Krimis & Thriller
Die Letzte Bastion Christi - Teil 2 Vorableseprobe

0
"Einmal dabei kommt man nicht mehr von los!"
Veröffentlicht am 01. Mai 2014, 208 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: Porter Thomson
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: ...
Einmal dabei kommt man nicht mehr von los!

Die Letzte Bastion Christi - Teil 2 Vorableseprobe

Anmerkung

Diese Leseprobe ist auch kostenlos als epub bei Neobooks.com zu haben!

Auch wenn Ihr hier über 200 Seiten zu bewältigen habt, so ist es doch nur das 1. von 7 Kapiteln. Es ist eben ein gestandener Roman. Inzwischen ist bei neobooks.com der komplette 2. Teil als epub veröffentlicht worden. Wollt Ihr wissen, wie alles begann? Dann lest doch auch den 1. Teil von


"Die Letzte Bastion Christi"

Kairo, 15. Oktober 2038, 08.36 Uhr (07.36 Uhr MEZ)

Emsiges Treiben herrschte auf dem kleinen Marktplatz mitten in Kairo. Die Händler hatten ihre Stände geöffnet, wo sie alles anboten was eben auf so einem Markt erworben werden konnte. Angefangen von Obst und Gemüse, über Backwaren, ja sogar Fleisch- und Gewürzwaren bis hin zu Korb- und Töpferwaren oder Kleinelektronik und vielem mehr, wurde hier feil geboten. Die Angebotsvielfalt war überwältigend. Die Händler priesen lauthals ihre Waren. Erstaunlich viele Kunden feilschten bereits in diesen Morgenstunden mit den Händlern, so lange noch kühle Schatten

der umliegenden hohen Häuser über dem Markt lagen. Die Leute nutzten die morgendliche Frische von nur 20 C° um ihre Einkäufe zu tätigen. Ein leichter Wind trug den unwiderstehlichen Duft von Gewürzen, frischem Brot und geröstetem Allerlei über den Markt. In den Häusern, die den Platz umgaben, befanden sich Geschäfte, Handwerkerläden, Kaffees und Hotels. Vor einem dieser Kaffees saß an einem kleinen runden Tisch, das ganze Treiben auf diesem Markt nicht weiter beachtend, ein dunkelhaariger Mann von vielleicht 40 Jahren in gepflegter europäischer Kleidung. Sein Gesicht zierte ein Schnauzbart. Dem ganzen Trubel nichts

abgewinnend, las er die Zeitung. Vor ihm stand eine Tasse Espresso und ein Frühstücksgedeck mit Butter, ein paar Croissants, Kräuterfrischkäse und Konfitüre. Er blätterte gerade eine Seite seiner Zeitung um, als sich ein weiterer junger Mann in ebenfalls gepflegter, heller, europäischer Kleidung zu ihm setzte. „Guten morgen Mustafa!“, sprach er sein Gegenüber an. Mustafa klappte eine Ecke seiner Zeitung herunter. „Hussein! Was gibt’s?“ Er schaute Hussein über seine Zeitung lunschend an. „Der Chef ist schon ein wenig angenervt,

weil du deine Arbeitszeiten doch ganz schön frei interpretierst, wenn Du verstehst was ich meine!“ Dem jungen Hussein war es sichtlich unangenehm seinem wesentlich älteren Gegenüber, wenn auch nur andeutungsweise, Vorwürfe zu machen und rutschte auf seinem Stuhl nervös hin und her, als hätte er glühende Kohlen unter seinem Hintern. „Ach! Er ist angenervt? Das ist schön zu hören. Warum hat mich dieser Arsch auch zu sich in die Wüste geholt? Er hätte mich ja auch in Madrid lassen können.“ Mustafa schien auf seinen Chef nicht gut zu sprechen zu sein. „Ich bin nicht nur deswegen hier! Ich wollte es dir eigentlich in der

Dienststelle sagen. Auf dem Wege dahin habe ich dich aber hier sitzen sehen. Es kann sein, dass Du in Kürze schon nach Mogadischu musst. Die haben da jemanden geschnappt, der wohl dringend deine Aufmerksamkeit benötigt.“ Mustafa klappte jetzt seine Zeitung zusammen. „Mogadischu? Ich? Warum?“ Er war neugierig geworden. „Nun ja, allem Anschein nach, die erkennungsdienstliche Behandlung ist noch nicht ganz abgeschlossen, deutet alles darauf hin, dass es sich bei diesem Mann um einen hochrangigen ehemaligen NATO-General aus Brüssel handelt.“ „Warum sollte mich dieser General

interessieren? Mein Metier liegt in der Zerschlagung des christlichen Untergrundes in Europa. Weswegen ich auch bis jetzt nicht verstehe, dass man mich von Madrid in diese beschissene Wüste versetzt hat.“ „Vielleicht war es ja ein wenig übertrieben. Immerhin hast Du es ja nur mit der Frau deines dortigen Chefs getrieben und ihn, als die Affäre aufgeflogen ist, körperlich angegriffen.“ „Hey! Diese Schlampe hat sich doch von Jedem aus der Madrider Dienststelle vögeln lassen, der hochrangiger als ein Major war! Nur dummerweise sind wir Beide aufgeflogen.“ „Wie auch immer! Wenn dieser Mann, den

die Jungs in Mogadischu geschnappt haben, der ist für den wir ihn halten, dann ist es General Samuel Burck.“ Jetzt klingelte es bei Mustafa. Er packte die Zeitung beiseite und legte einen Fünf-Pfund-Schein auf den Tisch. „Komm lass uns in die Dienststelle gehen. Ich muss mit dem Chef sprechen.“

Nürnberg, 15. Oktober 2038, 08.00Uhr

Es regnete wie aus Eimern und das Wasser lief in kleineren Bächen die Rinnsteine entlang. Als ob dies nicht schlimm genug wäre, hat er von der muslimischen Provinzverwaltung auch noch den Befehl erhalten heute unbedingt im Zentrum der Stadt Streife zu laufen! Zu allem Überfluss hat man ihn, wie es seit dem Ende des Krieges üblich war, nur mit einem Gummiknüppel und einem Communicator ausgestattet. Schlecht gelaunt, die dünne Regenpelerine über seinen Schultern, eilte der Streifenpolizist durch den Regen von einem überdachten Schaufenster zu

einer überdachten Bushaltestelle. Dort blieb er einen Moment stehen und schaute zum Himmel hinauf, in der vergeblichen Hoffnung, der Regen würde jeden Moment aufhören. Doch es hatte sich so richtig schön ein geregnet. Nur noch eine viertel Stunde!, dachte er sich. Dann würde ihm sein Pieper an diesem verhassten Dienstcommunicator endlich verkünden, dass er seine fünfzehn Minuten Frühstückspause machen durfte. Er stand noch immer unter der Bushaltestelle als ein Stadtlinienbus anhielt. Er war fast leer. Nur eine junge verschleierte Frau saß darin. Seit dem Ende des Krieges hatten alle Frauen und fruchtbaren Mädchen, egal ob

Muslime, Christen oder Juden, in der Öffentlichkeit verschleiert zu sein. Der Polizist stutzte. Das Gesicht kenne ich doch! Ohne zu zögern sprang er in den Bus und ging ohne zu bezahlen nach hinten durch. Er setzte sich auf den Platz neben der Frau auf der anderen Seite des Ganges. Der Bus fuhr weiter. Die Frau hatte ihn wohl noch nicht bemerkt. Sie schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Ziellos schaute sie die Lehne des Fahrgastsitzes vor ihr an. So wie sie da saß, mit ausdruckslosem Gesicht, wusste unser Streifenpolizist nicht zu sagen in welcher Gemütsverfassung diese Frau sich gerade

befand. Aber ihr Gesicht war in all den Jahren nicht ein Stück gealtert! Eher war es noch anmutiger, noch edler geworden! Die Zeit konnte ihr wohl nichts anhaben! „Guten Tag Frau Kramp!“ Ihr Gesicht schoss herum. Einen Moment schaute sie ihn entsetzt an, bis ein überraschtes, freudiges Lachen ihr Gesicht erstrahlen ließ. Einer Perlenkette gleich, leuchteten zwei weiße Reihen von Zähnen auf. „Um Himmelswillen Herr Gerlach! Ich fasse es nicht! Das ist ja eine Überraschung! Ich freue mich sehr Sie zu sehen!“ Ramira reichte ihm lächelnd ihre kleine Hand. Gerlach schüttelte sie höflich. Ihre

bronzefarbene samtig weiche Haut hatte eine angenehme wohlige Wärme. „Ach Frau Kramp! Ich hätte ja auch mit allem gerechnet, aber nicht damit, sie jemals wieder zu sehen!“ Der Bus hielt erneut, dieses mal vor dem Rathaus. Jedoch blieb er nur kurz stehen, da niemand hinzu stieg. „Herr Gerlach! Darf Ich Sie um etwas bitten?“ Ramira senkte etwas beschämt den Kopf. Selbst in dieser Haltung strahlte sie eine wahrhaftige Grazie aus. „Aber natürlich!“ „Mein Mann und ich haben uns darauf geeinigt, dass ich mich in der Öffentlichkeit zu meinem Schutz mit

meinem Mädchennamen Kizmir benenne.“ „Ja! Diese Zeiten sind hart! Nun ja Frau Kizmir!“ Gerlach musste sich an die damalige Situation im „Schutzlager“ erinnern und wurde etwas rot. „Trotzdem freut es mich riesig Sie wieder getroffen zu haben! Wie geht es ihrem Mann?“ „Ach Johannes ist jetzt ganz groß in den Viehhandel mit Schafen eingestiegen und europaweit geschäftlich unterwegs. Leider!“ „Das tut mir leid für Sie. Er ist wohl nur selten zu Hause, was?“ „Ja Sie sagen es! Es ist manchmal nicht leicht. Aber zum Glück habe ich noch meine Adoptivtochter Justine. Da bin ich dann nicht so ganz einsam in Waldheim.

Aber erzählen Sie von sich! Ich sehe, Sie sind noch immer bei der Polizei!“ Ramira sah ihn sich von oben bis unten an. „Ja! Als Streifenhörnchen!“ erwiderte Gerlach sarkastisch. „An größere Aufgaben lässt man mich nicht mehr ran, nur weil ich nicht zum Islam konvertieren möchte. Natürlich bekomme ich auch nur das Gehalt eines einfachen Streifenhörnchens. Schöne Scheiße!“ Sein Communicator piepste. „Ach verdammt!“ Gerlach bestätigte im Sprachmodus. „Ja!“ „Wachmann Gerlach!“, war eine männliche Stimme mit arabischem Akzent zu hören. „Warum befinden Sie sich außerhalb Ihres Dienstabschnittes! Was

hat das zu bedeuten?“ Gerlach legte Ramira anschauend den Zeigefinger auf seinen Mund. „Ich sitze hier in der Stadtlinie…“ Er schaute Ramira fragend an. Die zeigte ihm vier Finger. „Nummer Vier und kontrolliere ein paar verdächtige Jugendliche auf Alkohol oder Drogen. Sobald ich mit der Überprüfung fertig bin begebe ich mich zurück in meinen Bereich.“ Gerlach steckte sich andeutungsweise den großen Finger in den Hals, worüber Ramira belustigt lächelte. „Beim nächsten mal melden Sie gefälligst eine solche Überprüfung! Ist das klar?“ „Verstanden!“, gab Gerlach gleichgültig

von sich und trennte die Verbindung. „Warum tun Sie sich das an? Sie sind ein so guter Kriminalbeamter! Das haben Sie nicht verdient!“ Ramira schaute ihn mitleidig wie einen süßen kleinen Hund an, den man gerade eben geschlagen hat. „Ach wissen Sie, auch diese Zeiten ändern sich wieder. Die Zeit wird wieder kehren, wo man nicht nach seinem Glauben beurteilt und behandelt wird. Da bin ich mir ganz sicher! Man hört da so Gerüchte von so einer Art Wiedergeburt Christi, irgendwo in Europa! Und der Glaube würde wohl wieder stärker, mehr und mehr. Auch wenn es nur ein Gerücht ist! Aber die Hoffnung ist da! Verstehen

Sie?“ „Ja Herr Gerlach! Ich verstehe Sie. So wie es jetzt ist kann es nicht bleiben.“ Ramira sah ihn mit einem Blick an, den Gerlach nicht einordnen konnte. Er schwankte zwischen Mitleid und Zustimmung, oder beidem. „Sehen Sie! Lieber bleibe ich da in dieser Zeit ein kleines Streifenhörnchen, wo ich nicht viel falsch machen kann. Ich muss mich zwar ab und zu mal ans Knie pissen lassen, aber ich bin immer noch Polizist, was ich schon immer sein wollte. Auf diese Weise bin ich noch dabei und kann abends mit einem reinen Gewissen zu Bett gehen!“ Der Busfahrer kündigte die nächste

Bushaltestelle an. „So jetzt muss ich aber los!“ Gerlach war aufgestanden. „Sonst gibt es den nächsten Anschiss, weil ich noch immer nicht zurück in meinem Abschnitt bin. Darf ich Sie mal besuchen, wenn ich Zeit habe?“ „Aber natürlich ich würde mich freuen!“, erwiderte Ramira strahlend und reichte ihm zum Abschied die Hand. „Machen Sie´s gut und bleiben Sie tapfer!“ „Ihnen auch alles Gute, Ramira! Bis bald vielleicht!“ Gerlach stieg aus und sah noch einen Moment dem davon fahrenden Bus hinterher. Mein Gott ich liebe sie noch immer!

Elisseepalast, Sitz des französischen Gouverneurs, Paris, 15.Oktober 2038, 09.00Uhr

Der Gouverneur Yesal Asram joggte in Begleitung von zwei Bodyguards im Park hinter dem Palast. Plötzlich blieb sein Fuß an einer Schnur hängen und zerriss sie. Er wollte noch zu Boden schauen, als sein Körper von einer Sprengfalle am Wegesrand zerfetzt wurde.

