Kurzgeschichte
Erfahrungen

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"Erfahrungen"
Veröffentlicht am 04. Mai 2014, 32 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Würde ich beruflich schreiben müssen, ich würde verhungern. Zu schreiben ist für mich eine Möglichkeit, mich mit mir selbst auseinander zu setzen. An manchen Tagen formen sich die Gedanken wie von selbst zu Worten und Sätzen, niedergeschrieben in Gedichten oder Geschichten. An anderen Tagen wiederum warte ich vergebens auf eine Inspiration. Um so intensiver erlebe ich die Zeit, in der meine kleinen Werke entstehen.
Erfahrungen

Erfahrungen

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

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Kapitel 1 Für und Wider

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Kapitel 2 Der nächste Tag

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Kapitel 3 Überlegungen

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Kapitel 4 Fülle dich, Topf

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Kapitel 5 Mein Traum

***

Kapitel 6 Unruhe

Vorwort

...»Mit diesem Topf kannst du alles herbeischaffen, was du nur wünschst. Wenn du ihn gebrauchen willst, so stell ihn in den Schatten, bedecke ihn und sprich: ‚Fülle dich, Topf!’, und du wirst sehen, dass der Topf gehorcht; nur hüte dich, ihn je zu reinigen oder von der Sonne bescheinen zu lassen.«....


Auf dieser Grundlage... als Anregung gedacht, entstand die folgende Geschichte

Für und Wider

Was war das eben?... hatte ich nur geträumt, oder war da wirklich diese kleine Gestalt. Ein Zwerg, mit einem weißen langen Bart. Er schimmerte in seinem Gewand in den verschiedensten Grüntönen, so dass ich ihn gar nicht gleich bemerkt habe. Seine Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. Unschlüssig stand ich nun, mit dem Topf im Arm, auf der Lichtung, die von den letzten Sonnenstrahlen des Tages sanft umhüllt wurden. Ich hatte tatsächlich so viele Wünsche und Träume, deren Erfüllung ich mir so

oft herbeigesehnt habe. Sollte ich mich auf das Angebot des kleinen Mannes einlassen? Oder wäre es besser, den Topf an Ort und Stelle zu belassen und so zu tun, als hätte es dieses Gespräch zwischen uns beiden nie gegeben? Ich entschied mich für das Abenteuer, wenn es denn eines sein sollte, das da auf mich warten würde und nahm den


kleinen alten Topf an mich.

Der nächste Tag

Die Sonne war schon längst untergegangen, als ich wieder Zuhause ankam. Es war still in unserer Straße. Nur ab und zu bellte ein Hund, der ins Haus wollte. Ich schloß leise die Tür zu meinem Heim auf und stellte den Topf auf die unterste Stufe der Kellertreppe. Dort vergaß ich ihn dann auch und so wurde es Nacht. In meinem Traum sah ich den Zwerg wieder, der mir seine Worte eindringlich ans Herz legte: „ ... hüte dich, ihn je zu reinigen oder

von der Sonne bescheinen zu lassen !....“ Unruhig war die Nacht, am nächsten Morgen fühlte ich mich wie erschlagen, doch alles Hadern half nichts . Ich musste hinaus in den neuen Tag und meiner Arbeit nachgehen. Der Tag war lang und vollgepackt mit viel Arbeit. Am Abend kam ich müde und mit schweren Beinen nach Hause. So schwer, daß ich in einer unachtsamen Minute stolperte. Es schepperte mit lautem Getöse. Ich war über den alten Topf gestolpert, den ich am Abend zuvor auf die Kellerteppe gestellt und ihn dort vergessen

hatte. Umständlich holte ich ihn unter den Stufen hervor und besah ihn mir von allen Seiten. Es schien ihm nichts passiert zu sein.


Überlegungen

Was hatte doch der kleine Zwerg gesagt? „….Mit diesem Topf kannst du alles herbeischaffen, was du nur wünschst....“? Mir kam ein Gedanke. Was wäre, wenn ich mir eine Auszeit wünschen würde? Eine Auszeit von all dem, was mir das Leben im Augenblick zu schwer macht? Die Sorgen um meine Familie, um meinen Arbeitsplatz, die finanziellen Sorgen, die einfach nicht weniger werden wollten. Die ständige Überforderung, der ich mich tagtäglich ausgesetzt fühlte. Die kleinen körperlichen Schwächen, die

sich nun von Tag zu Tag immer öfter an meine Seite gesellten. Die unruhigen, oft schlaflosen Nächte, die mit kreisenden Gedanken gefüllt sind. Momente der Einsamkeit, und Momente des Nicht-geliebt-werdens. All das könnte mir mein Töpfchen nehmen. Wenn ich es nun einfach mal versuche? Nur ein einziges Mal.


Einmal sehen, wie es ist, frei von allen Zwängen leben zu können

"Fülle dich Topf"

Es war noch mild an jenem Abend im Vorfrühling. Die Abendsonne versprach einen neuen schönen Tag. Ich stellte den kleinen Topf, noch etwas zögerlich unter das Vordach unseres Hauses. Dort war es schattig, die letzten Sonnenstahlen schafften es nicht mehr bis dorthin. An die Worte des kleinen Zwerges erinnerte ich mich noch gut, als ich sie jetzt aussprach: „Fülle dich Topf.“ Es geschah, was ich mir nie habe träumen

lassen. Ich fühlte eine Leichtigkeit in mir aufsteigen. Es war ganz still um mich herum. Ich schloß meine Augen und lehnte mich zurück an die Hauswand, vor der mein Töpfchen stand und begann ein neues Leben – mein neues Leben. Als ich wach wurde, fand ich mich am Strand wieder. Ich spürte die Wellen, die leichte, nach Salz durftende Meeresbrise, die mir um die Nase wehte. Oh, wie ich die See liebte. Nichts störte meine Harmonie, ich war eins mir mit selbst. Ich ruhte in mir. So saß ich vielleicht zwei, drei Stunden, und ließ mich treiben, fernab, von allem,

was mich bisher bedrückt hatte. Ich ließ meine Blicke über die Wellen, hinüber zum Strand schweifen. Im Licht der Sonne sah ich Menschen, die dort saßen.



