Michael läuft die Straße entlang. Es ist lange her, dass er hier gewesen ist. Bestimmt 60 Jahre, vielleicht sogar mehr. Er ist sich da nicht mehr so sicher. Zeit hat für ihn und seinesgleichen keine Bedeutung. Es ist ebenfalls lange her, dass er einen direkten Auftrag von Ihm bekommen hatte. Dieser Ort sieht inzwischen ganz anders aus und fühlt sich anders an. Weniger Bäume, Wiesen und Tiere. Die Menschen haben alles zerstört um ihren neuen Lebensstil zu verwirklichen. Wirtschaft und Konsum ist ihenen wichtiger geworden, als die Natur. Es
gefällt ihm nicht. Michael guckt in eines der Schaufenster. Die darin hübsch präsentierten Kleider interessieren ihn nicht. Er schaut auf sein Spiegelbild. Hier hat er kurze schwarze Haare und, wie die Menschen sagen, eine Sportliche Statur. Einige würden ihn sogar als gutaussehend beschreiben. Aber auch das interressiert ihn nicht. Er säufzt kurz auf und geht weiter. Am Ende der Straße ist der Ort, wo Gott sich mit ihm treffen möchte. An diesem Ort war einmal das Paradies auf Erden gewesen. Es mag merkwürdig klingen. Aber Gott ist senitmental. Seit anbeginn der Zeit trifft er sich nur hier mit ihm. Eigentlich sollte er darüber glücklich
sein. Es ist eine Ehre wenn der Vater jemanden hierher bestellt. Aber ein Gefühl der Eifesucht keimt in ihm auf als er sich an ein Gespräch mit Joshua erinnert. Joshua hatte ihm erzählt, dass Gott sich öfter zum Tee in seinem Himmlischen Garten in der Engelsdimension trifft. Und er, Michael, muss sich hierher begeben, um ihn zu sprechen. Gott hat seine Lieblinge schon immer bevorzugt behandeln. Am Anfang war es Luzifer gewesen, dann ihn selbst und nun die Menschen. Und scheinbar auch Joshua. Er schluckt den aufkeimenden Schmerz herunter und geht weiter.
Als er vor dem Ehemaligen Paradies steht, das nun ein Cafe ist, atmet er noch einmal kurz auf. Dies ist nur eine von vielen Menschlichen Eigenschaften, die er etwas merkwürdig findet. Aber es steht ihm nicht zu, Gottes Schöpfung zu bemängeln. Die Tür wird geöffnet und er betritt das Cafe. Sofort sieht er Ihn. Er geht auf Ihn zu und setzt sich an den Tisch, ohne auf die Menschen um ihn herum zu achten. Sie interessieren ihn ebenfalls nicht. “Du hast dir Zeit gelassen. Warum bist du zu spät?”, fragt Er ihn.
„Es tut mir Leid. Die Anzahl der Dämonen hat sich drastisch erhöht. Wir mussten die Nephilim im Aussendienst neu organisieren. Das hat eine Weile gedauert.“ „Das ist genau der Grund, warum ich mit dir Sprechen wollte.“ Sein Gegenüber atmet ebenfalls tief ein und aus. Das wunderte Michael. Gott musste nicht atmen. Und dann sagte er die Worte, die er nie zu hören gehofft hatte: „Michael, mein Sohn. Es ist soweit.“ Ein paar Tage später sitzt der Erzengel Michael in einer Versammlung. Er hatte alle höheren Engel und ein paar
höherrangige Nephilim ausgewählt, um ihnen von seinem Treffen mit Gott zu berichten. Sie alle wussten, was seine Worte bedeuten. Gott sprach von der Prophezeiung, die Jahrhunderte zuvor gemacht wurde. Eine Prophezeiung, seine Tochter betreffend. Einer Tochter, die weder geboren, noch gezeugt worden war. „Eines Tages wird dem Erzengel Michael eine Tochter geboren. Sie wird die Einzige sein, die das Dämonengeschlecht vernichten und in Schacht halten kann, denn nur sie kann die Brücken zwischen Himmel & Erde
und
Leben & Tod
überbrücken.