Hotel „Belize“ in Bonelles, ein kleines Dorf bei Paris, 15.Oktober 2038, 09.05Uhr

Nackt wie immer, stand Johannes vor seinem Bett und brachte seine Knochen nach der kurzen Nacht mit etwas Gymnastik in Schwung. Mit seinen inzwischen 37 Jahren war Johannes noch immer fit und durch trainiert. Dennoch machte sich unerbittlich der Zahn der Zeit bemerkbar, der auch an seinem Körper damit begann hier und da ein wenig herum zu nagen. In seinen Haaren und seinem Bart setzten sich mehr und mehr die grauen Haare durch und seine morgendliche Gymnastik war nötiger denn je um so richtig in

Schwung zu kommen. Seitdem er die aktive Schäferei aufgegeben und sich dem Viehhandel verschrieben hat, war es für ihn mehr denn je wichtig, wann immer es ihm möglich war, sich durch Ausdauer- und Krafttraining fit zu halten. Doch heute würde er dafür keine Zeit haben. Heute musste er einen Termin bei Jean Pierre Trichee, einem hiesigen Schafzüchter, wahrnehmen, der ihm 150 Altschafe anbieten wollte. Einen Abnehmer hatte er schon bereit. Würde er sich mit Jean Pierre einigen, bräuchte er nur noch seine drei Leute verständigen, wo Sie mit dem LKW hinzukommen hätten. So lief das Geschäft! Er fuhr vorab durch

die Lande, machte die Geschäfte klar und kümmerte sich um die Vermarktung, seine Jungs um die Logistik und Ramira daheim um die bürokratische und finanzielle Abwicklung. Dies hatte zur Folge, dass Johannes beinah ständig in ganz Europa unterwegs war! Er hatte seine Gymnastik beendet und ging in die kleine Badkabine seines Hotelzimmers um zu duschen. Die kalte Dusche vitalisierte ihn Vollendens und machte die kurze letzte lange Nacht beinah vergessen. Er putzte die Zähne, zog sich an, packte seine Tasche zusammen und ging in den Salon des kleinen Hotels um zu frühstücken, bevor er abreiste. Am Abend zuvor hatte er

bereits bei Madame Rounee, der Hotelwirtin, das Zimmer bezahlt. Er wollte nach dem Termin bei Jean Pierre direkt aufbrechen und endlich mal wieder nach Hause. Den Balkan, Italien, Österreich und Frankreich in einer Woche, das schlauchte doch ganz schön. Er saß am Tisch und bestrich sich gerade ein Toast mit Butter als Madame Rounee, eine rundliche aber topp gekleidete und gepflegte ältere Dame von vielleicht fünfzig Jahren, den Salon betrat. „Guten Morgen Herr Kempfert!“ begrüßte sie Johannes in diesem typischen runden, geschwungenen Deutsch und schenkte ihm ungefragt Kaffee nach. „Haben Sie gut

geschlafen!“ „Oh vielen Dank! Wie im siebten Himmel!“, erwiderte Johannes höflich und trank einen Schluck vom Kaffee. „Ihr Kaffee ist einfach köstlich! Noch von Hand gekocht! Wo findet man das noch!?“ „Haben Sie heute schon die Nachrichten im Radio gehört Herr Kempfert?“ fragte Madame Rounee auf einmal sehr aufgeregt. „Ach! Die bringen doch nur noch diesen zensierten und verlogenen Müll!“ Johannes tat leicht angewidert, war aber doch recht neugierig was diese Frage sollte. „Nein! Ich meinte nicht diese Nachrichten. Es gibt bei uns noch einen

UKW-Sender, ein Piratensender! Der hat berichtet, dass es vor ein paar Minuten im Elisseepalast eine schwere Explosion gegeben hat!“ „Oh! Geht’s diesem Pack endlich an den Kragen!? Zeit wird´s, dass sich mal was tut! Was haben Sie noch gebracht?“, bekundete Johannes offensichtliches Interesse, da Madame Rounee auch nicht gerade mit den algerischen Besatzern sympathisierte. „Genaueres weiß man noch nicht! Zumindest sind die algerischen Behörden in höchster Alarmbereitschaft und man ist dabei Paris abzuriegeln. Sie vermuten wohl den Attentäter noch in der Stadt.“ „Dann hoffe ich mal, dass der Knabe mit

heiler Haut davon kommt.“, erwiderte Johannes den Sympathisanten mimend. „Ihr Wort in Gottes Ohr! Vielleicht wird ja am Ende doch noch Alles gut.“ Madame Rounee faltete die Hände wie zum Gebet und schaute nach oben. Johannes stand auf und nahm die Hände der hoffenden Frau. „Der Herr wird alles richten Madame Rounee!“ Die Wirtin sah Johannes an, erstrahlte und fiel vor ihm auf die Knie. „Verlieren Sie nie die Hoffnung! Leben Sie rechtschaffend und immer im Glauben an Gott! Verkünden Sie den Menschen, Gott hat sie nicht vergessen! Er weilt immer unter

ihnen.“ Johannes löste seine Hände von den ihrigen und half Madame Rounee auf die Füße. „Nun stehen Sie aber auf! Jedoch eine Bitte habe ich noch!“ „Was kann ich für Sie tun?“, fragte Sie fast weinend vor Glück. „Sagen Sie niemandem etwas über meine Identität. Ich denke mal die Gewinner dieses fürchterlichen Krieges werden mich nicht besonders mögen!“ Und wieder sah sich Johannes in seiner Übervorsicht bestätigt, sich für Madame Rounee eine falsche Identität zugelegt zu haben. „Ich werde mich hüten!“, sagte die Wirtin

entschlossen. Warts ab! Sollten Sie dich verhaften und verhören, bist Du vielleicht nicht mehr so überzeugt davon. Unter der Folter wird fast jede Zunge locker.

Szenekneipe „rote Zora“, Nürnberg, 15.Oktober 2038, 10.30Uhr

Das Licht schien dämmrig aus den überall im Gastraum verteilten bunten Lampenschirmen. Durch die Fenster, die komplett mit Protestflugblättern und Aufklebern von kommunistischen Gruppierungen zugeklebten waren, fiel nur an vereinzelten Stellen Tageslicht in den Gastraum mit seiner von Marihuanaqualm geschwängerten Luft. Aus einer Musikanlage war gute alte Punkmusik aus dem letzten Jahrtausend zu hören. An den Tischen saßen viele junge Leute der unterschiedlichsten Art. Waren die Gäste zu einem großen Teil

wild aussehende Punker oder die Art Zeitgenossen mit langen zotteligen Haaren und schmuddeligen Klamotten, so gab es unter den Anwesenden in diesem Lokal aber auch ganz normal gekleidete Leute. Man könnte sie eher als Studenten bezeichnen. Alle Gäste, kunterbunt vermischt, saßen an den Tischen und diskutierten wild durcheinander. Aber alle Themen, die da diskutiert wurden, hatten eines gemeinsam. Sie bezogen sich allesamt auf das verkommene und korrumpierte Machtsystem der türkischen Besatzer. Die Streitgespräche waren geprägt von Vorwürfen und Gerüchten über diverse Ungerechtigkeiten, Repressalien und

Diskriminierungen gegenüber der nicht muslimischen Bevölkerung. Oder aber es war die Rede von Versorgungsengpässen, da die Besatzer den größten Teil der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion außer Landes schafften! Allenthalben war der Unmut darüber zu hören, dass man wohl versuchte das deutsche Volk durch aushungern unten zu halten. Ein jeder der jungen Leute hatte ein Bier vor sich stehen und einige Joints machten die Runde. Der Anblick täuschte! Nicht dass sich etwa die jungen Leute sinnlos betranken! Dazu war das Bier auf Grund des Rohstoffmangels viel zu teuer. So ein halber Liter Bier musste schon für den

Lokalbesuch reichen! Aber der Anbau von Cannabis florierte, da es den türkischen Besatzern wohl ziemlich egal, oder vielleicht sogar recht war, wenn sich das Volk zu kiffte, anstatt aufzubegehren. Mitten unter der bunten Truppe junger Leute, saß ein Punker mit zerrissener Lederjacke, einer Sicherheitsnadel in einem Ohrläppchen und einer Registrierohrmarke für Schafe und Ziegen im anderen. Er war schon ziemlich berauscht, vom Cannabisgenuss und lallte bereits mit schwerer Zunge. In seinen Armen saß eine hübsche junge Frau mit langen, blonden Haaren, die in einer Lockenpracht über ihre Schultern fielen. Sie hatte eine beträchtliche Oberweite

und knallrot angemalte Lippen. Auf den ersten Blick hätte man sie mit Marilyn Monroe verwechseln können. Doch beim genaueren hinschauen erkannte man eine etwas schiefe Nase, die das ansonsten hübsche Gesicht mit den tiefblauen Augen zierte. „Hier Kleines nimm nen Zug!“ Der Punk neben ihr bot ihr einen glühenden Joint an „Mensch Kralle! Wie oft denn noch? Ich kiffe nicht! Das Zeug räuchert einem doch nur den Grips aus dem Kasten! Und am nächsten Morgen fühlt man sich noch beschissener als nach einer durchzechten Nacht! Also bleib mir wech mit dem

Zeug!“ Sie reichte den Joint weiter und ihr anderer Tischnachbar, ein recht bieder gekleideter junger Mann, nahm einen tiefen Zug. „Ach Justine! Du weist gar nicht was Du verpasst!“ „Doch! Leider zu sehr!“, stellte Justine mit finsterer Mine fest. Aber, sie musste diesem Christoph, den bieder gekleideten Jurastudent neben sich, zugestehen, dass er ja nicht wusste, dass sie vor zwei Jahren so dermaßen drauf war, dass sie von ihrem Ziehvater Johannes einem kalten Entzug unterzogen wurde. Es war die Hölle! Noch einmal brauchte sie das nicht! Noch nicht einmal

Kralle, ihr aktueller Freund, wusste davon. „Warum studierst Du eigentlich Jura?“, warf Kralle zu Christoph rüber. „Du denkst doch nicht wirklich, dass Du als Christ in diesem scheiß System einen Anwaltsposten erhältst! Oder möchtest Du etwa Moslem werden?“ „Nein! Aber die Dinge ändern sich! Sie ändern sich immer, und das hoffentlich bald! Dann werden wieder gute Anwälte gebraucht und nicht solche korrupten Arschlöcher wie die Anwälte es im Moment sind! Übrigens bin ich Jude!“ „Hört ihn Euch an!!“, rief Kralle in die Runde und lachte. „Ein Idealist!“ „Warum? Am Ende liegt es doch ganz bei

uns das sich was verändert! Wenn das ganze Volk möchte, dass sich etwas ändert und es unbedingt seinen Willen durchsetzt. Wie nennt sich das dann?“ „Du denkst jetzt nicht wirklich an Neuwahlen?“, fragte Kralle ungläubig. Die Gäste an den anderen Tische waren still geworden und lauschten dem Wortgefecht zwischen Kralle und Christoph. Jetzt war es an Christoph zu lachen. „Neuwahlen? Bei denen? Dann vielleicht auch noch frei und demokratisch? Nicht in diesem Leben! Nein! Weißt Du wie sich das nennt, wenn das Volk Veränderungen unbedingt mit allen Mitteln durchsetzt?“ Christoph wartete einen Augenblick, um

dann, keine Antwort abwartend, laut „Revolution!!!“ in den Raum zu rufen und aufzuspringen. „In Deutschland wird es früher oder später eine Revolution geben! Es liegt ganz bei uns, dem deutschen Volk, ob wir unsere noch immer zu fetten Ärsche bewegt bekommen!“ Alle Gäste der roten Zora begannen zu jubeln. Laut riefen sie „Revolution!“, als hätten Sie nur darauf gewartet, dass mal endlich jemand dieses unaussprechliche aussprach, was doch insgeheim alle dachten! Fast kam es einem so vor, als hätte man so eben den zünden Funken eines neuen Geistes frei gelassen! Die rote Zora war auf einmal getragen von

einer gewissen Euphorie, einem Hauch von Hoffnung, die nur all zu leicht wie eine Seifenblase zerplatzen konnte. Justine sah mit ihren tiefblauen Augen verträumt in Christophs, fast noch jungenhafte, Gesicht mit seiner runden Nickelbrille und seiner hohen Stirn, obwohl er doch erst 20 Jahre alt war, bestenfalls! Warum ist mir Christoph nie so aufgefallen? Auf einmal gab es in der roten Zora nur noch ein Thema. Auch wenn noch immer alle durcheinander diskutierten, so waren doch alle wie elektrisiert. Der Gedanke einer Revolution schien mit den Marihuanarauchschwaden durch den Raum

getragen zu werden und manifestierte sich wie magisch zu etwas fast Greifbarem. Es war so laut, dass Justine Christoph anschreien musste.

„Wo hast Du so zu reden gelernt?“ Christoph lächelte sie spitzbübisch an und schrie ebenfalls zurück.

„Ich habe einfach nur ausgesprochen was ich denke.“ „Schau dir die Leute an! In zwei drei Sätzen hast Du sie mobilisiert! Die wollen ja am liebsten los laufen und Revolution spielen! Lass uns mal nach draußen gehen!“ Unbewusst nahm Justine Christophs Hand und zog ihn nach draußen vor die Tür. Es schüttete immer noch wie aus Eimern und keine Fußgänger

waren zu sehen. Justine drückte sich mit Christoph unter das kleine Kunststoffvordach am Eingang zur roten Zora. Von drinnen war noch immer die wilde Diskussion unter den jungen Leuten und die laute Punkmusik im Hintergrund zu hören. „Hör zu! Ich glaube Du bist zu mehr berufen! Ich denke, dass Du der geborene Anführer bist! Wenn es eine Revolution geben soll, dann braucht sie dich!“ „Ach nun übertreibst Du aber etwas! Hier haben sich ein wenig die Gemüter erhitzt, die schon morgen vielleicht die ganze Sache etwas nüchterner und vielleicht nicht ganz so zu gekifft betrachten!“ „Falls Du es schon vergessen hast, ich bin

nicht zu gekifft und bin dennoch ergriffen von deiner kurzen Rede.“ „Ach Justine! Da gibt es nur zwei kleine Probleme!“ Christoph nahm Justines Hand und lächelte. „Zum einen, wer hört schon auf die Worte eines jungen, grünschnäbeligen Jurastudenten? Zum anderen, mein Nachname ist Goldstein, und ich bin Jude. Weder die Christen noch die Moslems mögen uns besonders!“ „Nein so ein Blödsinn! Hör Sie dir an!“ Justine wies mit dem Arm hinter sich, zur Eingangstür der roten Zora, aus der noch immer lautstark die Diskussionen zu hören waren. „Christoph! Einen Versuch ist es wert! Wenn es nicht funktioniert, kannst Du

dich ja immer noch voll und ganz deinem Jurastudium widmen, ohne dass sich was ändert. Wie hast Du vorhin noch mal gesagt?“ Justine tat einen Moment so als würde sie überlegen. „Ach ja! Es liegt ganz bei uns, ob wir unsere noch immer zu fetten Ärsche bewegt bekommen!“

>

Gehöft der Familie Kramp, Waldheim, 15.Oktober 2038, 11.30Uhr

Es wollte anscheinend überhaupt nicht mehr aufhören zu regnen. Der ganze Hof war beinahe eine einzige große Pfütze. Als das Taxi Ramira vor dem Hof absetzte, musste sie einen großen Bogen, an den Ställen vorbei, zum Wohnhaus laufen. Bestimmt ist der Abflussschacht auf dem Hof mal wieder verstopft. Wenn Johannes zu Hause ist muss er unbedingt danach schauen! Als Ramira die schwere Eichenholztür ins Schloss fallen hörte, lehnte sie sich einen Moment an diese an, riss dann sogleich

das ihr so sehr verhasste Kopftuch ab und warf es auf die Hutablage der Flurgarderobe. Sie atmete tief durch. „An dieses verdammte Ding werde ich mich nie gewöhnen!“ Sie ging zur Treppe die nach oben führte. „Justine!!“ Doch Justine antwortete nicht. Bestimmt ist sie in der Uni. Im letzten Jahr hatte Justine ein Medizinstudium an der Nürnberger Uni begonnen, was Ramira und Johannes mit mächtigem Stolz erfüllt hat. Justine wurde kurz nach dem Krieg ihre Adoptivtochter. Schnell war ihnen das Mädchen ans Herz gewachsen und es war einfach schön zu erleben wie das Mädchen

seinen Weg ging und gerade dabei war eine gute Ärztin zu werden. Ramira legte ihren Mantel ab und hängte ihn an den Haken. In der Küche machte sie sich die Suppe vom Vorabend noch einmal in der Mikrowelle warm und kochte Wasser für einen Tee. Den brauchte sie jetzt bei diesem Sauwetter! Während die Mikrowelle lief, und das Wasser heiß wurde schaute sie, wie so oft, wenn sie in der Küche stand, zum Fenster hinaus auf den Hof und beobachtete, wie die dicken Regentropfen, die in die Pfützen fielen, Blasen bildeten. Dabei musste sie wieder an Ihre Begegnung mit Kommissar Gerlach

denken. Es war ja schon eine freudige Überraschung ihn nach sechs Jahren wieder getroffen zu haben. Aber sie war auch traurig darüber, dass dieser arme Kerl scheinbar einer der Verlierer der Geschichte war, obwohl er sich doch nie etwas hat zu schulden kommen lassen und auch ihr immer geholfen hat, wo er nur konnte! Gut das hing denn vielleicht auch damit zusammen, dass er sich damals Hals über Kopf in sie verliebt hatte! Bei diesem Gedanken war Ramira peinlich berührt und wäre mit Sicherheit errötet, hätte sie nicht von Natur aus ihren südländischen Teint gehabt. Irgendwo schmeichelte es doch ein wenig ihrem Ego, wenn sie wusste, dass sie auch noch

