Dieser scheiß Penner (eine Ute & Bernd Romantik)
Bernd hatte eine verflucht harte Woche hinter sich. Er hätte um ein Haar seinen Job verloren und Ute hatte ihre Tage oder irgendeinen anderen guten Grund ständig an ihm rumzunörgeln. Selten gab es eine Woche, in der er sich gewünscht hätte, morgens einfach nicht mehr aufzuwachen, weil er in der Nacht verstorben war.
Sein Chef hatte ihn am Dienstag in sein Büro zitiert und fünfunddreißig Minuten mit seinem Mundgeruch gequält, bevor er ihm grinsend eine Abmahnung rüberschob und ihm eröffnete, dass er sich über die
erwähnten Punkte Gedanken machen sollte und seine Arbeitsweise drastisch ändern müsse um einer weiteren Konsequenz entgegenzuwirken.
Mittwoch hatten ihm wahrscheinlich rechtsradikale Vollidioten die Spiegel von seinem Opel abgebrochen und ein Hakenkreuz auf die Windschutzscheibe gekliert. Mit einem Edding hatte er aus dieser Beleidigung ein Nikolaushäuschen gemacht und nun fuhr er mit Weihnachtssymbol und ohne Spiegel durch die Gegend. Der Donnerstag war ein ganz normaler Scheißtag und heute war Freitag. Er war Ute, so lange es ging, aus dem Weg gegangen und hatte ein zweieinhalbstündiges Bad genommen. Nun
waren sie auf dem Weg zu einem neuen Griechen und schwiegen mit zusammen gebissenen Zähnen auf der alltäglichen Parkplatzsuche.
„Man müsste alle Autos verbieten, die größer als ein Smart sind, A-Klasse dürfte es zur Not auch noch geben“, meinte Ute und Bernd verdrehte die Augen. So viel Scheiße in einem Satz war zwar von Ute nichts neues, aber momentan war er nicht in der Stimmung für diese Art von Konversation. Bernd hielt die Klappe und steuerte in die nächste Querstraße. Es war zum Verrücktwerden. Entweder waren die Parklücken zu klein oder irgend so ein Geier stand schon blinkend in zweiter Spur und beanspruchte die eventuellen
Parkplätze auf den nächsten zweihundert Metern für sich.
Elf Minuten später hatten sie dann „Glück“ und erwischten eine noch nicht reservierte Parklücke. Leider hatte es vor vier Minuten zu regnen angefangen und sie waren nicht solchem Wetter entsprechend angezogen. Der Schirm, den sie normalerweise im Wagen hatten, stand seit dem letzten Unwetter aufgespannt auf dem Balkon und den hatten sie heute natürlich nicht dabei. Auf dem Weg zum Lokal laberte ihn ein etwa fünfzig Jähriger Mann mit Rotweinfahne an und meinte, sie hätten vor sechs Jahren zusammen bei Reifenmüller gearbeitet, bis der Laden dicht machte. „Schnauze, Idiot,“ keifte Bernd.
Wenn das nicht der beschissenste Abend seit langem war, und der Abend hatte noch nicht mal richtig begonnen...
Nachdem sie den alten Saftarsch stehen gelassen hatten, wurde die Stimmung kurzfristig besser, sie machten Scherze auf Kosten des alten Stinkers und waren für einen kurzen Moment der Meinung, dass es doch noch ein netter Abend hätte werden können.
In „Costas Pitapalast“ war es brechend voll, eigentlich wollten sie gleich wieder gehen, aber der geldgierige Kellner köderte sie mit Ouzo an der Bar, natürlich auf Kosten des Hauses, bis ein Tisch frei wird. „Kann nur kurze Momente dauern“, meinte er optimistisch und füllte schon wieder die
Gläser. Als er sich um die anderen Gäste kümmern musste, ließ er die Flasche gleich da und meinte zwinkernd, „wenn Flasche leer, bringen gleich eine neue“ und wieselte los.
Sie waren in recht guter Stimmung und ließen den letzten Rhodosurlaub noch mal Revue passieren. Wie sie sich beim Surfen verbesserte während er mit einem Buch am Pool den Bauch verbrannte und wie Bernd sich mit einigen Engländern geprügelt hatte als diese in einer Kneipe Bier über Utes T-Shirt gekippt hatten um ihre Vorzüge besser beglotzen zu können. Als ein Tisch frei wurde, nahmen sie ihre Gläser und die Flasche gleich mit.
„Stolze Preise“, meinte Ute und bestellte
neben einer Gyrosplatte noch einen Bauernsalat und Zaziki, sowie einen halben Liter teuren Wein. Auf Bernds Kommentar, dass sie nicht gleich sein ganzes Gehalt verfressen, sollte zog sie eine Fresse zum Reinschlagen und meinte, es sei ihm ja noch nie schwer gefallen, ihr den Abend zu versauen und sie könne auch nichts dafür, das Bernd so wenig verdiene.
„Kannst ja zur Abwechslung auch mal arbeiten gehen“, meinte Bernd gereizt, dann herrschte für die nächsten Minuten gekränktes Schweigen.