Und nur sie kann dem Chaos Einhalt gebieten.“
Und als Gott sagte, es sei soweit. Meinte er damit, dass er eine Tochter zeugen sollte, die dazu bestimmt war, einen Krieg anzuführen, der bereits unzähligen Nephilim und Engeln das Leben gekostet hatte.
50 Jahre später „Dad, bist du zu Hause?“ rufe ich durch die Wohnung. Eigentlich eine überflüssige Frage. Sein nicht vorhandener Schlüssel sagt mir, dass ich alleine bin. Mal wieder. Ich schmeiße meine Schuhe und meine Jacke in mein Zimmer und gehe in die Küche. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel: „Jamie, ich musste nochmal zur Arbeit. Hatte keine Zeit um Essen zu kochen. Kannst dir was bestellen. Habe dich
lieb, Dad“ Neben dem Zettel lag ein Zwanziger. Kurzerhand beschließe ich, dass das Geld in meiner Geburtstags-Spardose besser aufgehoben ist. In Zwei Wochen werde ich 18 Jahre alt. Mein Vater sagt, dass ich das Geld für die Feier selbst auftreiben soll. Quasi als Einstand in mein Erwachsenen-Leben. Ich finde das verdammt unfähr. Immerhin musste ich in den letzten Monaten so viel Arbeiten, dass mein Privatleben fast komplett ausgerottet wurde. Ich gehe zum Vorratsschrank. Dort finde ich noch eine Verstaubte Dose Ravioli. Ich gucke auf das Verfallsdatum. Yay! Es ist noch
haltbar. Ich schnappe mir einen Dosenöffner, öffne die Dose und schüttle den Inhalt in einen kleinen Topf. Das Problem beim Ravioli-kochen ist, dass man verdammt gut aufpassen muss. Die Dinger kochen von jetzt auf gleich. Man hat als entweder kalte oder verbrannte Ravioli. Da ich an beidem kein Interesse habe, hole ich mir ein Buch aus meinem Zimmer und setze mich auf einen Küchenstuhl. Gerade, als ich anfangen will zu lesen, klingelt mein Handy. Es ist Miles. Mein bester Freund. „Hey Süße. Du und ich. Disko. Heute Abend.“, ertönt seine Stimme vom anderen Ende der Leitung. Ich seufze.
Auf Disko habe ich keine Lust. Und zu teuer ist mir der Spaß auch. Eigentlich weiß Miles das auch. „Ich habe keine Lust. Willste nicht lieber zu mir kommen und wir machen eine Harry Potter Nacht?“, versuche ich mein Glück. „Vergiss es. In zwei Wochen wirst du 18. Willst du deine Freiheit nicht noch ein bisschen genießen?“ „Das hatten wir schon Miles. Meine Freiheit fängt in zwei Wochen doch erst so richtig an. Dann bin ich Volljährig. Außerdem habe ich kein Geld.“ „Gut. Dann lade ich dich ein. Als vorzeitiges Geburtstagsgeschenk. Komm schon, Jamie. Leg das Buch weg und zieh
dich an. Ich hole dich um 18 Uhr ab.“ Und noch ehe ich zustimmen oder ablehnen kann, hat er aufgelegt. Ich starre auf das Buch in meiner Hand. Der Mann kennt mich zu gut. Auf einmal riecht es komisch. Mist. Ich habe die Ravioli vergessen. Schnell flitze ich zum Herd. Beim telefonieren bin ich mal wieder in der Wohnung rumgelaufen und habe mein Essen seinem Schicksal überlassen. Schnell nehme ich den Topf vom Herd. Die Ravioli sind fast komplett verbrannt. Ich mache den Herd aus, nehme mir einen Teller und schaufle den genießbaren Rest meines Essen darauf. Danach mache ich den Topf sauber und gehe ins
Wohnzimmer. Nach dem Essen widme ich mich wieder meinem Buch. Ich habe noch mehr als eine Stunde Zeit. Und duschen war ich heute morgen schon. Ich muss mich also nur noch schminken und mir was zu anziehen raussuchen. Ich bin völlig in mein Buch versunken, als jemand die Klingel unserer Haustür eindrückt. Gerade will ich mich aufregen, da landet mein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk. 18:20 Uhr.... Verdammt. Ich habe Miles vergessen. Schnell lege ich das Buch zur Seite, stürme zur Tür und betätige den Schalter. Unten wird die Tür geöffnet.
