Sanft schlagen Wellen an den Strand. Die Flut flaut ab und das Meer gibt frei, was sonst versteckt bleibt. Krabben verkriechen sich unter Steinen und laut kreischen die Möwen. Ihr Tisch ist reich gedeckt. Muscheln glänzen noch feucht im Sonnenlicht. Sandkörner blitzen wie kostbare Diamanten. Mit der letzten Welle schwemmt ein kleiner Ring an den Strand. Die Flut hat ihn weit nach oben getragen. Zwischen bunten Steinen bleibt er liegen. Neugierig schaut er sich um. Er hat so lange im Dunkeln gelegen, dass die Sonne blendet und er eine Weile braucht, bis er die Umgebung genau erkennen kann. Er ist ein wenig
enttäuscht, denn die Steine um ihn herum wirken stumpf. Sein silberner Schimmer übertrifft alles. Die Steine schauen ihn erwartungsvoll an. Endlich traut der kleine Hellbraune ihn anzusprechen. Er ist der Mutigste und liegt genau neben dem Ring.
„Hallo, du bist neu hier. Wo kommst du denn her? So etwas wie dich habe ich noch nie gesehen. Du bist kein Stein, wir glänzen nämlich nicht.“
Der Ring überlegte eine Weile. Er fühlt sich weit überlegen. Seine Perfektion konnte niemand übertreffen. Seine Schönheit musste die Steine blenden.
Endlich ließ er sich zu einer Antwort herab.
„Ich habe eine lange Seereise unternommen. Auf einem ganz großen Luxusliner. Sehr viele elegant und vornehm gekleidete Menschen waren dort. Irgendwann bin ich über Bord gegangen und das Meer hat mich hierher getragen. Meine Reise war lang und interessant.“
„Menschen“, antwortet der Stein, „manchmal kommen sie hier vorbei und buddeln im Sand. Es gibt kleine und große. Einige von uns haben sie auch schon mitgenommen, zurück ist bisher
niemand gekommen. Sie sind laut, oft laufen sie auch nur am Wasser entlang. Sie nennen es Thalasso.“
Der Ring sagte erst einmal gar nichts dazu. Er war mit sich selber beschäftigt. Was der Stein so erzählte, hörte sich ganz interessant an. Vielleicht würde er sich hier wohlfühlen. Nach einer Weile hatte fand eine Elster an ihm gefallen, hob ihn mit dem Schnabel an, betrachtete ihn eine Weile und ließ ihn wieder fallen. Der Stein versuchte immer wieder mit dem Ring zu reden. Der wollte aber gar nicht antworten. Er war zu Höherem geboren. Seine Zeit würde kommen.Die Flut spülte immer
Neues ans Ufer, trug auch Vieles wieder fort. Manchmal regnete es, dann schien wieder die Sonne. Scharfer Wind fegte über den Strand, sodass der Ring ein Stück davongetragen wurde. Der Stein folgte meist. So verging die Zeit.
Aus einem Sommer wurde Herbst, dann Winter und endlich schickte die Sonne wärmere Strahlen. Mit dem Frühling kamen die Menschen wieder an den Strand. Bunte Sonnenschirme wurden aufgespannt. Decken ausgebreitet, die Kinder lärmten und am Horizont sah man Segelboote.
Der Ring atmete auf, endlich würde es
spannender werden. Die Steine gingen ihm auf die Nerven, besonders der braune. Er war so hässlich. Manchmal spielten Kinder ganz in seiner Nähe. Auf einmal rief ein kleiner Junge ganz aufgeregt.
„Mama, Mama guck mal, hier liegt ein Ring.“
Endlich dachte der Ring nun kommt mein Augenblick. Aber da hörte er eine Frauenstimme.
„Lass bitte den Müll liegen, das ist ein alter Dosenring. Aber schau nur, dort liegt ein Bernstein.“
Sie nahm den hässlichen Stein in die Hand, hielt ihn in die Sonne.
„Wunderschön“, hörte der Ring die Stimme sagen.