Das buch "querfeldein ist nicht immer geradeaus" ...
... gibt es jetzt auch als E-Book zum Herunterladen. Den Link dazu findet ihr auf meiner Profilseite, denn ich will hier natürlich keinerlei Werbung dafür machen. Mitnichten.
Und Neffen. :o)
Und so beginnt es:
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Der Anfang vom Ende
Irgendwo hat alles seinen Anfang, nicht wahr? Sogar das Ende. Dass ihr Ende so gut wie besiegelt war, wusste ich in dem Moment, als ich das mokkafarbene Etui wiederfand. Jahrelang hatte es in der hintersten Ecke meines Büroschranks gelegen; unbeachtet, fast vergessen, da es im Laufe der Jahre und im Zeitalter elektronischer Schreibprogramme unmodern geworden war. Heute Nachmittag fiel es mir wieder in die Hände. Noch bevor ich es öffne, spüre ich ganz deutlich: Der Zeitpunkt ist nahe. Lange genug hat sie mich gequält, gereizt mit ihrer ständigen Präsenz, mich
gelähmt in meinem Tatendrang. Jeder Versuch, mich ihrer zu erwehren, war zum Scheitern verurteilt, jeder Vorstoß zu einem eventuellen Neuanfang schlug fehl und führte mir mein Versagen deutlich vor Augen. Immer und immer wieder. Bis jetzt. Jetzt reicht es. Denn nun liegt es vor mir, dieses fast schon verloren geglaubte Geschenk aus Jugendtagen, dessen Inhalts ich mich noch so gut entsinnen kann. Dunkelbraunes, leicht genarbtes Leder. In goldenen Lettern darin eingeprägt mein Name. Langsam ziehe ich den Reißverschluss auf und blicke ehrfürchtig auf den wertvoll anmutenden Füllfederhalter aus mattiertem Edelstahl,
den eleganten Drehbleistift und den schmalen, an ein antikes Stilett erinnernden Brieföffner. Ja, dieser Fund wird ihr Ende bedeuten ... Ich schaue auf. Ein leichter Wind spielt mit den Herbstblättern der alten Linde vor dem Haus und die tiefstehende Sonne schickt ihre noch immer wärmenden Strahlen durch das geöffnete Fenster auf meinen Schreibtisch. Für einen Moment schließe ich träumend die Augen, erlaube meinen Gedanken einen hoffnungsvollen Ausflug in die Zukunft, dann wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Inhalt des Etuis zu. Bedächtig schäle ich die Utensilien nacheinander aus ihrem samtenen Bett. Wie selbstverständlich
sich der Bleistift in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger meiner Rechten schmiegt, wie leicht die goldene Feder des Füllers über das Papier gleitet, nachdem ich ihn mit einer neuen Tintenpatrone bestückt habe. Und wie schwer der schlanke Brieföffner in meiner Hand liegt. Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, als ich mein Spiegelbild in der blankpolierten, spitz zugeschliffenen Klinge entdecke. Vorsichtig streiche ich mit dem Daumen prüfend über die Schneide, gerade in dem Moment, als ein letzter Sonnenstrahl auf die glänzende Fläche trifft und blutrot aufblitzt, als wolle er mir ein Zeichen geben. Sorgsam verstaue
ich zwei meiner Schätze wieder in den dafür vorgesehenen, mit dem dunklen, weichen Stoff ausgeschlagenen Vertiefungen. Jetzt muss ich nur noch einen günstigen Moment abwarten, und das Schicksal wird seinen Lauf nehmen. Heute, ja, heute noch wird es vorbei sein mit ihr. Ein wenig zögere ich noch, aber dann spüre ich, wie die ersehnte Energie zurückkehrt, mich mit Macht durchdringt und zum Handeln zwingen will. Entschlossen greife ich zu dem Stapel Papier, der schon so lange wartend auf dem Schreibtisch gelegen hat, ziehe die mattglänzende Kappe von meinem Federhalter und beobachte, wie erste blaue Buchstaben fein geschwungen
aus der Feder auf das Papier fließen. Ich jubiliere innerlich. Das Ende meiner Schreibblockade ist gekommen.