andere Männer außer Johannes verehrten. Die Suppe war fertig. Ramira nahm den Teller aus der Mikrowelle und stellte ihn auf den Tisch. Das Teewasser musste auch gleich kochen! Deswegen hängte sie einen Beutel Darjeeling-Tee in eine Tasse. Auch mit Johannes war es nicht immer einfach gewesen! Ramira musste sich wieder an die Zeit vor sechs Jahren erinnern, auch wenn sie es nicht wollte. Was hatte Johannes sich verändert, als plötzlich diese Sabine Schütt verschwunden war! Er war verschlossen, in sich gekehrt und ließ nichts und niemanden mehr an sich ran. Weder emotional noch körperlich! Ramira wusste nichts Genaues, hatte aber eine

böse Ahnung. Ein halbes Jahr hat sich Ramira dieses Drama mit angeschaut, bevor sie Johannes zur Rede gestellt hat. Am Ende war sie mit ihm so verblieben, dass Ramira vergeben und vergessen würde, unter der Voraussetzung, dass er diese Sabine und alles was mit ihr zusammen hing, vergisst, und sich Ramira wieder zuwendete. Zumindest sollte er es versuchen! Ramira wusste bis heute nicht was da genau lief zwischen Johannes und dieser Sabine. Es sollte ihr verborgen bleiben wie ein finsteres Kapitel in Johannes seinem Leben, ein Weiteres unter den Vielen! Aber, wie heißt es so schön, »Die Zeit

heilt alle Wunden!«. Ramira und Johannes wurden wieder ein glückliches Paar, mit allem was dazu gehörte, auch wenn es nicht mehr so leidenschaftlich wie früher war. Ramira goss ihren Tee auf und schaute wieder zum Fenster raus. Als ihr Communicator piepste bestätigte sie und das Hologramm von Johannes generierte sich vor ihr. „Oh Schatz! Ich habe gerade an dich gedacht!“ rief Ramira freudig. Er brauchte nicht zu wissen, dass es eher traurige Gedanken waren. Johannes lachte. „Das ist schön Liebling! Ich vermisse dich auch schon ohne Ende! Ich bin jetzt

hier in Frankreich fertig und werde heute Abend zu Hause sein.“ „Echt? Das wäre super! Ich mache dir auch alles schön gemütlich!“ „Na da freue ich mich doch um so mehr auf dich! Mach dich schon mal darauf gefasst, was ich noch alles mit dir vorhabe. Alles weitere heute Abend. Ich möchte jetzt los fahren! Tschüss mein Schatz! Ich liebe dich!“ „Ich dich auch!“ Ramira warf Johannes einen Kuss rüber, bevor er die Verbindung trennte. Eigentlich lief es zwischen den beiden doch wieder richtig gut! Außer vielleicht, dass er, seit er den Viehhandel betrieb, so oft und solange weg war. Ramira musste

sich eingestehen, dass sie die meiste Zeit des Jahres allein war. Führten sie in Wahrheit nur noch so eine Art Wochenendbeziehung? Sie konnte es nicht so genau einschätzen. Ihr alter roter Renault fuhr auf den Hof. Ramira hatte ihn Justine für die Zeit des Studiums überlassen. Oh was hat die sich gefreut, als sie letztes Jahr ihren Führerschein gemacht hatte und dann den Wagen erhielt! Sie parkte ihn gekonnt rückwärts in die Garage ein. Kopfschüttelnd stellte Ramira fest, dass Justine wiedereinmal ihr Kopftuch nicht dabei hatte. Jetzt erst erkannte sie, dass Justine einen Gast mitgebracht hatte, konnte aber noch

nicht genau sehen wen. Kurze Zeit später stieg sie mit einem adrett gekleideten jungen Mann mit Nickelbrille und schon weit nach hinten reichendem Haaransatz, aus dem Auto. Eigentlich hatte er schon mehr eine Glatze mit schwarzem Haarkranz. So jung wie er noch war! Hat Justine einen neuen Freund? Das ist doch eigentlich so gar nicht ihr Typ! Die beiden liefen auf dem Hof, wie Ramira vorhin, einen großen Bogen um die Pfütze, als auch schon die Haustür aufging. „Puh! So ein Sauwetter!“, hörte Sie Justine schimpfen. „Johannes muss unbedingt den Gullydeckel frei legen!“ Kurze Zeit später kam Sie mit dem jungen

Mann in die Küche. „Hallo Ramira!“ „Na Justine wie war es an der Uni? Ihr habt aber schon früh Schluss!“ „Heute gab es nur eine Vorlesung! Das ist übrigens Christoph ein Jurastudent von meiner Uni!“ Justine schob den jungen Mann leicht vor. „Frau Kramp! Ich bin erfreut ihre Bekanntschaft machen zu dürfen! Goldstein, Christoph Goldstein.“ Er reichte Ramira die Hand und deutete eine leichte Verbeugung an. Ach der hat ja richtige Manieren! Fehlt nur noch, dass er mit den Hacken knallt! „Ich bin auch positiv überrascht!“ „Ich hoffe es ist kein Problem für sie,

dass ich Jude bin!“ „Solange Sie kein Problem damit haben, dass ich Muslime bin!“ Beide fingen an zu lachen. „Na dann bin ich ja erleichtert. Wissen Sie, ich habe da schon so meine Erfahrungen gemacht.“ „Ich auch! Ich auch! So Ihr habt jetzt bestimmt besseres zu tun, als die ganze Zeit mit der bösen Stiefmutter Smalltalk zu führen.“, lockerte Ramira die verkrampfte Situation etwas auf. „Ramira, also weist Du!“, tat Justine brüskiert und nahm Christoph an der Hand mit sich. „Übrigens kommt heute Abend Johannes nach Hause!“, rief Ramira noch

hinterher. „Das ist schön!!“, antwortete Justine von der Treppe zurück während Sie mit Christoph nach oben stapfte. * „Das ist also Deine Adoptivmutter!“, sagte Christoph leise in Justines Rücken während sie den dunklen, schmalen Flur im Obergeschoss zu ihrem Zimmer durchschritten. „Für mich ist sie eigentlich mehr eine sehr gute Freundin!“ Justine öffnete ihr Zimmer, schaltete das Licht ein, ließ Christoph herein und schloss hinter ihm wieder die

Tür. „Ich habe ja meine jetzigen Adoptiveltern erst vor sechs Jahren kennen gelernt! Hey! Da war ich schon vierzehn. Ich glaube da ist es etwas viel verlangt, wenn ich sie Mama und Papa nenne!“ Sie lümmelte sich in ihren bequemen Sessel der in einer Ecke stand. „Verstehe!“ Christoph schaute sich ein wenig in dieser typischen „Studentenbude“ um. Man könnte dieses Zimmer in etwa als Chaos mit System beschreiben. Es gab hier einen Schreibtisch mit Bürosessel. Auf dem Schreibtisch stand ein Partikeldisplay-PC und jede Menge Schreibzeug, fein sortiert nach Stiften,

Papier und Linealen oder anderen Hilfsgeräten. Auf den ersten Blick wirkte der Schreibtisch chaotisch. Aber alles hatte hier seinen Platz, immer griffbereit. Neben dem Schreibtisch stand ein sauber bezogenes und gemachtes Bett mit kleinem Nachtschränkchen anbei, auf dem neben einer kleinen Nachtlampe ein E-Kube lag. Über dem Bett war das berühmte Bild von Albert Einstein, wo er jedem seine Zunge zeigte, als riesiges Poster angeheftet. Christoph schmunzelte ein wenig bei dem Gedanken, dass er ja auch ein Jude war, wie er selbst. Neben dem Nachtschränkchen stand dieser Sessel in dem Justine gerade lümmelte.

Dieser alte Ohrensessel war irgendwie cremefarben. Dessen Bezug aus Leder schien schon an einigen Stellen arg durchgewetzt zu sein. Dieser Sessel hatte wahrlich seine besten Zeiten schon hinter sich. Vielleicht war er auch gerade deswegen so bequem? Christoph wusste es nicht zu sagen. Er würde es vielleicht noch früh genug erfahren. Der Sessel stand neben einem alten Bücherregal, welches an der gegenüberliegenden Wand des Bettes stand. In dem Regal lagen und standen sogar noch echte Bücher! Wie Christoph erkannte, waren es zumeist uralte medizinische Fachbücher, wie z.B. ein anatomischer Atlas des Menschen oder ein

Fachbuch über „alternative Heilkunde“. Aber er entdeckte auch ein paar schnöde Romane. „Hast Du die auch schon alle gelesen?“ fragte Christoph erstaunt und beeindruckt. Wer las denn heutzutage noch echte Bücher? „Einige habe ich gelesen, in anderen, wie den Fachbüchern habe ich bei Bedarf mal rein geschaut.“, antwortete Justine mit ein wenig Stolz in der Stimme. „Ich finde das toll! Ich bin der Meinung, dass sich der Mensch von heute viel zu sehr auf die Elektronik und Technik verlässt.“ Neben dem Regal stand ein Kleiderschrank, dessen eine Tür etwas

offen stand und ein hellblauer Morgenmantel darüber hing. Neben dem Schrank, direkt bei der Tür stand eine kleine VRTV-Konsole. Der Fußboden war mit einfachem Fußbodenbelag ausgelegt. „Ein effizient eingerichtetes aber doch gemütliches Zimmer hast Du hier.“, gestand Christoph den Kopf nickend ein. „Das war auch mein Ziel als ich es eingerichtet habe. Ich wollte nicht so ein blödes Mädchenzimmer.“ „Darf ich?“ Christoph zeigte auf den Bürosessel. „Oh! Wie unhöflich von mir!“, stellte Justine erschrocken fest und sprang auf. „Natürlich setz dich bitte! Ich kann dir auch was zu Trinken anbieten. Ich habe

aber nur Mineralwasser hier oben. Ich laufe auch fix runter und koche dir einen Kaffee!“ „Nein! Nun las mal gut sein!“, winkte Christoph, Justine etwas beruhigend, ab und setzte sich auf den Bürosessel. „Nur keine Umstände. Ich bin doch nicht der Papst!“ Der Bürosessel war eben ein Arbeitsmöbel und nicht sonderlich bequem, wie Christoph feststellen musste. Aber er ließ sich wie ein Gentleman nichts anmerken. „Du darfst dich auch gerne aufs Bett setzen. Es ist jedenfalls bequemer.“ Justine machte es ihm vor, setzte sich aufs Bett und klopfte mit der Handfläche

leicht neben sich auf die Bettdecke. Na da sag ich doch nicht nein! Dieser Bürostuhl ist ja das Letzte! „Wenn Du nichts dagegen hast gern!“ „Sonst würde ich’s doch nicht sagen!“ Justine lächelte mit glücklichen Augen als sich Christoph neben sie setzte. „Du hast mir noch gar nicht erzählt …“ begann Christoph, eine auflockernde Unterhaltung beginnend, um die, für seine Begriffe, etwas pikante Situation zu entkrampfen „…was mit Deinen echten Eltern passiert…“ Justines Gesicht verfinsterte sich. „…ist.“ Mist!! „Das ist wohl kein gutes

Thema?“ „Sei mir nicht böse. Aber dafür kennen wir uns noch nicht gut genug!“ „Schon klar! Entschuldige bitte die Indiskretion!“ Christoph nahm höflich ihre Hand. „Ach nun mach kein Ding draus! Hey! Ich staune immer wieder über Dich!“ Justine klopfte Christoph auf die Schulter. „Was ist nur los mit Dir? Hast Du irgendwann einmal nen Knigge gefressen?“ Justine lachte amüsiert, aber in einer Art ohne Christoph auszulachen. „Bin ich dir, wie sagt man gleich, …ach ja, zu spießig?“ „Um Gotteswillen nein! Ich finde sie köstlich, diese Art! Selbst wenn Du in ein

Fettnäpfchen trittst, machst Du es mit deiner Höflichkeit und deinem Charme wieder wett. Dir kann man gar nicht lange böse sein!“ „Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich aus einer erzkonservativen ziemlich altmodischen Bankiersfamilie komme. Ich wurde so erzogen! Wie hat man mir immer eingetrichtert, ich soll mich einmal in den höchsten Kreisen bewegen können. Aber ehrlich gesagt, ich pfeife auf die höchsten Kreise.“ „Verstehe ich das richtig?“, fragte Justine erstaunt „Das Bankhaus Goldstein und Söhne gehört deiner Familie?“ Goldstein und Söhne waren vor dem Krieg eines der mächtigsten privaten

Geldinstitute Europas und haben auch heute noch einen erheblichen Einfluss auf dem europäischen Finanzmarkt. „Leider ja! Und ich bin nicht stolz darauf! Das macht mich gleich noch zu einem besseren Revolutionsführer, nicht wahr? Christoph Goldstein, das reiche Bankierssöhnchen, will die Stimme des Volkes sein! Das ich nicht lache!“, bemerkte Christoph selbstkritisch. * „Vielleicht gerade deswegen, weil Du der elitären Schicht Deiner Eltern abgeschworen hast, bringt Dich das dem Volke näher als Du vielleicht denken

magst. Du musst endlich Deine Selbstzweifel beiseite schieben!“ Justine hatte ihre Hand auf sein Knie gelegt, doch gleich wieder zurück gezogen, als sie bemerkte, dass für Christoph diese körperliche Nähe doch sehr überraschend kam und er reflexartig sein Knie etwas weg zog. „Entschuldige bitte. Ich muss bei Dir rüber kommen wie ein…“, reagierte Justine peinlich berührt und rot anlaufend. „Nein nein nein! Das Problem liegt wohl eher bei mir! Bei allen Benimmregeln welche man mir beibrachte, hat man es versäumt mir den richtigen Umgang mit Frauen beizubringen. Ich muss gestehen

auf diesem Gebiet bin ich doch sehr unerfahren. Jetzt siehst Du mich bestimmt als…“ Christoph konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Es überkam Justine einfach. Sie warf sich um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund.

