Gordon wusste, wie man einen Menschen tötete. Vor dem vermeintlichen Mord musste alles genau nach Strich und Faden geplant, und berechnet werden. Wann man wo welche Waffe verwendet und wann man welches Kaliber braucht, darüber könnte Gordon vermutlich ein Buch schreiben. Schalldämpfer oder eher nicht? Darüber sollte man sich stets Gedanken machen, wenn man im Killerbuisness arbeitet. Den Mord an Eva Immenguard war dabei natürlich keine Ausnahme. Gordon plante schon Stunden vor der Tat wie es Ablaufen sollte und spielte einzelne Szenen vor seinem
geistigen Auge ab. Er konnte sich die Szene regelrecht vorstellen. Die Ankunft Eva's, die anschliessend kurze Dusche und das fertigmachen um zu Bett zu gehen, und natürlich den anschliessenden Mord an ihr. Routine war grundlegend schlecht, redete sich Gordon immer und immer wieder ein. Wiederholungen machen einen Menschen berechenbar. Ein Auftragsmörder konnte sich über solche kleine Dummheiten nur freuen. Das Blutbad konnte beginnen.
Caughtney sass auf seinem Ledersessel in seinem Wohnzimmer, und wollte sich, wie üblich um 13:30, einen belegten Bagel genehmigen. Aus dem wurde aber nichts, denn mit lautem Getöse wurde seine Eingangstüre eingetreten. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Den Becher voller Kaffee, welchen er in seiner Hand hielt, liess er schlagartig und aus voller Furcht fallen. Der heisse Kaffee schien sich in weniger als einer Sekunde im halben Raum auszubreiten, als die heisse Flüssigkeit sich "nur" über seine beiden Beine ergoss. Aus vollen Zügen fing er an zu schreien. All das passierte nur
innert 5 Sekunden, und schon in den nächsten 5 Sekunden wurde auch schon eine Waffe auf seine Schläfe gerichtet. Bill "The Bullet" Cooper stand am anderen Ende des Laufes seines sechsschüssigen Revolvers, einer Faustfeuerwaffer aus dem Jahre 1873, angefertigt vom berühmten Samuel Colt. Unter dem Spitznamen "Peacemaker" wurde die Waffe damals bekannt, obwohl sie eigentlich den Namen "Colt Single Action Army" trug. Das antike Stück wurde über Generationen weitergegeben, bis sie schlussendlich von Bill "The Bullet" Cooper bei einer Auktion aufgekauft wurde. Die Waffe war zwar
funktionstüchtig, die Wahrscheinlichkeit in der Hand zu explodieren hingegen ziemlich hoch. Mit einer fast eleganter Geste wurde Caughtney die Pistole von der Schläfe weg, dafür unmittelbar zwischen die Augen gerichtet. Caughtney schielte nervös auf den langen Lauf, und das einzige Geräusch im Raum schien von seinen Beinen zu kommen, welche zitternd gegeneinander schlugen. "The Bullet" nickte mit seinem Kopf in Richtung der Fernsehers, die Augen immer noch stets auf sein Ziel gerichtet, und kaum wurde das Nicken als Geste verstanden, rauschten auch schon
mehrere Polizisten in Richtung des altehrwürdigen Kastens. Der Fernseher war dermassen schwer, dass gleich drei Polizisten das antike Stück tragen mussten, was wohl von Aussen einen ziemlich merkwürdigen Eindruck machte, und auch tatsächlich unnötig war, wenn man davon absieht, dass der mittlere sich - während des tragens - offenbar noch in der Lage befand sich an seinem Gesäss zu kratzen. Bill schüttelte den Kopf und seufzte. Er schaute kurz durch das Fenster in Richtung des als Postauto getarnten Lieferwagens, um zu sehen ob die Verstauung des Gerätes auch ordentlich vonstatten ging, bis er wieder in das Gesicht von Caughney starrte, der
nun versuchte, ohne seine Hände zu benutzen, die Schweisstropfen aus den brennenden Augenwinkeln zu drücken. Mit Tränen in den Augen gab er es auf, und liess sich von Bill abführen.
