Fantasy & Horror
Graf Ganima Teil 2

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"Graf Ganima Teil 2"
Veröffentlicht am 07. Oktober 2008, 26 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Mein Name ist David A. Summerwine Ich wurde am 25 Januar 1968 geboren und lebe in München. Ich liebe es Abenteuergeschichten zu schreiben, die in einer fernen Zukunft spielen und die eher dem Bereich Fantasy angehören.
Graf Ganima Teil 2

Graf Ganima Teil 2

Graf Ganima Teil 2

 

Der Planet Goth im Horon System war eine Welt voller zerklüfteter Berge und Schluchten, in denen dichter Nebel waberte.  

Peer beeilte sich, das Schloss des Grafen zu finden, dessen Koordinaten auf der Nordhalbkugel des Planeten lagen. Bald hatte er den Ort gefunden und lenkte die Annie darauf zu.

»Komisch«, ging es Nea durch den Kopf, »niemand da, der uns begrüßt, keine Eskorte, kein Funkspruch, nichts?«

Die Annie sank in die tieferen Wolkenschichten. Die Nacht zog herauf und das schroffe Land unter ihnen lag in schummrigem Dämmerlicht. Direkt voraus ragte ein einziger, gewaltiger Turm in den Himmel. Klotzig erhob er sich in die Höhe, weit über die umliegenden Berge emporsteigend. Das Gemäuer schien, bis auf die obersten Stockwerke, in denen einsame Lichter glommen, unbewohnt. Der letzte blasse Schimmer des Abendrotes leuchtete noch auf den höchsten Zinnen und entschwand, als die Annie den Turm umflog.

»Da, da ist eine Landeplattform«, rief Nea, »dort, auf der Oberseite des Erkers, knapp unter der Spitze des Turmes.«

»Ja, jetzt gehen auch Positionslichter an«, bemerkte Peer erfreut. »Na, dann bin ich mal gespannt, was uns dort unten erwartet.«

 

Auf der Landefläche stand ein einzelner Roboter, um die Gäste zu empfangen. Er bestand aus einem matt glänzenden, schwarzen Metall und war sehr groß. Seine Gliedmaßen waren lang und dünn, sie wirkten zerbrechlich und schwach, obwohl Nea überzeugt war, das genau das Gegenteil der Fall war. In seinem hohen, zylindrischen Kopf glühte ein einziges, rotes Auge, das starr auf Nea blickte. Ohne ein Wort zu sagen oder ein wie auch immer geartetes Signal auszusenden, wandte er sich um und ging. Seine Schritte erzeugten ein leises Klicken und Nea sah, dass er keine Füße besaß, sondern sich auf scharfen Messerklingen vorwärts bewegte. Auf groteske Weise erinnerte er sie an eine Balletttänzerin, die auf den Spitzen ihrer Zehen tanzte. Nea erkannte, dass der Turm aus einer Art blauen Basalt bestand, dessen Teile anscheinend zusammengeschweißt worden waren. Er schien, als könne kein Meißel diesen Steinen etwas anhaben. Am Eingang des Turmes, der wie ein schmaler Einstich in der Wand aussah, blieb der Roboter stehen und winkte den Gästen zu, ihm zu folgen. Mit flauen Gefühlen kamen Peer, Giro und Nea dem Befehl der seltsamen Maschine nach. Er führte sie viele Treppen hinauf und zuletzt einen langen Gang entlang, dessen linke Seite von einer Arkade gebildet wurde. Von da aus hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf das düstere Land, hinter dessen Horizont der Tag versunken war. Gegenüber, auf der rechten Seite, waren bis zum Ende des Flures etliche Statuen aufgereiht. Anschließend führte eine breite, flache Treppe hinauf zu einem weiteren Portal, dessen metallene Türflügel weit offen standen. Warmes, goldenes Licht fiel einladend aus dem schmalen Torbogen, und als sie die Stufen hinaufgeschritten waren, gelangten sie in einen großen, langen Raum. Hohe Bücherregale beherrschten das Zimmer und von einem Ende zum anderen erstreckte sich ein langer steinerner Tisch, umgeben von hölzernen Stühlen mit hohen Lehnen. Links und an der Stirnseite des Saales setzte sich die Arkade in Form hoher Fenster fort, die bis an die Decke reichten. 

