Beschreibung
Sage mal einer, dass "alkoholfreies" Bier nicht auch besoffen machen kann... .
Der Schinder, der Schinder
Da saß er nun, ganz alleine vor seinem Computer und schaute in die unendliche Weite des elektronischen Netzes der Netze.
Er war völlig ausgebrannt. Sein letzte originelle Idee hatte er vor einigen Wochen in einem Flirtforum an eine gewisse Barbara1423 verschwendet, die sich später als Chatbot einer kanadischen Universität herausstellte.
Seine Texte auf der Onlineplattform wurden auch nicht mehr so gelesen, seit dort eine junge Araberin auftauchte, die sehr erotische Texte schrieb, die nur noch gerade eben als Literatur durch gingen.
Er hatte natürlich den Verdacht, sowohl das Foto als auch der Name der Araberin wären gefaked, aber als er das gepostet hatte , wurde er sofort des Neides bezichtigt. Sein Ranking war daraufhin noch weiter nach unten gefallen.
Es musste dringend etwas geschehen. Sein Punktkonto schmolz immer mehr zusammen, seine Forumsbeiträge wurden nur noch ignoriert, in sein Gästebuch schrieben noch nicht einmal mehr die hoffnungsvoll um Bewertungen werbenden Neuautoren. Er war schlichtweg out.
Seinen Userstatus würde er nur halten können, wenn er einen Text nach dem anderen veröffentlichen würde.
Und gerade jetzt fiel ihm nichts, wirklich gar nichts ein.
Er starrte auf den leeren Schirm, aber die rettende Idee erschien ihm nicht. Schon wollte er sich ausloggen und den Computer runterfahren, da sah er sich selber, vor dem Computer sitzen, ganz alleine, und in die unendliche Weite der elektronische Netze schauend.
Er sah einen völlig ausgebrannten User, der seine letzte Idee an einen Chatbot verschwendet hatte, der sich auf dem unaufhaltsamen Pfad in die tiefen Niederungen des ewigen Vergessens befand. Ein User, der in seiner Community nicht mehr beliebt war, einer, der noch nicht einmal als Forentroll eine irgendwie geartete sozialvirtuelle Position erreichen konnte. Einer, dessen Ranking im Keller war und der absolut keine Idee hatte, wie er zumindest durch irgendeinen Text ein paar Coins verbuchen konnte, um nicht als völlig unbedeutend erkannt zu werden.
Er sah den User, wie er den Rechner runterfahren wollte und plötzlich die Idee hatte, wie er durch eine geschickte Mischung von selbstmitleidiger Nabelschau und gnadenloser Zeilenschinderei zumindest die erforderlichen Seiten zu füllen, einfach nur mit Text zu füllen, damit da irgend etwas zu lesen war, ganz egal was.
Hauptsache, es stand überhaupt Text im Netz.
Er sah sich am Rechner, wie er sich am Rechner sah, wie er sich dabei beobachtete, in seiner Verzweifelung, ganz einsam vor dem Rechner, völlig ausgebrannt, und nur noch diese eine Idee, den Text immer weiter zu verschachteln, bis er ganz von selber einen unwiderstehlichen Sog entwickeln würde, ohne Aussage, ohne Ziel, einfach nur Text, Text, der die Seiten füllte, Text ,der ihn vor dem Untergang bewahrte, Text, der seine Existenz rechtfertigen würde.
Er hatte sich in einen wahnhaften Rausch gesteigert. Seine Finger hackten die Worte in die Tastatur, völlig automatisch, ohne Sinn, ohne Verstand, ohne Stil, Hauptsache die ersten drei Seiten waren fertig.
Er hielt einen Moment inne und war kurz versucht, den Text zu lesen. Aber ein letzter Funken Selbstachtung oder die tief verwurzelte Angst um seine geistige Gesundheit verhinderten, daß er diesen tollkühnen Gedanken verwirklichen konnte.
