Blutbad
Der goldene Schimmer strich über meine Haut hinweg und ich spürte die Hitze, die im Paradies herrschte. Tief gruben sich die Hufe meines Pferdes in den Boden, als es nach vorne sprintete.
Doch vom Pferderücken aus konnte ich nicht kämpfen, also zog ich die Füße aus den Steigbügeln und sprang zu Boden. Der Aufprall war hart, denn ich benutzte meine Flügel nicht. Noch nicht.
Langsam hob ich den Kopf und verschaffte mir einen Überblick über die Lage. Kein Engel weit und breit, dafür unzählige Dämonen, die brüllend durch das Tor stürmten und wild nach Opfern
suchten. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich auf Petrus. Ihn wollte ich haben.
Leichtfüßig sprang ich auf und rannte den mir so vertrauten Weg hinab.
Und dort kamen die Engel mir entgegen. Die meisten unbewaffnet, und mit dem Ausdruck puren Entsetzens im Gesicht.
Der Versuchung eines irren Lachens wiederstehend, rannte ich an ihnen vorbei und auf das weiße Haus zu.
Petrus schien zu wissen, was ihn erwartete, denn die Tür war verriegelt. Frustriert knurrend rüttelte ich an der Klinke und trat dann zurück. Fieberhaft überlegte ich, wie ich in dieses Haus kommen sollte und musterte die heftigen Kämpfe zwischen gut und Böse. Für die
Bösen sah es ziemlich gut aus.
Blut spritzte und hinterließ kleine Flecken auf der Hauswand.
„Ich hatte gehofft, einmal keine Tür eintreten zu müssen“, grollte ich und holte so viel Schwung, wie ich konnte. Zielsicher traf mein Fuß die Tür und das massive Eichenholz erzitterte. Die Angel gaben ein lautes Stöhnen von sich, aber sonst passierte nichts weiter.
Da mussten wohl andere Geschütze aufgefahren werden. Schnell kniete ich mich vor die unterste Angel und legte meine Hände an das kalte Metall. Keine Minute später trat ich zurück und sah das flüssige Metall die Stufen
hinuntertropfen.
Jetzt musste es aber klappen. Wieder trat ich zu und spürte eine Welle der Befriedigung, als die Tür mitsamt der letzten Halterung nach innen fiel.
„Oh Petrus!“, zwitscherte ich und trat in den Empfangsraum. Keine Antwort.
„Du weißt doch noch, wer ich bin, oder? Dein Freund Luzifer! Ich wollte dich mal besuchen. Und ich habe meine neuen Freunde mitgebracht! Ich glaube, du wirst sie mögen! Und sie werden dich mögen! Man kann sagen, sie werden dich zum Fressen gern haben!“
Bei jedem Wort trat ich einen Schritt vor und lauschte auf Geräusche. Aus dem Zimmer, in dem er mich darum gebeten
hatte, in die Hölle hinabzusteigen, ertönte ein Wimmern.
Meine Lippen verzogen sich zu einem dämonischen Grinsen und entstellten mein Gesicht zu einer grauenhaften Fratze.
Lautlos ging ich weiter auf die Tür zu und hob Mortem an.
„Petrus, komm doch raus. Du hast doch nicht etwas Angst vor mir? Ich tue dir doch nichts, alter Freund. Und weißt du was? Azazel ist auch hier! Er möchte dich auch gerne wiedersehen! Sag mir doch, wo du bist. Spiel nicht mit mir, ich mag so etwas nicht. Aber wir können auch so weitermachen: du versteckst dich, und ich suche dich. Und wenn ich
dich gefunden habe, spielen wir mein Spiel, ja? Es ist ganz witzig! Ich spiele es gerne in meiner neuen Heimat.“
Das Wimmern wurde lauter und ich kicherte heiser.
„Und ich habe ein tolles Schwert. Es heißt Mortem. Das bedeutet Tod. Es ist ganz hübsch. Willst du es sehen?“
Ich betrat den Raum und richtete mich so hoch auf, wie ich konnte. Nichts zu sehen.
„Bitte komm raus. Ich mag nicht mehr! Dieses Spiel ist langweilig und unfair!“, quengelte ich und trat leicht mit den Fuß auf. Ich hätte dieses Spiel noch stundenlang spielen können.
Das Wimmern klang rechts von mir auf
und ich drehte den Kopf. Ein großer Schrank diente Petrus also als Versteck. Lächelnd ließ ich mich auf den großen Tisch nieder und legte Mortem auf meine Knie.
„Wenn du nicht spielen willst, erzähle ich dir was von der Hölle. Kannst du meine Flügel sehen? Sind sie nicht toll?“
Lachend breitete ich meine Schwingen aus, die fast den kompletten Raum einnahmen.
„Sie sind unglaublich schön und groß. Und es gibt so viele neue Freunde da unten.
Da ist ein Dämon mit dem Vorderteil eines Wolfes und der Rest sieht wie eine Schlange
aus.
Ist das nicht beeindruckend? Und man sieht kaum, wo der Wolf aufhört, und die Schlange anfängt. Willst du ihn vielleicht kennen lernen?“
Mein gespielt fröhlicher Tonfall zerrte sogar mir selbst an den Nerven, aber Petrus musste e schlimmer ergehen, denn er stürmte aus dem Schrank heraus und warf sich vor mir auf die Knie.
„Bitte, verschone mich!“
Jetzt war ich doch enttäuscht. Ich hätte gerne weitergespielt. Für einen Moment geriet ich in Versuchung, Petrus zu enthaupten, doch dann kam mir eine andere Idee, die ihn mehr quälen würde.
„Nein“, sagte ich kalt und stand auf,
Mortem wieder fest in der Hand.
„Nein. Alles, was nun geschieht und geschehen wird, ist deine Schuld und nur deine. Sieh zu und bereue, was du getan hast, aber daran ändern kannst du nichts.“
Bevor Petrus etwas sagen konnte, hob ich das Schwert und schlug mit dem Heft zu. Ohnmächtig sackte er zusammen und ich stieg über ihn hinweg, um den Raum zu betreten, in dem er angeblich die Befehle Gottes entgegennahm.