Weiter geht’s in mein Zimmer. Ich reiße die Schranktür auf und entscheide mich schnell für einen kurzen Jeansrock und ein rotes T-Shirt mit V-Ausschnitt. Gerade öffnet Miles meine Zimmertür. „Hey.... Ich wollte gerade los gehen“, versuche ich zu lügen, doch Miles kennt mich zu gut. Er glaubt mir nicht, dass sehe ich in seinen Augen. Egal. Immer bei der Geschichte bleiben. „Und du weißt doch, wie Frauen sind. Wir brauchen immer so lange im Bad und dann stand ich Stunden vor dem Schrank, weil ich nicht wusste, was ich anziehen soll und....“, mehr fällt mir absolut nicht ein. „Welches Buch war es denn?“ , fragt er
mich. „Das neue von Sophie Kinsella“, ich muss grinsen. Ich liebe ihre Bücher. Und ich liebe Becky. Ihre Protagonistin. Miles zieht eine Augenbraue hoch. „Die Shopaholic?“ „Jo“, antworte ich ihm. Dann gehe ich ins Bad und mache mich fertig. „Und du bist dir sicher, dass die uns das Abnehmen? Ich meine, diese Fälschungen sind nicht mal gut.“ „In dem Laden, in den wir jetzt gehen, schon. Also. Nett lächeln und selbstbewusst wirken.“ „Ich bin immer Selbstbewusst.“, sage ich ihm. Dabei werfe ich meine langen,
brauen Haare zurück und werfe mich in Pose. „Siehst du?“ Miles verdreht die Augen. „Komm jetzt. Wir gehen rein.“ Der Türsteher guckt kurz auf unsere Ausweise und winkt uns rein. Das war wirklich einfach. Wir geben unsere Jacken ab und holen uns was zu trinken. Ein Tequila später sind wir auf der Tanzfläche. Miles tanzt gerade mit einem Mädchen. Er versucht zu gehen, aber sie folgt ihm. Ich gehe zu ihm hin und ziehe ihn von ihr weg. Dabei gucke ich das Mädchen böse an. „Danke“, schreit Miles mich an. Ich nicke ihm zu. Hätte er für mich auch gemacht. Dann gucke ich mich um, auf
der Suche nach einem süßen Typen. Entweder für mich oder für Miles. Da stupst Miles mich an. Ich gucke zu ihm, er zeigt auf einen Typen an der Bar. Schwarze Haare, grüne Augen. Ein Schnuckel. „Für mich oder für dich?“, frage ich ihn. Er zeigt auf mich. Grinsend gehe ich auf den Kerl zu. „Hi“, versuche ich mein Glück. Er beachtet mich nicht. Es scheint, als ist er gar nicht anwesend. „Hallo!“, rufe ich etwas lauter. Seine grünen Augen starren mich an. Ein Schauer fährt über meinen Rücken. „Hallo.“ er lächelt mich an. „Mein Name ist Shane. Und mit wem habe ich das
Vergnügen?“ „Jamie.“ antworte ich. „Den Namen sollte werde ich mir merken.“ sein lächeln wird noch größer. „Hast du Lust, mit mir zu tanzen?“ Ich nicke. Er nimmt meine Hand und zieht mich zurück auf die Tanzfläche. Schnell gucke ich zu Miles, doch der beachtet mich gar nicht mehr. Er hat sich mit einem anderen Typen in eine Ecke verzogen. Shane zieht mich an sich heran und wir tanzen eine Weile. Nach ein paar Liedern zeigt erst auch mich, dann auf sich und dann in die Richtung der „Flirt-Bar“. Dort ist die Musik nicht ganz so laut und man kann sich
unterhalten. Ich nicke. Er nimmt meine Hand und wir gehen an die Bar. Seine Hand in meiner fühlt sich so richtig an. Dabei kenne ich ihn gar nicht. Wir finden einen freien Platz und setzten uns hin. „Möchtest du was trinken?“ „Eine Cola, bitte.“ ich will ihm meine Karte geben, doch er schüttelt den Kopf. „Es wäre eine Schande, wenn ein Gentleman wie ich, einem so hübschen Mädchen nicht eine Cola ausgeben würde, oder?“ er grinst mich an und geht zum Barkeeper. Währenddessen gucke ich mich um. Wo ist Miles geblieben? Ich habe ihn nun schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen.