Militärflugplatz bei Kairo, 15.Oktober 2038, 14.07Uhr (13.07Uhr MEZ)

Dieses Flugfeld lag mitten in der Wüste außerhalb von Kairo. Es war ein wenig Wind aufgekommen, der schon ausreichte um feinsten Sand über die staubige Piste zu wehen. Vor einem riesigen Stahlbetonhangar, der dieselbe Farbe hatte wie der überall vorhandene Wüstensand, stand ein weißer Learjet mit offener Eingangsluke und ausgeklappter Treppe. Im Cockpit saß bereits die Crew und ging die Checkliste durch. Scheinbar wollte man bald los fliegen. Da kam auch schon ein offener

Militärjeep vom Towergebäude gefahren. Neben dem Fahrer saß Mustafa in einem sommerlichen Outfit mit beigefarbener Hose und Jackett, weißem Hemd und einem vor der Sonne schützenden weißen Hut. Außerdem trug er eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Der Jeep hielt vor dem Learjet. Mustafa sprang heraus, nahm von der kleinen Ladefläche eine mit nur wenigen Sachen gepackte Reisetasche und einen silbernen Alukoffer, der für einen Reisekoffer zu klein und für einen Aktenkoffer zu groß war. Er schien Einiges zu wiegen. Mustafa hatte ordentlich an ihm zu schleppen, als er sich zum Learjet bewegte. An der Eingangsluke erwartete

ihn bereits eine hübsche Stewardess die Mustafa höflich begrüßte, als er die Treppe erklommen hatte. „Willkommen an Bord, Colonel Abbas!“ „Ja ja! Können wir los?“, fragte er die junge Frau nicht näher beachtend und ging an ihr vorbei, in Richtung Passagierraum. „Es ist alles bereit und wir haben Starterlaubnis!“, erwiderte die Stewardess lächelnd. „Also dann! Auf nach Mogadischu!“

Gehöft der Familie Kramp, Waldheim, 15.Oktober 2038, 13.27Uhr

Justine und Christoph lagen einander zugewandt im Bett und schauten sich verträumt an. Dabei streichelte ihre Hand zärtlich seinen Brustkorb. Jedoch erwiderte Christoph, aus ihr unerklärlichen Gründen, nicht ihre Zärtlichkeiten! War er schüchtern? Hatte er gar Angst vor ihr, vor sich selbst? Justine wusste es nicht, traute sich aber auch nicht ihn darauf anzusprechen. Nachher wäre es ihm peinlich gewesen und sie hätte ihn verprellt! Justine wusste selber noch nicht genau was da über sie gekommen war, als sie

sich Christoph um den Hals geworfen und ihn geküsst hat. Er war nun nicht gerade ein Adonis oder der Typ Mann, mit dem sie bisher diverse Beziehungen gehabt hat! Er war kein Raubein, kein Draufgänger und auch nicht so ein verrückter Hund wie Kralle. Er war einfach ganz anders als alle anderen Männer, die sie bisher kennen gelernt hat. Er war ruhig, besonnen, sehr klug und hatte mit seiner Art und Weise einfach nur Stil! Auf jeden Fall war es so, dass er erst nach einigem Zögern ihren Kuss erwiderte. Später fühlte sie auch seine Hand auf ihrer Brust. Noch später, als sie schon zusammen im Bett lagen und sich

noch immer küssten, fanden seine Hände auch den Weg unter ihre Bluse. Justine fühlte auch durch die Hose seine harte Erregung. Doch plötzlich, als Justine damit begann seine Hose zu öffnen, blockte Christoph sanft aber bestimmt ab und ging nicht weiter. Sie küssten sich zwar noch und streichelten sich am Oberkörper, aber sonst lagen Sie einfach zusammen und sahen sich wie jetzt nur verträumt in die Augen. Justine wurde nicht so richtig schlau aus dieser Situation. Aber eines wusste sie jetzt! Sie hatte sich Hals über Kopf in Christoph verliebt! Das war ihr bisher noch nie passiert! Nicht so

schnell! Bisher kannte sie die Typen schon ein paar Tage näher, als es dann gefunkt hatte. Aber so was? Gut! Sie hat Christoph schon ein paar Mal flüchtig auf dem Campus gesehen! Nun ja, Jurastudenten und Medizinstudenten hatten eigentlich wenig gemeinsam, so dass man sich in der Regel nicht miteinander abgab. In der „roten Zora“ saßen sie zum ersten mal am selben Tisch! „Ich glaube ich träume! Kneif mich mal!“ Andeutungsweise kniff ihr Christoph in den Oberarm und lächelte. „Eigentlich wollte ich dir ja ein paar Sachen im Internet bezüglich einer Revolution zeigen! Und nun liegen wir in der Kiste und

knutschen!“ Christoph machte Anstalten sich zu erheben. „Nein bitte nicht! Es ist schön mit dir!“ Justine zog ihn sanft zu sich heran und küsste ihn zärtlich. Dabei löste sie mit einer Hand seine Krawatte und öffnete drei Knöpfe seines weißen Hemdes. Ihre Hände glitten über seinen weißen Brustkorb und seinen Hals. Sie spürte wie erneut seine Erregung anschwoll. Er keuchte bereits und seine Hände glitten über ihren Rücken und Hintern. Wieder schien er sich zu zwingen und löste sich sanft von Justine, als ihre Finger abermals der Hose näher kamen. Sie schaute ihm, etwas traurig, in seine

braunen Augen. Ihre Leidenschaft war entflammt. Hätte er gewollt, Justine hätte ihn gewähren lassen! Christoph wusste es! Das spürte sie! Doch was war es, was ihn zögern ließ? Sie lagen wieder nebeneinander, ihre lockigen Haare zerwühlt. „Es ist nichts gegen dich, Justine! Ich begehre dich sehr! Wenn ich meine Gefühle richtig deute, liebe ich dich sogar! Ich befürchte nur ich werde dich erschrecken, wenn wir weiter gehen als bisher.“ Wenn Du wüsstest was ich schon erlebt habe, dann wüsstest Du, dass mich so schnell nichts mehr erschrecken kann. „Du musst wissen wir, die jüdischen

Männer sind anders.“ Versuchte Christoph sein Problem vorsichtig zu beschreiben ohne ordinär zu klingen Das ist das Problem??? Justine platzte direkt damit heraus. „Du bist beschnitten! Na und? Wo liegt das Problem? Ich habe darüber schon Filme und Bildmaterial gesehen. Glaube mir das kann mich nicht schocken!“ Ein Strahlen legte sich auf Christophs Gesicht und er beugte sich über Justine. Er küsste sie, als er langsam ihre Bluse aufknöpfte und sich seine Hand unter ihren BH schob. Diesmal lies er es zu, als sich Justine daran machte seine Hose zu öffnen. Heiß und hart lag seine Erregung

in ihrer Hand. * Ramira saß unten im Wohnzimmer und las in einem echten Buch. Das hatte sie sich, seit damals in Berlin bei Herrn Hinze, so angewöhnt und wollte es auch nicht mehr missen, hin und wieder einmal ein richtiges Buch zu lesen. Von oben aus Justines Zimmer waren Geräusche zu hören, die Ramira sofort einzuordnen wusste. Sie ist alt genug! Und er macht einen ordentlichen Eindruck. Ihr Communicator piepste. Ramira bestätigte. Vor ihr erschien das

Hologramm von Herrn Gerlach. „Hallo Frau Kramp!“ „Oh Herr Gerlach!“ Ramira war wirklich überrascht über den frühen Anruf von Klaus Gerlach. „Das ist jetzt aber wirklich eine Überraschung. Ich hätte frühestens nächste Woche mit Ihrem Anruf gerechnet! Was kann ich für Sie tun?“ „Ich merke schon, sie sind nicht sehr erbaut über meinen frühen Anruf. Ich hätte es wissen müssen, dass ich zu voreilig bin, wenn ich schon heute bei ihnen anrufe. Entschuldigen Sie die Störung!“ Gerlach wollte schon die Verbindung

trennen. „Nein warten Sie bitte!“, rief Ramira fast flehend. „Sie haben doch noch gar nicht gesagt was Sie möchten.“ „Ach was! Ein anderes Mal!“ Gerlach wollte wieder die Verbindung trennen. „Wollen Sie mich besuchen kommen?“, rief Ramira und lächelte. Gerlach nahm den Finger von der Trennungstaste und lächelte ebenfalls. „Ja so ist es. Wie es der Zufall will, ist meine Schicht schon vorbei und ich habe für den restlichen Tag nichts weiter vor.“ „Ich würde mich riesig über Ihren Besuch freuen. Aber gerade heute Abend kommt mein Mann aus Frankreich zurück. Aber

bis dahin langweile ich mich. Wenn es ihnen nichts ausmacht könnten Sie mir über den Nachmittag etwas Gesellschaft leisten. Was halten Sie davon?“ „Liebend gern!“ Gerlach strahlte vor Freude darüber, dass er von Ramira keinen Korb bekommen hat. „Ich setze mich gleich ins Auto! In einer Stunde bin ich da!“ „Alles klar! Ich freue mich!“, sagte Ramira und log noch nicht einmal dabei! „Ich mich auch!“ Gerlach trennte die Verbindung. Ramira glaubte Herrn Gerlach noch jubeln zu hören. Doch es war nur das leidenschaftliche Stöhnen von Justine und ihrem neuen

Freund. Endlich hat Justine mit diesem Burschen mal Geschmack bewiesen! Dieser „Kralle“ ist ja wohl nur ekelig! Ramira musste lächeln, bei dem Gedanken, dass Justine und dieser Christoph direkt über ihr gerade ziemlich heftigen Sex zu haben schienen. Hoffentlich sind die beiden fertig, bevor nachher Gerlach kommt! Wie sieht denn das sonst aus?

Mogadischu Airport, 15.Oktober 2038, 17.00Uhr (15.00Uhr MEZ)

Der Learjet war gelandet und auf Mustafa wartete bereits eine schwer bewaffnete Militäreskorte des somalischen Militärs, um ihn sicher in das berühmt berüchtigte Staatsgefängnis, hier in Mogadischu, zu geleiten. Für Mustafa hatte man extra eine gepanzerte Limousine bereitgestellt. Seit inzwischen über einem halben Jahrhundert herrschten in Somalia bürgerkriegsähnliche Zustände. Deswegen musste man immer und überall mit Heckenschützen, Hinterhalten oder Minen rechnen. Öfters gab es auf solche Konvois auch Raketen- oder Granatenangriffe.

Oder man versuchte sie mit errichteten Straßensperren aufzuhalten. Zügig geleiteten die Soldaten Mustafa in die Limousine und packten seine beiden Gepäckstücke in den Kofferraum. Der Konvoi fuhr unverzüglich los. Im klimatisierten Inneren der Limousine saß bereits ein dicker, feister Mann mit Glatze. Nur ein schmaler schwarzer Kranz Haare zierte seinen kugelrunden Kopf. Es war kein Somali, sondern ein Araber. Mustafa vermutete, dass es der hiesige Attaché der ägyptischen Regierung war. „Herzlich Willkommen in der Hölle Colonel Abbas!“ Er lächelte leutselig. „Ich bin Husny Asri der hiesige ägyptische Attaché. Ich staune dass Sie

freiwillig hierher geflogen sind.“ Asri schenkte sich aus der kleinen Minibar ein Glas Whiskey ein und lächelte noch immer leutselig. „Wollen Sie auch einen?“ Mustafa sah angewidert, über so viel verkommene Moral und Disziplin in seinen Reihen, aus dem Fenster und schaute ziellos in die Trümmerwüste von Mogadischu. Die muslimische Welt hat einen glorreichen Krieg gegen die Christenheit gewonnen. Das war schon richtig! Und jetzt, da der Krieg ein paar Jahre zurück liegt, waren zu viele seiner Glaubensbrüder der Meinung, so fand es Mustafa, man könne sich seiner Sache

sicher sein und die Zügel schleifen lassen. Jetzt könne man ruhig den Schlendrian heraushängen lassen! Doch Mustafa war da ganz anderer Meinung! Sie hatten nur einen Krieg gewonnen, wenn auch einen glorreichen Krieg! Doch das Christentum war noch lange nicht am Ende! Es war gefährlicher denn je, wie ein angeschlagener Tiger! Mustafa wusste, sie hatten noch einen langen Kampf vor sich, und er, Mustafa Abbas, mischte gerade ganz vorne mit! „Bringen Sie mich unverzüglich zu dem Gefangenen, den die Behörden hier geschnappt haben. Ich muss ihn sofort sprechen.“ „Bleiben Sie locker mein Freund. Wir

sind schon unterwegs!“ Asri trank einen Schluck Whiskey. „Ich kenne Sie nicht! Also nennen Sie mich gefälligst nicht Freund!“ Mustafa schwieg einen Moment und schaute weiter aus dem Fenster. Mogadischu war ein Trümmerfeld. Es gab praktisch keine intakten Häuser mehr. Aber dennoch tummelten sich zwischen den Ruinen geschäftig unzählige, in Lumpen gekleidete und ausgemergelte Somalis. Sogar ein kleiner Handel mit was auch immer florierte auf den Straßen. Womit man genau handelte vermochte Mustafa nicht zu erkennen. Andere liefen einfach nur irgendwohin, andere trugen teilweise riesige

Gegenstände wie große Kanister oder irgendwelche Ballen oder Bündel mit dürrem Holz auf dem Kopf umher. Anscheinend hatte sich die zivile Bevölkerung irgendwie mit dem Bürgerkrieg arrangiert, da sie scheinbar einem geregelten Tagwerk nachgingen. Mehrfach musste der Konvoi tiefen Bombentrichtern, mitten auf der Straße, ausweichen. Es war wohl so, dass es schon lange niemanden mehr gab, der sich für den Zustand der Straßen zuständig fühlte. Oder man hatte es schlicht aufgegeben. „Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass dieser Mann General Burck sein könnte?“, fragte Mustafa auf einmal, ohne damit

aufzuhören das rege Treiben auf der Straße zu beobachten. „Na ja!“ Asri nippte erneut an seinem Glas. „Zum einen hat er ein Tattoo am Oberarm welches das Symbol der amerikanischen Einheit zeigt, in dem Burck als junger Soldat diente, zum anderen hat er im Gesicht relativ frische Narben einer Gesichtsoperation die maximal drei Jahre alt sind. Wir haben alles probiert! Er schweigt sich aus oder gibt nur dummes…“ „Ihr habt Ihn bereits verhört?“ Mit blitzenden Augen schnauzte Mustafa sein Gegenüber an. „Ihr Idioten! Ich hoffe, dass er noch bei klarem Verstand ist!“ „Keine Sorge! Wir haben ihn nur ein

wenig verprügelt!“ Asri trank noch ein Schluck. Mustafa stöhnte innerlich auf und schaute wieder hinaus auf die Straße. Komischerweise war auf einmal keine Menschenseele mehr unterwegs. Die Straße war wie leergefegt! Ich könnte Glück haben und dieser Kerl hat nur ein paar Rippenbrüche. Der Schreck fuhr in Mustafas Gesicht. Zu spät deutete er die Zeichen. Er schrie noch „Hinterhalt!!!“, als plötzlich MG-Feuer eröffnet wurde und die Geschosse an der Karosserie klapperten als würde es hageln. Der Fahrer gab Gas und raste los. Instinktiv kauerte sich Mustafa auf den Boden. Er wusste zwar, dass die

Limousine gepanzert war, aber er wusste nicht ob es bei MG-Feuer blieb und ob die Panzerung auch einem Raketenbeschuss stand halten würde? Schon waren mehrere Explosionen zu hören und die Limousine wurde aus der Bahn gerissen aber nicht um geworfen. Mustafa zog seine Pistole, die er in einem Halfter unter dem Jackett trug. Er konnte noch einen Blick zur Frontscheibe raus werfen und sah mit Schrecken ein Geschoss auf sich zu fliegen. Verdammt ein RPG! Sogleich duckte er sich, machte sich so klein wie möglich und hielt den Kopf unter seinen Armen verborgen, um herumfliegenden Splittern so wenig

Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Asri lag neben ihm vor Angst bibbernd und den Tränen nahe. Mensch reiß dich zusammen und tritt unseren Gegnern oder dem Tod mit Würde und Stolz entgegen!, dachte sich Mustafa noch, da krachte es ohrenbetäubend. Unzählige Glassplitter, in einer Wolke aus Feuer und Rauch flogen Mustafa um die Ohren, als das Raketenpanzergeschoss Front-, Zwischen- und Heckscheibe der Limousine durchschlug. Zeitgleich wurde der Wagen von einem nachfolgenden Wagen gerammt und mit Wucht einmal um seine eigene Achse herumgeschleudert. Eine brennende Hitze machte sich auf

seinem Rücken breit. Der Wagen rollte aus. Einen kurzen Augenblick schien alles ruhig zu sein, währen da nur nicht diese brennend heißen Schmerzen auf seinem Rücken! Erneut krachte es mit einer gewaltigen Erschütterung, als die Limousine erneut gerammt wurde. Ein nachfolgender Jeep war nahezu ungebremst frontal auf die schwere gepanzerte Limousine gekracht. Das Heck des Jeeps bäumte sich auf, immer weiter und weiter. Schließlich landete der Wagen kopfüber auf der Limousine. Stille! Brennend heiße Schmerzen erfüllten Mustafa. Doch er traute sich nicht zu schreien. Er biss die Zähne zusammen. Er

schaute vorsichtig auf und sah den toten Asri, mit hässlich verzerrtem Gesicht und einer komplett aufgerissenen Wange. Mustafa erkante durch den Riss ein paar Backenzähne von Asri. Schnell schmierte Mustafa sein Gesicht, seine Hände und seinen ruinierten teuren Anzug mit dem Blut von Husny Asri ein. Als er von draußen Stimmen in einer fremden Sprache und Schritte von wenigstens fünf Personen in Stiefeln hörte, stellte er sich tot. Er legte sich so verdreht wie möglich hin, verbarg sein Gesicht so hinter Asris Leiche, dass die Attentäter es nicht sehen konnten und versteckte die Hand mit der Waffe unter dem toten Körper von Husny Asri.

