Kurzgeschichte
Mörderin

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"Ich habe gemordet. Und wurde dabei beobachtet."
Veröffentlicht am 13. Mai 2014, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: TaraMerveille2013
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Es ist gar nicht so einfach, Worte zu finden, mit denen ich mich beschreiben könnte. Also mache ich es ganz kurz: Ich habe die 43 überschritten, bin aber in meinem Herzen noch viel jünger (bilde ich mir wenigstens ein). Mein Geld verdiene ich als Erzieherin in einem evangelischen Kindergarten - jeden Tag eine Menge Storys. Ansonsten bin ich verheiratet, habe 3 Kinder und neben dem Schreiben noch andere Hobbys - fotografieren, lesen, reiten, ...
Ich habe gemordet. Und wurde dabei beobachtet.

Mörderin

„Du hast sie umgebracht. Einfach so!“

Mit geballten Fäusten,Tränen in den Augen und zitternd vor Wut steht die Nachbarstochter vor mir. Aus jeder Faser ihres Körpers schreit mir abgrundtiefe Verachtung entgegen.

„Das darf man nicht. Du bist eine Mörderin!“

Ich bin erschrocken. Immerhin habe ich nicht damit gerechnet, dass mich jemand beobachtet. Ich war mir ganz sicher, dass niemand mich stört. Eigentlich bin ich um diese Zeit immer ganz allein hier. Und das ist gut so. Denn ich genieße die himmlische Ruhe in unserer Straße, wenn alle Nachbarn zur Arbeit gefahren und ihre Kinder in der Schule oder im Kindergarten

sind.

Sichtlich verwirrt lasse ich meine Hand, in der ich noch immer den Spaten umklammert halte, sinken.

„Aber natürlich darf ich das, Schätzchen“, rede ich beruhigend auf das Mädchen ein. Meine Stimme zittert etwas. Aus welchem Grund auch immer - mich überkommt das schlechte Gewissen.

Ich lege den Spaten beiseite. Langsam nähere ich mich dem Gartenzaun, wo Lina steht und mich aus ihren kleinen blauen Augen böse anblitzt. „Das hier ist nämlich mein Grund und Boden. Und wenn sie einfach hier herein kommen, dann darf ich mich wehren“, erkläre ich.

Lina tritt einen Schritt vom Zaun zurück.

Sehe ich Angst in ihren Augen?

„Das darfst du trotzdem nicht“, beharrt sie keine Spur von Angst - und verschränkt ihre kleinen Arme vor dem Kullerbauch.

„Doch“, sage ich nun mit fester Stimme. „Es kann doch nicht sein, dass ich mir immer so viel Arbeit mache und dann kommen die, machen alles kaputt und nehmen mir alles weg.“

„Du darfst das nicht machen. Du darfst sie nicht einfach umbringen!“

Linas Meinung steht fest. Sie hat ihr Urteil über mich schon gefällt genau in dem Augenblick, in dem ich den Spaten fest in den Körper der Eindringlinge gestoßen habe.

Nun doch etwas schuldbewusst schaue ich hinter mich auf die Opfer meiner Attacke. Leblos liegen sie da, mitten in meinem Garten. Zwischen Blumen und Salat.

Ich hocke mich an den Gartenzaun, damit ich Lina in die Augen schauen kann.

„Was meinst du? Warum darf ich das nicht einfach so?“, frage ich sie.

„Weil Gott sie gemacht hat“, erklärt das Mädchen. Lina sieht schon nicht mehr ganz so wütend aus.

„Und was meinst du, soll ich dann tun, wenn sie mich in meinem Garten überfallen?“, frage ich.

„Schick sie doch einfach woanders hin“, antwortet Lina.

„Wie soll das denn gehen, Lina?“, frage

ich. „Sie können mich doch gar nicht verstehen.“

Das Mädchen schaut mich mit großen Augen an. „Warum können sie dich denn nicht verstehen?“

„Ich glaube, die haben gar keine Ohren“, überlege ich.

Einen kurzen Moment herrscht Schweigen zwischen uns. Dann dreht Lina sich einfach um und rennt davon. Ich bleibe zurück auf meiner Seite des Gartenzaunes und sehe ihr verdutzt hinterher.

Als ich nach ein paar Minuten beschließe, mich jetzt einfach wieder um meine Arbeit zu kümmern, steht Lina plötzlich hinter mir. In ihrer kleinen Hand hält sie einen roten Eimer. In der anderen eine  kleine

Schaufel in derselben Farbe.

„Dann helfe ich dir, sie woanders hin zu bringen“, murmelt das Mädchen und hockt sich zwischen die Pflanzen.

Vorsichtig, fast andächtig, schiebt sie die kleine Schaufel unter die braunen schleimigen Dinger in meinem Beet und legt sie behutsam in den Eimer. Ich nehme meine Pflanzschaufel und mache es ihr nach.

