Allerheiligen und Totensonntag sind pünktlich mit ihrem eisgrauem Himmel und dem stürmischen Novemberregen ins Land eingezogen. Diese Truppe der Natur sturmt und heult jetzt durch den schlimmsten Monat des Jahres. Wer noch Grünes sehen will, muss die Toten besuchen. Unter den frischen Tannenzweigen liegen sie. Jene, die sich aus dem warmen Atem der Welt herausgenommen haben. Die keine Klagen mehr hören wollten, keinen Regen mehr spüren und nicht mehr sehen, wenn der Tag die Nacht besiegt. Die Unbekannten, die wenig Bekannten, die, die jeder kannte - die Großen der Welt. Hier wurde für immer gleichgeschaltet. So hat auch die Frau ohne Sparbuch nur ein grünes Nadelkleid, aber einen Platz in der großen Runde der Ewigen erhalten.
Während ihrer Zeit war sie eine farblose Persönlichkeit. Niemand interessierte sich wirklich für sie. Auch jetzt nicht. Zu Lebzeiten erhielt sie keine Blumen. Ihre Ruhestatt ist nicht bunt. Doch Tannenzweige können auch wärmen, bestimmt ihren Schlaf hüten und vielleicht schöne Träume bescheren.
Doch wirklich allein ist die Frau ohne Sparbuch seit dem letzten Jahr nicht mehr. Eine Nachtigall, die neben ihr brütet und in den Büschen oft ihr Klagelied singt, hält für einige Wochen des Jahres Totenwache an ihrem Grab. Sie, und auch die Vögel im Winter zeigen, der Tod herrscht noch nicht absolut.
Aber wenn dann doch mal ein Mensch vor dem Grab der Frau ohne Sparbuch steht, spürt sie vielleicht seine menschliche Wärme, und denkt, es sei der Tag der Auferstehung und das Leben nehme wieder von ihr Besitz.
© 12-2007 joLepies