Langsam fange ich an, mir sorgen zu machen. Doch da entdecke ich ihn. Immer noch in der selben Ecke, wie gerade. Mit dem selben Typen. Doch sie scheinen sich zu streiten. Oder irre ich mich da? Ich möchte aufstehen und zu ihm gehen, da kommt Shane wieder, mit einer Cola und, ich muss grinsen, einer Fanta. „Eine Fanta? Ehrlich? Ich hätte gedacht, du trinkst Bier. Wir sind in einer Disko.“ frage ich ihn. „Es gibt eine Menge Dinge, an die du nicht gedacht hast,“ sagt er, während er mir die Cola in die Hand drückt. „Ich könnte ein Massenmörder auf der Suche nach meinem neuen Opfer sein.“
Das verunsichert mich jetzt ein bisschen. Doch als er mein Gesicht sieht, muss er lachen. „Das zieht einfach immer. War nur ein Scherz ehrlich.“ Er muss so heftig lachen, dass er sich beinahe an seiner Fanta verschluckt. Das wiederum finde ich so amüsant, dass ich mich nicht mehr halten kann. Auch ich fange an zu lachen. Als wir uns beide beruhigt haben, gucken mich seine grünen Augen direkt an. „Und? Was machst du so? Also, wenn du nicht gerade in einer Disko rumhängst?“ fragt er
mich. „Ach. Dies und Das. Für die Schule lernen, lesen, mit meinen Freunden ausgehen... und du so?“ „Ich auch...also dies und das...“ Er lächelt. „Was für eine blöde Antwort. Also ich mache gerne Sport. Selbstverteidigung und so was.“ „Wow. Cool. Aber braucht ein Mann das denn? Selbstverteidigung?“ ich muss schmunzeln. Shane guckt mich nun direkt an. Ein Schauer läuft mir den Rücken runter. Ich kann aber nicht zuordnen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Gefühl ist. „Wenn du wüsstest, wie oft wir Männer unterdrückt werden! Ständig werden wir
dazu genötigt, schwere Tüten zu schleppen, schlechte Filme zu gucken und...oh man...ich kann es gar nicht aussprechen... manchmal müssen wir auch stundenlang in Garderoben sitzen und immer wieder den gleichen Satz sagen `Ja schatz, das sieht super aus, Schatz. Nein Schatz. Das Kleid macht dich nicht dick`. Und in solchen Momenten ist ein bisschen Selbstverteidigung gar nicht so unangebracht.“ Ich kann nicht anders und fange an, zu lachen. Diese Ernsthaftigkeit mit der er mir das jetzt erzählt hat, ist einfach zum kaputt lachen. Mein Bauch tut schon weh, so sehr muss ich lachen und als
auch Shane mit einstimmt, ist es ganz vorbei.