Beschreibung
Auf besonderen Wunsch einer einzelnen Dame hier schon der dritte Teil der Onlinesaga. Damit ist dann das Vorspiel fast abgeschlossen, und es geht anschliessend mit dem Prolog weiter. SpÀtestens nÀchsten Mittwoch wird dieser online sein.
Ich empfehle, den Text in der Reihenfolge zu lesen. Viel SpaĂ !
Titelbild : Public Domain.
Zwischenspiel eins: Heute Today
Today ist der einzige Mensch weit und breit, den ich als Freund bezeichnen würde. Typischer Fall von Politikopfer, hat zwar einen Doktor in Physik und einen in Elektrotechnik, aber weil er Iraker ist, haben die wachsamen Schützer der Inneren Sicherheit messerscharf gefolgert, der Kerl baut bestimmt Atombomben für die Scheichs, und da haben sie ihn erstmal auf Eis gelegt. Seine Frau und seine Blagen warten in Jordanien auf Einreisevisa, aber eher wird es Greencards für alle geben, als das er sie nachholen kann. So muss der gute Mann alle halbe Jahr aufs Amt latschen und sich ein wenig schikanieren lassen, nichts persönliches, reine Routine. Zwischendurch macht er diverse Jobs, einer mieser als der andere und bastelt ansonsten an merkwürdigen Maschinen, die er eines Tages vielleicht für etwas Kleingeld an einen Konzern abtreten darf. Irgendwie ist es ihm gelungen, eine reiche Witwe zu belabern, dass sie ihm die Kellerwohnung in ihrer topmodernisierten Luxusvilla vermietet, da kann er dann den Rasen mähen und sich regelmässig als Beispiel ihrer ultratoleranten Einstellung vorführen lassen. Zum Glück ist die alte Schachtel fast immer unterwegs und lässt sich mit anderen Trotteln bei irgendeiner Drittweltaktion ablichten, da haben wir dann den ganzen Palast für uns. Seinen richtigen Namen kann keine Sau aussprechen, aber wegen des Doppeldoktors und seinem lustigen Englisch hab ich ihm den neuen Namen verpasst, stört ihn nicht weiter.
Wie ich in seine Straße einbiege, merke ich sofort, hier stimmt was nicht. Sieht zwar alles aus wie immer, hochglanzpolierte Luxusschüsseln vor oberprotzigen Herrschaftssitzen und Rasenflächen, die jedem englischen Golfplatzwart die Schamesröte ins Gesicht treiben würden, aber irgendwas ist anders. Und da sehe ich sie schon. Zwei Zivile in einem dicken Schlitten, wahrscheinlich bei der letzten Drogenrazzia beschlagnahmt und für diesen Einsatz ausgewählt, um nicht aufzufallen. Stehen genau in Sichtlinie zur Straßenecke und haben eine Hütte im Blick, von der ich zufälligerweise weiß, dass sie einem hohen Tier aus der Stadtverwaltung gehört. Zum Glück wage ich mich nie in diese Gegend ohne entsprechende Klamotten, ich bin der freundliche Schwarzarbeiter zur Schwimmungpoolpflege oder zum Unkrautzupfen, arm aber ehrlich und fleißig natürlich. Die Bullen würdigen mich keines Blickes, als ich an ihrer Kutsche vorbeiziehe und ich frage mich mal wieder, ob ich es eines Tages soweit bringen werde, völlig unsichtbar zu werden.
Bei Today angekommen, erzähle ich ihm von den Aufpassern, aber er winkt nur ab. Er habe die schon länger bemerkt, wahrscheinlich Finanzamt oder sowas, da wird wohl einer mächtig Dreck am Stecken haben.
Was solls, wir haben besseres zu tun. Today hat in seinem Keller so ziemlich alles, was das Herz begehrt, keine Ahnung, wo er den ganzen Plunder herkriegt. Momentan schraubt er an einem Teil, das so aussieht, als ob ein ausgeflippter Küchenmixer eine Steuereinheit für Lenkwaffen vergewaltigt hätte. Überall Kontrollleuchten und Drähte und Teile deren Funktion ich nicht mal erraten könnte. Ich frage lieber nicht, was das ist oder wird, ich verstehe sowieso kaum die Hälfte von seinen Erklärungen. Wir verziehen uns in den Livingroom oben im Haus. Dort steht die allergenialste Anlage, die man für Geld kaufen kann, praktisch unbenutzt und wir haben sie ganz für uns allein !
Ich stehe ja eher auf Bruckner und Today liebt Beethoven über alles, aber auf Bach können wir uns immer einigen. Und so ziehen wir uns das Violinkonzert in A-moll in werkgerechter Lautstärke und ein wenig von dem feinen Libanesen rein, den Today immer wieder rankriegt. Die Platte habe ich heute Morgen in meinem Lieblingsladen entdeckt, natürlich Vinyl und was für eine Einspielung ! Anschließend zaubern wir uns ein kleines Festmal in dieser Superluxusküche, die natürlich auch eher zu Dekozwecken dient, und schauen uns auf der absurd großen Glotze zwei neue Folgen dieser arabischen Schnulzenserie an, bei der ich zum Glück kein einziges Wort verstehe. Erfahrungsgemäß wird Today jetzt wieder anfangen von seiner Familie zu erzählen, aber heute bin ich nicht der Laune. Wir rauchen noch einen und ich mache los.
