Ungleiche Vertragspartner
Ein Hahn besuchte eine Adlerwarte und war auch Gast in der Flugschau der Greifvögel. Adler und Habichte zeigten ihre Jagdkünste und der Hahn war vollauf begeistert. Da er selbst keinen Jagdschein besaß beneidete er seine Verwandten um diese Fähigkeiten. Seine Hennen wurden schon des längerem von einem frechen Marder bedrängt, der auch schon einige getötet hatte. Da sie der Hahn selbst nicht ausreichend beschützen konnte, da er von seinem linken Flügel die sepiafarbene Hauptfeder verloren hatte, beschloss er einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Ein mächtiger Steinadler schien wie geschaffen für sein Vorhaben. Alsbald kam er mit ihm ins Gespräch und schlug ihm einen
Tauschhandel vor. Die Hälfte seiner täglichen Futterration gegen den Kopf des Marders. Der Vertrag war bald aufgesetzt und mit Kerzenwachs besiegelt. Der Steinadler , in wirtschaftlichen Dingen äußerst unerfahren, konnte die zweideutigen Äußerungen seines Vertragspartners bezüglich der Verpflegung nicht richtig interpretieren, der immer von Überdruck als Folge eines Linsengerichtes sprach. Er freute sich nur auf einen täglich reich gedeckten Tisch, für den ein anderer Sorge tragen würde. Vor der ersten Mahlzeit wuchs seine Erregung von Minute zu Minute, doch um den Anschein von Ruhe zu erwecken, setzte er sich demonstrativ auf eine Wäscheleine, auf der feine
Fallschirmseidezum Trocknen aufgehängt war. Natürlich war dem Marder das Geschehen nicht entgangen und er hatte inzwischen im Hühnerhof reiche Beute gemacht. Bald hatte der Hahn das Nachsehen, denn das Futter wurde täglich weniger und der Adler pochte auf seinen Vertrag und forderte täglich eine größere Hälfte, mit der er im nahegelegenen Bauernhof Mäuse fütterte. Er dachte gar nicht daran, den Marder zu fangen, denn dann wäre seine Aufgabe ja beendet gewesen, er hätte wieder selbst für seine Futterschüssel sorgen müssen.
Der Adler und der Marder waren immer satt, nur der Hahn starb bald darauf an Unterernährung.