Der Roboter führte sie ein paar Schritte in den Saal hinein und blieb dann stehen. »Ihre Gäste«, tönte seine blecherne Stimme.

Am Ende der Tafel loderte ein helles Feuer in einem großen Kamin. In dessen Schein stand ein Mann, der den Gästen den Rücken zugewandt hatte und in einem Buch las. Er hob die Hand, ohne sich umzuwenden und auf diesen Wink hin entfernte sich sein metallener Diener. Dabei umrundete er die kleine Gruppe von Menschen und fixierte Nea eindringlich. Dann ruckte sein Kopf in eine andere Richtung und er stakste laut davon. 

Der Mann am anderen Ende des Raumes klappte das Buch zusammen und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Neuankömmlinge. »Treten Sie näher«, befahl er, »hier am Kamin ist es wärmer.«

Beim Näherkommen bemerkte Nea, wie groß der Mann war. Er überragte sie und Giro um mindestens einen Kopf. Sein Haar mochte ihm bis auf die Schultern reichen, war aber streng zurückgekämmt und zu einem schneeweißen Zopf gebunden. Das Gesicht hager, die Augen dunkel und tief in die Höhlen eingesunken. Er trug einen eleganten, roten Rock mit goldenem Besatz und hohem Kragen.

»Wir haben Winter«, fuhr er fort, »und ich will nicht, dass meine Gäste sich erkälten.« Dann reichte er ihnen die Hand und stellte sich als Graf Varan Ganima vor. »Ich muss mich entschuldigen, aber ich besitze nur bescheidenen Reichtum und kann es mir nicht leisten, alle Räume zu beheizen. Dennoch soll es Ihnen an nichts mangeln. Die Speisen werden bald angerichtet sein.« Er machte eine einladende Handbewegung. »Solange bitte ich Sie, Platz zu nehmen und sich an edlen Getränken zu erfreuen. Hier stehen Gläser bereit und die Karaffe ist gefüllt mit dem besten Wein, den mein Keller zu bieten hat.«

Der Graf zeigte sich als angenehmer Gastgeber, der seinen Gästen mit anregenden Gesprächen die Zeit verkürzen konnte. Bald tauchte der unheimliche Roboter wieder auf. In seinem Gefolge eine Reihe spinnenartiger Gefährten, die allerlei Speisen herantrugen. Geschickt servierten sie das Essen, tranchierten mit scharfen Klingen das Fleisch, schenkten Wein nach und entfernten sich dann wieder. Selten hatte Nea etwas Besseres gegessen und bald schienen alle Bedenken gegen den Grafen zerstreut zu sein. 

»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie noch jemanden mitbringen würden«, wandte sich Graf Ganima unvermittelt an Peer Tippo. Sein Ton verriet unterdrückte Verärgerung.

Peer schluckte erst seinen Bissen herunter. »Oh ja, Nea ist so etwas ... so etwas, wie eine Beraterin«, erwiderte er eilig.

»Soso, eine Beraterin«, gab der Graf süffisant zurück. »Beraterin auf welchem Gebiet?«

Peer wusste nicht, wie er antworten sollte, aber Nea kam ihm zur Hilfe. »Als technische Beraterin«, antwortete sie. »Ich bin Transporttechnikerin und kenne mich gut aus, was den Umgang mit sperrigen oder empfindlichen Gütern betrifft. Peer möchte alles zur größten Zufriedenheit seiner Kunden erledigen, ich kann ihm dabei helfen.«

»Dennoch wäre ich froh darüber, wenn Sie mich das nächste Mal über solche Änderungen informierten«, bedeutete er dem Händler. »Wenden wir uns jetzt dem eigentlichen Geschäft zu.« Damit erhob er sich und forderte sie auf, ihm zu folgen.

