Titel
Die Bühne. Dafür lebte er. Darauf lebte er. Seine Fans waren seine Familie. Er tourte durch die Länder. Zwischendurch spielte er ein neues Album ein. Seine Texte spiegelten sein Leben wider.
Es war ein Abend, wie so viele davor. Er sang und seine Band spielte die Musik dazu. Doch am Ende des Konzertes war etwas anders. Das letzte Lied war neu. Noch nie zuvor auf Platte gepresst und auch noch nie gesungen worden. Eine einzigartige Weltpremiere stand bevor. Der Sänger hatte selbst nichts davon gewusst, das er am Ende des Konzertes ein neues Lied vor die Augen bekam.
Doch ihm wurden zunächst erst die Noten gereicht, damit er sich die Melodie verinnerlichen konnte. Als er bereit war, den Text dazu zu bekommen, spielte die Band auf. Eine Ballade, die zu Herzen ging. Der Text handelte vom Anfang seines unermüdlichen Dranges, ein Konzert nach dem anderen zu geben. Die Band wollte damit erreichen, das er sich mit seinem Problem auseinandersetzte und nicht mehr davor davonlief. Sie hatten es satt, jeden Tag auf der Bühne, oder im Studio zu stehen. Die Band brauchte Pause. Hatte Sehnsucht nach ihrer Familie.
Sie kannten sein Problem. Oft genug hatten sie ihm ihre Hilfe angeboten. Aber
er wollte von niemanden Hilfe annehmen. Lieber rannte er davon. Flüchtete. War dies die beste Lösung? Auf keinem Fall. Da war sich die Band einig.
Die ersten Akkorde erklungen. Die Fans standen still und horchten genau hin. Ein nigelnagelneues Lied. Die Spannung war enorm. Der Sänger machte sich bereit die ersten Töne von sich hören zu lassen. Im Publikum entflammten die Feuerzeuge. Welch eine weiche Stimme. Sagenhaft. Haargenau auf das Lied abgestimmt. Doch schon nach der ersten Strophe stockte er. Seine Stimme versagte. Es wurde schwer, hinter seinen Lidern. Er atmete tief durch und sang
weiter. Doch es gelang ihm nicht, den Refrain bis zum Ende durchzuhalten. Bei der zweiten Strophe war es ganz aus. Wie Niagarafälle, strömten seine Tränen aus seinen Augen. Unaufhaltsam flossen sie. Er sank zu Boden und konnte nicht mehr tun, außer heulen, wie ein Schlosshund. Damit hatte die Band nicht gerechnet. Sie hatten geglaubt, das der Sänger erst bei der letzten Strophe zusammenbrechen würde.
Zaghaft spielten sie weiter und summten die Melodie dazu. Schauten mitleidig auf ihren Sänger und waren selber den Tränen nah. Keiner wusste, was er tun sollte. Alle waren sie hilflos. Spielten
einfach weiter. Hofften auf ein Wunder. Das Publikum dachte, das es zur Show gehöre. Weinte mit, weil das Lied so traurig war und tief ins Herz rein ging und der Sänger weinte.
Als Kind hatte er das letzte mal Tränen fließen lassen. Er spürte, wie befreiend es war. Wie er sein Herz damit entlastete. Weiter und immer weiter ließ er seinen Tränen freien Lauf. Scherte sich um nichts. Weder was das Publikum dachte, noch die Band. Nahm sie alle gar nicht wahr. Ihm war, als wäre er ganz allein.
Sie zogen die Tournee noch durch. Am Ende jedes Konzertes spielten sie jenes Lied. Und jedes Mal kamen ihm die
Tränen. Brach er das Lied ab. Erst am letzten Abend war er soweit, das Lied bis zum Ende zu singen, ohne zusammenzubrechen. Und genau da, gönnte er sich und seiner Band eine Pause. Keine Konzerte und kein Tonstudio. Seine Flucht hatte ein Ende gefunden. Von nun an würde er sich auf das Leben konzentrieren. Sein Leben. Vor keinem Problem mehr davonlaufen. Rücksicht auf seine Band nehmen.
Er hatte es geschafft den Schlussstrich zu ziehen. Ein neues Kapitel anzufangen. Und das Dank eines Liedes.