eine solche Denkweise für sich. Das hatte sie von ihrer Mutter gelernt. Manchmal war es eben besser nicht alles auszusprechen das einem im Kopf herumspukte. Je wurde sie aus dem Gedanken gerissen, als sie vor sich Arienne Lavette und ihren Bruder Melas erblickte. Zur Begrüßung hob die Prinzessin leicht die Hand und lächelte. Die beiden waren ihr sympathisch, auch wenn sie Melas nicht ganz so viel Wohlwollen entgegen brachte. Sie wusste um diese Gerüchte bezüglich ihm und Leonora. Konnte da wirklich etwas dran sein? War ihre Schwester so töricht? Zumindest würde es zu ihr
passen. Die jüngere handelte oft unüberlegt und impulsiv, aber wenn sie ehrlich war interessierte sie das auch nicht sonderlich, solange es nicht ihrem Ruf schadete. „Ah. Mylady. Wie ich sehe habt ihr euch bereits auf die Ankunft des Prinzen vorbereitet. Eure Souveränität ist wie immer bemerkenswert. Immerhin kam es ziemlich überraschend dass der Prinz nun doch heute Abend schon eintrifft“, erklärte Arienne in freundlichem Tonfall, woraufhin die Blondine einfach nur lächelte während die drei nun nebeneinander durch den Korridor schritten. „Nun, man sollte sich eben nicht von so
etwas aus der Bahn werfen lassen. Jetzt ist die Vorfreude natürlich umso größer Prinz Oran endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Ich bin ziemlich nervös das muss ich zugeben und teilweise fühle ich mich wieder wie ein kleines schüchternes Mädchen. Ich kann nicht aufhören an das alles zu denken was geschieht, wenn wir wirklich zueinander finden sollten.“ „Das kann ich mir gut vorstellen. Eine Hochzeit ist etwas besonderes. Vor allem dann, wenn man den Anderen sehr liebt. Ich erinnere mich noch gut an meine Hochzeit mit Margus und daran wie glücklich ich war. Besonders nachdem er mir zwei liebreizende Kinder
schenkte. Glaubt mir, wenn ihr das erste mal ein Baby in den Armen haltet das euer eigenes ist. Das ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.“ Arienne schwärmte förmlich davon. Natürlich dachte Laneema auch daran irgendwann Kinder zu bekommen. Eines oder zwei, wobei sie sich auch fragte wie sie sich mit der Mutterrolle zurecht finden würde. Als sie etwa 15 war, hatte sie sich immer um ihre kleine Schwester gekümmert. Vergleichbar war das jedoch nicht wirklich. Es gab einem nur einen kleinen Vorgeschmack, besonders da man im jungen Alter noch anders über solche Dinge dachte. So musterte sie die Rothaarige einen
Moment fragend, ehe sie von neuem das Wort ergriff. „Darüber denke ich nach, wenn es soweit ist. Ich habe den Prinzen bis jetzt ja noch nicht einmal getroffen. Natürlich denke ich an solche Dinge wie Heirat, aber man sollte nicht zu viel spekulieren, denn ansonsten ist die Enttäuschung am Ende nur umso größer. Es ist besser alles langsam auf sich zukommen zu lassen. Und wer weiß? Vielleicht gefällt er mir ja nicht und stattdessen findet meine Schwester ihre große Liebe. Man kann nie wissen. Zumindest hoffe ich das. Dann würde endlich dieses dumme Gerücht mit Euch aus der Welt geschafft werden
Melas.“ Einerseits hoffte sie das wirklich, denn solche Geschichten waren niemals gut für das eigene Ansehen. Wenn einer aus der Familie negatives anzog wirkte sich das sofort auf den Rest aus und das war etwas das sie absolut nicht wollte. Besonders nicht jetzt. Was sollten die Leute aus Niat denken, wenn ihnen solche Gerüchte zu Ohren kamen? Melas nickte nur darauf und sah aus einem der Fenster im Korridor. Dabei hatte er die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Seine Schwester sah die Prinzessin mit einem gemischten Gesichtsausdruck an. „Nun Mylady. Es sind nur Gerüchte. Melas ist ein ehrbarer Mann und eure
