Klaus
Ich war auf dem Weg zu Herrn Herbert Schierling, dem Multimillionär.
Der alte Ford unter meinem Hintern wollte so gar nicht zu dieser Einfahrt passen, an der ich auf das Öffnen des Tores wartete. Nachdem mich mehrere Kameras gescannt hatten, fuhr ich durch die Parkanlage, bis ich am Herrenhaus ankam, das ungefähr so viel Marmor hatte, wie der Taj Mahal. Diener führten mich durch Hallen in das Allerheiligste. Auf der Couch nahm ich Platz und versank dabei in Kaschmir-Daunen und Straußenleder.
Der große Schierling höchstpersönlich stand vor mir. Er stellte ein vergoldetes Döschen vor mich hin.
„Öffnen sie“, paffte er mit seiner dicken Cohiba Zigarre im Mundwinkel.
Ich öffnete und schaute ihn verdutzt an.
In dem Kästchen lag auf dem Samtkissen eine weiße Perle, nicht größer als ein Smartie. „Keine Perle, wie sie vielleicht vermuten“, erklärte er. „Es ist eine Droge.“
„Ach nein?“
„Ja, vollkommen legal, natürlich.“
„Versteht sich“, grummelte ich zweifelnd.
„Es ist eine Wellness Droge", spitzte Schierling süffisant die Lippen. „Reines Wohlbefinden.“
Er wartete.
Ich wartete auch und überlegte.
Bei all den reichen Pinkeln würde dieses Perlchen einschlagen, wie eine Bombe. Natürlich nicht bei QVC, oder so etwas profanen, nein in
der High Society könnte man da Millionen heraus holen, wenn nicht gar Milliardenumsätze machen. Wellness, das ist ein Hot Spot.
Eine Wohlfühlpille!
Gerade reiche Pinkel fühlen sich doch so selten wohl. Haben Angst um ihre Penunse, Angst vor ihren gierigen Gespielinnen, ihren Aktienkursen. Was könnte man sich die boomenden Psychologenbänke sparen. Und wenn es nicht es sich um ein neues Crystal Meth Derivat handelte, sondern nur ein spezielles psychologisches Gemisch war, dann stand das sicher nicht auf der Verbotsliste. Allzu sehr durfte es auch nicht mit Nebenwirkungen behaftet sein, sonst würden ja Denkvermögen und Leistungsfähigkeit der Geld Bonzen leiden. Wenn es Schierling gelungen war, etwas Derartiges
herzustellen, dann musste sich Bill Gates in acht nehmen. Schierling würde ihn bald als den reichsten Mann der Welt ablösen.
Schön für den Nabob Herrn Schierling, aber was mag er dann von der kleinen Detektei K.K wollen, dessen einziger Detektiv ich war, also Klaus Krüger? Was sollte ein Kleinscheißer wie ich mit dieser Sache zu tun haben?
„Der Wirkstoff nennt sich HL5-X2-Hylodox“, erklärte Herbert Schierling gewichtig.
„Aha“
„Sie dachten wahrscheinlich an die High Society, oder? an eine Partydroge?“
„So ähnlich“, gab ich zu.
„Weit gefehlt, mein Bester.“
„Aha. Ich höre.“
Er ging natürlich nicht darauf ein.
„Kommen wir nun zu ihrer Aufgabe, mit der ich sie betrauen möchte. Ich werde nämlich beobachtet. Von mehreren Geheimdiensten."
„So so.“
„Ich wünsche, dass sie diesen Prototypen nach Mittenwald bringen. Dort habe ich ein Bergwerk, das mir gehört. Es ist still gelegt, aber ich habe die Ansätze von einem Stollenbunker, den schon Hitler angelegt hatte, genutzt und ausgebaut. Dort ist dieser Prototyp besser aufgehoben, als in Fort Knox. Hier wird es mir zu unsicher.“
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. „Warum ich?“
„Weil sie offiziell meine Frau beschatten sollen. Sie macht gerade im Karwendel Urlaub. Sie steht auf Bergwandern und so. Sie wissen schon,
Weiber und Fitness, lächerlich. Die werden trotz medizinischer Metzgerei zickiger und älter, da können sie machen, was sie wollen. Diese Schönheitsoperationen sind nur für Madame Tussaud gut. Aber gut und schön, ich lasse ihr das teure Vergnügen.“
„Die gnädige Frau braucht dann trotzdem diese Pille zur Entspannung?“
Ich konnte es mir nicht verkneifen.
Schierling lächelte wölfisch und ich schalt mich für mein loses Mundwerk.
„Nein, nein, sie denken immer noch in der falschen Richtung. Diese Wellness-Pille erzeugt Wohlgefühl und schaltet jeglichen Schmerz aus. Was es auch sei! Verstehen sie nun die Geheimdienste?“
Ich riss die Augen auf.
„Teuflisch“, dachte ich.
„Jegliche Folter an einem Menschen wird sinnlos“, fuhr Herbert Schierling fort.