Überall sonst in Amerika fanden zeitgleich ähnliche Situationen statt. Man sah die Polizei vielerorts in verschiedenste abgelegene Häuser eindringen, und mit Fernseher und Leuten wieder hinauskommen. Es handelte sich jedoch nicht etwa um ein von der Polizei ausgetüfteltes Komplott gegen verschiedenste Fernseh-Konsumenten, nein, man handelte auf einen Befehl im Namen des obersten
Polizeichefs. Sogar in anderen Ländern wie zum Beispiel Japan oder Australien wurden ungefähr zeitgleich (natürlich mit entsprechender Zeitzonenverschiebung) mehrere Fernseher konfisziert und Leute abgeführt.
Bill "The Bullet" Cooper versuchte sich daran, seinen mit Leder überzogenen Sitz wieder in die richtige Sitzlage zu bringen. Ein schier unmögliches Unterfangen, das durch die Tritte gegen den Sitz nicht gerade vereinfacht wurde. Caughtney wurde von Bill in die hintere Hälfte des Wagens verfrachtet, und mit Handschellen an das Gitter befestigt, welches die Abgrenzung zum Kofferraum darstellen sollte. Caughtney hatte zwar keine Hände frei, wehrte sich aber dennoch wortwörtlich mit Füssen, in der Hoffnung er könne sich, aus irgendeinem unerfindlichen Grund, mithilfe dieser
nervtötenden Tritte aus dem Wagen befreien. Vielleicht war er aber auch nur immer noch ein bisschen sauer wegen der verbrannten Beine, mutmasste Bill. Ohne Vorwarnung löste er den Sitz aus der Halterung und liess ihn mit einer kräftigen Bewegung weit nach hinten gleiten. Man hörte einen unterdrückten Schrei, und ein leises Schluchzen und Bill wusste, dass seine Absicht dahinter gelang, denn nun war Caughtney für den Rest der Fahrt nicht mehr mit einem Bibliothekar zu verwechseln.
Heute fuhr Bill schneller als sonst. Peinlich berührt versuchte er die Passanten zu ignorieren, die teilweise
geräuschvoll auflachten, als sein oranger Ford Aglia die Strassen kreuzte. Der Wagen war ihm äusserst peinlich, aber da sein richtiger Wagen noch in der Werkstatt verweilte, sah sich Bill dazu gezwungen mit dieser orangen Hässlichkeit herumzukurven. Am wenigsten aber wollte er aber den Spott im Gesicht von Butch Adams sehen. Butch war nämlich Privatdetektiv, wie Bill selbst, nur äusserst erfolglos. Das einzige Glück das er jemals erfuhr, war der Sohn eines Millionärs und angesehenen Politikers zu sein. Seine "Klienten" waren meist nur Freunde seines Vater, die sich nicht getrauten einen anderen Detektiv
anzuheuern. Butch Adams bezeichnete sich und Bill als Erzrivalen, Bill ihn als Idiot. Zu Bill's Unglück hingegen arbeiteten beide im Moment jedoch für die gleiche Firma, die man als einen Ausläufer der Pinkerton Detektei bezeichnen konnte. Die "Alinton-Detektei" versuchte momentan mehrere Detektive anzuwerben, um in den Genuss des Erfolges zu kommen. So wurden auch "The Bullet" und Butch angeworben. Für Butch war es der grösste Erfolg des Halbjahres, für Bill jedoch nur einen Gefallen an den Boss der "Alinton-Detektei", Richard Bennett, einen alten Freund Bill's. Bill kurvte die orange Schande auf einen Parkplatz vor das