Schwester mag zwar ein wenig kompliziert sein, aber sie weiß was richtig ist und was nicht. Ich denke nicht dass an diesen Behauptungen etwas dran ist. Wahrscheinlich hat das nur jemand in die Welt gesetzt um sich interessant zu machen. Schlimm ist es nur dass dadurch das Bild meines Bruders und das von Lady Leonora beschädigt wird“, antwortete sie und zog sich dabei eine Haarsträne hinter das Ohr. Laneema hatte diese Antwort durchaus erwartet. Immerhin waren die beiden Familie. Zwar hielt sie selbst auch nichts von diesen Gerüchten, aber sie war nicht die Art von großer Schwester die ständig auf die anderen
aufpasste. Leonora war alt genug um auf sich selbst achten zu können und sie besaß genügend Selbstvertrauen um sich von derlei Behauptungen abzusetzen und sie nicht an sich heran kommen zu lassen. Das war zumindest ein Aspekt den sie an der jüngeren bewunderte. Egal was man über sie sagte. Die 20-Jährige ließ sich niemals unterbuttern. Das einzig negative war hierbei dass sie nicht wusste wann sie das unterlassen musste. „Durchaus. Wer möchte das schon? Ich hatte nicht vor euch anzugreifen. Ich hab lediglich meine Besorgnis ausgedrückt. Ich denke ebenfalls nicht dass solchen Worten Gehör zu schenken
ist. Habt keine Sorge. Irgendwann werden diese bösen Zungen sicherlich schweigen. Spätestens wenn der Prinz und seine Geschwister eintreffen haben die Leute genug andere Dinge im Kopf. Macht euch also keine Gedanken darum.“ Für Laneema war jetzt alles gesagt was es zu diesem Thema zu sagen gab. Es ernüchterte sie über ihre Schwester und mögliche Diffamierungen ihres Rufes zu sprechen. Davon wollte sie sich ihre Laune nicht verderben lassen. Es genügte schon wenn ihre Schwester das manchmal ohnehin schaffte in dem sie wieder etwas vollkommen absurdes tat. Nein, heute würde sie an so etwas nicht mehr denken. Dieser Abend gehörte ihr
und sie würde das beste daraus machen. Dorf Faron - 2. Ära – 1576. Dekade – 3. Monat – 16. Zyklus - 16. Stunde „Und? Kann die Lady sagen, was die Eigenarten der Rathak sind?“ „Also...Die Rathak sind die vorherrschende Spezies in Flaeris. Sie sind Reptilienartig und sie verständigen sich über Zisch- und Klicklaute, aber die Weibchen haben eine besser
ausgebildete Resonanzkammer! Außerdem gibt es keine Familienbande sondern Brutschulen in denen die Weibchen ihre Eier ablegen. Dort werden sie dann bis zur Geburt überwacht!“ „Sehr gut! Die junge Dame lernt schnell!“ Jelena lächelte ihrer Freundin Nathrella zu. Es machte Spaß mit ihr zu lernen und all die Eigenarten von Termia zu erfahren. Die Dienerin ihres Vaters unterrichtete sie wann immer sie Zeit hatte. Das waren meistens die besten Stunden am Tag. Die 16-Jährige mochte die Elfe sehr. Immerhin war sie die einzige Freundin die sie kannte, denn ihr
Vater verbot es ihr das Haus zu verlassen. Schon immer hatte er sie dort gehalten wie in einem Gefängnis. Dadurch war ihre Haut vergleichbar blass, ihr Haar ebenfalls. Fahl leuchtete es in rosarot. Einzig ihre saphirblauen Augen leuchteten. Sie hatte ein kindliches Gesicht, doch die Leute würden es wohl niemals sehen. Einzig Nachts konnte sie sich heraus schleichen, wenn Nathrella Boros Voltrin, den Schläger ihres Vaters ablenkte. Nathrella war schon älter. Das braune lange Haar war zerzaust und ungewaschen und die Kleidung bestand aus einem grauen alten Lumpen der wohl nie bessere Tage gesehen hatte. Ihr
