Kurzgeschichte
Tag der Veränderung

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"Nur mal für einen Tag raus aus der Stadt. So sah eigentlich der Plan aus. Doch..."
Veröffentlicht am 30. Mai 2014, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Gunnar Assmy - Fotolia.com
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Nur mal für einen Tag raus aus der Stadt. So sah eigentlich der Plan aus. Doch...

Tag der Veränderung

Titel

„Och nö. Habe ich doch tatsächlich den Zug verpasst. Wie konnte das nur passieren? Und nun? Wie komme ich jetzt zurück nach Hause? Es war der letzte Zug, für heute.“ Meine schauspielerischen Talente lassen zu wünschen übrig. Muss ich zugeben. Ihre aber ach. Ich habe gesehen, wie sie auf die Uhr geschaut hatte und merkte, das wir es eigentlich eilig hätten und wie sie daraufhin ihren Schritt verlangsamte. Also hatte sie es darauf angelegt, das ich die Nacht bei ihr verbringe. Wieso nicht. Wenn ich mich entscheiden musste zwischen Höhle der

Einsamkeit und einer Nacht in weiblicher Gesellschaft, dann ziehe ich doch letzteres vor. Klar, mein Ticket verfiel und ich musste am nächsten Tag ein neues kaufen. Aber s... drauf. Eigentlich entsprach sie nicht meinen Typ. Das sollte mich aber nicht stören. Sie war lieb, wir hatten uns bombastisch unterhalten und verstanden uns einfach prima. Was wollte ich mehr? In ihrer Nähe vergaß ich meine Ex. Verschwendete keinen Gedanken an sie. Als hätte sie es nie gegeben. Aber ich vergaß auch meine Kinder. Wobei ich mich schon manchmal gefragt habe, ob sie an mich denken. Wenn ich sie besuchen kam, fragte mein Jüngster

meist, was ich bei ihnen will und wo die Mama ist. Schon komisch. Ich halte mich an die Besuchszeiten, versuchte, das wir eine Familie werden und so wird es Einem gedankt. Vielleicht hätte ich mich auch öfter krank stellen sollen, wie die Kindesmutter. Immer wieder was versprechen und nicht halten... Meine Heimat war so weit weg und doch so nah. Einen Katzensprung entfernt. Wollte ich dahin zurück? Dahin, wo mich alle nur als Arschloch sehen, dank Lügen diverser Neider und jener Person, die dringend in ärztlicher Behandlung gehörte? Was wollte ich noch dort? Arbeit hatte ich eh keine und meine Kinder hatten sich stark negativ

entwickelt. Ignorierten mich, wie ihre Mutter. Gehorchten nicht. Wir machten es uns auf der Couch gemütlich. Streckten alle vier von uns und schauten in die Röhre. Unerwartet neigte sie ihren Körper in meine Richtung. Machte es sich an mir gemütlich. Stocksteif saß ich da und wusste nicht, was ich machen sollte. Doch zum Glück ergriff sie die Initiative. Nahm meine Hand und legte sie um sich. Hielt sie fest. Mir wurde warm ums Herz. Waren wir jetzt ein Paar? Auch wenn wir in einem Bett schliefen, lief nichts. Kein Sex. Wir hatten gekuschelt und geredet. Das tat mir sehr

gut. Ihre Reife tat mir sehr gut. Sie wusste, wovon sie redete. Endlich mal ein intelligenter Mensch, mit dem ich normal reden konnte und der mich auch zu Wort kommen ließ. Mich nicht ein einziges mal unterbrach. Als ich morgens aufwachte, überlegte ich: liegenbleiben oder aufstehen. Noch ein paar Minuten menschliche Herzenswärme genießen, oder erleichtern gehen. Ich zog zweitens vor, um dann erstens genießen zu können. Gegen Mittag musste ich einen Anruf erledigen. Es war mein Besuchstag. Aber ein blick auf die Uhr verriet mir, das ich es nicht schaffen würde. Also musste ich anrufen und absagen. Dann

noch ein paar Minuten mit meinen Kindern telefonieren. So zumindest sah mein Plan aus. Aber es ging niemand an den Apparat. Mehrmals rief ich dort an. Doch immer wieder meldete sich nur der AB. Später erfuhr ich rein zufällig, das die ganze Gruppe einen Ausflug gemacht hatte und vergessen wurde, mir Bescheid zu geben. Es fiel mir nicht leicht, loszulassen. Aber die negativen Veränderungen wurden mir zu viel. Ich spürte, das meine Kinder sich immer mehr von mir entfernten. Der neue Freund ihrer Mutter, drängte sich immer mehr auf und sie ließen es geschehen. Interessierten sich immer weniger für

mich. Den Mann, der jahrelang darum kämpfte, das sie eine richtige Familie wurde. Der um sie kämpfte. Wollte, das sie schnellstmöglich wieder nach Hause kamen. Der Mann, der alles gab, war einfach nur ein Arschloch. Es tat weh, als ich es bemerkte. Und es tut immer noch weh, wenn ich daran denke. Jedes Foto habe ich gelöscht. Alles weggeschmissen, was mich an jene Zeit und jene Personen erinnerte. Gab mein Sorgerecht ab. Ein Fehler? Wahrscheinlich. Aber irgendwann muss man sich eingestehen, das es keinen Sinn mehr hat zu kämpfen. Vor allem dann, wenn man ganz alleine dasteht. Mein letzter Schritt war die Auflösung

meines Haushalts. Ich zog zu ihr. Jener Frau, die mir zuhört und Wärme schenkt. Die ehrlich zu mir ist. Keine lügen über mich erzählt. Sich freut, wenn ich neben ihr einschlief und neben ihr wieder aufwachte. Die dankbar dafür ist, das ich ein Teil ihres Lebens geworden bin. Für sie ist es keine Selbstverständlichkeit, wenn ich ihr das Frühstück ans Bett bringe. Es ist für sie jedes mal ein freudiges Ereignis. Ihr Lächeln wäre mir Dank genug. Aber nicht für sie. Ich freue mich, das es hier oben keine Neider gibt, die uns auseinander bringen wollen, wie in meiner alten Heimat. Alle freuen sich, das sie glücklich ist. Hier

oben habe ich neue Freunde kennengelernt. Hilfsbereite Freunde, die halten, was sie versprechen. Meine Kinder habe ich nicht vergessen. Sollten sie sich mal zu mir verirren, halte ich die Tür für sie auf. Ich würde mich freuen, wenn sie zu mir kämen. Wenn sie bemerken würden, das sie von verlogenen Pack umgeben sind, das nur an sich selber denkt und nichts wirklich menschliches an sich hat.

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