Mustafa schloss die Augen, in der Hoffnung es würde nicht auffallen, weil doch Leichen eigentlich die Augen offen hatten. Jedoch die Augen von Leichen blickten gebrochen ins Leere, wie es eben nur die Augen von Leichen können! Aber Mustafa musste davon ausgehen, dass diese Leute schon viele Leichen gesehen haben! Die Angreifer waren nun bei dem aufgebrachten Konvoi versammelt und gingen, sich wild unterhaltend, um die Limousine mit dem Jeep auf dem Dach herum. Es wurden lange Salven als Freudenfeuer aus Kalaschnikows abgefeuert. Das erkannte Mustafa am einzigartigen Klang dieses russischen

Sturmgewehres. Es wurde versucht die Türen der Limousine zu öffnen. Doch glücklicherweise hatte der Jeep auf dem Dach dazu geführt, dass die Türen klemmten. Die Leute schossen mit ihren Kalaschnikows auf die gepanzerten Türen. Hallo! Wie dumm seid ihr eigentlich!?, dachte sich Mustafa, angesichts der Munitionsverschwendung. Als die Somalis merkten, dass es so nicht ging war es einen Moment ruhig, bis Mustafa aus Richtung Frontscheibe Geräusche hörte. Es krabbelte jemand durch die zersplitterte Frontscheibe! Mustafa hörte, wie die verbliebenen Glassplitter der Trennscheibe zwischen

Fahrer- und Fahrgastraum weg geschlagen wurden. Die kleinen Splitter regneten über Mustafa hernieder. Er durfte sich jetzt auf keinen Fall bewegen! Jemand kletterte herein und trat unsanft mit einem seiner Stiefel auf Mustafa. Das ist gut! Er glaubt, ich bin tot! Erstaunlicherweise machte sich der Mann nur über die Minibar her und sackte die angebrochene Flasche Whiskey und noch eine weitere Flasche ein. Erst nachdem er sich um sein „leibliches Wohl“ gekümmert hatte durchwühlte er die Taschen der beiden „Leichen“. Er fand auch Mustafas Geldbörse und las laut von Mustafas Ident-card seine Daten vor. Als

die Rebellen hörten wen sie da vernichtet zu haben glaubten, begannen sie laut zu Jubeln. Husny Asri kannten sie wohl schon! Drum durchsuchte ihn, zu Mustafas Freude, dieser Somali nicht weiter. So entdeckte er auch nicht die geladene und entsicherte Pistole. Der Mann kletterte wieder aus der Limousine. Sie schienen sich jetzt einem anderen Fahrzeug zu widmen. In der Hoffnung, sie würden die Limousine jetzt nicht weiter beachten, erhob sich Mustafa langsam und schaute aus den getönten Scheiben, die von außen nicht einsehbar waren, nach draußen. Er hatte richtig geschätzt! Da waren fünf bis an die Zähne bewaffnete Afrikaner in

Felddienstuniformen irgendeiner Armee um den vorausfahrenden Jeep des Konvois versammelt und zogen einen nach dem anderen der Soldaten heraus. Einer bewegte sich noch. Sofort wurde er mit einer Salve aus einer Kalaschnikow erschossen. Der Tod des Soldaten wurde bejubelt. Von Mustafa aus gesehen standen die Männer hinter der Limousine. Schnell kletterte Er nach vorne in den Fahrerraum und versuchte sich, wie vorhin einer der Somalis, durch die zersplitterte Frontscheibe zu zwängen. Es gelang ihm auch! Aber messerscharfe Glaskanten und Spitzen schabten schmerzhaft auf seinem Bauch und Rücken

entlang. Ich muss unbedingt abnehmen! Lautlos glitt Mustafa aus dem Wagen und ließ sich ebenfalls geräuschlos in den Staub der Straße gleiten. Er kniete sich mit einem Knie hin und legte mit beiden Händen seine Pistole an. Es war eine halbautomatische Beretta, neun Millimeter, fünfzehn Patronen im Magazin und eine im Lauf, wie sie bei Geheimdienstagenten weit verbreitet und beliebt war. Die Beretta Halbautomatik ist zielsicher, hat einen geringen Rückstoß und man kann mit ihr ohne Probleme sechzehn Schuss hintereinander zielsicher abfeuern. Mustafa zielte kurz und feuerte in sehr

schneller Folge drei Schuss ab! Drei Rebellen fielen zu Boden! Die anderen beiden schossen erschrocken herum und richteten ihre Kalaschnikows in die Richtung woher die Schüsse kamen. Doch da war Mustafa schon auf die andere Seite der Limousine gehechtet, rollte gekonnt ab und kniete wieder in der vorangegangenen Schussstellung. Die Gegner hatten gar keine Zeit weiter zu reagieren, als Mustafa die beiden verbliebenen Rebellen mit zwei schnellen Schüssen erschoss. Diese Liquidierung dauerte vier Sekunden. Nun war es wieder still.

Gehöft der Familie Kramp, Waldheim, 15.Oktober 2038, 16.00Uhr

Er platzte fast vor Anspannung. Auf keinen Fall wollte er etwas verkehrt machen. Ein Fehler könnte reichen und er wäre wieder genauso weit von seinem Ziel entfernt wie zuvor. Er wollte sein Ziel nicht noch einmal verlieren. Es würde ihn am Boden zerstören und in ein tiefes Loch fallen lassen, aus dem er nicht mehr so leicht heraus käme. Unterwegs hatte Gerlach noch einen Strauss bunter Blumen gekauft. Er wollte bei Ramira nicht mit leeren Händen da stehen. Wie sah das aus? Er bog mit seinem Wagen auf dem Hof

ein. Im Vergleich zu damals hat sich hier nicht viel verändert!, dachte er sich und stieg aus. Endlich hatte der den ganzen Tag andauernde Regen aufgehört! Aber der Hof war dennoch eine riesige Pfütze. Wahrscheinlich war irgendwo ein Regenablauf verstopft. Hier fehlt eindeutig der Mann im Haus! Gerlach patschte drei Schritte bis zum Stallgebäude. So ein Mist! Nasse Füße! Am Rande des Stallgebäudes war es noch trocken. In einem weiten Bogen ging er um die Pfütze herum zur Haustür. Just in dem Moment, als er diesen altmodischen

schmiedeeisernen Türklopfer betätigen wollte, ging die Tür auch schon auf und Ramira stand, das volle schwarze Haar in einem buschigen Zopf nach hinten gebunden, lächelnd vor ihm. Einfach nur göttlich! Gerlach war hin und weg bei dem Anblick der sich ihm bot. „Hallo Herr Gerlach! Es ist schön das Sie da sind!“, wurde er von Ramira begrüßt, die ihn kurz wie einen Freund umarmte. Aus seiner Verzückung gerissen erwiderte Gerlach diese freundschaftliche Umarmung und reichte Ramira den Strauss Blumen. „Ich hoffe sie gefallen Ihnen! Ich hätte gerne noch schönere gekauft. Aber

bessere waren nicht zu bekommen.“ „Ach sie sind wunderschön! Das wäre aber nicht nötig gewesen, Herr Gerlach! Aber nun kommen Sie erst einmal herein! Ich hoffe Sie trinken Kaffee! Ich habe mal einfach auf den Verdacht hin welchen gekocht.“ Ramira ging vor und Gerlach folgte die Haustür wieder schließend. Sie führte ihn ins Wohnzimmer und bot ihm auf einer ledernen braunen Couch vor dem Kamin einen Platz an. „Ich hole uns eben den Kaffee!“ Ramira lief in die Küche und Gerlach setzte sich. Auf dem Couchtisch standen bereits ein Teller mit etwas Gebäck, eine Zuckerdose, Kaffeesahne sowie zwei

Gedecke aus feinem Porzellan. Da kam Ramira auch schon mit dem Kaffee zurück ins Wohnzimmer und schenkte ihm sogleich eine Tasse voll ein. Als sie sich dabei vornüber beugte, fiel sein Blick unweigerlich in den weiten Ausschnitt ihrer luftigen Bluse. Sein Herz wollte einen Moment aussetzen, als sich ihm der Anblick von zwei wunderschönen Brüsten, die nicht zu groß und auch nicht zu klein waren bot. Goldbraun schienen sie ihn an zu lachen. Ramira trug einen weißen BH, doch konnte Gerlach durch den Stoff auch ihre dunkelbraunen kleinen Brustwarzen schimmern sehen. Eine hässliche Narbe am Brustansatz der rechten Brust störte ein wenig die

Ästhetik und Symmetrie des ganzen, aber nicht viel! Für Gerlach waren sie einfach nur ein Sinnbild frivoler Lust. Aus Furcht ertappt zu werden, wandte er sogleich seinen Blick wieder ab. „Oh vielen Dank, Frau Kramp!“ Gerlach gab noch etwas Kaffeesahne zu seinem Kaffee und rührte um. Ramira hatte sich auch eine Tasse eingeschenkt und setzte sich neben ihn. „So, Frau Kramp! Nun erzählen sie doch mal. Wie ist es ihnen seit damals ergangen, als sie von hier entführt wurden. Oder möchten sie nicht darüber sprechen.“ „Ach es geht schon.“, nahm sie ihm seine Sorge. „Es waren noch ein paar

schreckliche Tage. Meine Entführer brachten mich in einem Hubschrauber in eine Militärbasis bei Berlin und verlegten mich gleich in ein unterirdisches Gefängnis beim MAD, wo mir dieser Köhler ganz übel mitgespielt hat. Es war die Hölle. Ich habe noch immer so manchen Albtraum davon und wache in der Nacht schweißgebadet auf. Wie auch immer, hat mich schließlich mein Mann aus diesem Hochsicherheitsgefängnis befreit und später dieses Monster büßen lassen für seine Taten. Ein paar Tage später war ja dann auch der Krieg vorbei und wir fuhren nach Hause. Ich weiß bis jetzt noch nicht genau warum, aber Johannes verkaufte die Schäferei und die

meisten Flächen. Fortan arbeitete er im europaweiten Viehhandel. Gut! Die Geschäfte laufen gut, wir verdienen mehr als mit der Schäferei, aber er ist eben ständig irgendwo in Europa unterwegs und nur noch selten zu Hause. An so manchen Abenden vermisse ich ihn dann doch sehr und fühle mich einsam. Na ja!“ Ramira riss sich selber aus der Lethargie, in die sie bei dem traurigen Thema gerutscht war. „Jetzt wird nicht gejammert! Was ist aus ihnen geworden?“, fragte sie in einem aufmunternden Tonfall und schaute ihn fragend an. „Na ja! Also!“, begann Gerlach. „Als sie entführt wurden fing ich mir einen

hässlichen Bauchschuss ein, der mich ein paar Wochen an ein Krankenhausbett fesselte, was dann auch noch bombardiert wurde. Man hat es gerade so geschafft mich in einen Luftschutzkeller zu bringen. Als ich dann wieder aus dem Krankenhaus kam, oder was davon noch übrig war, waren die Moslems an der Macht. Von meinem Partner Stübner der allein aufgebrochen war sie zu suchen, habe ich nie wieder etwas gehört. Er ist einfach verschollen. Ich denke mal er ist irgendwie zu Tode gekommen. Nach zwei jährigem nichts tun, als die Militärverwaltung durch eine zivile Verwaltung abgelöst wurde, suchte man wieder Polizisten, wenn auch nur für

niedere Tätigkeiten. Besser als gar nichts! Ich habe zugesagt. Den Rest kennen Sie!“ Gerlach schaute etwas deprimiert zu Boden. „Warum haben sie nie geheiratet und eine Familie gegründet? Sie sind doch ein gut aussehender junger Mann, haben einen Job und eine Wohnung.“ Seitdem ich dich getroffen habe hat sich nichts Vergleichbares gefunden!, dachte sich Gerlach, sagte dann aber: „Ich hatte einfach noch keine Zeit und keine Gelegenheit.“ „Ach sie Ärmster! Übrigens mein Mann kann Ihnen vielleicht über den Verbleib Ihres Partners Auskunft geben. Wir selber sprechen nicht viel über diese

schrecklichen Tage. Ich werde ihn heute Abend mal fragen.“ Ramira streichelte ihm Trost spendend das Knie. Ein warmer Schauer von Wonne durchfuhr seinen Körper. „Das wäre ja wundervoll!“ Von der Holztreppe waren Schritte zu hören. Schnell nahm Ramira ihre Hand von Gerlachs Knie. „Oh das müssen Justine und ihr neuer Freund sein!“ Eine hübsche blonde junge Frau mit langem gewelltem Haar und etwas schiefer Nase kam mit einem elegant gekleideten aber doch unscheinbaren jungen Mann im Schlepptau ins

Wohnzimmer. „Ramira! Ich bringe fix Christoph wieder nach Hause!“ „Schätzchen, darf ich dir Herr Gerlach vorstellen! Er ist ein guter alter Freund und hat mir damals im Krieg sehr geholfen. Ich habe ihn heute durch Zufall in der Stadt getroffen.“ Gerlach stand auf und reichte der jungen Frau die Hand. „Gerlach! Klaus Gerlach! Aus Nürnberg!“ „Justine Kramp!“ erwiderte sie lächelnd. „Angenehm!“ Sie wandte sich wieder an Ramira. „Na dann! Viel Spaß noch Ihr Zwei!“, sagte sie mit einem Augenzwinkern und ging mit diesem Christoph in Richtung

Haustür. „Hey! Wir sind nur alte Freunde! Und vergiss dieses dämliche Kopftuch nicht!“ rief ihr Ramira hinterher. Ein Stich fuhr Gerlach bei dem Satz „Wir sind nur Freunde!“ durchs Herz. „Jaja!“ rief Justine noch lachend, dann fiel die Haustür ins Schloss. Wenig später hörte Gerlach einen Wagen vom Hof rollen. „Justine ist manchmal schlimm!“ schimpfte Ramira. „Ich werde sie nachher noch einmal ins Gebet nehmen müssen. Nicht dass sie Johannes irgendeinen Blödsinn erzählt!“ Ramira wechselte das Thema. „Das Wetter ist so schön geworden!

Wollen wir gleich noch ein wenig spazieren gehen?“ „Das ist eine gute Idee!“

Ein Golfclub in der Nähe von Pirmasens, 15.Oktober 2038, 17.00Uhr

Der Geländewagen bog auf den Parkplatz vor dem Clubgebäude des Golfclubs, einer alten Villa aus der Wilhelminischen Kaiserzeit. Johannes fand auch einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zum Eingang. Das Wetter war durch wachsen, es regnete zeitweise, war beständig windig und nicht gerade warm. Auf Grund dessen konnte man nicht gerade von vielen Golfern sprechen, die unterwegs waren, um nicht zu sagen, der Parkplatz war leer! Johannes parkte rückwärts ein, stieg aus und betrat durch

den Haupteingang das Clubgebäude. Vorn an gab es eine Art Empfang. Dahinter saß ein älterer Herr. Als Johannes die Eingangstür öffnete, schellte ein Glöckchen, welches den alten Herren von seiner Zeitung aufschauen ließ.