Gesicht und ihre Arme zeigten Blessuren. Auch Jelena hatte diese blauen Flecke. Es war nicht leicht unter ihrem Vater zu leben, aber solche Momente wie dieser hier machten es erträglicher. Das Mädchen warf einen Blick auf die Kommode, auf der verschiedene Pflanzen standen. Sie hatte ihre Freundin gefragt ob sie Kräuter im Wald sammelte. Pflanzenkunde war etwas das sie sehr mochte. In Büchern hatte sie das gelernt. Das Lesen hatte ihr die Elfe beigebracht. Inzwischen konnte sie sogar einige Salben herstellen, die den Schmerz der Prellungen ein wenig linderte. Jetzt allerdings war der
Unterricht an der Reihe. Jeden Tag ein paar Stunden und es war keinesfalls langweilig, denn es gab immer viel zu lernen. „Hat die Lady vielleicht Hunger? Soll Nathrella die Suppe kochen die sie so gerne mag?“ Die Tochter des Bürgermeisters schüttelte den Kopf und lächelte. Dann stand sie auf und schritt zum Fenster. Vorsichtig zog sie die Vorhänge beiseite und schaute in den Nachmittag hinaus. Das Schnattern der Dorfleute drang an ihr Ohr. Von irgendwo her vernahm sie das Lachen von Kindern. Männer arbeiteten auf ihren Feldern und die Frauen unterhielten sich an dem kleinen
See während sie ihre Wäsche wuschen. Jelena beneidete sie jeden Tag. Sie beneidete sie darum, nicht das tun zu können was sie taten. So zu lachen wie sie, mit ihnen zu reden. Das alles blieb ihr verwehrt. Es war länger her dass sie draußen war und beim letzten Mal hatte ihr Vater sie und Nathrella von Boros so sehr verprügeln lassen dass sie eine Woche lang nicht richtig laufen konnte. Danach hatte sie das gelassen denn sie wollte nicht dass ihre Freundin wegen ihr noch einmal solchen Ärger bekam. Jetzt aber war dieses erdrückende Gefühl wieder da. Sie wollte Raus. Ihre Füße im Wasser wiegen und über das Gras tanzen. Die frische Luft durch ihr
Haar wehen lassen. Ein Seufzen entkam ihr als es an der Tür ihres Zimmers klopfte. Die Elfe lief zaghaft zur Tür und öffnete sie. Ihr Vater trat ein. Wie immer hatte er diesen kalten Ausdruck in seinen Augen. Als würde er gegenüber ihr nur Abscheu empfinden. Sie mochte es nicht wenn er sie so ansah. Manchmal kam es ihr so vor, als würde er nur ihre Mutter in ihr sehen. Sie hatte die beiden verlassen als Jelena gerade ein Jahr alt war. Das Mädchen konnte sich gar nicht an sie erinnern aber sie wusste dass ihr Vater seinen Frust an ihr ausließ. „Hallo Vater. Schön dich zu
sehen.“ Der Bürgermeister nickte und betrat den Raum. Kurz überblickte er alles. Es musste immer alles aufgeräumt sein. Daher lag nirgendwo etwas herum. Oft genug hatte er ihr gesagt dass sich Unsauberkeit nicht gehörte. Besonders nicht für ein Mädchen ihres Standes. Dies war eine der vielen Regeln aus denen ihr Leben bestand. Sie hatte den Kopf gesenkt und die Arme voreinander gefaltet. So wirkte sie selbst beinahe wie eine Dienstmagd. Nathrella stand schweigend daneben.Sie wagte es nicht den Bürgermeister anzusehen. Sie hatte Angst vor ihm und das war nicht
verwunderlich. „Nathrella!“ Die Elfe zuckte zusammen. „Ja Herr?“ „Bereite das Abendessen vor. Ich will mit meiner Tochter alleine sprechen.“ Das musste er der Dienerin nicht zweimal sagen. Schnell hatte sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Ungehorsam zog schwere Strafe nach sich. Das wusste jeder der mit Daron unter einem Dach lebte. Deshalb versuchte man es auch erst gar nicht, sondern tat stets sein bestes um ihm Gehorsam zu zeigen. Die Folgen für eine Verweigerung kannte Jelena und deshalb würde sie alles tun
