Humor & Satire
Ich sach, was, sach ich ... - Aus der Serie "Deutsch - eine Frage der Ähre"

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"Ich sach, was, sach ich ... - Aus der Serie "Deutsch - eine Frage der Ähre""
Veröffentlicht am 06. Mai 2014, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
Ich sach, was, sach ich ... - Aus der Serie "Deutsch - eine Frage der Ähre"

Ich sach, was, sach ich ... - Aus der Serie "Deutsch - eine Frage der Ähre"

Schauplatz Baumarkt, Gang 29, irgendwo zwischen Akkuschrauber und Stichsäge, keine Möglichkeit, dem Entgegenkommenden ungesehen auszuweichen. Zwei Männer mittleren Alters, gut aussehend, durchaus einen intelligenten Eindruck machend: „Ach! Hallo …“ (Betonung auf "hal", verlegenes Hüsteln) „Ja, hallo!“ (Betonung auf der zweiten Silbe) „Ewig her, was?“ In die von Wiedersehensfreude geprägten Gesichtsausdrücke mischt sich ein Anflug von Ratlosigkeit. Beiden Herren ist anzusehen, dass sie ahnen, einander schon einmal – vielleicht geschäftlich – begegnet zu sein, aber der Name, verdammt, der Name? Schweigen. Neuer Anlauf. „Und? Alles gut?“ „Viel Stress.“ „Immer noch, was?“ „Na ja, bald ist Rente.“ „Ja, ja ...“


Beide lachen. Schweigen. Räuspern. Dann: „Na denn!“ „Jau, man sieht sich.“ Erleichtert über das Ende des bravourös gemeisterten Zwiegespräches heben beide kurz die Hand und jeder geht seines Weges. Ich finde sie spannend, diese kleinen Szenen und Gesprächsfetzen, dir mir im Vorübergehen ins Auge fallen respektive ins Ohr wehen. Die deutsche Standardsprache umfasst einen Wortschatz von etwa 75.000 Wörtern, mit Abwandlungen wird die Gesamtgröße des deutschen Wortschatzes – laut Wikipedia - je nach Quelle und Zählweise auf 300.000 bis 500.000 Wörter geschätzt. „Die Welt“ versteigt sich gar zu der Aussage, die deutsche Sprache verfüge über 5,3 Millionen Wörter. Faszinierend … Nun spricht man uns Norddeutschen ohnehin die

Fähigkeit ab, lange, druckreife Sätze verbal formulieren zu können.Wozu auch, wenn man ein „Was ist denn passiert, erzähl doch mal!“ ebenso treffend, aber knapp mit „Was'n los?“ ausdrücken kann? Spart Zeit. Und Energie. Der eine oder andre hat es darin zu einer derartigen Perfektion gebracht, dass er mit drei bis vier Worten pro Dialog auskommt, wozu er sich nur zwei bis drei unterschiedlicher Wörter zu bedienen braucht: „Moin!“ „Moin!“ „Und?“ „Muss!“ „Jo. Moin.“ „Moin.“ Diese Beschränkung auf das Wesentliche hätte ich mir bei folgender Szene

gewünscht: Ort des Geschehens: Vor der Filiale eines bekannten Drogisten. Protagonisten sind zwei Frauen um die 40, denen ich den Besuch dieses Geschäftes zwecks Kaufs von Shampoo dringendst empfehlen würde. Die eine, gut beleibt und in einen dieser unsäglichen lilafarbenen Pullover mit durch den Kragen gefädeltem Bändchen gehüllt, wie man sie nur auf Wochenmärkten beim Afrikaner seines Vertrauens kaufen kann, die andere trainingshosengewandet, ohne dabei im Mindesten sportlich zu wirken, Zigarette in der Hand und leider nicht im Vollbesitz eines Gebisses. O-Ton der Zahnlückenträgerin: „Ich sach, was?, sach ich. Ich sach, du spinnst, sach ich. Das kannste mir doch nich erzähln, sach ich.“ Ja nee, is klar

… Und dann durfte ich einem Gespräch lauschen, das fast identischen Inhalts war, dieses Mal wurde aber statt eines Mono- der folgende Dialog rezitiert. „Und ich so: Nee, ne? Und er so: Doch echt! Und ich wieder: Das glaub ich jetz nich, ey!“ Man könnte über den Verfall der deutschen Sprache entsetzt sein, aber ich registriere bei der Beobachtung der beiden Teenager etwas Anderes: Sie haben kichernd ihre Köpfe zusammengesteckt, wie man es aus der Zeit kennt, als die Halbwüchsigen tatsächlich noch mithilfe von Zunge, Lippen und Stimmbändern kommunizierten statt sprachlos nebeneinander zu hocken und die sozialen Kontakte mittels Fingerspitzengymnastik auf einem Touchscreen (scheint auch ein deutsches Wort zu sein, die automatische Korrekturfunktion meines

Schreibprogramms akzeptiert diesen Ausdruck jedenfalls anstandslos) zu pflegen. Na, das lässt mich doch hoffen.

