Gartenzwerge
Pitter, der Gartenzwerg war einer Ohnmacht nahe. Seine Augen wurden immer größer und sie ähnelten bald den Rädern seiner Schubkarre, Seine roten Wangen färbten sich bleich. Denn was er da sah, ließ ihn in Panik geraten. An seiner Schubkarre, die jemand so liebevoll mit roter Farbe, passend zu seiner Zipfelmütze, angestrichen hatte, kroch, eine dicke Schleimspur hinter sich lassend, eine fette eklige Nacktschnecke hoch. Entsetzen erfasste ihn. Was sollte er als Gartenzwerg jetzt machen? Er wusste, dass das Zwergenleben erst bei
Einbruch der Dunkelheit los gehen würde. Niemand konnte ihm jetzt helfen. Er schielte zum Himmel. Noch schien die Sonne durch das Grün der Bäume. Doch die Schatten wurden schon länger. Schmetterlinge tanzten auf den Blüten, ungeahnt der Ängste die er jetzt ausstand. Im vorigen Jahr hatte er Ähnliches erlebt. Eine Schnecke hatte sich in seiner Schubkarre, die das Menschenkind des Gartens, eine junge Frau namens Flora so liebevoll mit Margeritten, blauen Petunien und gelber Tagetes bepflanzt hat, eingenistet, und fraß mit einer Geschwindigkeit, die man niemals Schnecken zutraut, alle Blüten ratzekahl weg. Vor allem die Tagetes
hatte fürchterlich zu leiden. Pitter hörte heute noch ihre Schmerzensschreie, welche sie ausstieß. Und das Gesicht von Flora, die am nächsten Tag fassungslos vor diesem Desaster stand, würde er auch nie vergessen. Nein, so etwas wollte er nicht noch einmal erleben. Er schielte zu seinem Freund Hugo, der mit dem Spaten in seiner Nähe stand. Der Spaten war die nächste Waffe, mit der man der Schnecke den Garaus bereiten könnte.
Dann hoffte er noch auf Rocker, der mit seiner Gitarre die Zwergenbewohner nachts ganz schön in Fahrt brachte. Vielleicht ließ sie sich durch Rockmusik verjagen.
Klausi mit seiner Laterne würde ihnen
dazu leuchten. Seine Lampe würde sich durch die Sonnenstrahlen mit Solarlicht aufheizen und so konnten alle gemeinsam agieren.
Und der Exhibitionist Klausi,der am Teichrand stand und sein kleines Glied immer frei in der Gegend zeigte, könnte vielleicht mal einen Strahl auf die Schnecke fallen lassen. Das würde sie vielleicht auch vertreiben. Ja, so würde es gehen.
Pitter schwitzte vor sich hin, obwohl ein kühler Wind aufkam und die Dämmerung langsam herein brach. Ein Blick auf die Schnecke zeigte ihm, dass noch genügend Zeit blieb, sein Vorhaben auszuführen. Jetzt galt es Ruhe zu
bewahren.
Die nächste Stunde verbrachte er um seinen Plan zu Ende zu schmieden.
Und dann war es so weit. Eine Amsel sang ihr Abendlied, die Schmetterlinge zogen sich gestärkt und etwas ermattet von ihren Blüten zurück, ein Frosch quakte am Teich seiner Liebsten zu, und es schien, als ob langsam Bewegung in die Zwergenwelt kam. Die Schaukel , auf der Zwerg Tommi mit seiner großen Nase saß, bewegte sich auch schon leise. Eine dicke Hummel setzte sich demonstrativ auf eine der Blüten in der Karre, als ob sie sie bewachen wollte. Doch wie sollte das gehen. Gegen eine Schnecke war selbst sie
machtlos.
Und dann war es soweit. Schlagartig war die Dunkelheit da. Pitter schielte zu Klausi hin. Ja, alles klar, die Laterne leuchtete in der Dunkelheit.
Nun konnte es losgehen. Langsam setzte er seinen Karren in Bewegung. Erschrocken flog die Hummel weg. Ganz dicht ging er zu Klausi hinüber um ihm zu bedeuten, mit seiner Laterne ihm zu folgen. Klausi grinste über das ganz Gesicht, ahnte er doch, was da gleich alles folgen sollte. Für solche Sachen war Klausi immer zu haben. In der Zwergenwelt galt das Motto „Einer für alle, alle für Einen“. Dann ging es zu Hugo, der sofort seinen Spaten
schulterte. Auch der hatte die Schnecke die ganze Zeit beobachtet. Der nächste Weg führte zu Rocker, welcher sogleich in die Saiten seiner Gitarre griff, um den heißesten Elvissong anzustimmen.
Nun machten sich die vier auf den Weg zum Teich. Die Schnecke indessen hatte inzwischen schon den Rand der Schubkarre erklommen. Eile ward geboten. Mit ihren kleinen Füßen war es für die Zwerge gar nicht so einfach, durch die Erde der Beete und des Rasens zu laufen. Doch sah Pitter zu seiner Genugtuung, dass die Schnecke, durch die Bewegung und die Musik irritiert, langsamer wurde und schließlich im Kriechen innehielt. Endlich waren sie
dann am Teich. Eine Libelle erhob sich gerade von einer Seerose, als ob sie ahnte, welche Tragödie hier gleich geschehen würde.
Klausi, der Exhibitionist wackelte schon mit seinem Strahl hin und her, als ob er wüsste, was man von ihm wollte, Klausi hob die Lampe. Pitter fuhr mit seinem Karren ganz nah an den Teich heran. Da kam auf einmal ein Gewitter auf. Donnergrollen wechselte sich mit grellen Blitzen ab.
Klausi zielte mit seinem Strahl direkt auf das Schneckentier, das betäubt von dem Urin jetzt reglos da lag. Nun war Hugo gefragt. Er nahm den Spaten und zerteilte die Schnecke in kleine Stücke.
Dann hob er neben dem Teich ein kleines Loch aus und begrub das Tier. Rocker stimmte ausnahmsweise einen softigen Song von Elvis an . Die Musik und das Donnergrollen gaben der Situation eine gewisse Tragik. Mit geneigtem Kopf standen die Vier vor dem Schneckengrab.
Nun galt es aber rasch zum Standort zurück zu kehren, denn leise Regentropfen kündeten an, dass das Unwetter stärker wurde.
Unter der Marschmusik, die nun Rocker anstimmte, erreichten bald alle ihren gewohnten Standort. Der Regen prasselte nun herunter und Pitter schien es, als ob die Blumen in seiner Karre sich trotz des
Regens empor reckten, um ihm ein Dankeschön zuzuraunen. Ganz glücklich war ihm zumute.
Er winkte den anderen noch einen Gutenachtgruß zu. Klausi löschte die Lampe und bald lag der Garten in tiefem Schlaf.