um ihren Vater nicht zu erzürnen. Sie ließ sich auf dem Bett nieder und starrte wieder in Richtung des Fensters während Daron eine Bürste aus dem Nachttisch holte und damit begann ihr vorsichtig das Haar zu kämmen. Sie fühlte sich wie eine Puppe. Für wen richtete er sie so sehr wenn nicht für sich selbst? Sonst würde es ja niemand sehen. Dennoch tat er es jeden Tag, kämmte sie und steckte ihr Bänder in die Haare damit sie hübsch aussah. Diese Prozedur gehörte zum Alltag dazu. Es war wie ihr gemeinsames Ritual.“Ich nehme an der Unterricht läuft gut mein Kind? Du müsstest ja im Augenblick mit dem Volk der Rathak beschäftigt
sein.“ Sie nickte und legte sich die Hände in den Schoß. Ihm war es wichtig dass sie sich weiterbildete, weshalb er sie immer dazu anhielt fleißig zu lernen. Der Zweck dafür war ihre schleierhaft. Würde sie doch niemals diesen Ort hier verlassen. Was brachte es ihr dann über all diese Dinge Bescheid zu wissen? Das verstand sie nicht. Sie fragte aber auch nicht, denn sie würde keine zufriedenstellende Antwort darauf bekommen. Die bekam sie nie. Jedes Mal wenn sie fragte wich er aus und lenkte das Thema auf etwas anderes. Als wäre sie nur ein kleines Kind dem man nicht antworten
müsste. „Ja Vater. So ist es. Darf ich dich etwas fragen?“ „Natürlich. Worum geht es?“ Ein wenig zögerte sie, aber diese Frage brannte ihr auf der Seele. Immerhin hatte sie nichts mit ihr zu tun und so würde er ihr vielleicht darauf antworten. Es kam auf einen Versuch an.Trotzdem war ihr ein wenig Unwohl denn sie wusste nie ob sie damit nicht einen wunden Punkt bei ihm traf. Deshalb war es immer wichtig mit Bedacht vorzugehen. „Vorhin. Was war da los? Verzeih mir. Ich weiß dass es mir nicht zusteht deine Taten in Frage zu stellen Vater, aber es
interessiert mich. Was hat dieser Mann getan den Boros geschlagen hat?“ Sie hatte die Situation am Fenster beobachtet. Alle Dorfbewohner waren versammelt gewesen. Immer und immer wieder hatte Boros den Mann geschlagen. Seine Frau hatte geweint und ihn in den Arm genommen. Traurig hatte sie diese Situation beobachtet. Das war die Arbeit ihres Vaters. Wenn ihm jemand nicht folgte wurde er bestraft. Das hielt er nicht nur zu hause so. Väterlich legte Daron ihr eine Hand auf die Schulter und hielt einen Augenblick inne. Sie konnte hören wie er ruhig ein und aus atmete. Er roch nach Tabak von seiner Pfeife die er immer rauchte. Sie
hasste diesen Geruch. Es brannte immer so in der Nase und die Augen tränten ihr davon. Sie hatte nie gelernt sich daran zu gewöhnen. „Nun. Der Mann hat sich nicht an die Gesetze gehalten weißt du? Ich bin eben der Bürgermeister und muss auf all diese Leute hier aufpassen und natürlich auch darauf achten, dass sie sich benehmen. Wer das nicht tut der muss nun mal bestraft werden. Das verstehst du doch oder?“ Sie nickte, auch wenn sie die Grausamkeit ihres Vaters nicht befürwortete. Sie würde es nicht wagten das laut auszusprechen. Er würde wütend werden und sie wollte auf
keinen Fall dass er wütend auf sie war, denn sie kannte ihn wenn er so war. Deshalb schwieg sie und ließ sich weiter von ihm das Haar bürsten. Sie bemühte sich die liebe und brave Tochter zu sein so wie er es von ihr erwartete, denn dann hatte er auch keinen Grund seinen Zorn an ihr auszulassen. Bis jetzt war der Tag für ihre Verhältnisse gut verlaufen und sie wollte nicht das sich das änderte in dem sie irgendetwas dummes tat oder sagte.“Oder hättest du anders gehandelt? War ich vielleicht zu hart zu diesem Mann? Denkst du das?“ Diese Frage verunsicherte sie. Verlangte er jetzt wirklich eine Antwort von ihr?
