Nummer Acht
Ich fuhr über hundert, aber auf der langen, flachen Straße kam einem das nur halb so schnell vor.
Die Augen des rothaarigen Burschen glänzten und schauten ein bisschen wild drein, während er den Nachrichten aus dem Autoradio lauschte. Als sie zu Ende waren, drehte er den Ton leiser.
„Bis jetzt haben sie sieben seiner Opfer gefunden.“
Ich nickte. “Ich habe es auch gehört.“ Ich nahm eine Hand vom Lenkrad und massierte mein Genick, um die
verkrampfen Muskeln etwas zu lockern. Er beobachtete mich und grinste verschlagen. „Sind sie wegen irgendetwas nervös?“
Meine Augen fixierten ihn. „Nein. Warum sollte ich?“
Der Bursche grinste immer noch. „Sechzig Kilometer im Umkreis von Edmonton hat die Polizei alle Straßen abgesperrt.“
Der Bursche kicherte. „Für die ist der viel zu raffiniert.“
Ich schaute auf die Tasche, die er auf seinem Schoß hielt.
Er zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht.“
Der Bursche war kleiner als seine Altersgenossen und ziemlich schmächtig.
Er sah wie siebzehn aus, aber er war dieser Milchbubi-Typ und konnte auch fünf Jahre älter sein.
Er rieb seine Handflächen an der Hose. „ Haben sie mal darüber nachgedacht, warum er das tut?“
Ich schaute auf die Straße. “Nein!“
Er leckte seine Lippen. Sie haben ihn vielleicht zu viel herumgestoßen. Immer war irgendeiner da, der ihm sagte, was er tun sollte und beschimpften ihn. Einmal haben sie ihn wohl zu sehr gequält und ihn dabei alt aussehen lassen.“ Der Bursche schaute geradeaus. Dann setzte er seine Schilderung fort: “ Und dann flippte er aus. Ein junger Bursche kann eine ganze Menge
aushalten, aber irgendwann lässt er die Rollläden runter. Er lachte kaum noch, wurde immer gehemmter und Schüchterner, deshalb konnte ihn kein Mensch leiden. Und irgendwann mal ist Schluss!“
Ich nahm meinen Fuß langsam vom Gaspedal.
Er sah mich an. „Warum fahren sie langsamer?“
„Da vorne ist eine Tankstelle“, sagte ich, „die Erste seit fünfzig Kilometern. Wahrscheinlich kommt lange keine mehr.“
Ich verließ die Straße und hielt an den drei Zapfsäulen.
Ein alter Mann kam um das Auto herum
zu meiner Seite.
„Volltanken“, sagte ich, „und sehen Sie nach dem Öl.“
Der junge Bursche sah sich die Tankstelle genau an. Es war ein kleines Gebäude, das einzige in einem Meer von Weizenfeldern. Durch eines der staubigen Fenster konnte ich ein Wandtelefon erkennen.
Der Bursche wippte mit einer Fußspitze. „Der alte Mann braucht aber lange. Ich hasse diese Warterei.“ Er beobachtete ihn, wie er die Haube öffnete, um nach dem Ölstand zu sehen.
„Ist dieser Alte zu irgendwas nütze? Er hätte es besser wenn..!“ er hielt inne: „Er macht das Absichtlich!“ Er hatte
offenbar eine richtige Wut im Bauch, war so aggressiv.“Pass auf, sonst passiert was!“ schnauzte er den Alten an und ballte dabei seine Hand zu einer Faust gegen den armen Alten. Währenddessen schaute dieser verdrossen. Die Augen des jungen Burschen fixierten immer wieder den alten Mann feindlich. „Telefonieren sie mit dem Tank loch?“ stieß er zischend in Richtung des Alten aus. „Wollen sie sich mit einem alten Mann anlegen?“ fragte dieser ganz unberührt von seinen Frechheiten. „Nein.“ Gab er kleinlaut zurück.
Die Augen des jungen Burschen wanderten jetzt über die Weizenfelder.
Als der alte Mann mit meinem Wechselgeld zurückkam, lehnte sich der jung Bursche aus dem Fenster.“Haben sie ein Radio, Mister?“ stichelte er weiter. Der Alte schüttelte den Kopf. „Nein, ich mag es ruhig.“ Der junge Bursche grinste respektlos.“Muaaahhh, da haben sie recht Mister. Wenn alles ruhig ist, leben sie länger.“
Auf der Straße brachte ich den Wagen wieder auf über hundert Sachen. Der junge Bursche schwieg eine Weile, dann sagte er:“ Man braucht Mumm, um sieben Leute zu killen. Haben sie jemals einen Revolver in der Hand gehabt?“
„Ich denke, jeder hat das schon mal. „Muahhh..!“ Seine Zähne blitzten durch
die geöffneten Lippen. „Haben sie schon mal einen Revolver auf einen Menschen gerichtet?“
Ich sah ihn nachdenklich an.