„Auch Psychodrogen helfen nicht weiter. Der Mann fühlt sich wohl, genießt es praktisch. Nie wieder kann man so einem mit Hylodox Infizierten ein Geheimnis entreißen. Er empfindet einfach nur Wohlsein.“
Das war natürlich eine Bombe. Von der Warte hatte ich das noch gar nicht betrachtet.
Ich ließ mich aber nicht so leicht einlullen.
„Noch mal! Warum ich? Was habe ich bei der Sache verloren?“
„Sehen sie, sie sind ein herunter gekommener Detektiv, haben einen Waffenschein und sind unbekannt. Eine große Detektei würde Aufsehen erregen. Ich stehe ja unter Beobachtung. So
beauftrage ich also einen kleinen Detektiv meine Frau zu observieren. Die hat ja auch ihre Möglichkeiten und man würde es sicher stecken, wenn ich mit einer bekannten Detektei Verbindung aufnehmen würde.“
„Verstehe.“
So richtig war mir das Licht noch nicht aufgegangen.
„Benehmen sie sich ganz zwanglos und vermeiden sie unter allen Umständen Aufsehen. Und damit alles klar ist: Diese Pille darf niemals in fremde Hände fallen! Niemals, egal, was kommt!“
„So weit, so gut“, fasste ich zusammen. „Ich fahre also mit der Pille los, gebe sie in Mittenwald am Bergwerk ab, also am Bunker und die Sache hat sich.“
"Die Geheimdienste werden sie natürlich fotografieren, verfolgen. Benehmen sie sich normal. Ich gehe davon aus, dass sie zumindest soviel berufliche Erfahrung haben, dass sie das hin bekommen?“
„Die Unschuld vom Lande, wie?“
„Keine Sorge, ich habe schon dafür gesorgt, dass die Beobachter in die Irre geleitet werden. Ich habe über Mittelsmänner mehrfach fallen gelassen, dass ich meiner Frau nicht über den Weg traue. Ihr Auftrag wirkt also ganz natürlich, gut nachvollziehbar.“
Ich nickte.
„Ich sollte dann wohl meine Fotoausrüstung und die Richtmikrofone noch aus meiner Wohnung holen. Tarnung ist alles, denke ich, damit die
Sache auch glaubwürdig erscheint. Die Geheimdienste werden doch wohl trotzdem schnüffeln. Ist ja deren Krankheit.“
„Sie sind auf dem Laufenden“, grinste er. „aber keine Sorge, ich gebe ihnen alles an die Hand, damit die Tarnung perfekt ist. Sie müssen daher auch leider ihr eigenes Auto nehmen. Macht sich besser.“
Erschien mir nur logisch.
Unsichtbar erschien ein Anzugsheini, der ein gemeißeltes Gesicht hatte. Irgendwie erinnerte er mich an Christopher Lee, der den Dracula so schön verkörpert hatte.
"Hast du Herrn Krüger auch rückhaltlos versorgt?"
"Ja Herr Schierling, die neueste Leica Kamera mit Teleobjektiv, die modernsten Mikrofone und
Wanzen, alles in Spezialkoffern. Es ist arrangiert, wie sie es angeordnet hatten."
"Sie sehen", breitete Schierling die Hände aus. "Es könnte los gehen, wenn sie den Auftrag annehmen."
Es ist da noch wegen der...“
„Bezahlung? Ich unterschreibe ihnen ihren Vertrag. Ich kenne ihren Vordruck, müssen sie wissen."
Ich zog den Umschlag mit dem Auftragsformular etwas eingeschüchtert hervor. Schierling las und unterschrieb nach ein paar Korrekturen mit goldenem Füller. "Den lächerlichen Tagessatz habe ich natürlich auf das zehnfache geändert. Außerdem gibt es noch einen Bonus. Natürlich nur bei Erfüllung des Auftrages." "Klar."
Ich nahm das Dokument an mich.
"Das Geld überweise ich ihnen, sobald die Pille im Bunker eingetroffen ist, okay?"
Mehr, als prima", grinste ich dümmlich.
„Viel Glück!“
Ich war entlassen und stieg wieder in den Ford ein. Die Metallkoffer mit der Spionageausrüstung im Kofferraum waren erste Sahne. Hätte ich mir nie leisten können.
"Eine übertriebene Tarnung ist eigentlich gar keine Tarnung", dachte ich noch bei mir, "aber was soll's."
Ich leide normaler weise nicht an Verfolgungswahn, aber ich ertappte mich dabei andauernd in den Rückspiegel zu schauen.
Ich bog in einen kleinen Feldweg ein und legte
mich hinter einem Busch auf die Lauer. Meine 9mm Glock wog schwer in der Hand.
Niemand.
Ruhig bleiben mahnte ich mich.
Was mache ich mit der Pille? Ich drehte die Schatulle in der Hand, während ich hinter dem Lenkrad an einer Zigarette paffte. Ich entnahm die Pille. Sie sah wirklich unscheinbar aus. Auf die Brust kleben war wahrscheinlich nicht die beste Lösung. Wer weiß, ob die Hautfeuchtigkeit schaden würde. Ich klebte sie innen in die Brusttasche vom Hemd. Fiel nicht auf, stellte ich fest. Die Schatulle wanderte wieder ins Handschuhfach, diesmal mit einer Aspirin Tablette im Inneren.
