Inhalt
Lily lebte bis wenige Tage vor ihrem achtzehnten Geburtstag ein vollkommen normales Leben in der Metropole Englands. Doch aus irgendeinem Grund beginnt ihre Welt sich zu verändern, um sie herum geschehen Dinge, dessen Vorkommen sie nicht leugnen kann. Der Student Alex scheint mehr über sie wissen, als sie selbst und bietet ihr Hilfe an.
"Die Welt ist nicht so wie du denkst Lily. All diese Sachen gab es schon immer, du konntest sie nur nicht sehen."
"Aber warum nicht?"
"Weil sie dich schützen wollten. Das, was da draußen auf uns lauert, nimmt keine Rücksicht darauf, wenn du einmal einen Fehler machst. Du hast nur eine Chance und ich hoffe wirklich, du vermasselst sie nicht."
Prolog
Sie saß inmitten der Bibliothek auf dem Fußboden, versteckt zwischen zwei Regalen der dritten Reihe. Ihre schlanken Beine hatte sie zu einem Schneidersitz zusammengelegt, während sie auf ihrer Lippe beißend auf das Buch hinabschaute, das in ihrer rechten Hand lag. Es war grün - jedenfalls ließ das der Schimmer unter der Staubdecke erahnen - und der mitgenommene Einband zeigte, dass es schon viele Jahre im Regal verbracht hatte. Sie schien nachdenklich und fuhr sich mit der rechten Hand durch die dunkelbraunen Haare, bevor sie ihre Finger wieder auf die pergamentartigen Seiten legte. Die Schrift, welche das Papier des
Buches zierte, war verschnörkelt und mit kleinen, bunten Bildern verzierte. Das Mädchen verfolgte sie mit ihrem Zeigefinger und wisperte leise die Worte vor sich hin, die der Autor niedergeschrieben hatte. Es war eine uralte Sage über Dämonen, Engel und Drachen. Eine Sage, die eigentlich längst hätte vergessen sein sollen.
"Lily, wo bist du ?" Das Mädchen, das nun den Namen Lily trug, drehte sich um und schaute durch einen schmalen Spalt zwischen den Bücherregalen. "Hier drüben, Wilma." Wilma zwängte sich in die dritte Reihe und schaute mit einem neckenden Lächeln auf ihre Freundin herab, die
versunken zwischen Bücherstapeln ihren braunen Haarschopf hob und verzweifelt einen Blick auf die Uhr erlangen wollte. "Bin ich spät dran?", fragte Lily und machte einen gequälten Gesichtsausdruck. "Wäre ich sonst hier?", Wilma lachte und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, während sie sich ihren Weg durch Bücherstapel und Notizblöcke bahnte. "Eigentlich hättest du vor einer halben Stunde im Café sein sollen." Lily warf ihren Kopf in den Nacken. "Verdammt." Dann richtete sie sich wieder auf und klaubte mit den Händen die Bücher zusammen. Es waren allesamt mythologische Bücher. Wilma hob ein besonders altes, zerfleddertes vom Boden
auf. "Vintage. Die griechische Mythologie. Geschichtsreferat?" Lily nickte und kritzelte schnell etwas auf ihren Notizblock, bevor sie ihn neben einigen anderen Bücher in einer Stofftüte verstaute. "Eigentlich ist es ziemlich interessant, ich hab' mich total festgelesen, es tut mir Leid."
Als Lily nicht gewusst hatte, was sie nach ihrem Abschluss an der Highschool studieren könnte, war sie stumpf dem Rat ihrer Eltern gefolgt und hatte mit einem Studium zur Lehrerin in den Fächern Englisch und Geschichte angefangen. In letzterem musste sie nun das Referat halten. Anfangs hatte sie gedacht, das
Fach würde sie gar nicht interessieren, doch nach einigen Essays, einigem Recherchieren und ein paar Vorlesungen, war sie Feuer und Flamme für die alten Geschichten.
Lily stellte sich auf und verstaute dann den Rest der Bücher in dem Regal hinter ihr. Sie fühlte sich seltsam benebelt vom vielen Lesen und schwankte leicht, als sie von Wilma gefolgt zum Ende des Gangs schritt. "Ich glaube, ich sollte nicht so viel Zeit hier drin verbringen.", seufzte sie und legte währenddessen die Bücher auf die Theke. Eine ältere, grauhaarige Dame kam aus dem Nebenzimmer und richtete ihre Brille zurecht, als sie Lily freundlich anlächelte.