Er führte sie in eine große Halle, deren Dach man öffnen konnte. Viele Kisten standen hier verstreut im Raum, einer nicht erkennbaren Ordnung folgend. Undefinierbare Maschinen, Teile von Fahrzeugen und steinerne Artefakte von den verschiedensten Welten. Unweigerlich aber wurde der Blick der Besucher von einem Objekt gefangen genommen, das am anderen Ende der Halle stand. Offenbar von der Menge abgesondert schien es nur darauf zu warten, dass es für den Transport vorbereitet wurde. Es war eine Art aufrecht stehender Sarkophag. Darin befand sich zu Neas Entsetzen eine große, weibliche Statue, deren sphinxhaftes Antlitz ihr Schrecken bereitete. Und während die Gruppe sich näherte, meinte Nea, eine Regung an der Figur wahrzunehmen. Ein winziges Nicken des Kopfes, kaum zu bemerken, so als richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf Nea. Dann jedoch, ganz langsam, in aller Heimlichkeit, wanderte der Kopf nach und nach wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Peer und Giro schienen, es offenbar nicht bemerkt zu haben, aber der Graf blickte stirnrunzelnd zu Nea hinab. 

»Um diese alte Dame hier geht es«, erklärte der Graf schließlich und ließ seine Finger über die gravierten Schriftzeichen auf dem Sarkophag gleiten.

»Dieses Mal keine Maschinen?«, fragte Peer überrascht. »Sollen wir ein Museum beliefern?«

»Nein, mein lieber Peer«, bemerkte der Graf herablassend, »eher einen privaten Sammler.«

Peer tat sehr verständig und nickte.

»Sie sollten aber wissen, dass nicht alles so ist, wie es zu sein scheint«, verdeutlichte der Graf, »wenn Sie denken, Sie hätten es hier nur mit totem Stein zu tun, so irren Sie. Genau genommen ist es eine höchst erstaunliche Legierung aus einem besonderen Metall und Stein. Es ist auf ungewöhnliche Weise ... lebendig.«

Nea war ganz Ohr, ließ sich aber nichts anmerken.

»Ja, ich weiß«, pflichtete Peer bei, »Sammler sind sehr emotional, was ihre Objekte angeht.«

Graf Ganima lächelte mitleidig. »Ich habe das durchaus wörtlich gemeint.«

Alle sahen den Grafen erwartungsvoll an. Peer lächelte verlegen und Hilfe suchend.

»Nehmen Sie sich selbst«, dozierte der Graf, »was unterscheidet Sie von einer Maschine?«

»Ich lebe wirklich«, schaltete sich Giro ein, der wusste, worauf der Graf hinaus wollte und seine Antwort für sehr geistreich hielt.

»Wenn Sie das bisschen Gezappel und Gekrabbel meinen«, merkte der Graf nachsichtig an, »so unterscheidet Sie nichts von einem Roboter oder jeder beliebigen anderen, weit weniger komplexen Apparatur, die rotiert, stampft oder rollt. Jeder Wilde würde meinen, Leben stecke darin, nur weil er sehen könnte, dass es sich bewegt. Dagegen gibt es Leben, das sich nicht derart gebärdet. Schwer zu unterscheiden, was ist Stein und was ist ...«, er berührte die Figur, »... nicht Stein. Sie sollten Ihre Auffassung, was das Leben angeht, mit mehr Tiefe versehen.«

»Wie auch immer«, äußerte Peer, »die Dame soll gut ankommen. Ich werde meine Roboter holen und mich um die Verpackung kümmern. Wir müssen hier auch für etwas Platz sorgen, damit meine Annie hier landen kann.«

»Ich komme mit«, bot Giro an und der Graf schien nichts dagegen zu haben, dass sie gingen, um Vorkehrungen für den Transport zu treffen. Nea schloss sich den beiden nicht an. Zum einen, weil deren Entschluss zu schnell gefasst war, zum anderen, weil es ihre Höflichkeit nicht zuließ, sich auf diese Weise aus dem Staub zu machen. Und genau dies schien der Graf bemerkt zu haben.