riesige Hauptgebäude der "Alinton-Detektei". Das Gebäude war ursprünglich ein Bürogebäude gewesen, bis die Firma pleite gegangen war und Richard Bennett das Gebäude billig aufkaufte. Bill stieg aus der orangen Schande und hinten wieder ein um Caughtney vom Gitter zu befreien. Bill schloss die Handschellen auf, um sie gleich daraufhin wieder auf den Rücken zu ketten. Als die Handschellen schliesslich einrasteten stieg Bill erneut aus dem Wagen, begleitet von Caughtney. Bill hielt ihn an der Schulter fest und schloss mit der anderen Hand die Tür zu. Nur von einer Hand gehalten zu werden sah
Caughtney offenbar als Chance zu flüchten. Er riss sich aus dem Griff von Bill los und wollte auf die Strasse rennen. Dazu kam es aber gar nicht erst, denn schon nach dem ersten Schritt wurde ihm von Bill ein Bein gestellt. Caughtney wollte sich fangen, hatte aber keine Hände frei um den Aufprall zu dämpfen. Auf einen lauten Schrei folgte ein hässliches Knacken, und als Bill endlich den Wagen abschloss, widmete er sich wieder Caughtney. Dieser lag auf dem Rücken, das Blut lief ihm aus der Nase, die selbst in einer Entfernung von fünf Metern erstaunlich schief aussah. Caughtney rappelte sich auf. ,,Das wirst du bezahlen!" schrie er lauthals.
Caughtney nahm eine Kampfposition ein, doch Bill fragte sich nur unbeeindruckt, welche Kampfkunst verrichtet werden konnte mit gefesselten Händen auf dem Rücken. Der gleiche Gedanke kam offenbar auch Caughtney, denn er entschloss sich nicht etwa auf Bill einzutreten oder wieder davonzurennen, nein, er raste gradwegs auf Bill zu, mit dem Kopf voraus in der Hoffnung Bill in der Magengrube zu treffen. Bill, immer noch vor dem Wagen stehend, wich leichtfüssig aus und Caughtney landete mit einem Krachen kopfvoran in der Orangen Schande. Mit verbrannten Beinen, einer gebrochenen Nase und einer blutenden Beule auf dem Kopf liess
er sich weinend in das Gebäude schleifen.
Bill übergab Caughtney in die Obhut einer sympathischen Sekretärin, die ihn zuerst auf die Krankenstation, dann in die Arrestzellen geleiten sollte. Bill selbst lief an unzähligen Türen und Mitarbeitern der Detektei vorbei, betrat schliesslich einen Lift und fuhr in den obersten Stock. Kaum zu Oberst angekommen stieg Bill aus dem Lift und prompt in die Arme zweier Sicherheitsleute. Sie untersuchten ihn und nahmen ihm seinen Revolver ab, der Sicherheit wegen. Bill konnte passieren und betrat das prunkvolle Büro von Richard Bennet. „Bill "The Bullet", was
für eine Ehre! Lächelnd kam im ein braunhaariger, untersetzter Mann entgegen, die Tonsur hätte sogar einen Mönch beeindruckt. „Rich!“, Bill lief ebenfalls lächelnd auf ihn zu. „Was sollen die ganzen Sicherheitsleute vor deinem Büro?“ fragte er grinsend. „Hast dir wohl neue Feinde gemacht?“ „In der Tat“, Richard schüttelte Bill die Hand. „In unserem Gewerbe macht man sich schnell einmal Feinde.“ „Leider“, fügte er leise hinzu. „Ich wollte zuerst gar keine Sicherheitsmassnahmen vornehmen, sah jedoch ein das es Wohl oder Übel notwendig war.“ Traurig schüttelte er