Wenn ja dann würde sie ihm wohl die Wahrheit sagen müssen, denn er erkannte es genau wenn sie ihn belog. Sie schluckte und brachte die Worte zögerlich hervor. „Ich finde...es war nicht gerecht. Ich meine nur...niemand verdient es so behandelt zu werden Vater. Aber das ist nur meine Meinung und bedeutet nicht dass ich schlecht über dich denke!“ „Nun. Es ist nun mal so dass ich die Ordnung hier darstelle. Würde ich das nicht tun und den Leuten hier keine Grenzen aufzeigen, würde alles im Chaos versinken. Jeder würde nur das tun was ihm gefällt. Das darf nicht passieren. Deswegen tue ich diese Dinge.
Damit der Frieden gewahrt bleibt.“ Auf eine Art und Weise klang das natürlich plausibel. Sie wusste nicht wie es sich anfühlte Bürgermeister zu sein, oder welche Last auf seinen Schultern lag, aber es gab doch sicher auch andere Wege damit die Leute einem Gehorsam leisteten. Da war sie sich sicher. Sie hatte oft darüber in ihren Büchern gelesen. Eine Herrschaft die auf Angst basierte, war immer schlecht und zog immer ein Übel nach sich. Hier war das aber nicht passiert. Nie hatte jemand etwas gegen ihren Vater gesagt. Sie alle fürchteten sich vor ihm. Sie alle wussten wie er sein konnte. Deshalb schwiegen sie und gehorchten Tag für
Tag. Egal was er ihnen auch antat. Dennoch hatten seine Worte in ihr etwas ausgelöst, dass sie zu unterdrücken versucht hatte. Es war wie ein kratzen an der Hintertür, das sich nun langsam den Weg in ihr Bewusstsein bahnte und bevor sie es überhaupt merkte, hatte sie es bereits ausgesprochen. „Muss ich deswegen auch immer im Haus bleiben? Darf ich deshalb nicht raus? Damit du die Ordnung hier aufrecht erhältst?“ Sie starrte auf den Fußboden während sie diese Frage stellte und konnte spüren wie er in seiner Bewegung inne hielt. Bedrückende Stille machte sich breit. Über sich selbst verwundert
schluckte sie. Was würde er jetzt tun? War er wütend? Warum sagte er denn nichts? Je länger er schwieg desto größer wurde dieses Gefühl. Es war wie eine Erlösung, als er ihr endlich antwortete und das Schweigen durchbrach. „Mein Kind. Ich kann verstehen dass du dich das fragst, aber ich tue es weil es für dich nur das beste ist. Du bist alles was mir geblieben ist. Du bist mir das kostbarste das ich besitze und das will ich nur beschützen. Diese Leute da draußen die haben keinerlei Anstand. Sie sind wie Tiere die sich in ihrem eigenen Dreck suhlen. Sie kennen kein Benehmen und vor allem keine Gnade.
Sie würden dir nur schreckliches antun. Diese Menschen würden dich mit ihren niederen Gelüsten nur verderben mein Kind und das will ich nicht!“ „Hast du das auch mit Mutter getan? Ist sie deshalb gegangen?“ Sie sah noch, wie die Bürste auf den Boden fiel, bevor sie selbst durch eine Ohrfeige dort landete. Daron war aufgestanden. Wütend sah er sie an. Sie blieb liegen und hielt sich die Stelle.In diesem Augenblick wusste sie dass sie den Bogen überspannt hatte. Er sagte nichts weiter, sondern ließ sie einfach alleine im Zimmer zurück. Wenige Sekunden später kam Nathrella herein. „Mylady. Ich habe ein Geräusch gehört
und- geht es euch gut?“
Sofort half sie der 16-Jährigen auf die Beine und hievte sie auf das Bett. Die Stelle hatte sich inzwischen blau verfärbt. Jelena sagte nichts, sondern starrte einen Moment lang einfach nur wie paralysiert in die Leere. Ihre Freundin wollte zur Tür gehen, doch die Rothaarige hielt sie am Arm fest.
„Es ist schon gut“,erklärte sie ruhig.
„Es ist nichts!“
EagleWriter Auch schon mal wieder interessant. Als mehr klassischer Fantasy-Fan bleib ich definitiv auch dran. lg E:W |