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Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
Quertextein und hinterm Komma links
ISBN 978-3944907215

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GertraudW Ganz herrlich geschrieben, liebe Gunda. Hab es schmunzelnd gelesen - auch wenn ich eine waschechte Münchnerin bin.
Wir Bayern reden ja auch nicht sooo viel. "Wie bitte?" heißt bei uns nur "Ha?" oder "Das ist doch nicht möglich" heißt "a geh?" ;-)))
Liebe Grüße an Dich
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Lächel ... Also eigentlich ist es weniger die Wortkargheit, die mich hier beeindruckt hat, sondern mehr dieser allgemeingültige Charakter. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass dieses "alles gut?" als Begrüßungsfloskel sehr um sich gegriffen habe. Ich wollte es nicht glauben und habe mal bewusst darauf geachtet - und es ist so! Und das Komische daran ist, es ist nicht etwa die Jugend, die sich so begrüßt ...

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Janara Ich hab mal gehört, dass ein Norddeutscher schon geschwätzig ist, wenn er "Moin, Moin" sacht ..
;o)
Herrlich, Gunda!
LG
Jana
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Liebe Gunda,
"Fingerspitzengefühl" - treffend!
LG Uschi
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Toll eingefangen!
Wir alle kommunizieren, die einen so, die andren so... es gibt eben solche und solche, wobei solche überwiegen... würde ich einmal sagen ;-)

Liebe Grüsse
Paul

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Soooo isses. Ach Paul, wenn sich alle immer in geschliffenen Sätzen ausdrücken würden, wäre es auch langweilig - und mir würde eine wichtige Inspirationsquelle fehlen :o)

Lieben Gruß und Dank
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
avewien Find ich gut... Echt ... ganz o.k. ... passt
Wenn das zu kurz ausgefallen sein sollte....
Ich bin Dir dankbar für diesen Text! Ganz öhrlich! Warum? Weil die "Dialoge", die man(n) so mitbekommt - in öffentlichen Verkehrsmitteln etc. - einfach nicht mehr anzuhören sind!!!!!
Obwohl - ich erwische mich auf immer wieder dabei ....

Abgesehen davon: ich habe mir letztens bei einer Straßenbahnfahrt gedacht - warum werden eigentlich noch die Fassaden der Häuser "aufpoliert"... in der Straßenbahn haben - vorsichtig geschätzt - 90% in ihr Smaatfoon geblickt und es gesäubert - zumindest hat es so ausgesehen... na ja ...

Gruß aus Wien
Andreas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Das wird sogar zu einem echten VErkehrsproblem, Andreas. Die Menschen schauen nicht nur in der Straßenbahn auf ihre Minibildschirme, sie tun es auch auf der Straße beim GEhen und richten damit ihren Blick nach unten statt nach vorne. Habe ich gerade einen Bericht drüber gelesen.

Ja, natürlich rede ich auch nicht immer druckreif. Aber bei manchen Menschen - eben gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln - habe ich das Gefühl, dass sie sich ganz bewusst einer schnodderigen Sprache bedienen, entweder um besonders "cool" zu sein - oder vllt sogar, um zu provozieren und sich damit von "den Alten" deutlich abzugrenzen. Ist ja auch nichts gegen einzuwenden, wenn sie ansonsten zu einer normalen Unterhaltung überhaupt in der Lage sind ...

Lieben Gruß und Dank für Gedanken und Favo.
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
avewien Stimmt beim Gehen fällt mir das auch auf - und natürlich beim Auto fahren....na ja ...
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hihi, die beiden sozial etwas geringer gestellten Probandinnen hatte ich eben bildlich vor Augen. Ansonsten ist man hier ja ähnlich maulig, aber wenn man redet, dann beeilt man sich wenigstens. Das regt mich immer an Süddeutschen so auf: Die kommen und kommen nicht aus dem Knick. Ich erwische mich öfter dabei, kreisförmige Bewegungen mit der Hand machen und sagen zu wollen: "Ja was, nu komm, mach hinne!"

Sprache lebt ja bekanntlich, und so schaffen es dann auch die Touchscreens in unsere Sprache. ;-) Du würdest die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denn du die Leute bei mir im Büro hören könntest. Da wird gesearcht, gecountet und approv(e)t, bis die Schwarte kracht. Manchmal finde ich das unmöglich. Andererseits würden wir heute immer noch reden wie die Menschen vor ein paar hundert Jahren, würde sich Sprache nicht aus dem zeitlichen Kontext heraus entwickeln.

Amüsierte Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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