seinen Kopf. „Vorletzte Woche wollte mich doch tatsächlich ein Fensterputzer erschiessen, hätte ich nicht sein Abbild in meinem geliebten Spiegel gesehen, wär' ich jetzt wahrscheinlich tot!“ Mit einer Hand wies er zu einem kleinen Handspiegel, welchen er, höchstwahrscheinlich um seine Frisur zu überprüfen, auf dem Tisch stehen hatte. „Deine Sicherheitsmassnahmen sind also mehr Spiegel aufzustellen?“, meinte Bill spöttisch. „Natürlich, schliesslich soll in unserer Detektei nicht nur absolute Sicherheit geboten werden, sondern auch tadelloses Aussehen von unseren Mitarbeitern!“ Beide sahen sich grinsend an, bis
Richard schliesslich das Thema wechselte. „Gelang die Durchsuchung eigentlich ohne Probleme?“ fragte er Bill. „Natürlich, genau wie mir dein Mitarbeiter erzählt hatte, war Vincent Caughtney allein und den Fernseher konnten wir ohne Probleme mitnehmen.“ Richard wirkte nun interessiert. "Und haben sich die Vermutungen als wahr erwiesen?" fragte er hoffnungsvoll. „Keine Ahnung, den Fernseher haben die Polizisten zu ihrem Boss gebracht, der Polizeichef wird dich sicher darüber unterrichten, schliesslich kam der Tipp von dir“ Bill sah Richard mit gerunzelter Stirn an. „Lief es auch bei Butch glatt?“
Fragte Bill ihn. „Keine Ahnung, ehrlich gesagt konnte bei ihm gar nichts schief gehen, denn seine Aufgabe war es den Fernseher einer alten Dame einzukassieren“ Richard wirkte besorgt. „Ich hoffe er hat in seiner Hektik endlich einmal etwas richtig machen zu wollen die alte Dame nicht gleich umgelegt“ Richard wollte weiterreden, doch just in diesem Moment wurde die Türe geöffnet und Butch Adams trat ein. Butch konnte man als genaues Gegenteil von Bill bezeichnen. Zwar fingen beide ihre Namen mit einem "B" an, das war aber bis auf den Beruf die Einzige Gemeinsamkeit. Der entscheidende
Unterschied bestand aber darin, dass Bill einen Trenchcoat trug und Butch nicht. Es schien als wusste niemand zu schätzen wie cool ein Trenchcoat eigentlich war. Bill aufjedenfall war davon überzeugt, ein Trenchcoat zeigte auf wie professionell ein Detektiv in Wahrheit war. Butch Adams schien heute besonders wütend zu sein. Ob das nun an seinem fehlendem Trenchcoat oder seinem halb verbrannten Haar lag, war nur schwer einzuschätzen. Richard fand zuerst seine Worte wieder. „Butch?!, was ist mit dir passiert?“ Butch war eindeutig nicht gut zu Wege. „Die alte Dame..“ begann er, „Sie war gefährlicher als erwartet...“ Richard war
entsetzt. „Deine Haare?!...Hatte sie einen Flammenwerfer oder so?“ Butch wirkte peinlich berührt. „Nicht direkt..“ fing er an. „Ein Deodorant und ein Feuerzeug taten dem Schaden aber gleich..“ Er stammelte. „Und sie war nicht so schwach wie erwartet, sie...“ er schien den Tränen nahe. „...sie hatte einen Baseballschläger, verstehst du?“ Richard wirkte fassungslos. „Du hast dich von einer Grossmutter verprügelt lassen?!?“ Butch sah auf den Boden. „Naja...immerhin konnte der Fernseher sichergestellt werden, die Dame konnte aber fliehen.“ „Du hast sie sogar noch entkommen lassen?!?“ Rich liess seiner Wut freien Lauf. „Die alte Dame hat
deine Haare angezündet, mit einem Schläger auf dich eingedroschen und konnte sogar noch fliehen? Sehe ich das richtig?“ Butch nickte peinlich berührt. Richard sah aus, als wäre er auf der Suche nach einem Gegenstand, der hart genug aussah, um seinen Kopf dagegen zu schlagen, damit er die ganze Sache vergessen konnte.