»Für eine schlichte Transportgehilfin haben Sie sehr viel Feingefühl«, plauderte er freundlich. »Sie besitzen Gespür für Anstand und Etikette. Das ist mir schon zuvor sehr angenehm aufgefallen. Woher stammen Sie? Das würde mich brennend interessieren.«

»Das habe ich vergessen«, offenbarte sie. »Ich bin mit meinem Vater durch ganz Valongatu gepilgert und auf so vielen Welten gewesen, dass ich mich beim besten Willen nicht mehr entsinnen kann.«

»Bedauerlich«, antwortete Graf Ganima, »ich bin nämlich der Ansicht, dass sich etliche Verhaltensweisen über Generationen hinweg vererben. Vieles, das man als die Wesensmerkmale eines Menschen bezeichnet, sind - meiner Meinung nach - das Ergebnis von Schulung und Erziehung, die unseren Vorfahren widerfuhr. Diese Dinge wandeln sich zu Informationen, die dann unauslöschlich in unsere Gene eingebrannt sind. Als Instinkt bleiben sie uns über Generationen hinweg erhalten. So kann man Adelige erkennen, noch lange, nachdem ihre Häuser vergangen sind.«

»Sie halten mich für eine verarmte Prinzessin?«

»Ich will nicht abstreiten, dass ich wenig überrascht sein würde, wenn dem so wäre. Und selbst wenn nicht, so bin ich mir sicher, Sie stammen aus einer Familie mit Tradition.«

Nea lächelte, denn sie musste unwillkürlich an ihren Großvater denken, der sich innig gewünscht hatte, sein Sohn würde eine militärische Karriere in Betracht ziehen. Sie sah den Grafen an und fühlte sich auf einmal gar nicht mehr so unwohl. Im Gegenteil. Dieser Mann schien einfühlsam und verständig zu sein, jemand, dem man nur schwer was vormachen konnte. Bei diesem Gedanken aber mahnte sich Nea zur Vorsicht.

»Ihr junger Kollege hat die Wahrheit gesagt. Wenn auch nur auf bescheidene Weise«, fuhr der Graf lächelnd fort. »Das Leben ist alles. Ich würde mir für ihn wünschen, dass er sich im Klaren darüber würde, wie viel weiter ihn die Frage nach einer umfangreicheren Antwort zu bringen vermöchte. Wenn er denn je eine Antwort erhielte. Die Philosophen und Lehrer unserer Tage ... ich fürchte, sie können diesen Anspruch nicht erfüllen.« Der Graf ließ seinen Blick über die Sphinx schweifen. »Und Leben ist mehr als nur Bewegung und Vermehrung. Das Leben nur auf diese Aspekte zu reduzieren, wäre eine Sünde. Ich meine dies im wahrsten Sinn des Wortes.« Er warte auf Neas Reaktion, aber die sah ihn nur fragend an. »Jedes Lebewesen ist machtvoll und verändert das Gefüge der Welt«, sprach er weiter, »es kann auf eine Weise wirken, dass man es für einen Gott halten könnte. Jede Kreatur ist ein Gefäß von unendlicher schöpferischer Kapazität. Jedes einzelne Wesen - und befände es sich auch auf der erbärmlichsten Staubkugel, die das traurige Schicksal hätte, eine entlegene, dunkle Sonne zu umkreisen - besäße dennoch einen gewaltigen Schatz an Energie und Einfluss. Und wenn man das als eine grundlegende Erkenntnis gelten ließe ...« Er seufzte: »Es ist bedauerlich, dass Lebewesen sich dieser Tatsache heute kaum bewusst sind und sich durch diese Unkenntnis nicht zu ihrer wahren Größe entfalten können.« Noch immer hatte er den Eindruck Nea eher zu verwirren, als ihr eine neue Offenbarung zu vermitteln. »Meiner Erkenntnis nach strahlt jedes Geschöpf seine Kraft in alle Winkel des Universums ab«, erklärte er weiter, »so, wie dies eine Sonne tut. Nur weitaus schneller und nicht gebunden an die Fesseln der Zeit. Leuchtet es Ihnen nicht ein, welch eine Fülle an Möglichkeiten damit verbunden sein müssten? Alles könnte beeinflusst werden. Überall und zur gleichen Zeit, denn alles wäre miteinander verknüpft, so, als befänden wir uns in einem Netz von unendlicher Größe.« Der Graf sah Nea eindringlich an. »Haben Sie schon einmal eine Nadel an einem Magneten gerieben?« 

