Gedichte
Fata Morgana

Fata Morgana Ich hatte sie alle. Die Blonden und Brünetten, die Schlanken und Molligen, die Lauten und Leisen. Irgendwie verbrachten sie Stunden ihres Lebens auf mir und hinterließen nur ihren Geruch. Jahre unterwegs in meinem Revier. Ich markierte die Weibchen und beschrieb sie in tausenden von Gedichten. Ich dichtete ihnen all die Eigenschaften

an, die sie nie hatten. So wurden sie alle neu geboren und auf weißen Blättern für unsterblich erklärt. Sie liebten mich in Bussen, im Freibad, an Stränden, in Aufzügen. Sie liebten mich auf Arbeitsplatten, in Betten, auf Tischen, in Fluren, Kellern und Balkonen. Sie liebten mich in Autos, in Wäldern, im Zoo und in Lagerhallen. Sie alle rochen nach

Lust, beschrieben mir unsere Zukunft, erklärten mich zum Ideal. Ihre Zungen steckten tief in meiner Sehnsucht nach Liebe, die ich mir aus Einsamkeit verschrieben hatte. Prophylaktische Feuchtigkeit gegen Seelendürre.