"Ah, Lily Blackfield, hab ich recht?", das Mädchen nickte und reichte der Frau ihren Ausweis. "Der müsste bald erneuert werden, du wirst in wenigen Tagen achtzehn. Gratulation?" Die Dame schien es freundlich gemeint zu haben, doch Lily brachte nur ein gequältes Lächeln zustande. Sie war eine abergläubische Mutter gewöhnt, die bei solchen Worten direkt an die Decke springen würde und aus irgendeinem Grund, hatten sich die Gedanken, die sich ihre Mutter immer machte, in ihrem Kopf festgesetzt. "Danke.", sagte sie trotzdem, als sie die Bücher in die Hand gedrückt bekam und verabschiedete sich höflich, bevor sie gemeinsam mit Wilma die Bibliothek
verließ. "Eine seltsame Frau.", meinte Wilma und Lily zuckte mit den Achseln, auch sie hätte gedacht, dass sie meisten Menschen wussten, dass so etwas Unglück brachte. Ach, was dachte sie denn da - es war ein Aberglaube.
* * * * * *
Die Mädchen überquerten sorgsam die Straße und machten sich gemeinsam auf dem Weg zu ihrem Lieblingscafé, dem Ort wo sie sich generell immer an Donnerstagen trafen und für die das kommende Wochenende planten. Lily hielt die Stofftüte mit den Büchern in der linken
Hand und hatte die rechte Hand um den Riemen ihres Rucksackes geschlungen, der ihr über die Schulter hing. Sie plauderten fröhlich vor sich hin und holten sich kurz bevor sie das Café erreicht hatten noch ein paar neue Blöcke bei einem Schreibwarenladen. Das Café selbst war bei den meisten Studenten eine beliebte Anlaufstelle und meistens stark gefüllt. Auch heute war es nicht anders und es dauerte eine Weile, bis sie einen Tisch erobert hatten. Er war in den hintersten Reihen, dort wo es dunkel und gemütlich war.
Lily strich sich ihren dunkelbraunen Strähnen aus dem Gesicht und ging mit
nachdenklicher Miene die Speisekarte durch. Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und merkte, dass sich ihr Magen nun rächte. Nach sorgfältigen Überlegen bestellte sie schließlich Pasta und ärgerte sich hinter darüber, dass sie keinen Burger genommen hatte. Dann ließ sie ihren Blick durch die Menge schweifen, einen Teil der Leute kannte sie vom Sehen durch verschiedene Vorlesungen oder Feiern und sie nickte begrüßend, wenn einer der Menschen ihrem Blick begegnete und ihr ein freundliches Lächeln schenkte.
In der hinteren Ecke des Raumes war ein großer, runder Eichentisch, der meist von einer großen Menschenmenge besetzt war,
die sich dort mit irgendwelchen Kartenspielen beschäftigte. Heute war er fast leer. Nur eine einzige Gestalt saß mit verschränkten Armen unter dem Licht der Wandlampe. Sie bewegte sich leicht und wirkte durch den leichten Rauch, der die Luft des Cafés belebte, beinahe wie ein lebendig gewordener Schatten. Die breiten Schultern ließen erahnen, dass es sich bei der Gestalt um einen Jungen handelte, Lily kniff ein wenig die Augen zusammen, um sich die Sicht zu erleichtern. "Schaust du den Neuen an?", fragte Wilma und drehte sich ebenfalls um. "Den Neuen?", es war verwunderlich, dass man jemanden der eine Londoner University besuchte "den Neuen" nennen konnte, zumal es jede
Woche welche gab, die neu dazu kamen oder weggingen. Außerdem waren es tausende von Menschen.
"Jap, er war letztes Mal bei Angels Feier.", bestätigte Wilma ihre Worte. "Ah", machte Lily und betrachtete in weiter. Einer der Mitarbeiter öffnete das Seitenfenster und ein Teil des Rauches verschwand, was Lily gerade recht kam. Der Junge war vollkommen in schwarz gekleidet, auch wenn es nicht aussah, als würde er es aus modischen Gründen machen, dazu war die Kleidung zu schlicht und zu plump. Sie bestand lediglich aus Jeans und Sweater. Die Kapuze hatte er sich über das Gesicht gezogen und nur wenige aschblonde
Strähnen stachen unter ihr hervor. Die Gesichtszüge sahen hager aus, in der Dunkelheit beinahe ein wenig gespenstig. Lily wollte sich gerade ihrem Getränk zuwenden, als die Augen des Fremden sich plötzlich hoben und sie direkt anstarrten. Sein Augen war grau, hell grau, vom Weiten betrachtet wirkten sie wie Eis. Ohne den Blick abzuwenden, nahm sie einen Schluck ihrem Orangensaft. Der Blick war auf eine kühle Weise intensiv, durchforschend, als suche er nach etwas in ihrem Gesicht. Lily fühlte sich beobachtet und wandte sich hastig ab. Es fühlte sich seltsam an, auf derartige Weise von einem Jungen untersucht zu werden. Als suche er nach den tiefsten Geheimnissen in ihrem
Inneren. Lily blickte den ganzen Abend lang den Jungen kein zweites Mal an, ...
... hätte sie es getan, wüsste sie, dass er jede einzelne ihrer Bewegungen beobachtete.