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Der Wettstreit - Forumsbattle 32

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"Der Wettstreit - Forumsbattle 32"
Veröffentlicht am 06. Mai 2014, 12 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Der Wettstreit - Forumsbattle 32

Der Wettstreit - Forumsbattle 32

Der Wettstreit

Also ihre erste Vorstellung gestern Abend war ein voller Erfolg gewesen. Keinen einzigen bösen Zwischenruf hatte es gegeben, nur Zustimmung bis in die hintersten Reihen, es war ein großartiges Debüt. Ihre kühnsten Erwartungen wurden übertroffen, bei den Gedanken daran wuchs ihre Erregung ins Unermessliche. Noch keiner Budgetrede vor ihr war es gelungen, so großes Interesse zu wecken. Sämtliche Fernsehstationen übertrugen ihren Auftritt.


Ob sie sich nicht doch zum Dichterwettstreit anmelden sollte? Diese 100.000 Freiwörter, der Hauptpreis, war wirklich sehr verlockend. Sie könnte sie sehr gut gebrauchen, sollte sie

einmal in Erklärungsnotstand kommen.

Man weiß ja nie, was die Zukunft so bringt.

Was hatte sie schon Großartiges zu verlieren? Die Opposition mit ihren zweideutigen Fragen zur Lage der Wirtschaft würde der linke Flügel mit Überdruck zum Schweigen bringen. Sie würde einen Versuchsballon aus sepiafarbener Fallschirmseide mit dem Konterfei des Finanzministers  starten und ein neues Märchenland versprechen. Alle Leute würden begeistert zustimmen. Menschen sind leicht manipulierbar, einige Versprechungen und sie werden weich wie Kerzenwachs und somit in jede Richtung formbar. Der Finanzminister wäre stolz darauf, überlegt sie kurz, lächelt er doch ständig im Kreis sobald sich ein Reporter mit der Linse nähert. Er

gleicht eher einem stolzen Hahn, als einem seriösen Politiker, doch das ist für ihr Vorhaben nicht unbedingt hinderlich.


Auch die Morgenzeitungen sparten nicht mit Lob, nur ein kleiner Schmierfink eines regionalen rosafarbenen Randblattes hatte versucht, die angegebenen Zahlen anzuzweifeln. Doch diese Zeitung hatte nur einen winzigen Leserkreis,  war daher ziemlich bedeutungslos und würde es auch bleiben.


Ihr Entschluss stand fest, sie würde sich um die Trophäe bewerben.

Siegessicher marschierte sie mit all ihrem Zahlengeflecht und den erfundenen Bildern eines Schlaraffenlandes  vor die Kommission.

Den Koffer mit den leeren Versprechungen hatte sie vorsorglich kurz im Nirgendwo deponiert, er wäre nur hinderlich gewesen.


Doch die Probleme begannen schon bei der Anmeldung. Bei welchem Genre sollte sie sich bewerben.  Für Kurzgeschichten fehlte der Unterhaltungswert, für Politik das Interesse der Allgemeinheit, doch gab es seitens der Lobbyisten einen heißen Typ, sie möge es doch bei den Märchen versuchen. Gesagt, getan, sie reihte sich sofort  in die lange Warteschlange. Sie, ein Märchen, unglaublich wie sich die Welt in den letzten Jahrzehnten geändert hatte. Selbst glaubte sie natürlich nicht an die Richtigkeit dieser Zuweisung. Immerhin hatten die selbsternannten Experten

wochenlang an der Präsentation dieser Fakten und Zahlen herum getüftelt. Es war einwandfreies Hochdeutsch, in dem sie verfasst war. Meister Duden sei Dank. Ob man die Zahlen überprüfen würde, niemand konnte darüber Auskunft geben, doch schließlich war es ja keine Mathematikolympiade. Endlich war es soweit und sie durfte sich vorstellen. Man überprüfte Inhalt und Wahrheitsgehalt ihrer Angaben, lobte die märchenhafte Erzählform und fand durchaus Gefallen an den Zauberkunststücken, die ausschnittsweise erwähnt wurden. Die Gebrüder Grimm, die sich den Vorsitz teilten, beanstandeten aber mit Nachdruck den eher negativen Gesamteindruck. In einem Märchen würde am

Ende immer das Gute das Böse besiegen, bei ihr sei es leider umgekehrt, daher könne man keine Startnummer vergeben.


Enttäuscht schlich sie Richtung Ausgang. Das Startgeld, das natürlich vorsorglich schon vor Betreten des Saales bezahlt sein musste, war wahrscheinlich für immer verloren. Bei ihrer momentanen prekären finanziellen Lage schlicht und einfach eine Katastrophe.