Er speicherte den Text und ging auf Klo.Die erfahrene Kritikerin
Längst hatte sie sich angewöhnt, den Computer gleichzeitig mit der Kaffeemaschine einzuschalten, gleich morgens nach dem Aufwachen. Vierzehn Emails hatten die Spamfilter durchgelassen, zwölf davon waren echt. Wie immer , bearbeitet sie die Mails in der alphabetischen Reihenfolge nach den jeweiligen Nicknamen.
Zuerst also die von www.autorenschelte.de . Ihre Verisse der letzten Woche waren von der Gemeinde mit der üblichen Häme aufgenommen worden, ihre Sponsorenclicks waren um 23 % nach oben geschnellt, sehr schön.
Anschliessend www.badbooks.de . Hier war zwar noch nicht so viel Traffic, aber es wurde in der letzten Zeit täglich mehr.
finger-weg-von-diesem-buch.de, lies-das-nicht.de, voelligermist.de und natürlich zum-abkotzen.de liefen auch ganz gut, sie war zufrieden.
Der Kaffee war mittlerweile durchgelaufen, sie schenkte sich die erste Tasse ein und war wieder einmal sehr mit ihrer Idee zufrieden. Dabei war es doch so nahe liegend. Jeder wusste doch, wie gut sich ein Veriss verkaufen lies und wie schlecht das Geschäft mit ehrlichen Buchbesprechungen seit Jahren lief. Ein befreundeter Programmierer hatte ihrer Textverarbeitung ein umfangreiches Modul mit raffinierten Beschimpfungen und einem umfangreichen Synonymwörterbuch verpasst. So war es ihr möglich, täglich bis zu zwanzig Kritiken zu verfassen, die allesamt so wirkten, als hätte sie die Bücher tatsächlich gelesen.
Anfangs hatten sich die Autoren natürlich geärgert, aber einige waren ganz von selber auf die Idee gekommen, sich mit kleinen Aufmerksamkeiten und angemessenen Sach- und Geldspenden den Schutz vor weiteren Attacken der in Insiderkreisen bereits als "Schwartenwitwe" bekannten Kritikerin zu erkaufen. Manchmal machte sie einer ihrer Kunden auch auf ein neues Talent aufmerksam, der ähnliche Sachen schrieb. Da fackelte sie natürlich nicht lange, schliesslich wusste sie , was sie ihrem Ruf schuldig war. Der Neuling wurde schnell in Grund und Boden kritisiert, und wenn er nicht umgehend das Handtuch warf, wurden ihm einige interessante Angebote unterbreitet, die er nicht ablehnen konnte.
Ja, sie war gut in dem was sie tat, wirklich gut.
Nach den Emails begann sie ihr destruktives Tagwerk, mit der ihr eigenen Konsequenz und wie immer ohne jede Emotion, es war ja nichts persönliches, nur Geschäft.Ob sie sich kriegen ?
Zwei Figuren, beide in der gleichen Ecke der virtuellen Welt angelegt, ein zielgruppenorientierter Einstieg in eine Story, den geringen Wortschatz durch geschickten Einsatz von Fremdwörtern verschleiert, so hatte es der demütige Autor bis zum dritten Kapitel geschafft.
Sollte er dieses Werk tatsächlich ausarbeiten oder einfach so veröffentlichen ?
Er drehte sich eine Cigarette, sog den Rauch tief ein und dachte einen Moment nach.
Nein, so entschied er schliesslich, jetzt war es eigentlich gut. Bis hierher war die Sache ja noch ganz lustig und würde als Einstand auf der Plattform durchgehen.
Vielleicht würden sich auch einige Gästebucheinträge ergeben.
Wenn er etwas Glück hatte, würden auch noch einige wohlwollende Bewertungen für seinen aktuellen Roman rausspringen, aber wenn er es übertrieb, könnte es schnell ins Gegenteil umschlagen, das wollte er nicht.
Lieber die paar Coins mitnehmen und hier aufhören, als das Schicksal seines Protagonisten zu teilen, oder sich mit schmutzigen Geschäften behaupten zu müssen.
Lieber hier der Sache ein Ende machen, am besten sofort.
ENDE