Seine Augen glänzten. „Es ist gut, wenn sich die Leute vor einem fürchten“, Oh, Mann hatte dieser eine laute Stimme das könnte einem ja das Trommelfell platzen lassen. „Man ist nicht mehr klein, wenn man einen Revolver hat.“ Er wurde nur unverschämter.
„Nein“, sagte ich, „man ist dann kein Zwerg mehr.“
Er wurde ein bisschen verlegen. „Ich bin dann der Größte!“ Der Wahn stand ihm vor dem Gesicht. Dann ergänzte
ich:“ solange der andere nicht auch einen Revolver hat.“ Das war logisch. Er wurde ruhiger bedrohlicher: “ Man braucht eine Menge Mumm, um zu töten“ röchelte er mir ins Ohr. „Die meisten Leute wissen das gar nicht.“
„Einer der umgebracht wurde, war ein fünfjähriger Junge“, sagte ich „Was hast du dazu zu sagen?“
Er leckte seine Lippen. „Es könnte ein Unfall gewesen sein.“ Ich schaute ihn an: „Oder als etwas kaputt war, ist er ausgerastet.“ Seine Augen hatten für einen Moment einen unsicheren Blick. „Was meinen sie, warum hat er ein Kind umgebracht?“ Ich zuckte die Achseln. „Schwer zu sagen. Er tötet einmal, dann
noch einmal, ja sieben Mal. Vielleicht machte es ihm dann nichts mehr aus, wer seine Opfer waren. Ob Männer, ob Frauen, oder Kinder. Sie waren für ihn alle gleich.“
Der junge Bursche nickte. Das war ihm eine Lehre. Besinnlich nickte er bejahend: „Man kann am Töten richtig Geschmack kriegen. Das ist gar nicht schwer. Dann macht es einem nichts mehr aus!“ äußerte er sich Halbstark. Für eine Minute schwieg er, dann fing er wieder damit an:“ Die kriegen ihn nie. Er ist viel zu gerissen.“
Ich schaute ihn kurz an. „Wie stellst du dir das vor? Im ganzen Staat wird er gejagt. Alle wissen wie er aussieht.“ Der
junge Bursche zog seine Schultern hoch. „Vielleicht macht ihm das gar nichts aus. Er muss das tun, was er tun muss. Die Leute werden ihn bewundern.“
Wir fuhren ein Stück, ohne ein Wort zu sagen.“ Die tun ja so als ob er der größte Verbrecher wäre- das geht zu Ende!“ Dann rutschte er auf seinem Sitz hin und her: „Haben sie die Beschreibung im Radio gehört?“
„Sicher“ sagte ich, „die ganze letzte Woche schon.“
Er sah mich neugierig an. „Und hatten sie keine Angst, mich mitzunehmen?“
„Nein.“
Sein Lächeln war immer noch verschlagen. „ Sie haben ja eiserne
Nerven. Ein Verbrecher läuft hier frei herum, Halloo jemand zu Hause?“ fragte gern etwas fies, dann sah er mich an.
„ Auf mich trifft die Beschreibung genau zu!“
„Stimmt!“ ich musste mich beherrschen um nicht laut loszubrausen.
Die Straße erstreckte sich vor uns ins Unendliche. An beiden Seiten war nichts als flaches Land. Kein Haus, kein Baum. Der junge Bursche kicherte. „Ich sehe genau aus wie der Killer. “Jeder hat Angst vor mir ich mag das.“ „ Ich weiß!“ „Dreimal haben mich die Polizisten in den letzten beiden Tagen geschnappt und durch die Mangel gedreht. Ich bin schon so bekannt wie
der Killer.“ Prahlte er.
„Ich weiß“, sagte ich, „und ich glaube du wirst noch bekannter werden.“
„Ich fuhr langsamer. „Was ist mit mir? Trifft die Beschreibung nicht auch auf mich zu?“
Der junge Bursche grinste höhnisch, doch wenn er daran dachte überlief ihn ein kaltes Schaudern, nochmal lief er auf zur Höchstleistung „Nein, sie haben braunes Haar, er hat rotes. Wie ich!“ Ich lächelte. „Aber ich könnte es gefärbt haben.“ Die Augen des jungen Burschen weiteten sich vor Angst, ihm war hören und sehen vergangen als er begriff, was in dem Moment passieren würde.
Er war ein N I C H T S und im Begriff, die Nummer acht zu werden.
F I N E