Kurz bevor sie die Ausgangstür erreichte, bat sie ein sympathischer Mann an seinen Tisch. Er stellte sich als Baron Münchhausen vor und versprach ihr, sich für ihre Zulassung zum Wettbewerb einsetzen zu wollen. Er fand ihre Präsentation mehr als gelungen, sie würde

genau seinen Vorstellungen entsprechen. Die beiden Märchenonkel hätten ihr sicherlich nicht weiter helfen können, da ihre Stimme in der Jury nicht denselben Wert hätte, wie seine. Seine Kandidaten seien schon oft auf dem Siegertreppchen gestanden, während sich die Märchenabteilung noch nie verdient gemacht hätte.


Kurze Zeit später hielt sie die Startnummer 2014 (Lügen) in den Händen. Sie ging also für die Lügenabteilung ins Rennen. Doch für einen Rückzug war es zu spät, denn der Auftritt der Bewerber hatte bereits begonnen. Nach einigen nichtssagenden Beiträgen aus der Kulturabteilung war sie an der Reihe.

In geschliffenem Hochdeutsch mit einem

Lächeln auf den Lippen trug sie ihre Aussagen vor.


Schon die mit spitzer Feder geschriebene headline „Trendwende“ erntete großen Beifall, nachdem sie trotzdem mit der alten Gelassenheit die Schuldenpolitik der Vorjahre fortsetzen will. Sie verspricht eine geringe steuerliche Entlastung und ein baldiges Ende der Schuldenpolitik. Als Zeichen für den Aufschwung würden sogar Berge wachsen. Zweideutige Randbemerkungen über die gute Zusammenarbeit der Regierung und den Sparwillen der Bevölkerung konnte sie sich nicht verkneifen.


Die abschließende Beurteilung der

Kommission: Konkrete Reformen seien nicht erkennbar, nur Scheindarstellungen. Versprochen wird eine Steuerentlastung, das Gegenteil ist der Fall. Es würde auch nur ein einziger Berg wachsen, nämlich der Schuldenberg. Auch die Rechenbeispiele erwiesen sich allesamt als undurchführbar, da die Einnahmen viel zu hoch und die Ausgaben viel zu niedrig angegeben waren.


Ihr Vortrag hatte als einziger die Vorgaben der Kommission in allen Punkten erfüllt und daher war ihr der Hauptpreis zuzuteilen.

Es folgten Gratulationen von allen Seiten und die 100.000 Freiwörter ordneten sich bereits nach dem Alphabet. Auch der Finanzminister

selbst war mehr als zufrieden, durfte er sich doch von nun an auch „Baron“ nennen.

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VictoriaS Und wer hat nun eigentlich den "Wett-"streit gewonnen? ;)

LG
Victoria
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ulla Natürlich unsere Budgetrede, war sie doch eine einwandfreie Lüge...
freue mich sehr, wieder etwas von dir zu lesen
danke und noch einen netten Abend
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
Scheherazade Vielen Dank für den sehr gelungenen Beitrag zum Battle!

LG
Scheherazade
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke dafür, dass du dich schon vorab informierst
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
Phil_Humor Tja, die Staatsschulden müssten abgebaut werden. Aber wer sagt's der Bevölkerung? Wahrheit ist in diesem Fall nicht sehr populär. Man tut als Politiker so, als habe man noch 'zig Asse im Ärmel. Höchstens als Falschspieler schafft man das. Womit wir beim Thema Lüge wären. Und bei dem von Dir eingereichten Beitrag in der Kategorie Lüge - von Baron Münchhausen protegiert. Bravo.

LG
Phil Humor
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke Phil,
man gewöhnt sich an alles und irgendwie wurschtelt man immer weiter
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
avewien Im Prinzip sollte jeder Finanzminister diesen Titel erhalten. Es bleibt ihnen ja auch nicht viel anderes übrig. Wahrheit sagen heißt Abschied nehmen vom Amt...
Was mich immer wieder wundert - alle Staaten haben Staatsschulden - wer ist da noch im grünen Bereich - aber lassen wir das einfach.

Eine wirklich gute Idee für die Battle!

Lieben Gruß
Andreas
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Gönnen wir ihm doch diesen Titel, es könnte schlimmer kommen, noch haben w ir einen Finanzminister
Danke Andreas
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Die Bilder Deines Wettstreites haben irgendwie einen Beigeschmack - Du willst Doch nicht "uns Angie" damit gemeint haben, oder etwa doch? Klasse Beitrag, den ich so stehen lassen würde: mittig.
Liebe Grüße von der "gegnerischen Partei",
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
ulla grins... ganz ohne Hintergedanken,
bin ja eine Ösi
Danke fürs Lesen
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
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