„Guten Tag Herr Karamow! Da haben Sie sich aber einen denkbar schlechten Tag zum Golf spielen ausgesucht.“ „Hauptsache der Rasen ist schön trocken!“ erwiderte Johannes gelassen. „Ich kenne den Weg!“ Dass Johannes hier ohne Golfausrüstung erschien war nichts Ungewöhnliches. Als er vor fünf Jahren Mitglied im Club wurde, war es ihm Möglich hier im Haus

inoffiziell ein Zimmer anzumieten, da er ja doch ziemlich weit weg wohne und oftmals nur auf der Durchreise wäre. Hier könne er, so hatte es Johannes dem alten Herren erklärt, seine Ausrüstung aufbewahren, ohne sie jedes Mal durch halb Deutschland zu schleppen. Der alte Herr nickte und widmete sich wieder seiner Zeitung. Johannes stieg eine Treppe in den Keller hinab und öffnete mit einem Schlüssel die Tür seines Zimmers. Er betrat den dunklen Raum und machte das Licht an. Offensichtlich befand er sich in einem kleinen Umkleideraum von vielleicht zwei mal zwei Metern, mit einem Spinnt aus Sperrholzplatte und einer Sitzbank. In

einer Ecke stand die Golfausrüstung. Der Spinnt war mit einem Zahlenschloss gesichert. Johannes gab den Code ein und öffnete die beiden Türen. Wer nun meint in diesem Spinnt würden nur Sachen eines Golfers liegen, der irrt sich! Zum Vorschein kam eine etwas modifizierte Partikeldisplay-PC-Konsole, welche auf einem ausziehbaren Brett lagerte. Johannes zog sich die Bank heran und setzte sich vor den PC. Kurz nach dem er das Gerät gestartet hatte baute sich das Partikeldisplay auf und Johannes wurde aufgefordert einen Netzhautscann durchzuführen. Er klappte seitlich von der Konsole einen flexiblen Arm mit einer kleinen Erfassungsoptik am Ende

aus. Nachdem diese Erfassungsoptik Johannes sein linkes Auge eingescannt hatte, war der Rechner frei geschaltet und ein geheimer Intranetkanal öffnete sich. „Guten Tag Mutter!“ Das musste er sagen, sonst hätte sich sofort der Computer und der Intranetkanal zerstört. Ich werde mich nie daran gewöhnen mit einer Maschine zu sprechen. „Guten Tag Virus 7!“ sagte eine Computergenerierte weiblich klingende Stimme. „Sie haben Ihren letzten Auftrag optimal erfüllt. Ihr neuer Auftrag lautet, treffen Sie sich am 20. Oktober um 0800 in Madrid in der alten San Miguel Basilika in der Calle de San Justo mit

ihren übrigen Kameraden des Kommando Virus 10. Zusammen werden Sie nach Mogadischu reisen um den ehemaligen General des NATO-Geheimdienstes Samuel Burck zu befreien, der im dortigen staatlichen Gefängnis von feindlichen Truppen festgehalten wird. Ihr Überleben hängt von seinem Wohlergehen ab.“ Es generierte sich eine holographische Projektion des Gefängnisses in Mogadischu und daneben ein 3D-Bild von General Burck. „Über das heutige Aussehen von General Burck gibt es leider keine genaueren Informationen, da er sich für seine Tarnung einer plastischen Operation

unterzogen hat. Sie und Ihre Kameraden werden sich an einem weißen DIN A4 Briefumschlag erkennen, den Sie bitte erst im Beisein aller Kameraden in der Basilika öffnen werden. Ihr Briefumschlag wurde in einem Bankschließfach Ihrer Bank in Ihrem Heimatort hinterlegt. Unter Angabe des Codewortes…“ ein Moment Pause „…Kopernikus“ wieder eine kurze Pause „... erhalten Sie den Schlüssel und den Zugang zu jenem Bankschließfach. Viel Erfolg! Mutter Ende!“ „Na Klasse! Freundlich wie immer!“ Jetzt musste Johannes zu seiner Tarnung noch etwas Golf spielen.

>

Szenekneipe „rote Zora“, Nürnberg, 15.Oktober 2038, 18.00Uhr

Hand in Hand betraten Justine und Christoph die Kneipe. Jetzt war sie so richtig überfüllt. An allen Tischen waren die Stühle besetzt und die Luft war zum Schneiden, so schwer lag der Qualm des gerauchten Cannabis im Raum. Justine und Christoph fanden noch am Tresen eine Lücke, wo sie sich rein quetschten. Bei der jungen Frau hinter dem Tresen bestellten sie zwei Colas. Verliebt schauten sich die beiden in die Augen. Die letzten Stunden waren so schön gewesen. Christoph war noch immer von Euphorie und Glückseligkeit

erfüllt. War das schön, mit Justine auf ihrem Zimmer! Christoph konnte nicht anders als Justines roten Mund zu küssen. So merkte er nicht, wie erneut die Eingangstür auf ging. „Hey!!!“ Christoph schrak auf. Oh oh! Kralle! An den hatte ich ja gar nicht mehr gedacht! Justines Gesicht war wenigstens genauso erschrocken. Sofort stellte sie sich vor Christoph, als sie Kralle wutentbrannt auf Christoph zu stürmen sah. „Du miese kleine Ratte!!!“ schrie er Christoph an „Die gehört mir!!!“ Kralle wollte Justine einfach beiseite schieben. Doch wusste die sich zu

behaupten und wich nicht zur Seite. „Kralle! Lass ihn in Ruhe! Ich habe angefangen!“ „Na toll!!“ Justine bekam eine schallende Ohrfeige und stürzte zu Boden. Gleichwohl Christoph diesem Kralle körperlich hoffnungslos unterlegen war, sprang er ihn sofort an den Hals. Beide stürzten nach hinten auf einen Tisch, der unter der Wucht des Aufpralls zusammenbrach. Kralle auf dem Rücken im Würgegriff von Christoph, ließ seine Faust hervor schnellen, die Christoph schwer auf die Nase traf. Ihm wurde schwarz vor Augen und der Schmerz trieb ihm die Tränen ins

Gesicht. Wieder flog eine Faust in Christophs Gesicht. Er flog zur Seite weg. Schnell rappelte sich Kralle auf und packte Christoph am Kragen seines Jacketts. „Ich werde dir zeigen, was es heißt, mit meiner Schnalle rum zu machen! Du mieser kleiner Wichser!“ Christoph sah schon wieder Kralles Faust auf sich zu fliegen, wollte noch ausweichen, als er ein Klirren hörte. Kralle sackte zusammen. Hinter Kralle stand, eine zerbrochene Flasche in der Hand, Justine. Sie packte den noch immer benommenen Christoph am Arm. „Los komm! Schnell weg hier!“ Zu der Dame am Tresen rief sie: „Ich

bezahl das alles später!“ Schnell verließen die beiden das Lokal und liefen zum roten Renault. Justine fuhr erst mal los. Christoph hielt sich noch immer die blutende Nase. Aus ihrer Tasche zog sie ein Taschentuch hervor und reichte es Christoph. „Es tut mir alles so Leid! Ich hab die Zeit so sehr genossen, da habe ich Kralle total vergessen.“ Justine begann zu weinen. „Geht’s denn?“ „Ach mach dir mal keine Sorgen! Es sieht vielleicht schlimmer aus als es ist!“ beschwichtigte Christoph, obwohl der wummernde Schmerz in seiner Nase ihn hätte einfach los schreien lassen können. Aber diese Blöße wollte er sich vor

Justine auf keinen Fall geben! „Ehrenvoll gekämpft ist anders! Hab ich recht?“ Christoph kam sich jämmerlich vor, weich und kraftlos, der typische Sohn reicher Leute eben. „Erzähle doch keinen Müll! Hast Du nicht mitbekommen, wie Du ihn angesprungen bist?“, tat Justine entrüstet. „Jaja! Der eine Lichtblick!“ erwiderte Christoph sarkastisch. „Ich habe mich eben noch nie geprügelt.“ Justine fuhr rechts ran und küsste ihn leidenschaftlich. „Hör endlich mit diesem Gerede auf. Bei diesem Kräfteverhältnis hätten andere es noch nicht einmal gewagt überhaupt

Kralle gegenüber zu treten. Sie wären wahrscheinlich davon gelaufen! Und jetzt ist genug. Ich liebe dich so wie Du bist!“ Justine küsste Christoph noch einmal und fuhr wieder weiter. Man, ist das ne Frau! Christoph lächelte und streichelte mit den Fingerrücken ihre Wange. „Du bist wundervoll!“ Justine lächelte zurück. „Ich weiß!“ Nach einigen Minuten waren sie angekommen und Christoph küsste Justine noch einmal zum Abschied. „Wir sehen uns morgen früh auf dem Campus. Ich liebe dich!“ „Ich liebe dich

auch!“ Christoph stieg aus und ging zur Tür des etwas heruntergekommenen Mietshauses, wo er in einer typischen Studenten-WG wohnte. Er schaute sich noch einmal um, bevor er das Haus betrat und winkte Justine hinterher. * Justine fuhr wieder zurück zur „roten Zora“. Sie war wütend, über Kralle und über sich! Dieser blöde Arsch! Wie hat er mich genannt? Schnalle? Der hat sie wohl nicht mehr alle? Und ich dumme Kuh geh mit Christoph in die rote Zora ohne

vorher mit Kralle Schluss gemacht zu haben. Das ist aber noch lange kein Grund so auszuticken! So ein Spinner! Na warte! Dem werde ich was erzählen! Sie kam zügig voran. Es war schon fast dunkel und sie schaltete das Licht ein. Sie musste an das denken, was ihr vorhin Christoph von wegen Schwäche erzählt hatte. Schmerzlich kamen in ihr wieder die schrecklichen Erinnerungen von vor fünf Jahren hoch, wo die kleine zierliche Sabine ihren riesigen, massigen Stiefvater bezwungen hat und sie dachten Köhler wäre tot… Justine schüttelte den Gedanken ab. Sie wollte das alles nicht noch einmal durchleben, auch wenn es nur in ihrer Phantasie gewesen wäre. Nein es

war einfach zu schrecklich! Sie war da. Der rote Renault hielt direkt vor der „roten Zora“ und Justine ging mit festem Schritt in die Kneipe. Kralle saß an einem der Tische und kiffte sich mit ein paar anderen Punkern zu. Justine ging an den Tresen und bezahlte mit ihrer Ident-card, die auch eine Geldkartenfunktion hatte, den angerichteten Schaden und die beiden Colas. Nun trat sie vor Kralle an den Tisch und stemmte entschlossen ihre Fäuste in ihre Hüften. Kralle war so zu, dass er sie kaum erkannte. „Hey Kralle! Du zu gekifftes Arschloch!“, sprach sie ihn mit eisiger Stimme an. „Hä?“ Er reckte den Kopf hin und her

wankend nach oben. „Noch einmal zum mit schreiben, Du Idiot! Mit uns das ist aus! Ist das in Deiner hohlen Birne angekommen?“ Kralle brabbelte etwas Unverständliches. „Ach und die da gehört übrigens mir!“ Blitzschnell hatte sie die Viehverkehrsohrmarke in Kralles Ohrläppchen geschnappt und mit einem kräftigen Ruck heraus gerissen. Kralle schrie mit sich überschlagender Stimme auf. „Du Schlampe!!! Ich mach Dich fertig!!! Du Fotze!!!“ Er sprang auf, fand aber, zu gekifft wie er war, nicht das nötige Gleichgewicht. Kralle stürzte, sich das stark blutende Ohr haltend, wie ein Baum

zurück auf den Tisch. Die Getränke fielen alle um und ein Gemisch aus Cola, etwas Bier und Schnaps besudelten ihn. Die Leute um den Tisch herum sprangen auf. Ein paar Junge Frauen fingen hysterisch an zu kreischen. Den allgemeinen Aufruhr ausnutzend suchte Justine schnell das Weite.

Mogadischu, 15.Oktober 2038, 21.00Uhr (19.00Uhr MEZ)

Endlich! Nach langem suchen, sich verstecken und etlichen Umwegen stand Mustafa vor diesem Gefängnis. Er war am verdursten, hatte Wut im Bauch und sein verbrannter Rücken schmerzte wie Hölle. Die ganze Zeit auf der Suche nach diesem Gefängnis hatte er sich verborgen halten müssen. Mustafa konnte keinen Somali um Hilfe bitten, weil er nicht zu sagen vermochte ob nun gerade dieser Somali zur muslimischen oder feindlichen Seite gehörte. Doch nun stand er endlich vor diesem hässlichen Gefängnis, ein grober

quaderförmiger Stahlbetonklotz mit hunderten vergitterten Fenstern und einer hohen, mit Stacheldraht versehenen, Mauer drum herum. Es gab nur ein massives Stahltor, welches nach drinnen führte. Mustafa trat an das Tor und hämmerte mit der Faust dagegen. Wenn das nicht Burck ist! Dann reiße ich dem Informanten höchst persönlich den Arsch auf! Eine Klappe im Tor öffnete sich und ein Somali mit schwarzem Barett auf dem Kopf glotzte ihn nur grunzend an. „Mustafa Abbas, vom muslimischen Geheimdienst. Ich habe hier einen Termin mit einem ihrer Gefangenen!“ stellte sich

Mustafa auf Englisch, mit gespielter Höflichkeit und die Fäuste auf dem Rücken ballend, vor. „Warten!“ Die Klappe flog wieder zu. So ein verdammter Sauhaufen. Erst werden wir überfallen, dann scheint hier keiner von meinem Erscheinen zu wissen! Mustafa ging auf und ab, einen Stein vor seinen Füßen weg kickend. Nach etwa fünf Minuten ging das Tor einen Spalt weit auf und ein anderer Somali in einer schicken Uniform mit Schirmmütze und ein paar Sternen auf den Schultern stand vor Mustafa. Der scheint wohl was zu sagen zu haben! „Sie sind spät dran Mister Abbas. Wir

hatten Sie früher erwartet!“, wurde Mustafa von diesem Somali höflich begrüßt. „Entschuldigen Sie! Wir wurden leider ein wenig aufgehalten!“, äffte Mustafa das höfliche Getue seines Gegenübers nach. „Sagen Sie mal, wollen Sie mich verarschen!? Der Konvoi der mich und den ägyptischen Attaché hier her bringen sollte, wurde von so ein paar bekloppten Halbaffen mit Granat- und Raketenwerfern angegriffen! Ich allein bin mit Mühe und Not entkommen und hab mich quer durch diese beschissene Stadt hier her gekämpft. Und jetzt möchte ich gefälligst meinen Gefangenen sehen!“ Hektisch warf der Somali mit ein paar

Kommandos auf seiner Muttersprache um sich und ließ Mustafa ins Innere des Gefängnisses. „Möchten Sie sich vorher vielleicht ein wenig frisch machen und Ihr Gepäck ablegen?“ „Nein lieber nicht! Ich traue hier keinem weiter als bis zu meiner Nasenspitze!“ Mustafa tippte sich mit dem Zeigefinger auf den besagten Körperteil. „Also, gut!“, erwiderte der Somali nicht mehr ganz so freundlich. „Dann folgen Sie mir!“ Der Somali ging vorne weg und führte seinen Gast durch dunkle Gänge über einige Treppen tiefer in das Kellergeschoss des Gefängnisses. Hinter

Mustafa folgten noch zwei Soldaten. „Wir haben ihn im Verhörtrakt in Isolationshaft genommen. Ich hoffe das ist Ihrem Sinne.“ „Jaja! Solange er auch noch körperlich und geistig einigermaßen fit ist, geht das in Ordnung.“ Vor einer Zellentür machte der Somali halt und schloss sie auf. „Da wären wir! Hier ist Ihr Gefangener!“ Er öffnete die Tür und das Licht ging in der fensterlosen Zelle automatisch an. Mustafa betrat den kleinen Raum und sah auf einer Pritsche einen übel zugerichteten, dunkelhäutigen Mann liegen. Sein Gesicht war zu geschwollen und von blutigem Schorf überzogen. Am