mein Traum

Ich sah eine kleine Familie. Eltern, zwei Kinder, die im Teenageralter waren. Sie schienen eine angeregte Unterhaltung zu führen. Fast stritten sie sich. Der Wind trug einzelne Wortfetzen zu mir herüber. Es ging um die Selbstständigkeit der jungen Leute. Sie konnten nicht verstehen, warum sich ihre Eltern große Sorgen um sie machten. Sie wollte doch nur auf eigenen Füßen stehen und die Welt kennenlernen. Doch was konnte alles geschehen. Eltern müssen loslassen können, es schien so schwer zu sein. Ich sah, wie eine Frau etwas in der Hand

hilt, als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass es ein Kündigungsschreiben war. Tränen rannten der jungen Frau über die Wangen und die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Nun würden die finanziellen Sorgen noch viel größer werden. Sie wußte bisher schon nicht mehr, wie sie die Raten für den Kredit aufbringen sollte, die sie Monat für Monat an den Rand ihrer Existens brachten. Sie musste damals einen Kredit aufnehmen, um staatlichen Auflagen nachzukommen. Mein Blick wanderte weiter, hinüber zu einer Frau in meinem Alter. Sie saß etwas abseits der anderen. Und sie schien mit ihren Gedanken ebenso weit

weg zu sein, wie ich selbst so oft. Sie holte etwas aus ihrer kleinen Tasche hervor. Erst erkannte ich es nicht gleich, doch dann konnte ich die Aufschrift auf den vielen kleinen Packungen lesen: Es waren Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Schmerztabletten. Sie schien sich aber nicht das Leben nehmen zu wollen. Jedenfalls nicht in diesem Moment. Sie wollte wohl etwas Linderung, Linderung gegen all das, was die bedrückte, gegen die schleichenden Rückenschmerzen, die ihr das Heben der viel zu schweren Kisten fast unmöglich machten, gegen die pochenden

Kopfschmerzen, die sich meistens am Abend einstellten, wenn sie doch eigentlich schlafen hätte können. Ja der Schlaf, auch den verschaffte sie sich mit etwas Hilfe, mit Hilfe von Tabletten. Auf der anderen Seite, weit weg von ihr saß ein Mann im Sand. Ich konnte ihn nicht erkennen, ich ahnte nur mehr seine Anwesenheit, wie durch einen Nebel. Das Paar schien sich nichts mehr sagen zu können. Ich spürte förmlich die Eiseskälte, die zwischen ihnen stand. Wo war die Nähe, die sie doch einst miteinander verband? Wie konnte es soweit kommen und wann hatte das alles ein Ende?

Unruhe

Das Alleinsein und ein Gefühl der Einsamkeit überkamen mich, als ich wie in einen Spiegel sah: Ich sah mich meinem eigenen Leben gegenüber. Ich wollte aufstehen, wollte wegrennen von diesem Ort, von dem ich mir doch soviel versprach. Doch meine Beine versagten mir den Dienst. Wie angewurzelt blieb ich sitzen, dem Wind und der See ausgesetzt, die mich zwangen, mich mit meinem eigenen Leben auseinanderzusetzen. In mir stieg Unruhe auf. Ich versuchte

mich loszureißen Schließlich schaffte ich es und stieß mich mit aller Kraft von der Wand , an der ich lehnte, ab. Dabei stieß ich den alten Topf um. Es hatte geregnet. Der Hof war von Pfützen bedeckt, in denen sich die Abendsonne spiegelte. Wie lange hatte ich wohl dort an der Mauer gelehnt? Wieviele Stunden, oder waren es nur Minuten, in denen ich mein ganzes bisheriges Leben noch einmal erlebt hatte? Der alteTopf rollte ins Sonnenlicht. Unfähig mich zu regen, sah ich ihm hinterher. Ich ließ ihn einfach seine Bahn ziehen. In

einer Pfütze blieb er schließlich liegen. Und trotzdem die Sonne noch immer schien, begann es wieder zu regnen. Die Regentropfen glitzerten im letzten Licht des Tages. Und am Horizont sah ich einen Regenbogen.

Ich erinnerte mich der Worte des kleinen Zwerges: „...nur hüte dich, ihn je zu reinigen oder von der Sonne bescheinen zu lassen...“ Der alte Topf war verschwunden, ich aber um eine Erfahrung reicher.




Ende


Anmerkung:

Alle Bilder entstanden während zweier Urlaubsfahrten.

- die "Meeresbilder" auf Mallorca

- die "Waldbilder" im Thüringer Wald


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Hörbuch

Über den Autor

Andrea_B
Würde ich beruflich schreiben müssen, ich würde verhungern.
Zu schreiben ist für mich eine Möglichkeit, mich mit mir selbst auseinander zu setzen. An manchen Tagen formen sich die Gedanken wie von selbst zu Worten und Sätzen, niedergeschrieben in Gedichten oder Geschichten. An anderen Tagen wiederum warte ich vergebens auf eine Inspiration. Um so intensiver erlebe ich die Zeit, in der meine kleinen Werke entstehen.

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Montag Eine sehr schöne und lehrreiche Geschichte, ergänzt um passende Fotos. Hat mir gefallen.
LG Montag
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