Ich prüfte noch einmal, ob die Hemdtasche verräterisch wirkte. Das Pillchen fiel wirklich nicht
auf. Ich hatte sie am Mann und sie war jederzeit greifbar. Falls mir wirklich irgendwelche Typen über den Weg liefen, würden sie vergeblich in dem Kästchen schnüffeln. Überhaupt, ich holte das Kästchen hervor. Das Kästchen sollte besser versteckt werden. Je schwieriger es zu finden war, desto echter musste der Inhalt erscheinen. Nur Wo?
Ich hebelte ein wenig die Verkleidung der Seitentüre auf und stopfte das Kästchen hinein. Das Kleinod in der Hemdtasche würde sicher auch lächeln.
In spätestens drei Stunden war ich in Mittenwald. Ich startete wieder, bog aus dem Feldweg und machte mich auf den Weg.
Lächelnd fuhr ich dahin. Finanzsorgen hatte ich keine mehr. Der Bonus von 100.000 € war
gewaltig.
Außerdem 10.000 € pro Tag!
Na ja, zugegeben, es war ja nur einer, aber immerhin.
Schluss mit der Verzweiflung und der Einsamkeit. Zurzeit hatte ich nicht einmal eine Freundin. Verwandte waren verstorben, oder gar nicht vorhanden. Das würde sich nun mit der Penunse alles ändern. Ich würde Urlaub machen.
Und ein Mädchen würde sich auch einfinden. Mit Geld ginge das wunderbar.
Ich hielt an einer Tankstelle, tankte und aß ein überteuertes Schinkenbrötchen. Ich beobachtete meinen Wagen aus gebührendem Abstand. Ich entdeckte nichts Verdächtiges.
Dann wollte ich wieder den Ford entern.
Zwei Schlägertypen tauchten blitzschnell auf und bevor ich die Pistole ziehen konnte, sauste der Totschläger auf mich nieder.
Tags drauf klingelte das Telefon mit der vergoldeten Gabel.
Herbert Schierling hob erwartungsvoll ab. "Hallo Dietrich, wie war’s?“
„Eine gute Nachricht und eine schlechte.“ Herbert zog die Stirn kraus. „Wieder nichts?“ „Doch, ich finde, es war schon ein Erfolg. Klaus Krüger hat die Pille noch heimlich genommen, bevor wir ihn in die Folterkammer brachten, weil Dieter ihm vorher das Quälen wunderbar verklickert hat. Die Schatulle war in der Seitenverkleidung. Die Pille hatte er am Mann. Haben wir uns sowieso
gedacht. Wir haben sie ihn nehmen lassen."
„Und dann?“
„Die Zehen- und Fingernägel raus reißen, das Übliche."
"Das hat ja schon bei den vorhergehenden Versuchskaninchen geklappt."
"Dann Streckbank und Hände quetschen, Elektroschocks, alles perfekt. Jonny war dann so in seiner Aufgabe vertieft, dass er beim Arm abtrennen die Schlagader nicht bedacht hat. Er ist uns schließlich verblutet. Leider!“ „Wie lange?“
„Na ja, ich würde sagen, er hat es 12 Stunden durch gemacht.“
„Hat er was verraten?“
„Nein, ehrlich, er war voll auf dem Wellness-Trip. Nur Hylodox sei prima, hat er geröchelt. Der
gebrochene Kiefer, sie verstehen?“
„12 Stunden“, murmelte Schierling, „immerhin!
Entsorgung, wie üblich, Dietrich."
„Ja, Herr Schierling. Tief im Stollen sind sie gut aufgehoben. Sein Auto auch, so wie die 16 Anderen.“
"Wir kommen mit der Entwicklung weiter. Bei Mäusen hat das besser geklappt, muss ich gestehen, aber wir geben nicht auf, oder?"
„Natürlich nicht, Chef! Ach ja, er hat noch erwähnt, dass er keinem Geheimdienst etwas verraten wird. Was denn für ein Geheimdienst, wenn ich fragen darf? Ist das neu, das mit dem Geheimdienst?"
Schierling kichert.
"Guter Einfall, nicht wahr?"
Ein kollerndes Lachen dröhnt aus der Muschel.
Auch Dietrich hatte seinen Spaß.
"Sie wissen, wie viel Geld auf dem Spiel steht, bis die Droge endlich perfekt wird.
Und übrigens, Dietrich, die Leica und die Objektive bitte wieder an mich zurück. Die Sachen sind nämlich wirklich Klasse. Ich hänge daran.“
Schirling legte den Hörer sachte auf.
"Fast ausgereift", konstatierte Schierling. Noch ein paar wenige, letzte Tests, dann...
Er blätterte schon mal in den Annoncen.
Wer würde sich denn als Nächster qualifizieren? Vielleicht würde er diesmal einen Klempner nehmen.