Kurzgeschichte
Aileen

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"Warum Erinnerungen wichtig sind"
Veröffentlicht am 10. Mai 2014, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Sandra Cunningham - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin 18 Jahre alt und mache bald mein Abitur. Zwar habe ich bisher nicht viele Bücher gelesen, doch mich interessieren Geschichten, die es wert sind, gelesen oder gehört zu werden. Das Leben ist unfair bei allen; so wie bei mir. Aber ich denke, dass ich beim Schreiben nicht nur dieses Handicap der Menschheit, sondern auch alles andere einmal vergessen kann.
Warum Erinnerungen wichtig sind

Aileen

Aileen

In nur einem Augenblick zeichnete er das, was er sah, auf sein Zeichenpapier. Ein großes Weizenfeld von der man auf die Stadt blicken konnte. Ein paar Dutzend schmale Hochhäuser zierten den Himmel. Vereinzelt wanderten die Wolken alleine und still vor sich hin. Er saß mit nur einem Stift und seinem Block an einem lebhaft grünen Baum. Der Wind streichelte die Äste; die Blätter gaben ein sanftes Rascheln von sich. Er hörte dem Leben aufmerksam und entspannt zu. Und als er seine Augen öffnete, sah er sie. Sie trug ein weißes, reines Kleid. Der Hut versteckte

jedes Anzeichen einer Silhouette ihres Gesichtes. Eine schwache Erinnerung flüsterte ihm im Gedanken zu. Er blätterte Seite für Seite, um seine Erinnerung zu vervollständigen. Er blickte nach oben und sah erneut das große Feld. Alles war wieder so, wie in seinen Erinnerungen.

In nur einem Moment zeichnete er das, was er sah, auf sein Zeichenpapier. Das goldene Feld gab eine Aura der Reife von sich. Der Himmel war blauer, als gestern und die Stadt wirkte sehr klein. Er verglich sein Bild mit der Natur. Und als er erneut aufsah, erschien sie wieder vor seinen Augen. Ihr hellblondes Haar

wedelte im Wind. Sie hielt ihren Hut fest, der sie versteckte. Dieses Mal blätterte er nur zweimal und begann zu zeichnen. Obwohl er ihr Gesicht nicht sah, war er entschlossen, dass dieses Bild wunderschön aussehen würde. Eifrig zog er die Linien auf sein Blatt und seine Aufregung wuchs mit jedem Bleistiftansatz. Er schaute wieder nach oben. Und sie fehlte wieder, wie in seinen Zeichnungen davor.

Nach etwas Konzentration war das, was vor ihm lag, in seinem Zeichenblock verewigt. Jetzt wartete er angespannt und sehnsüchtig. Und nach einiger Zeit erschien sie auf dem Weizenfeld. Er

nahm sofort die Zeichnung wieder auf, als sie stehen blieb. So, wie sie es davor getan hatte - mit dem Gesicht nach vorne. Dieses Mal wollte er sie nicht verlieren. Er beobachtete sie so lange wie möglich; er zeichnete so kurz wie möglich. Dabei bemerkte er, dass sie alleine und verlassen wirkte. Der Gedanke zu ihr zu gehen, kam auf. Und als er wieder aufs Feld sah, spürte er ihre Einsamkeit. Seine Zeichnung war fast komplett. Das Einzige, was fehlte, war ihr Gesicht. Der Hut störte ihn, denn es verdeckte einen Teil ihrer leuchtend schönen Haaren.

Am Tag darauf weigerte er sich das, was

vor ihm lag, zu zeichnen. Seine Gedanken waren nur bei ihr. Und er wartete lange, damit er seine Zeichnung komplettieren konnte. Doch sie kam nicht. Jedes Mal schaute er auf, als er dachte, dass sie es war. Den Stift den ganzen Tag in der Hand haltend, vor einem Bild, das unvollständig war. So unvollständig waren seine Erinnerungen. Seine Sehnsucht wurde immer größer und seine Einsamkeit immer tiefer. Und als die Natur schlief, blieb er wachsam. Dass sie ankam, darauf wartete er und vermisste sie. Langsam umarmte ihn aber die Müdigkeit und ohne sie gesehen zu haben, schlief er ein.

Eine sanft schmeichelnde Berührung ließ ihn aufwachen. Der Mond und ihr Gesicht waren in seinem Blickfeld zu sehen. Sie bat ihm für einen Moment lang liegen zu bleiben, weil sie den Augenblick, als er noch schlief, sehr genossen hatte. Er war nun wehrlos, blieb auf ihren Schoß liegen, sah ihr tief in die Augen. Er verliebte sich. Ihre hellblonden Haaren haben sich im Mondlicht in einem silbernen Schein verkleidet. Die Nähe zueinander ließen beide ein Gefühl von Zuneigung und Wärme erwecken. Das Herz von ihr war, wie das Herz von ihm, nervös. Beide kosteten ihre Nähe so lange wie möglich

aus. Sie blieb bei ihm. Er schlief entspannt wieder ein.


Die Natur ließ ihn seine Augen öffnen. Er richtete sich auf und wurde vom großen, Gold leuchtenden Weizenfeld begrüßt. Suchend schaute er um sich. Er fand seinen Stift wieder. Er fand seinen Zeichenblock wieder. Er fand sie aber nicht wieder. Aber er fühlte sich nicht einsam. Eine zärtliche, gewohnte Wärme kam plötzlich in ihm auf. Gleichzeitig erinnerte er sich an eine Sache, die er vergaß. Vorsichtig griff er nach seinem Block und blätterte nach hinten, weit nach hinten. Dann sah er ein Bild, dass sein Herz mit Emotionen erfüllte. Ihr

Gesicht - und nur ihr Gesicht - war auf dem Blatt zu sehen. Ein Datum, das mehrere Jahre zurücklag, war auf dem Rand notiert. Er erkannte seine eigene Schrift. Er erinnerte sich an sie, die diese Welt vor mehreren Jahren verlassen hatte.

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LamaMitHut
Ich bin 18 Jahre alt und mache bald mein Abitur. Zwar habe ich bisher nicht viele Bücher gelesen, doch mich interessieren Geschichten, die es wert sind, gelesen oder gehört zu werden. Das Leben ist unfair bei allen; so wie bei mir. Aber ich denke, dass ich beim Schreiben nicht nur dieses Handicap der Menschheit, sondern auch alles andere einmal vergessen kann.

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