Kaum bin ich aus dem Haus und ein paar Meter weiter, da biegen sie um die Ecke. Drei Pkw und zwei Kleintransporter, alle voller Bullen in Zivil, einige Streifenwagen im Gefolge und auf der anderen Straßenseite hat ein Wagen des Lokalfernsehens Stellung bezogen. Na Klasse und ich mittendrin. Jetzt hilft nur noch auf neugieriger Passant zu machen und aufzupassen, damit ich nicht ins TV komme. Die Büttel ziehen die volle Show ab, wichtige Miene zum grotesken Spiel, Blaulicht, Absperrung und dann Auftritt des Staatsanwaltes. Die Fernsehfutzis wollen natürlich am liebsten mit rein, aber das verhindern die Lalülalas, haben ja auch sonst nix zu tun. Ich sehe zu, dass ich unauffällig wegkomme. Wie ich so weiter schlenze und mir überlege was ich mit dem angebrochenem Nachmittag anstellen könnte, kommt mir in den Sinn, wie ungewöhnlich das Staatsschauspiel da eben war. Normalerweise ziehen die solche Nummern doch am frühen Morgen ab wenn jeder anständige Mensch noch schläft oder gerade beim Zähneputzen ist. Wahrscheinlich wollten die wohl den Überraschungseffekt auf ihrer Seite haben aber jetzt bin ich neugierig geworden.
Drei Straßen weiter genügt ein kurzer Blick in die Zeitung, die freundlicherweise an einer Bushaltestelle liegen geblieben ist, und ich weiß, wann die lokale Nachrichtensendung kommt. Also auf zum nächsten Ramschmarkt für Elektromüll. Dort heuchele ich ein wenig Interesse für den Kram, den sie als Aktionsware aufgestapelt haben und komme gerade rechtzeitig zur Fernsehecke und Bingo, da ist der Beitrag schon. Sie machen auf mit ein paar Bildern, wie bergeweise Kartons aus dem Haus getragen werden und schneiden dann auf die Reporterin vor Ort, die sicherheitshalber nochmal den gleichen Blabla erzählt wie der Typ im Studio. Aber was ist das ? Während die Tante weiter Dünnes labert, zeigen sie die Bilder von dem grossen Aufmarsch und wer ist da deutlich am rechten Bildrand zu erkennen ? Genau in dem Moment, als ich mich zur Kamera umdrehe, hat die Abendschau mich eingefangen, zum Glück nur als kleines Männchen der Nebenhandlung, aber für meinen Geschmack viel zu gut erkennbar, ich bin also doch nicht unsichtbar. Aber da ist der Bericht auch schon vorbei und es geht mit der nächsten Krise weiter.
Es ist ja nun nicht so, dass ich akut wen auf der Uhr hätte, aber trotzdem schmeckt es mir ganz und gar nicht, die Sache mit meinem Fernsehauftritt. Hoffentlich gibt es in der nächsten halben Stunde noch einen Flugzeugabsturz oder sowas, damit der Bericht nicht auch noch landesweit wiederholt wird. Während ich noch so nachgrübele, spüre ich wie der Langfingfang des Ramschmarktes neugierige Blicke in meine Richtung wirft und weil mir jetzt nun wirklich nicht nach Räuber und Gendarm zu Mute ist, subtrahiere ich meine unwürdige Person aus seinem unmittelbaren Wirkungskreis.
Irgendwie entwickelt sich dieser Tag nicht so, wie ich es gerne hätte und so langsam verschlechtert sich meine Stimmung, während meine Füsse völlig autonom den Weg zur U-Bahn finden. Ganz gegen meine Gewohnheit kaufe ich mir ein Ticket, ich will mal ohne ausgefahrene Antenne reisen. Am Stadion steige ich aus, so kann ich noch einen Spaziergang durch die Kleingärten machen bevor ich nach Hause gehe.
Meine derzeitige Bleibe ist unter dem Dach in einem Mietshaus, das bestimmt seine achtzig Jährchen auf dem Buckel hat, aufgeknackte Briefkästen, Graffiti im Treppenhaus und die gesammelten Aromen der Multikultigesellschaft sind in der Miete eingepreist. Aber wenigstens habe ich hier meine Ruhe und keiner fragt sich, was ich eigentlich den ganzen Tag mache. Außerdem habe ich vom Küchenfenster einen erstklassigen Blick ins Stadion. Nicht dass es mich interessieren würde, wenn der lokale Fußballverein sich seine regelmäßigen Packungen vor heimischem Publikum abholen würde, aber es ist immer wieder interessant, wie nachlässig der Parkplatz bewacht wird. Naja, der erfahrene Wolf räubert zwar nie in der Nähe der eigenen Höhle, aber vielleicht könnten mir derlei Kenntnisse nützlich sein, wenn ich mal wieder umziehe. Praktischerweise hat der Vormieter einen kleinen Privatanschluss verlegt, der den Strom im Nachbarhaus abzapft und so habe ich immer eine unauffällige Energieversorgung für meine Quarzlampen. Und da zwei von den Sinsemillas schon ordentlich getrocknet sind, beschäftige ich mich den Rest des Tages mit den nötigen Erntearbeiten und finde so wieder zum seelischen Gleichgewicht.