Kopf klaffte eine große Platzwunde. Der Somali preschte vor und knuffte dem Mann mit einem Gummiknüppel ruppig in die Seite. „Aufstehen!!!“, schrie er ihn an. „Lassen Sie den Mann in Ruhe!!! Sofort!!!“, schrie Mustafa seinerseits den Somali an. Er stellte seine Reisetasche und den Koffer ab und trat an den Mann heran. Der Somali zog sich zurück zur Zellentür. Mustafa beugte sich zu dem Mann herab und flüsterte ihm fast ins Ohr. „Ab sofort werden sie hier mit Samthandschuhen angefasst! Das verspreche ich Ihnen. Also entspannen Sie sich und ruhen Sie sich aus! Kommen Sie

wieder zu Kräften!“ Mustafa erhob sich wieder und baute sich ganz dicht vor dem Somalischen Soldaten mit der Schirmmütze auf. Dieser war zwar wenigstens einen Kopf größer, doch schien diese Tatsache Mustafa recht wenig zu beeindrucken, als er mit eiskalter und messerscharfer Stimme zu sprechen begann. „Dieser Mann wird umgehend in meine Dienststelle verlegt. Bis denn alles vorbereitet ist, wird diesem Gefangenen weder ein Haar gekrümmt, noch wird er sonst wie schikaniert! Desweiterem bekommt er genug zu Essen und zu Trinken. Ich hoffe Ihr habt hier einen Arzt! Wenn nicht besorgt einen, der ihn

wieder zusammen flickt. Haben Sie mich verstanden Sergeant…“ Mustafa zögerte, Er kannte gar nicht den Namen dieses Somalis. „Mumbenge Sir! Aaron Mumbenge!“, nannte dieser zackig und durch Mustafas Auftreten denkbar eingeschüchtert, seinen Namen. „Also Sergeant Mumbenge! Noch heute Abend soll ein Arzt kommen und ihn sich anschauen! Ich komme morgen früh wieder. Sollte sich sein Zustand nicht gebessert haben, sorge ich dafür, dass Sie die längste Zeit diesen hübsch ruhigen Posten, hier in diesen Stahlbetonmauern, innehatten. Dann dürfen Sie draußen diese ganzen rebellischen Clans mit ihren

ganzen Warlords bekämpfen. Aber dann bestimmt nicht als Sergeant, sondern als kleiner Soldat! Ich denke mal wir haben uns verstanden!“ Mustafa nahm sein Gepäck auf und trat an ihm vorbei auf den Gefängnisflur. Der, nach dieser Drohung, eingeschüchterte Mumbenge schloss hinter ihm die Zellentür. „Lassen Sie jemanden vorfahren, der mich zum ägyptischen Konsulat fährt!“

Gehöft der Familie Kramp, Waldheim, 15.Oktober 2038, 20.15Uhr

„Ach Herr Gerlach! Es war so schön, dass Sie mir heute Nachmittag Gesellschaft geleistet haben. Endlich mal wieder mit jemandem sprechen, den man von früher kennt, der einen noch wie einen normalen Menschen behandelt, nicht so wie diese Leute hier im Dorf! Die würden doch immer noch Dönerhure hinter mir her schreien und mit Dreck nach mir werfen, wenn die Zeiten nicht so wären wie Sie nun mal leider sind.“ Sie waren bei der Haustür angekommen und Gerlach zog seine Schuhe und Jacke wieder

an. „Nun übertreiben Sie aber ein wenig, Frau Kramp. Sie sind eine so herzensgute liebreizende Frau! Ihnen kann man doch gar nicht böse sein!“ Gerlach war nun angezogen. Bedingt durch die Enge des Flures an der Haustür, stand er nun ganz dicht vor Ramira. Sie schauten sich an, sie zu ihm herauf und er zu ihr herab. Gerlach spürte ihren warmen Atem in seinem Gesicht. Ramira umgab ein zarter Duft nach Jasmin. Einige Sekunden schauten sie sich schweigend, tief versunken in die Augen. Diese Art von Blicke waren nicht die ersten an diesem Nachmittag! Jedes mal loderte dabei in Gerlach ein Feuer der

Leidenschaft auf. Am liebsten hätte er sie umarmt und stürmisch geküsst. Damals, mit Anfang zwanzig, war das normal bei ihm. Er hatte schon damals einen guten Stand bei Frauen gehabt. Aber heute war es anders! Heute war es Ramira, der er gegenüber stand! Nicht irgendein Mädchen vom Tanz oder aus der Bar! Er riss sich von ihrem göttlichen Anblick, von ihren rehbraunen Augen los. „Nun denn Frau Kramp! Ich muss dann auch mal los! Wir telefonieren! Versprochen?“ fragte er lächelnd und legte unbewusst eine Hand auf ihre geschwungene Taille. Ein warmer, kribbelnder Schauer durchfuhr seinen

Körper. Ramira lies es geschehen und erwiderte lächelnd: „Ich habe deine Nummer! Klaus!“ Hat sie mich gerade Klaus genannt? Gerlach strahlte vor Glück. „Ja! Die hast Du!“ Er setzte zum Gehen an, da hielt sie ihn an der Schulter haltend auf. Sich auf die Zehenspitzen stellend, küsste ihn Ramira auf die Wange. „Komm gut nach Hause! Ich rufe dich an!“ Ramira hielt noch seine Hand als er zu seinem Wagen aufbrach.

* „Es war schön dass Du da warst!“, flüsterte sie ihm hinterher. Klaus lächelte noch einmal zurück, stieg in seinen Wagen und winkte weiter lächelnd, als er vom Hof fuhr. In Höhe der Hofeinfahrt fuhr Justine im roten Renault an Klaus vorbei und warf flüchtig einen Blick nach ihm zurück. Ramira ging zurück ins Wohnzimmer und räumte den Tisch ab. Sie hatte sich und Klaus ein Abendessen zubereitet, bevor er wieder aufbrach. Ramira war wie berauscht von einem Gefühl, welches sie schon so lange nicht mehr gefühlt hat. Dieser Nachmittag und

frühe Abend mit Klaus war so unbeschreiblich schön, harmonisch und leicht. Nach langer Zeit fühlte sich Ramira wieder attraktiv oder begehrenswert! Konnte man ihr Gefühle so beschreiben? Sie wusste es nicht genau! Wann gab es das zuletzt? Einfach mal ein paar schöne gemütliche Stunden in trauter Zweisamkeit verbringen, sich unterhalten, spazieren gehen und einfach mal rum albern. Dann noch diese gewissen Blicke, neugierig, erforschend und prickelnd … Moment! Bei dem Gedanken legte Ramira die Stirn in Falten. Ist es möglich? Bin ich gerade dabei mich zu verlieben? Ramira

schüttelte den Kopf. Das kann nicht sein! Ich habe den besten liebevollsten Ehemann den man sich denken kann! Gut! Er ist kaum zu Hause! Und wenn er mal zu Hause ist, dann ist er in Gedanken wer weiß wo, aber nicht bei mir! Aber trotzdem! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!!! Sie war mitten im Wohnzimmer mit dem Tablett in der Hand stehen geblieben und wurde erst aus den Gedanken gerissen als Justine von draußen herein kam. „Hallo Ramira! Ich bin wieder da!“ Justine legte Jacke Schuhe und Kopftuch ab und ging in die Küche. „Man hab ich einen Hunger!“ Ramira deckte für Justine den

Küchentisch mit Brettchen, Messer, Brot, Butter, Wurst, Käse und etwas Salat. Justine ging in einen kleinen Vorratsraum direkt neben der Küche und holte sich eine Flasche Mineralwasser. „Na habt Ihr es euch schön gemacht?“, fragte sie Ramira viel sagend lächelnd. „Justine! Ich möchte nicht, dass Du da etwas falsch interpretierst! Klaus ist wirklich nur ein alter Freund aus dem Krieg. Wir haben uns heute nach sechs Jahren das erste mal durch Zufall wieder getroffen! Da ist nichts, da war nichts…“ „Hey! Du brauchst mir nichts erklären!“, wurde Ramira von Justine, abwinkend und lächelnd, unterbrochen. „Es ist dein Leben! Und außerdem hast du jedes Recht

dazu ein wenig mit anderen Männern zu flirten! So wie Johannes seit ein paar Jahren mit dir umgeht kann beim besten Willen nicht mehr von der großen Liebe zwischen Euch die Rede sein! Ich glaube er weiß gar nicht mehr was er eigentlich an dir hat.“ Ramira war entsetzt. „Ist es so offensichtlich?“ „Ja leider! Und es ist nicht schön, sich dieses Drama Tag für Tag mit ansehen zu müssen.“ Ramira setzte sich auf einen Stuhl und begann zu schluchzen. „Nicht weinen!“ Justine setzte sich neben Ramira und legte ihr den Arm um die

Schultern. „Hast Du mal mit ihm darüber gesprochen? So kann es doch nicht weiter gehen! Warum wird er nicht wieder Schäfer? Das war doch immer sein Traum, hast Du mir erzählt. Dann wäre er jeden Abend zu Hause und hätte viel mehr Zeit für dich!“ „Wenn ich das nur wüsste!“, heulte sich Ramira an Justines Schulter aus. Die Dämme waren gebrochen! Sie konnte jetzt nicht mehr anders und ließ alles nur noch raus. „Wir reden doch kaum noch miteinander. Er ist verschlossen, schweigsam, abwesend. Selbst nachts, wenn wir im Bett liegen und uns lieben…“ Ramira zögerte einen Moment.

Sollte Sie mit Justine über dieses Thema reden? Bei Allah Sie ist zwanzig und angehende Ärztin! „Er funktioniert noch! Aber ohne diese Leidenschaft von früher! Ich weiß nicht! Meinst Du er hat da draußen irgendwo eine Andere?“ Ramira schaute zu Justine, deren Mine sich verfinstert hatte. „Ich hoffe es nicht! Das hättest Du nicht verdient! Und er wäre ein Arschloch, auch wenn er mich damals von meinem Stiefvater befreit hat! Du musst ihn zur Rede stellen! Das geht so nicht weiter!“ „Ach Kleines!“, wollte Ramira ihre Adoptivtochter

beschwichtigen. „Nicht ach Kleines! Das darfst Du dir nicht gefallen lassen! Oder setzt er dich etwa unter Druck?“ „Um Himmelswillen nein!!!“, rief Ramira entsetzt. „Weder setzt er mich unter Druck, noch beleidigt er mich, aber er…“ Ramira überlegte, wie sie es am besten ausdrücken sollte. „Aber er trägt mich auch nicht mehr auf Händen oder versucht mir nicht mehr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Beim Sex ist das Feuer aus. Seine Gier in den Augen, meinen Körper förmlich verschlingen zu wollen, nichts ist mehr da.“ Je mehr Ramira darüber sprach, umso ratloser wurde

sie. „Ihr habt euch auseinander gelebt. Vielleicht solltest Du ihn mal einfach wachrütteln aus seiner Gleichgültigkeit dir gegenüber. Warum stellst Du ihm nicht einfach mal diesen netten Klaus vor? Dat is doch a lecker Kerlchen!“, versuchte Justine eher mäßig den rheinischen Dialekt nachzumachen. „Meinst Du?“, fragte Ramira unsicher. „Wenn noch ein Funken Liebe zu dir in ihm steckt, dann wird er so was von eifersüchtig, sag ich Dir. Was meinst Du was eine solche Eifersucht die eingeschlafene Leidenschaft in einem Kerl wieder erweckt! Da wo Eifersucht ist, ist auch immer

Liebe!“ „Du scheinst da wohl schon so Deine Erfahrungen zu haben! Was?“ Justine grinste viel sagend. „Nun ja! Es gab da mal einen, um den lohnte es sich zu kämpfen!“ „Dachte ich’s mir. Kenne ich ihn?“ „Nein!“

Unterwegs nach Waldheim, 15.Oktober 2038, 21.30Uhr

Endlich! Bald war er wieder zu Hause, bei Ramira und Justine in seinem Haus! Johannes war dieses ganze Herumgereise leid! Was würde er drum geben, endlich wieder sesshaft zu werden, jeden Tag seine Schafe zu versorgen und abends die Gesellschaft von Ramira und Justine zu genießen, vielleicht ja auch irgendwann einmal die eines kleinen Babys? Warum auch immer! Bisher war es den beiden noch nicht vergönnt gewesen ein eigenes Kind zu bekommen! Johannes hat schon öfters darüber nachgedacht woran es liegen könnte, meistens dann, wenn er mal nicht über seinen nächsten Auftrag

nachdenken musste, was leider viel zu oft der Fall war. Johannes kam es manchmal so vor, als würden die Aufträge von mal zu mal schwieriger und gefährlicher. Wie der letzte Auftrag in Paris! Was sollte das? Worin lag der Sinn einen Gouverneur auszuschalten? Für ihn kam ein neuer Gouverneur! Oder glaubte Mutter etwa dass irgendwann keiner mehr Gouverneur in den besetzten Gebieten werden wollte? Das ist doch Blödsinn! Oder wurde dieser Gouverneur für VIRUS 10 zu einem Risiko? Man weiß es nicht! Mutter gab einem aber auch keine Hintergrundinformationen über den Sinn und den Zweck einer zu erfüllenden

Mission. Virusagenten hatten einfach nur Befehle auszuführen! Fertig! Je weniger sie wussten, desto weniger, so glaubten die Schöpfer von VIRUS 10, mussten sie sich vielleicht mit Gewissensbissen und Selbstvorwürfen herumschlagen, was einen Virusagenten anfällig machen würde! Nur, bei aller Programmierung und Superausbildung hatten die Schöpfer den Faktor Mensch unterschätzt! Ein Mensch denkt und fühlt bei allen seinen Handlungen und bildet sich über alles und jeden seine Meinung, auch wenn er dies nur unterbewusst macht! Das beste Beispiel schien Johannes zu sein. Er hinterfragte alle seine Aufträge nach dem

Sinn! Nur er konnte auch niemanden fragen. Mutter war nichts weiter als ein hoch entwickeltes Programm mit einer hübschen Computergenerierten weiblich klingenden Stimme, welches ihm seine Missionen erläuterte. Es reagierte auf keinerlei Gegenfragen. Johannes hatte schon ein paar mal versucht etwas zu hinterfragen. Da wiederholte die Stimme einfach nur den letzten Satz exakt. Sogar die Intonation und die Abstände zwischen den einzelnen Worten und Sätzen stimmten exakt überein. Daran erkannte Johannes, dass er mit einer wahrhaftigen Maschine sprach! Aber der neue Auftrag war etwas Besonderes! Es war die Art Mission die

auf keinen Fall von irgendeinem mächtigen Computer berechnet worden sein konnte! Diese Mission war auf eine spezifische Person die tatsächlich als solches existierte ausgerichtet, Samuel Burck! Woher wusste der Computer, dass der verschollene Burck überhaupt noch lebt, und gerade jetzt in den Händen der Moslems war? Selbst sein letzter Auftrag, der Anschlag auf den Gouverneur von Frankreich war nicht auf Yesal Asram speziell ausgerichtet, sondern nur auf den französischen Gouverneur an sich, und hätte doch irgendwie ein Spielzug eines weitaus größeren Schachspieles gewesen sein

können! Dieser Aspekt brachte Johannes die Erkenntnis, dass irgendwo auf dieser Welt jemand hinter diesem Computer, mit dieser Computergenerierten, weiblichen Stimme, saß und doch irgendwie die Fäden der Macht zog. Was Johannes ebenfalls noch in seiner neuen Erkenntnis bestärkte war die Tatsache, dass die verantwortlichen es scheinbar in Kauf nahmen das ganze Team VIRUS 10 zu opfern nur um diesen General zu befreien! Dieser neue Auftrag schwoll nur so über von Emotionen und menschlichen Folgerungen! Es war nicht mehr weit, bis Johannes

endlich zu Hause war. Vor 20 Minuten hatte er Ansbach passiert. Schon bald würde er in Waldheim sein. Er kam ja gut voran. Die Straßen waren um diese Zeit wie leer gefegt. Johannes grauste schon davor, Ramira erklären zu müssen, dass er bereits in drei Tagen wieder los müsse, und das auch noch für eine sehr lange Zeit. „Ach verdammt!“, fluchte Johannes und schlug mit der Handfläche aufs Lenkrad. Wenn ein Außenstehender von seinem Geheimnis wüsste, würde er ihn jetzt sicherlich fragen, warum sich Johannes dieses gefährliche Leben freiwillig antat? Warum schmiss er die Brocken nicht einfach hin? Wenn Johannes ihm dann

erklären würde, dass ihn irgendeine innere Kraft bei diesem Verein hielt, die ihn auch nicht mehr los ließ, er würde wahrscheinlich nur verständnislos den Kopf schütteln. Er würde nicht verstehen, dass dies ein Teil der Programmierung in Johannes seinem Kopf war. Noch nicht einmal Ramira wusste über das Doppelleben ihres Mannes bescheid. Es wäre viel zu gefährlich für sie, Justine und für ihn gewesen! Damals als er den Aktivierungscode „roter Schnee“ übermittelt bekam, fuhr er mit seinen anfänglich drei Begleiterinnen Ramira, Sabine und Justine zurück nach Nürnberg. Mit Wehmut musste Johannes plötzlich an

Sabine denken, die ihn in dieser Nacht für immer verlassen hatte. Er zwang sich und schob die Gedanken an Sabine beiseite. In der Nähe von Nürnberg fand er auch diese Kapelle in die er sich allein hinein begab. Dass er zu dieser Kapelle mit den blauen Türen und Fenstern musste und dort in der dritten Reihe, auf der linken Seite unter Platz vier ein kleines Geheimfach unter einer Art Holzverkleidung fand, sagte ihm die verschlüsselte Botschaft in den Soldatengrüßen nach der Ansprache des Bundeskanzlers: Hier nun einige Grußbotschaften an unsere Soldaten an der Front. Margot grüßt Ludwig! Luise hat die Masern.