»Nicht, um zu navigieren, aber ich weiß, worauf Sie hinaus wollen.« Ihr war noch ganz schwindelig von den diffusen Ausführungen des Grafen.

»Es gibt viele Techniken, deren Wirkungsweise auf einem ähnlichen Prinzip beruht, deren Effekt jedoch weitaus beeindruckender ist, als das Magnetisieren von Metall. Alte Wissenschaften, nur noch wenigen bekannt, die uns heute noch in Erstaunen versetzen können. Glauben Sie mir, dies ist ein Thema, für dessen Erforschung ein Leben nicht ausreichen würde«, er schüttelte den Kopf. »Ich beginne zu faseln«, bemerkte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Eindrucksvoller als jede Theorie ist die Praxis.« Graf Ganima berührte die Statue erneut, nun aber sehr viel bewusster und mit der Aufforderung, Nea solle es ihm gleich tun. Sie befiel ein starker Widerwille, doch dann nahm er ihre Hand und drückte sie an den Stein. In diesem Moment durchzuckte es Nea wie ein Stromstoß und ein Knacken ging durch den Leib der Statue. Erschrocken zog sie die Hand zurück und auch der Graf wich zur Seite. Selbst er schien mit einer derartigen Reaktion nicht gerechnet zu haben. »Als hätte man einen Schalter umgelegt«, murmelte er verdutzt.

»Mehr als eine Maschine?«, fragte Nea mit zitternder Stimme.

»Sie sind ebenfalls mehr, als Sie vorgeben zu sein«, bemerkte er geheimnisvoll.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Vergessen Sie es. Ich bin weder eine Prinzessin, noch besitze ich besondere Begabungen.« 

Graf Ganima trat einen Schritt zurück. »Nun gut. Also nicht«, dabei klatschte er in die Hände, als wolle er den Staub los werden, der beim Berühren der Figur auf seine Handflächen geraten war. »Dann nehme ich an, Sie wollen Ihren Freunden zur Hand gehen, wenn Sie wieder hier sind, um das Artefakt zu verladen.« Er wandte sich ab, um zu gehen. Nach einigen Metern jedoch blieb er stehen, so als hätte er etwas vergessen und drehte zu Nea um: »Mich würde nur noch interessieren, wo Sie den guten Peer kennen gelernt haben.«

Neas Antwort kam schnell, denn sie hatte sich bereits in Gedanken eine Geschichte bereitgelegt, die sie dem Grafen bei dieser Gelegenheit auftischen wollte. Jetzt spulte sie diese Geschichte ab und erklärte, dass sie Peer schon lange kenne, ihr aber die Erinnerung an den genauen Zeitpunkt und den Ort, an dem sie sich das erste Mal gesehen hätten, entfallen wäre. 

»Auf Vanetha habe ich einige Transporte mit ihm durchgeführt«, behauptete sie, »meist irgendwelche Ersatzteile für Werften und Werkstätten.«

Ganima nickte vielsagend.

Danach präsentierte sie dem Grafen eine ganze Auswahl an Plätzen, an denen sie sich angeblich zu unterschiedlichsten Zeiten begegnet waren, wobei sie Sculpa Trax unerwähnt ließ. 

»Man muss nicht lange mit Peer zusammen sein um herauszufinden, wie unordentlich er ist«, erklärte Nea, »der Verwalter eines unermesslichen Chaos, das nur er alleine durchschaut«. Hierbei erwähnte Nea eine Tatsache, die jeder schnell selbst erkennen konnte und die ihrer Erzählung einen glaubwürdigen Aspekt verlieh. »Manchmal verwechselt er Namen und Orte. Gut, dass er Giro dabei hat. Der wird ihm noch sehr nützlich sein.«

»Da kann ich ja heilfroh sein, wenn meine Ware überhaupt ankommt«, bemerkte er spöttisch, wobei er keinen Zweifel daran ließ, dass er Neas Spiel durchschaut hatte. Dann betrachtete er sie so, als hätte er etwas an ihr bemerkt, dass ihn beunruhigte: »Sie schlafen in letzter Zeit sehr schlecht oder irre ich mich?«

Nea wartete einen Augenblick zu lange mit der Antwort. 

»Ich glaube zu wissen, wie sie dem entgegenwirken können«, bedeutete er ihr. 

Nea mochte zuerst nicht darauf eingehen, aber dann wollte sie doch wissen, was er zu sagen hatte.

»Dieser Stein hier«, er kehrte zurück und berührte die Sphinx erneut, »es wäre falsch zu behaupten, er wäre tot. Doch genauso falsch wäre es, zu behaupten, er wäre lebendig. Es gibt noch andere Azzamari, von denen man wirklich behaupten kann, sie leben. Versehen mit all den Merkmalen und Launen einer lebendigen Person. Die Wahrheit über dieses hier ist in etwa diese; er strahlt seine Signale aus wie ein Sender. Aber Sie, meine liebe Nea, schwingen nicht auf seiner Frequenz. Das verursacht Ihnen Unbehagen. Sie sollten versuchen zu erspüren, was auf Sie einwirkt. Wenn Ihnen das gelingt, werden Sie ruhiger schlafen. Ach ja, Erinnerungen, die unser Geist nicht einordnen kann, sind dem gesunden Schlaf ebenfalls abträglich. Zusammenhänge zu akzeptieren, ist ein gutes Heilmittel. Auch wenn das bedeutet, das ... Inakzeptable ... zu akzeptieren. «

Danke, Doktor, dachte Nea bei sich und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. 

Inzwischen war des Grafen unheimlicher, schwarzer Roboter zurück in die Halle gekommen. Offenbar war er damit betraut, den Transport der Sphinx in ihrem Sarkophag zu überwachen. Nachdem der Graf gegangen war, stand Nea eine ganze Weile mit ihm alleine vor dem schauderhaften Relikt. Unterdessen hatte sie einen gehörigen Abstand zwischen sich und der Statue gebracht, vermochte es aber nicht, die fürchterliche Figur aus dem Auge zu lassen.

»Ihr beide passt hervorragend zueinander«, rief Nea dem schwarzen Roboter zu, der reglos dastand, wie ein düsteres Denkmal. Nur sein rotes Auge glomm bei ihrer Bemerkung auf und sein Kopf wandte sich ihr zu. Ein leises Zischen tönte aus seinem unsichtbaren Mund.

 

Nach einer Ewigkeit, so wollte es Nea scheinen, kamen Peer und Giro zurück, gefolgt von einer Gruppe Arbeitsrobotern, die sich sofort klirrend und rasselnd ihrer Aufgabe widmeten. Behände schafften sie alle Objekte beiseite, um ein Landefeld für Tippos Schiff frei zu räumen. Schnell war, unter dem wachen Blick des finsteren, mechanischen Dieners, die Arbeit getan. Die Sphinx war schließlich in einen speziellen Frachtcontainer verstaut worden und ruhte nun auf den kräftigen Armen eines Transportgehers, der sich gemächlichen Schrittes in Bewegung setzte. In diesem Moment öffnete sich das Dach und die fette Annie schwebte dröhnend herab. Der freie Platz in der weitläufigen Halle war groß genug, um ihr ausreichend Raum zu bieten. Die Ladeklappe öffnete sich wie ein Kiefer und der Transportgeher trottete gleichmütig ins Innere des Schiffes. Unversehens kehrte der Graf zurück, um noch einige Ermahnungen auszusprechen.

»Sie sind mir empfohlen worden«, erklärte er zu Peer Tippo gewandt, »weil Sie ein schnelles Schiff haben, das für lange Reisen nicht auf den Gebrauch der Faynar angewiesen ist. Und ich muss mich versichern, dass Sie keinesfalls eines dieser Tore benützen werden.«

»Darauf haben mich Ihre Freunde schon hingewiesen«, erwiderte Peer Tippo.

»Dann tue ich dies hiermit noch einmal und um so eindringlicher«, mahnte der Graf. »Diese Fracht unterscheidet sich beträchtlich von jeder anderen, die Sie bisher transportiert haben. Weitere dieser Art werden folgen«, dann machte er eine Pause und sah alle der Reihe nach an. »Weichen Sie keinesfalls von dieser Anweisung ab.«

Mit diesen Worten im Sinn gingen Peer, Giro und Nea an Bord. Am Ende der Rampe drehte sich Nea nochmals um. Graf Ganima hatte ihr nachdenklich hinterher gesehen. Jetzt aber wendete er sich endgültig ab und entfernte sich. 

Schnell ließen sie den Planeten hinter sich. Nea steuerte die Annie in den Hyperraum, unterbrach den Flug jedoch schon nach kurzer Zeit und stoppte das Schiff. Nach einigen Minuten tauchte die STORMER auf und kam längsseits.

»Was soll das?«, fragte Peer erstaunt.

»Ich schlage nur einen weiteren Haken«, erklärte sie, »Ogo hat mich kurz vor unserer Abreise darüber informiert, uns bis zu diesem Treffpunkt zu folgen. Hier werde ich euch verlassen. Entschuldige, aber es ist eine Gewohnheit, von der ich nicht mehr abgehen werde.«

»Das hättest du mir sagen können«, äußerte Peer beleidigt. 

»Das hätte nicht denselben Effekt«, offenbarte Nea. »Ich kann nicht sage warum, aber, ich bin mir sicher, ich könnte das Ding in deinem Laderaum beeinflussen. Aber ich möchte das nicht. Und wenn du wimmerst und zu heulen anfängst könnte ich mich erweichen lassen.«

»Was redest du da?« Peer schüttelte amüsiert den Kopf, aber Nea hob abwehrend die Hand.

»Frag nicht«, fauchte sie. Peer wich erstaunt zurück. »Ich weiß selbst nicht, warum das so ist. Aber wenn ich eingreife, würdest du nichts lernen. Es ist besser, wenn du dich ein wenig mit deiner steinernen Passagierin ängstigst. Das hält dich vielleicht von weiteren Dummheiten ab.« Nea wandte sich um und ging zur Schleuse: »Vergiss bitte auch, von woher wir uns kennen. Ich will nicht, dass deine Kunden versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen.«

»Du hältst dich ja für außerordentlich wichtig«, meinte Peer spöttisch.

»Sag ihnen einfach nicht, wo man mich finden kann. Außerdem habe ich meine Komunikationsfrequenz geändert. Du kannst mich also auch nicht mehr erreichen, verstanden?« Sie sah Peer eindringlich an und wiederholte nachdrücklich: »Hast du verstanden?«

»Ja«, antwortete er widerwillig. Ihr Blick war schneidend und kalt. »Du hast ganz schön die Hosen voll, meine Liebe«, fuhr es aus Tippo beleidigt heraus.

»Du solltest vorsichtig sein. Nur weil bisher alles gut gegangen ist, bedeutet das noch lange nicht, die Gefahr wäre vorüber«, und zu Giro gewandt, »du solltest ein wachsames Auge auf deinen Chef haben. Er verliert seine Zweifel zu schnell. Und für dich Giro, du steckst schon mitten im Abenteuer. Jetzt ist doppelte Vorsicht geboten. Es wird nicht lange auf sich warten lassen, dass du laufen lernen musst.«

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Mein Name ist David A. Summerwine
Ich wurde am 25 Januar 1968 geboren und lebe in München.
Ich liebe es Abenteuergeschichten zu schreiben, die in einer fernen Zukunft spielen und die eher dem Bereich Fantasy angehören.

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