Als der kleine rote Eimer halb voll ist, sehen wir uns zufrieden an. Lina lächelt.

„So“, sagt sie, „das waren alle.“ Sie erhebt sich, nimmt mich bei der Hand und zieht mich mit sich hinaus aus meinem Garten in Richtung des kleinen Wäldchens hinter der großen Wiese.

„Dort können sie doch bleiben, oder?“ Lina sieht mich mit großen fragenden Augen an.

Ich zucke mit den Schultern. „Ich denke schon“, erwidere ich.

Als wir am Wäldchen angekommen sind, hocken wir uns auf den Boden. Genauso vorsichtig, wie wir sie vorhin in meinem Garten eingesammelt haben, holen wir sie jetzt wieder aus dem Eimer heraus und legen sie auf den moosigen Waldboden. Bevor wir uns auf den Rückweg machen, schauen wir noch einen kurzen Augenblick zu, wie sie sich langsam, aber sicher auf den Weg machen.

Abends, als es schon langsam kühler wird, sitze ich in meinem Garten und sehe

sie schon wieder kommen. Ob es die gleichen sind, die wir am Vormittag in den Wald gebracht haben? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich sie nicht umbringen darf, weil auch sie Geschöpfe Gottes sind. So hat es mir Lina noch einmal auf dem Rückweg erklärt. Und ich habe es ihr versprochen. Also laufe ich in meinen Schuppen, hole einen kleinen Eimer und die Schaufel, sammle sie hinein und trage meine unliebsamen Besucher zum zweiten Mal an diesem Tag hinüber zum Wald.

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Hörbuch

Über den Autor

TaraMerveille
Es ist gar nicht so einfach, Worte zu finden, mit denen ich mich beschreiben könnte.
Also mache ich es ganz kurz: Ich habe die 43 überschritten, bin aber in meinem Herzen noch viel jünger (bilde ich mir wenigstens ein). Mein Geld verdiene ich als Erzieherin in einem evangelischen Kindergarten - jeden Tag eine Menge Storys. Ansonsten bin ich verheiratet, habe 3 Kinder und neben dem Schreiben noch andere Hobbys - fotografieren, lesen, reiten, Musik machen ...
Meist schreibe ich an längeren Projekten für die Zielgruppe "Teenager", oft auch an verschiedenen gleichzeitig. Hin und wieder versuche ich mich auch an einer Kurzgeschichte. Seht selbst ...
Ich schreibe schon seit einigen Jahren und meine elektronische Schublade füllt sich so nach und nach. Meine Kinder und nur ganz wenige Freundinnen haben schon drin gelesen - nun bin ich gespannt, was andere dazu sagen.

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LeeLoLee Liebe Tara,
hab auch mal in deinem Bücherregal gestöbert. Diese kleine Geschichte erinnert mich an meine kleine Schwester (5), die mir auch immer gerne vorpredigt wie wichtig jedes einzelne Lebewesen ist und dass ich ihnen nicht wehtun darf, wenn ich Spinne lieber ganz beseitige und sie nicht vor die Tür setze. Am Anfang dachte ich die Geschichte nimmt einen ganz anderen Lauf aber ich liebe das letztendliche Ende. Toll gemacht.
Liebe Grüße,
Lenia.
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TaraMerveille Hallo Lenia, danke für deinen netten KOmmentar. LG Yvonne
Vor langer Zeit - Antworten
ImiLovesEils von der ersten bis zur letzten sekunde fesselnd :)!
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TaraMerveille Vielen Dank für das positive Feedback.
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EllaWolke Wunderschön!
So bezaubernd wie Du vorerst noch alles offen lässt .. man nur ahnen kann.
Und die Worte von Lina .. KLASSE

LG Ella
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TaraMerveille Und Danker für`s Favo.
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TaraMerveille Danke für deinen Kommentar und für`s Lesen meiner kleinen Geschichte.
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GertraudW Und am nächsten Abend kommen sie wieder - und wieder - und wieder. Wir haben auf unserer Terrasse auch jede Menge - töten sie auch nicht, sondern mein Mann nimmt jede einzeln, legt sie auf die Schaufel, murmelt "Auf geht`s zur nächsten Flugstunde" und schleudert sie so weit er kann in die angrenzende Wiese. Und das jeden Abend.
Eine herrliche Geschichte - wunderschön geschrieben, ich hab sie schmunzelnd gelesen.
Liebe Grüße
Gertraud
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TaraMerveille Bei mir fliegen sie immer zum Nachbarn ... Schön, dass meine Geschichtew dir gefallen hat.
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GertraudW Liebe Tara (?), wenn ich eine Geschichte lese, dann ist es für mich selbstverständlich, dass ich dazu einen Kommentar abgebe.
Dennoch ganz herzlichen Dank für die Coins.
Liebe Grüße
Gertraud
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