Wenigstens hatten die andern Gäste einen angenehmen Abend oder sie rissen sich zusammen um sich dann zu Hause ordentlich zu fetzen. Während Ute in ihrem
Salat rumstocherte, kam ein hagerer, kleiner Inder in das Lokal um den Leuten überteuerte Rosen anzudrehen. Als sich der Typ ihrem Tisch näherte, bekam Bernd Kopfschmerzen, er hasste solche Situationen. „Rosn“, meinte der Typ überflüssiger Weise. Dass er ihnen keine Duellpistolen verkaufen wollte, sahen sie auch, obwohl Bernd in diesem im Moment wahrscheinlich mit Freude welche genommen hätten.
„Nur Funf Mark das Stuck, für schöne Frau schöne Rosä, der Herr?“, meinte der Kerl erwartungsfroh grinsend.
„Für eine schöne Frau wäre das schon OK, ich seh hier bloß leider keine. Bringen sie mir eine schöne Frau und ich kauf ihnen
drei Rosen ab.“
Dieser Spruch wurde von dem Typen nicht verstanden, dafür aber von Ute, welche ihn in einer Lautstärke mit Beleidigungen bombardierte, dass sie für einen Moment der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit waren. Die Leute unterbrachen ihre Mahlzeit und gafften sie ungeniert an. „Nimm deine scheiß Blumen und verpiss Dich und ihr Arschlöcher glotzt nicht so blöde, sonst gibt es hier noch ein Blutbad,“ meinte Bernd in einer Lautstärke dass sich selbst der Küchenchef im hinteren Teil des Lokals angesprochen fühlte.
Einen Moment später verschwand der Blumenmann und dann kam auch schon unser Hauptgericht. Auch, wenn ihm nicht
nach essen zumute war, begann Bernd sein Mahl ohne Ute einen guten Appetit zu wünschen, wäre eh gelogen gewesen. Von mir aus könnte sie daran ersticken, ich glaube ich würde dazu applaudieren, dachte Bernd und schmunzelte vor sich hin.
Um sich nicht den Appetit zu verderben, vermieden sie es, sich beim Essen anzusehen. Beiläufig registrierte Bernd, dass sein Lammbraten ganz vorzüglich schmeckte, richtig genießen konnte er es trotzdem nicht. Ein widerlicher Geruch nach Urin und Dreck stieg ihm in die Nase und als er sich angewidert umdrehte, erblickte ich seinen Verursacher. Ein abgeranzter Penner, mit einer Obdachlosenzeitung auf dem Arm, kam an
den Tisch und begann sie vollzusülzen.
Wie lange er schon auf der Straße lebte und dass es ganz schön schlimm sei, jetzt wo der Winter vor der Tür stünde. Auch dass er mit ehrlicher Arbeit nicht mehr betteln müsse und das man das mit zwei Mark ruhig honorieren könne, besonders wenn man in so einem teuren Lokal sei.
„Verpiss dich, Stinker. Deine Masche zieht bei mir nicht, quatsch jemand anders voll“, meinte Bernd nur, so einer hatte ihm gerade noch gefehlt. Da begann der, in seiner Ehre verletzte Vagabund, total aufzudrehen.
Ob Bernd sich für was Besseres hielte und er hätte schon seit zwei Tagen nichts mehr gegessen und so. Als Bernd ihm mitteilte, dass ihn dass einen Scheiß interessierte und
er hier nur in Ruhe essen wolle, wurde der Typ richtig fies.
Mit seinen vollgepissten Fingern griff er nach Bernds Braten, roch daran, meinte irgendwas wie lecker oder so und biss ein Stück ab. Den Rest legte er wieder auf den Teller und strich das Fleisch mit seiner Hand glatt. Als er Bernd dann auch noch provozierend angrinste, hätte der ihm am liebsten seine Gabel in den ungewaschenen Hals gerammt. Bevor er richtig wütend werden konnte, kamen zwei Kellner und warfen den Taugenichts unter großem Gezeter aus dem Restaurant.
Bernd war der Appetit vergangen, er goss sich noch einen Anisschnaps ein und steckte sich eine Zigarette an. In diesem
Moment fauchte ihn Ute an, da sie noch beim Essen war. Er nahm seine Jacke und sagte zu Ute, dass er vor der Tür zu Ende rauchen würde, sie blickte ihn nur zornig an. Er verließ das Lokal ohne ein weiteres Wort, ging zu seinem Auto und fuhr los. Er fuhr nicht in die Wohnung sondern weg, ziellos durch die Gegend. Überall war es besser als dort, überall war es besser als bei Ute, dachte er.
Ende
Phil_Humor Bernd ist ein Kotzbrocken - kommt wohl daher, weil er manches findet, was des Kotzens wert sei. Würde sich das nach der Lektüre von Dale Carnegie ändern? Wie ein Magnet: Man zieht das an, was sich durch die eigenen Feldlinien angesprochen fühlt. Zeit für Aura-Wechsel? |