Wie fern der Himmel hinter lila Wolken...Teil 5
©roxanneworks 2014 / 05
Kurzgeschichte für eine Ausschreibung...
für Rückmeldungen wäre ich dankbar ;-)
Im Laufe der darauf folgenden Stunden zeigte sich der Tag von seiner freund- lichsten Seite. Die mitreisenden Herr- schaften waren gesprächig und gut gelaunt, was die Fahrt amüsant und kurzweilig gestaltete. Da es keinerlei Zwischenfälle auf dem Weg nach Paris gab, passierten sie die Stadtgrenze schon am frühen Abend. Gegen sieben Uhr erreichte die Reisegesellschaft ihren letzten Haltepunkt.
Es herrschte noch ein reges Treiben am Place de la Bastille. Elegante Kutschen kreuzten den weiten Platz,auf dem ärmlich gekleidete Menschen ihre wenigen Waren feil boten. Lauthals ihre Waren anpreisend standen fahrende
Händler vor ihren vollbeladenen Wagen am Rande des Platzes, und lockten das neugierige Volk an. Ringsumher nahm Martiné quirliges, lärmendes Leben wahr. Für einen kurzen Moment ließ sie all die Eindrücke auf sich wirken, bevor man ihr das erste große Gepäckstück geräuschvoll vor die Füße stellte. Es folgten noch weitere drei Reisetruhen, die bis zu ihrer vollen Körpergröße neben ihr aufgetürmt wurden.
Die Mietdroschken standen nur unweit entfernt und Martiné mühte sich, mit ihrem kleinen Schirm winkend, einen der Fahrer auf sich aufmerksam zu machen, was ihr nach einiger Anstren- gung auch gelang.
Nachdem ihr Hab und Gut am hinteren Teil aufgeladen und festgezurrt war, bewegte sich das Gefährt mit langsamen Tempo durch das Getümmel hindurch und bog schließlich in eine der kleinen Gassen ein, die sternförmig vom Platz wegführten. Sie passierten verschiedene andere Gassen, bis die Fahrspur breiter wurdeund raumgreifend nur noch luxuriöse Gebäude mit gepflegten Gärten den Rand der Strasse säumten.
Martiné ahnte, dass sie in Kürze ihr Ziel in der rue des Rosiers No. 14 erreicht haben würden und versuchte, sich innerlich für diese erste Begegnung zu wappnen. Holpernd kam die Droschke
auf dem Kopfsteinpflaster zum Stehen. Der Kutscher öffnete mit Schwung die Tür, klappte das kleine Trittbrett herunter und reichte ihr seine Hand für einen sicheren Ausstieg. Bevor Martiné die Stufen zum Portal das Stadthauses hinauf stieg, bat sie den alten Mann mit seiner Kutsche vor dem Haus zu warten.
Sie zögerte einen Moment, schlug dann kräftig den broncefarbenen Löwenkopf des Türbeschlages gegen das Holz. Sekunden später öffnete ihr eine ältere Hausangestellte die Tür und bat sie ins Haus.
" Willkommen, Madame Bourchamp. Der Comte de Marville erwartet sie."
Martiné war weniger überrascht, als
vielmehr irritiert. Sie schaute die freundlich lächelnde Frau mit fragendem Blick an, blieb unschlüssig in der Mitte des Voyers stehen und wartete.
" Wollen sie nicht ablegen, Madame?" Martiné reichte ihr geistesabwesend ihren Umhang und den kleinen Schirm.
Am Ende des Raumes öffnete sich eine Tür. Mit ausladenden Schritten eilte ein hochgewachsener, schwarzhaariger Herr auf sie zu.
" Madame, es ist mir ein sehr großes Vergnügen, sie endlich persönlich kennen lernen zu dürfen."
Er nahm ihre behandschuhte Hand in die Seine, hauchte einen Kuss auf das zarte Gewebe und einen Wimpernschlag lang
stieg ihm zarter Lavelduft in die Nase.
" Comte de Marville. Zu ihren Diensten, Madame."
Er lächelte sie gewinnend an, legte sich ihre Hand auf den Unterarm und führte sie ohne ihr Einverständnis abzuwarten, in sein Arbeitszimmer. Sie setzte sich wortlos in einen der Ledersessel vor dem Kamin, wähend er zwei Gläser mit Portwein füllte, Martiné sodann einen Kelch überreichte und Seines zu einem Tost erhob:
" Lassen sie uns einen Schluck guten Port genießen, Madame. Ich denke, wir können ihn brauchen."
Martiné nippte an dem Getränk, schaute dem Comte de Marville lange direkt in
die Augen.
" Wo bitte ist mein Mann, lieber Comte?
Wo ist Philip?"
Sie wartete. Er schwieg und setzte sich ihr gegenüber in den Sessel, wo sein Freund und er noch vor ein paar Tagen saßen und diese Frage erörterten, aller- dings aus einem anderen Blickwinkel heraus.
" Nun, liebe Martiné...ich darf doch Martiné sagen?" Sie nickte.
" Nun, ich glaube, ich bin ihnen eine lange Erklärung schuldig, bevor Philip ihnen alles Weitere persönlich berichten kann."
" Lieber Comte, ich warte. Philip geht es also gut, wie ich bisher ihren Worten
entnehmen kann. Wo also ist er?"
"Bitte nennen sie mich Louis. Ja, ihrem Mann geht es gut, soweit mir bekannt ist. Er weilt bei einem Verwandten von mir auf dem Lande und arbeitet noch an seinem Roman."
" Warum hat er mich nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er vorhatte, Paris zu verlassen. Ich habe ihm viele Briefe geschrieben und nicht einen hat er...."
" Bedauerlicher Weise war er schon fort, als ihre erste Nachricht hier ein- traf, meine Liebe," fiel Louis ihr erklärend schnell ins Wort "doch ich habe beide Briefe für Philip aufbewahrt. Ich darf ihnen sagen, dass er mir vorab erlaubte, seine Korrespondenz zu lesen,
um gegebenenfalls für ihn handeln zu können. Daher antwortete ich ihnen, was sie sicher verwunderte, doch ihm war es nicht mehr möglich."
Ungläubiges Erstaunen war auf ihrem Gesicht zu lesen und Enttäuschung darüber, Philip nicht in Kürze wieder- sehen zu können.
Aufmerksam beobachtete der Comte ihre Reaktion und war nebenbei fasziniert von der natürlichen Anmut und Schön- heit, die von dieser Frau ausging. Sie verlor nicht die Fassung, obwohl hinter ihrer Stirn ein Sturm zu toben schien.
" Sie haben meine Nachricht doch erhalten, Madame?" fragte Louis scheinheilig in die Stille hinein. Martiné
blickte direkt in seine leuchtend grauen Augen, die sie musterten.
" Nein, mein Lieber - ich bekam nicht eine Antwort. Nicht eine....und ich kann ihnen versichern, dass es viel mehr, als nur zwei Briefe waren, die ich in all der Zeit schrieb. Ich kann mir das Alles nicht erklären," meinte sie leise und kämpfte zum ersten Mal mit ihren Tränen.
In Louis regte sich ein ungutes Gefühl. Es fiel ihm schwer, in Anbetracht des Kummers, den er Martiné mit seinen Unwahrheiten bereitete, die Notwendig- keit seines Handels vor sich selbst zu rechtfertigen. Doch es stand so viel auf dem Spiel - nicht zuletzt das Leben von
Philip. Er formulierte in Gedanken weitere Ausführungen gnädiger Lügen, räusperte sich geräuschvoll und nahm tröstend ihre Hand.
" Liebe Martiné, ich bin untröstlich, wenn ich ihnen Kummer bereitet haben sollte. Anscheinend ist die Post nicht so zuverlässig, wie ich annahm. Doch nun sind sie hier in Paris und die Zeit wird alle Unklarheiten beseitigen, meine Liebe. Seien sie sich dessen gewiss und verzweifeln sie nicht. Sie werden ihren Mann bald wiedersehen."
Er spürte, wie sie zustimmend seine Hand drückte und sah, wie sich ein kleines Lächeln auf ihrem sehr blassen Gesicht ausbreitete.
" So ist es schon besser! Darf ich fragen, wo sie zu Wohnen gedenken, Madame?"
" Oh, ich hatte inständig gehofft, bei meinem Mann wohnen zu können, auch wenn bei Antritt meiner Reise, mir diese Annahme durchaus fraglich erschien. Ich verfüge über etwas Geld, doch in Anbetracht der Situation, werde ich sie wohl bitten müssen, mir behilflich zu sein, lieber Louis."
" Selbstverständlich, meine Liebe. Unter den gegebenen Umständen verbittet es sich natürlich, dass ich sie in meinem Junggesellenhaushalt als Gast aufnehme, da ihr Mann nicht zugegen ist. Eine Dame wäre darauf hin in Paris sofort
kompromitiert."
" Daran hatte ich gar nicht gedacht. Verzeihen sie mir, lieber Louis, aber offensichtlich war es nicht mein Kopf, sondern mein Herz, dass mich führte," erwiderte Martiné und abermals kämpfte sie mit den Tränen. Auf Louis wirkte sie müde und verzweifelt.
" Ich bitte sie, Madame. Es ist an mir, mich zu entschuldigen. Darf ich ihnen dennoch einen höchst ungewöhnlichen Vorschlag unterbreiten, meine Liebe?" Sie nickte und schaute ihn aufmerksam an.
"Nun, ich habe einen guten Freund, der sich in einer, sagen wir mal, etwas prikären Lage befindet. Das Schicksal
hat es so gewollt, dass er durch einen Unfall nicht nur seine Stimme verlor, sondern ihm wurden auch tiefe Wunden in Körper und Seele eingebrannt. Seither lebt er zurückgezogen in einem Stadthaus, unweit von hier und hadert mit dem Leben. Nun, vor einiger Zeit versprach ich ihm, mich um eine geeignete Hausdame zu bemühen, die ihm sein tägliches Leben angenehmer gestalten sollte. Sie würden mir und ihm einen großen Dienst erweisen, Madame. Gleichzeitig wäre es eine durchaus adäquate Lösung für sie, die in jeder Form gesellschaftlich akzeptabel erscheint."
" Und sie stellen sich vor, ich könnte
diese Aufgabe erfüllen? Es ist wahrlich ein ungewöhnliches Ansinnen, lieber Louis. Gleichwohl erfordern Ungewöhnliche Umstände wohl auch ungewöhnliche Maßnahmen - ist es nicht so..." lächelte sie ihn an und er konnte es kaum fassen, wie selbst- bewußt sie mit dieser schwierigen Situation umging und ihm wurde klar, warum Philip dies außergewöhnliche Frau liebte.
" Dann werde ich mich jetzt verabschie- den, lieber Louis. Die Droschke wartet noch vor dem Haus und es ist schon spät. Ich möchte ihren Freund keinesfalls zu nachtschlafender Zeit aufsuchen. Würdet ihr mir jetzt bitte
seinen Name nennen und ein paar erklärende Zeilen an ihn wären sicher hilfreich."
Louis stand sofort auf, ging zu seinem Schreibtisch hinüber und schrieb ...
" Armonde - Monsieur Antoine Armonde ist der Name, meine Liebe. Bitte richten sie ihm meine Grüße aus", erklärte Louis und übergab ihr die Nachricht...
Ende Teil 5