Metamorphose
„Hier ist es eigentlich gar nicht so schlecht. Nicht das ich das vor zwei Wochen zugegeben hätte.“
Wie so oft in letzter Zeit entlockten Elseas Worte mir ein Lächeln und ich warf ihr einen Blick im Spiegel zu. Die Knie angezogen hockte sie auf meinem Bett und blickte starr auf den Boden.
„Es wundert mich, dass du es überhaupt tust. Und jetzt sei still, ich muss mich konzentrieren.“
„Oh, der Meister braucht Ruhe um sein Werk zu vollbringen. Glaub mir Kleiner, dass wird nichts.“
Ihre Ausdrucksweise überraschte mich
immer wieder aufs neue, ebenso wie ihre freche Art.
„Wer muss hier lernen, seine Gestalt zu verändern, du oder ich?“
Sie zuckte die Schultern.
„Man muss nichts, außer sterben und auf den Abtritt.“
Ich presste die Lippen zusammen um nicht zu lachen und schüttelte den Kopf. Trotzdem verkniff ich mir eine Antwort und zog die Augenbrauen zusammen.
Metamorphose, das ändern der Gestalt, war eines der wenigen Dinge, an denen ich mir fast die Zähne ausbiss.
Langsam begann ich meine Gestalt zu verändern. Das Haar wurde lang und lockig, die Augen grün, die Haut blasser.
Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn und ich keuchte vor Anstrengung. Das Schwierige war nicht, die Gestalt zu verändern, sondern diese zu halten.
Unaufhaltsam entglitt mir der Faden und mit einem Stöhnen ließ ich mich auf die Knie fallen.
„Ich krieg es nicht hin! Elsea, hilf mir!“
Lautlos kam sie zu mir und hockte sich neben mich.
„Dabei kann ich dir nicht helfen. Aber du kannst nichts erzwingen. Magie genauso wenig wie Erfolg, Glück oder Liebe.“
Sie verkrampfte sich und ich wusste, wieso. Normalerweise reagierte ich heftig auf dieses Thema. Heute aber wollte ich es sein
lassen.
Grollend rieb ich meine Wange an ihre Hand und stand wieder auf.
„Es ist frustrierend. Ich bin der Teufel! Ich sollte das können!“
„Du bist gerade mal seit dreizehn Jahren der Teufel. Du weißt doch noch nicht mal, was für Fähigkeiten du überhaupt hast. Dann reg dich über so etwas nicht auf.“
Ich murmelte etwas unverständliches vor mich hin und verließ das Zimmer. Es war keineswegs unfreundlich gemeint, und Elsea wusste mittlerweile, dass es nur bedeutete, dass ich aus dem Raum hinaus wollte.
Wie ein Schatten folgte sie mir bis in den
Thronsaal. Mein Thron war kalt, aber nach dreizehn Jahren hatte man sich daran gewöhnt. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin setzte Elsea sich auf die Stufe vor dem Thron und blickte gedankenverloren in den Raum hinein.
„Luzifer?“
Ich blickte mich um und sah Azazel aus dem Schatten einer Statue treten.
„Na alter Junge, was ist los?“
Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich meinen ältesten Verbündeten ansah.
„Moses begibt sich auf den Berg Sinai.“
„Ein bitte was geht auf den Berg?“
Elsea drehte sich um und legte mir die Hand aufs Knie.
„Moses. Er soll das Volk aus Ägypten
hinaus führen und die Gebote Gottes entgegen nehmen.“
Wie ich aufgeschmissen wäre ohne Elsea!
„Aber warum sollte ausgerechnet er das Volk aus Ägypten führen?“
Azazel zuckte die Schultern.
„Ich weiß es nicht. Aber sein Volk leidet Hunger auf der Reise. Vielleicht solltest du vorbei schauen.“
Gedankenverloren nickte ich und blickte Elsea in die Augen. Sie blinzelte und lächelte leicht.
„Tu das. Gib ihnen etwas zu Essen. Vielleicht steckt doch nicht nur Misstrauen in den Menschen.“
Hin und hergerissen blickte ich sie
weiterhin an und kaute auf der Unterlippe.
„Nun gut, aber nur, wenn du mich begleitest. Und wenn sie etwas gegen mich haben, sind die Menschen endgültig für mich gestorben.“
Lachend griff Elsea nach meiner Hand und zog mich vom Thron runter.
„Komm schon, dass will ich sehen.“
„Du bist verrückt, Kleine.“
Trotz meiner Worte folgte ich ihr lächelnd für meinen ersten Besuch auf der Erde seit dem Angriff auf das
Paradies.