Sie hat sehr viele Pusteln. Helene grüßt Holger! Peter hat eine Erkältung. Bestimmt schon der SIEBTE VIRUS in diesem Jahr. Renate grüßt Georg! Hoffentlich bist Du zum nächsten CHRISTKINDLMARKT (gemeint ist Nürnberg) wieder zu Hause. Sarah grüßt Jens! Unser Baby hat Augen so BLAU WIE ENZIAN. Viola grüßt Jan. Wenn Du wieder kommst spielt eine KAPELLE. Heike grüßt Herbert! Ich habe die verlorene Kette IN DER DRITTEN HANDTASCHE (gemeint ist die dritte Bankreihe) gefunden. Bärbel grüßt Olaf! Unsere Tochter hat den Socken LINKS (linke Seite) herum an. Stefanie grüßt Richard! Die Hündin hat VIER (Platz

vier) Welpen geworfen. Diese verschlüsselte Botschaft sagte ihm auch noch, dass er ganz allein in Deutschland zu sein schien, da die Botschaft speziell an Virus 7 gerichtet war! In diesem Geheimfach war ein kleines Audioabspielgerät verborgen, welches ihn instruierte und seinen ersten Auftrag zuwies. Bei einem Sieg des Gegners dessen Versorgungswege mit Wasserstoff und Strom zu stören, sprich, Brücken, Straßen, Shuttletrassen und Überlandleitungen sprengen. Wie gesagt, anfangs waren es noch einfache Missionen! Ebenso fand er in diesem Geheimfach einen kleinen Lageplan zu

einem Materialdepot ganz in der Nähe von Waldheim. Es war eine geheime Grotte, deren Zugang mit einem künstlichen Felsen getarnt war. Diese Grotte war bis oben hin voll gepackt mit Waffen, Munition, Handgranaten, Unmengen von C4 und tausenden funkgesteuerten Zündsätzen. Auch anderes Equipment wie Ferngläser, Nachtsichtgeräte oder ein detailgetreues Kartenwerk von ganz Europa waren dort zu finden. Sogar eine kleine Kiste voll mit ungeprägten Goldbarren, als stille Finanzreserve in seinem Kampf, fand Johannes beim Sichten des Bestandes jener Grotte. Eigentlich hatte er mit diesem Depot alles um einen kleinen Krieg zu führen! Zu

guter Letzt fand er noch diesen modifizierten Partikeldisplay-PC, den er absolut sicher irgendwo aufbauen und installieren sollte. Das alles war wohlbemerkt nur für Virus 7! Man kann sich vorstellen, wenn für alle 10 Virusagenten ein solches Depot eingerichtet wurde, was da für ein Aufwand betrieben wurde, um diese Einheit aufzubauen! Na ja! Ramira hatte er jedenfalls erzählt, dass er im Falle einer Revolution eine militärische Führungsrolle hätte übernehmen sollen. Es musste ja schon extrem wichtig klingen! Irgendwie musste sich ja diese Geheimnistuerei erklären lassen! Und Ramira hätte etwas gehabt,

Johannes hoffte es würde nie dazu kommen, das Sie bei einem eventuellen Verhör, vielleicht sogar unter Folter, glaubwürdig, sogar für einen Lügendetektor, hätte verraten können. Justine hatte von alledem zum Glück, so hoffte es Johannes, nichts mitbekommen. Bald war er zu Hause in Waldheim, nur noch einen Kilometer! Er freute sich schon so sehr auf Ramira.

Gehöft der Familie Kramp, Waldheim, 15.Oktober 2038, 23.00Uhr

Ramira und Justine saßen gemeinsam im Wohnzimmer in der braunen ledernen Couch vor dem lodernden Kamin. Im Hintergrund spielte Musik. Justine spürte die innere Anspannung Ramiras, wie sie so starr in die Flammen schaute. Sie warteten gemeinsam auf Johannes, der nun bald kommen musste. Die beiden hatten sich darauf geeinigt, Johannes noch heute zur Rede zu stellen. Weil, so wie es im Moment war, konnte es unmöglich weiter gehen! Da waren sich Beide einig. Aber wenn sich Justine das Gesicht von Ramira anschaute, war sie

sich der Sache nicht mehr so sicher! „Hab keine Angst! Zusammen schaffen wir das schon!“ Sie nahm Ramiras Hand. „Ach was Angst! Ich möchte ihm einfach nur nicht wehtun! Trotz alledem ist er immer noch der liebevollste und fürsorglichste Mann, den man sich als Frau nur wünschen kann, auch wenn er es nicht mehr so richtig zeigt und kaum da ist. Uns geht es gut! Wir leiden kein Hunger! Dein Studium ist gesichert und die Geschäfte laufen scheinbar gut! Da stellt sich doch die Frage…“ „Du machst jetzt keinen Rückzieher oder?“, unterbrach Justine fassungslos ihre

„Adoptivmutter“. Das gibt es doch nicht! Ist sie ihm wirklich so treu ergeben? Ramira atmete einmal durch. „Nein, Das nicht! Aber wir sollten mit ihm nicht zu hart ins Gericht ziehen! Wir wissen nicht genau was dahinter steckt!“ Ramira brach in ihrer Entschlossenheit mehr und mehr zusammen. „Ja das wollen wir doch gerade herausfinden! Nur mit Samthandschuhen ist da nicht immer! Wenn es sein muss, müssen wir auch mal die Daumenschrauben anlegen, wenn Du verstehst was ich meine.“

* Ach Kleines, wenn Du wüsstest was ich schon mit Johannes erlebt habe und wie er früher einmal war, dann wärst Du nicht so unerbittlich! „Justine, Justine! Es ist rührend, dass Du dich um mich so sorgst. Aber bitte, lass mich erst mit ihm reden und halte dich zurück! Ich weiß wie impulsiv Du manchmal sein kannst.“ Ramira strich Justine über ihr langes blondes Haar und lächelte gerührt über so viel Mitgefühl von Ihrer „Adoptivtochter“. „Na gut! Ich gebe mir mühe und halte mich zurück. Aber wenn ich merke, dass

er dich einlullt… Hey! Du bist für mich meine beste Freundin! Ich kann dich doch nicht leiden sehen!“ „Ach Justine!“ Ramira umarmte ihre Pflegetochter „Ich hab dich in mein Herz geschlossen!“ „Ich dich auch! Es wird schon werden!“ Auf dem Hof war Johannes sein Geländewagen zu hören. Trotz allem Kummers machte Ramiras Herz Luftsprünge. „Er ist da!“ Sie sprang auf und lief zur Haustür. Justine folgte ihr etwas langsamer. Als Ramira die Tür öffnete stand Johannes schon davor im Begriff die Tür aufzuschließen. Überglücklich fiel

Ramira Johannes in die Arme. „Oh Schatz! Endlich bist Du wieder da. Ich habe dich so sehr vermisst!“ Ramira genoss jede Sekunde den Körper von Johannes zu fühlen. Zärtlich strich er ihr übers schwarze gewellte Haar. Sie schaute zu ihm auf. Und siehe da! Johannes lächelte liebevoll, so wie er es schon so lange nicht mehr gemacht hat. „Ach Liebling für mich wollte diese Woche ohne dich auch nicht vergehen! Wenn ich so lange von dir getrennt bin merke ich erst wie sehr ich dich liebe!“ Johannes beugte sich ein wenig zu Ramira herab und küsste sie zärtlich auf den Mund. Gierig erwiderte Ramira den Kuss und öffnete ein wenig den Mund, auf das

sich die Zungenspitzen der beiden umspielten. Allah mach dass dieser Moment nie aufhört! „Guten Abend Johannes!“, hörte sie von hinten Justine etwas schnippisch sagen. Sofort löste sich Johannes von Ramira und strich ihr noch einmal lächelnd über die Wange. Langsam trat er an Justine heran. „Na Kleines! Warst Du auch schön artig?“, fragte er darauf bedacht ernst zu klingen. Ramira lachte! Das machte er immer so, seit sie Justine adoptiert hatten und er jetzt sozusagen ihr Adoptivvater war. Aber er meinte es natürlich nicht

ernst. „Witzig! Selten so gelacht! Hast wohl heute einen Clown gefrühstückt was?“, erwiderte Justine und tat dabei so als wäre Sie beleidigt. Sie drehte sich um, nahm die Nase etwas hoch und ging in Richtung Wohnzimmer. Frech aber sanft klatschte ihr Johannes mit der flachen Hand auf den Hintern und lachte dabei. „Schatz, ich habe Dir ein paar Schnittchen vorbereitet. Du hast doch bestimmt Hunger!“, lenkte Ramira seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Wie ein Löwe! Ich könnte einen Elefanten auffressen! Komm Liebes! Laß uns in die Küche gehen.“ Johannes legte seinen Arm um Ramiras Taille und ging

mit ihr in die Küche. Unwillkürlich musste Ramira für einen kurzen Moment daran denken, als Klaus dies vor ein paar Stunden auch tat und sie es äußerst erregend fand. Ein tiefes Schamgefühl überkam sie. Aber Ramira ließ sich nichts anmerken. Zugleich wunderte sie sich über Johannes sein Verhalten. Er schien im Vergleich zu sonst wie ausgewechselt! Was ist mit ihm los? Er ist doch sonst nicht so! Was soll das? Kommt da noch was hinterher? Egal genießen wir es erstmal. Ich werde es schon früh genug erfahren! Johannes holte sich aus der kleinen Abstellkammer eine Flasche Wasser und setzte sich mit Ramira und Justine an den

Küchentisch. „Ach! Das habe ich jetzt gebraucht!“, schwärmte Johannes beim Anblick des mit saftig belegten Broten überquellenden Tellers. „Du bist ein Schatz und weißt genau wonach mir nach einer so langen Autofahrt der Sinn steht!“ Er lächelte zu Ramira herüber und begann zu essen. „Na und? Wann musst Du wieder los?!“, fragte Justine auf einmal in einem leicht gereizten Tonfall, der aber so scharf war, dass es selbst Johannes auffallen musste. Erschrocken blickte Ramira zu Justine. Es hatte doch alles so schön begonnen! Sie würde es doch jetzt nicht ruinieren? Johannes runzelte verwundert die

Stirn. „Hab’ ich da was verpasst?“ „Ja!!!“, schrie ihn plötzlich Justine an und sprang auf. Doch sie ruiniert den schönen Abend! „Du hast die letzten sechs Jahre mit deiner Frau verpasst!!! All die letzten Jahre hast Du sie wie… wie… wie…, ich will nicht sagen Dreck, aber wie einen Stein behandelt. Mein Gott!!! Sie verzehrt sich nach dir, und Du blinder Hornochse bemerkst es noch nicht einmal!!! Du lässt sie einfach links liegen!!! Und heute? Gerade heute wo wir das mal zur Sprache bringen wollten, lässt Du den Charmebolzen raus hängen. Wie hast Du das gemacht? Woher…? Ach verdammte

Scheiße!!!“ Justine schmiss ihren Stuhl um und rannte hoch in ihr Zimmer. Ramira schaute abwechselnd von der Küchentür zu Johannes und war wenigstens genauso entsetzt und erschrocken wie er. Johannes saß da mit offenem Mund und hatte vor lauter Schreck seine angebissene Stulle fallen lassen. „Kannst Du mir mal verraten was das eben zu bedeuten hatte?“ Fand er als erstes seine Worte wieder. * Johannes war

schockiert. War es wirklich so schlimm? War ich wirklich so ein Arschloch die letzten Jahre? Blitzschnell versuchte Johannes die letzten Jahre Revue passieren zu lassen, war jedoch viel zu aufgewühlt um einen klaren Gedanken zu fassen. „Schatz ich weiß nicht was ich jetzt sagen soll! Hat Justine mit irgendetwas von dem was sie da behauptet recht? Bin ich dir gegenüber wirklich so gemein gewesen?“ Johannes schaute fast flehend zu Ramira rüber. Die jedoch senkte traurig den Blick und schaute die Tischplatte an. „Es ist vielleicht nicht ganz so

…“ „Also ist es so!“, unterbrach er Ramira. „Das gibt es doch nicht! War ich denn all die Jahre so blind, so sehr mit meinem Zeugs beschäftigt, dass ich meine Liebe zu dir aus den Augen verloren habe!?“ Johannes sprang auf und kam um den Tisch gelaufen. Ramira erhob sich und stand nun dicht vor ihm. Er legte seine Arme um ihre Taille und Ramira ihre um seinen Hals. „Ach Johannes! Du mein Mann! Du mein großer starker Mann! Es gab in den letzten Jahren viele schwere Stunden für mich. Die vielen Abende, an denen ich vor Einsamkeit sterben wollte. Oder viele der wenigen Tage wo Du mal zu Hause warst,

wo Du mit den Gedanken wer weiß wo aber nicht bei mir warst. An diesen Tagen dachte ich immer ich mache etwas falsch oder ich bin dir nicht mehr hübsch genug. Ich weiß ja, diese hässlichen Narben...“ „Pch…pch…pch!“ Johannes legte seinen Zeigefinger auf ihre roten vollen Lippen. „Oh Liebling! Erzähl nicht weiter! Ich liebe dich viel zu sehr, als könnte ich dich leiden sehen. Ich liebe dich mit Haut und Haar! Auch deine kleinen Narben, die übrigens kaum auffallen oder als kleiner Makel deine göttliche Schönheit nur noch unterstreichen.“ Johannes nestelte mit den Fingern einer Hand am obersten verschlossenen Knopf ihrer Bluse

herum. „Ist dir nicht aufgefallen, wie gerne ich die dünne Narbe an deiner Brust liebkose?“ Auch den zweiten Knopf hatte Johannes geöffnet und stellte zu seiner Freude fest, dass Ramira den kleinen weißen BH trug, der mehr zeigte als verbarg. „Ehrlich gesagt, mein Schatz, kam es mir die letzten Jahre so vor, als würdest Du den Sex mit mir eher als eheliche Pflicht als wie eine eheliche Lust sehen.“ Ramira schaute etwas verlegen auf seine Hand herab, wie sie gerade ihre rechte vernarbte Brust streichelte. „So schlimm?“, fragte Johannes betroffen und nahm Ramiras Gesicht in seine

Hände. „Ich verspreche dir hoch und heilig! Alles wird wieder gut. Ich liebe dich! Ich möchte dich für nichts auf dieser Welt verlieren!“ „Oh Johannes! Du machst mich gerade so glücklich! Ich liebe dich auch über alles auf dieser Welt!“ Voller Leidenschaft und eng umschlungen küssten sich die Beiden und schienen dabei alle Sorgen der Vergangenheit abzustreifen.

0

Hörbuch

Über den Autor

PorterThomson
Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: https://plus.google.com/+PorterThomsonAutorausCuxhaven/posts

Leser-Statistik
4

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

111484
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung