Der Schock ließ mich kurz erstarren. Jack trug ein blaues T-Shirt mit V-Ausschnitt und keine Brille. Seine sonst zurück gebürsteten Haare standen wild in alle Richtungen. Ich öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. „Jack. Schön dich zu sehen.“ Aleks Stimme triefte nur so vor Ironie. Ich drehte den Kopf und sah ihn, mit gerunzelter Stirn an. Er könnte ja ruhig was netter sein, schließlich war Jack wegen ihm fast gestorben. Aleks Blick war kälter als ich es je bei ihm gesehen hatte. Ich sah zu Jack. Ein lächeln lag auf seinen Lippen, aber es war nicht
nett. Es hatte etwas von einem Bösartigen Lächelt, das man in Filmen sieht, bevor man jemanden vom Dach schubst. Jack drehte den Kopf und sein Blick traf meinen. Mir stockte der Atem. Eins seiner Augen war immer noch grün, wie vorher auch. Das andere Braun. Ich würde fast sagen es wäre ein Rotstich drin. In seinen Augen stand Überraschung und Wut. War er wütend mich mit Aleks zu sehen? „Hallo Melodie.“ sagte Jack grinsend. Ich bekam eine Gänsehaut, ohne zu wissen warum. „Hey Jack.“ erwiderte ich leise. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Er sah so anders aus, er benahm sich so
komisch. Und ein Auge hatte die Farbe gewechselt. Bei Aleks beide. Komischer Zufall. Aleks trat hinter mich und ich sah ihn über die Schulter an. „Entschuldige uns kurz. Ich muss mit meinem Bruder reden.“ Er ging zu Jack und packte ihn am Arm. Zusammen gingen die beiden aus dem Raum und schlossen die Tür hinter sich. Ich zog die Augenbrauen zusammen und machten einen Schritt auf die Tür zu, Und noch einen. Es fiel mir sehr schwer. Ich streckte die Hand nach der Türklinke aus und drückte sie runter. Die Tür ging nicht auf. Sie war abgeschlossen. Ich legte ein Ohr an die Tür und versuchte etwas von ihrem
Gespräch mitzubekommen. Ich hörte es nur Teilweise. „Das wirst du hier nicht abziehen...kannst du nicht ewig machen....unschuldig...“ Das war die Stimme von Aleks. „...nicht deine Entscheidung....geht dich nichts an....lass es mich einfach.....Kerian.“ Jacks Stimme. „...ich werde dich das nicht machen lassen....beschützen.“ Ich machte einen Schritt nach hinten. Was redeten die da? Was wollte Jack machen? Und wer war Kerian? Ich sah auf als die Tür geöffnet wurde. Aleks stand im Türrahmen und sah mich an. Er versuchte seine Wut zu unterdrücken,
schaffte es aber nicht ganz. „Komm, ich fahr dich nach Hause.“ Er drehte sich um, als erwartete er das ich ihm einfach gehorchte. Ich sah auf meine Uhr. Aber es war eh schon spät also ging ich hinterher und schloss die Tür hinter mir. Aleks hielt mir die Haustür auf und Jack lehnte an der Wand an und beobachtete mich als wäre ich seine Beute. Ich schüttelte mich und ging hinter Aleks her. Im Auto holte ich tief Luft und verkrampfte die Hände. Aleks sah mich an. „Gib ihm ein paar Tage. Der kriegt sich wieder ein, versprochen.“ „Ich dachte er kommt erst morgen wieder?“ fragte ich. Das hatte ich eben
auch Jack fragen wollen, aber ich hatte kaum einen Ton herausbekommen. „Ja schon. Ich ruf nachher mal im Krankenhaus an. Ich sag dir dann Bescheid.“ „Du hast meine Nummer nicht, Aleks.“ „Doch hab ich.“ Ich runzelte die Stirn. Bestimmt hatte er sie von Jack bekommen. „Wer ist Kerian?“ Ich zuckte zusammen. Das war mir so herausgerutscht. Aleks Reaktion war ähnlich. Er zuckte auch zusammen und lenkte das Auto scharf nach links. Am Straßenrand kam er zum Stehen. Aleks sah mich an, das Gesicht bleicher als sonst. „Was hast du gehört?“ fragte er. Ich
öffnete den Mund sagte aber nichts. Seine Reaktion überraschte mich. Was war den los, mit den beiden? „Nichts, nur das Jack Kerian gesagt hat.“ Aleks ließ sich gegen seinen Sitz fallen und sah mich an. „Vergiss es einfach, Melodie.“ Ich blinzelte. Seine Augen schienen zu leuchten. Kurz darauf fuhr er wieder los. Ich sagte nichts mehr und nach kurzer Zeit wusste ich nicht mehr worüber wir geredet hatten.
Nachdem Aleks mich zu Hause abgesetzt hatte war er einfach losgefahren, mit den Worten er würde sich melden. Ich ging in die Küche und trank einen Schluck Milch aus der Verpackung. Danach schlurfte ich in Jacks Zimmer. Es war so groß wie meins auch. Eine Seite war fast komplett aus Glas. Man konnte morgens immer die Sonne aufgehen sehen. Er hatte hier einen Schreibtisch und einen begehbaren Kleiderschrank. Meine Mum kaufte immer für ihn mit ein. An seinen Schreibtisch bewahrte er seine ganzen Sachen und Bücher über Vampire und
ähnliches auf. Ich ging da normalerweise nie dran, aber vielleicht war da irgendwas, was mir half das Gespräch zwischen den beiden zu verstehen. Ich zog an der Schublade. Verschlossen, war ja klar. Ich presste zusammen. Wo würde Jack wohl einen Schlüssen verstecken? Ich fühlte mit einer Hand die Unterseite von der Schublade ab, ob er vielleicht dort festgeklebt war, aber nichts. Ich sah mich im Zimmer um. Dann untersuchte ich die Schatulle auf seinem Nachtisch. Auch nichts. Nachdem auch Kleiderschrank und Regal dran glauben mussten ließ ich mich aufs Bett fallen. Dann kam mir eine Idee. Ich rutschte
vom Bett und hob die Matratze an. Darunter lag ein in Leder gebundenes Buch. Ich nahm es in die Hand und ließ die Matratze wieder fallen. Das Buch war von einer Kette umwickelt an der ein Schlüsse hing. Ich fühlte mich mies. Ich verletzte grade Jacks Privatsphäre, aber ich wollte nicht das er etwas anstellte oder Aleks etwas anstellte oder was auch immer. Ich nahm den Schlüssel und schloss die Schreibtischschublade auf. Darin lag ein weiteres Buch und ein paar lose Blätter. Ich nahm die Sachen und setzte mich aufs Bett. Langsam löste ich die Schnur und öffnete das Buch. Oben auf der Seite stand ein Datum.
Drei Tage vor dem Unfall: „Ich fühle mich ständig beobachtet. Als würde ich verfolgt werden. Im Augenwinkel sehe ich wie die Schatten nach mir greifen wollen. Melodie glaubt mir nicht. Ich habe Angst.“ Schlechtes Gewissen packte mich, aber ich las weiter. Zwei Tage vor dem Unfall: „Es wird Schlimmer. Ich dachte wenn ich es ignoriere wird es besser, aber so ist es nicht. Ich will nicht das die Schatten ich bekommen. Sie sind böse. Ich kann Nachts nicht mehr schlafen, sie rufen mich und verfolgen mich in meinen
Träumen.“ Ich schlug mir eine Hand vor den Mund. Ich konnte kaum glauben was ich hier las. Ein Tag vor dem Unfall: „Ich habe ihn wieder gesehen. Er ist es, die Schatten. Er verfolgt mich. Er hat braune Auge, aber in der Dunkelheit glühen sie rot. Er versucht mich zu packen, schafft es aber nicht. Noch nicht.“ Ich holte tief Luft. Die Farbe war wie die, das Jacks eine Auge jetzt hatte. Das war doch verrückt. Machte er das mit Absicht, war das bloß ein Scherz? Mit zittriger Hand nahm ich die Blätter. Die waren auch nicht besser. Dort
stand: „Dämonen sind Körperlos. Sie können Leute aber verfolgen, wahnsinnig machen. Wenn ein Körper stirbt haben Körperlose Dämonen die Chance den Besitz des Körpers zu ergreifen. Der Körper übernimmt dann die Augenfarbe es Dämons und der Dämon erhält alle Erinnerungen des Toten um sich in das Leben einfinden zu können. Dämonen mit Körper sind sehr stark und schnell. Tiere können Dämonen erkennen. Kleiner Tiere meiden sie, größere unterwerfen sich oder aber sie greifen an. Sie können nicht sterben, werden nicht älter. Man kann sie nur töten indem ein anderer Dämon den
Dämonengeist aus dem Körper reißt.“ Ich holte tief Luft und sah auf. Das konnte nur ein Zufall sein. Mehr war es nicht. Ein Zufall oder ein blöder Witz. Mehr nicht.