veränderung
Aschefarben war der Himmel auf dem sich die bleiernen Wolken schleppend dahin zogen. Ihre dicken Leiber rollten über den trüben Himmel und streiften die Gipfel der Berge, zogen den Nebel aus den Tälern und zogen ihn wie einen Schleier mit sich über die karge Landschaft, die sich zu den Füßen der Berge erstreckte. Das Land war trocken und kahl, bis auf ein paar kleine Sträucher, lag es nackt unter dem Auge des Himmels, der eine düstere Aura aus strahlte. Im Hintergrund wogen sich die Baumwipfel des anliegenden Waldes im Herbstwind. Ihre dunklen Schöpfe
tanzten wild und ihre Nadeln und Äste klagten laut. Voller Wehmut weinten sie dem Sommer und den Küssen der Sonne nach, die ihnen Dürre und Trockenheit, Wärme und Frohsinn geschenkt hatte, dass sich die Bäume daran erfreuen konnten den Tieren des Waldes Schatten und Schutz spenden zu können. Junge Vögel waren aus ihren Nestern geklettert und stürzten sich zum ersten Mal in ihrem Leben von den alten, knorrigen Ästen in die Lüfte. Die schillernden Käfer kitzelten die Bäume zu ihrem Vergnügen und kratzten sie mit den Spechten an den juckenden Stellen. Die jungen, kecken Eichhörnchen spielten fangen auf ihren Ästen und
huschten wie Waldelfen von einem zum anderen. In der einen und anderen Baumhöhle hatte sich eine Schlange zur Ruhe begeben und döste dahin, bis ihre Zeit gekommen war um Beute zu machen. Selten erspähten die Bäume einen Grizzly, der des Weges kam und sich genüsslich an den rauen Stämmen kratzte und sich die Parasiten und Kletten aus dem Fell scheuerte. Die Sommerluft war von dem süßen Duft des austretenden Harzes und von dem Brummen der Bienen und Mücken erfüllt. Stätige Klänge, zu einer Melodie der Harmonie angeschwellt, durchfuhren den Wald und der Wald sang und freute sich mit jeder Faser seines Körpers.
Täglich schlüpften Eier, Junge wurden geboren oder verließen den Bau, ständig war das Leben im Wandel. Raubvögel stürzten sich auf Mäuse, die Grizzlys schlugen sich den Bauch am Fluss im Westen mit Fischen voll und die Schlangen fraßen die Jungen die eben den Bau verlassen hatten, Neugeborene Ausreißer oder die Eier der Vögel. Leben und Tod erfüllten Tag für Tag den Wald, ununterbrochen wurde einem Wesen das Leben geschenkt und genommen, dass alle eines Tages zu ihren Ahnen ziehen können. Und für den Wald war es gut so wie es war. Doch im Herbst, wenn die Laubbäume ihre Blätter abwerfen, die Nadelbäume als
einzige Riesen mit ihrer Pracht der Natur trotzen, der Himmel verbleicht und ergraut wie ein alter Bär, die Berggipfel mit Frost und Schnee überzogen werden und alles sich aufmacht den Wald zu verlassen oder sich für einen langen Schlaf vor zu bereiten, stöhnt der Wald und wehklagt über die verlorene Freude, Jahr für Jahr. Und Jahr für Jahr verging die Traurigkeit wieder wenn die Sonne kam und alles wieder von vorne begann. Auch für die Tiere des Waldes war es gut so. Die Schlangen, Füchse, Bären, Dachse und Raubvögel fanden es gut, einen Leckerbissen zu fangen und verspeisen zu können und die Beutetiere,
die Mäuse, die Käfer, Larven, Vögel, Eichhörnchen, fanden es gut wenn sie nach ihrem Leben das eines anderen verlängerten und ihm Hunger und Leid ersparen konnten, dass sie zu ihren Ahnen aufsteigen konnten, dankbar dafür das Leben im Wald genossen zu haben. Und sie alle fanden es gut, dass dieser Frieden und dieser Ausgleich von Leben und Tod bewahrt und behütet wurde, von den Samtpfoten des Waldes. Es waren die Wächter, die die Ahnen aller Tierarten ehrten und ihnen dienten, seien es nun die Ahnen der Ameise, der Eule, des Schwarzbären, der Natter oder des Falken der seine Runden um die Berggipfel zieht. Für sie gelten alle
gleich, sie stehen alle auf einer Stufe, haben alle zusammen das selbe Recht gelebt und existiert zu haben. Und ihr Leben lang dienen sie den Verstorbenen, ohne etwas zu bereuen oder ändern zu wollen. Es sind die Wölfe, die ihre Schritte durch den Wald setzen, jedes Tier dass sie zum überleben brauchen, mit Dankbarkeit töten und ihre Geister ehrfurchtsvoll zu Ihresgleichen schicken. Seid Anbeginn des Lebens war dies ihre Aufgabe und solange nichts den Frieden und den Ausgleich zwischen Leben und Tod stören würde, leben sie ewig um ewig ihre Aufgabe fort zu führen. Doch ein einsamer Wolf stand verlassen inmitten des kahlen Landes und
blickte in Richtung Wald, seine Augen waren stumpf und voll Traurigkeit. Reglos ragte er in der Landschaft auf wie ein Fels, während der Herbstwind an seinem Pelz zupfte. Er schien mit dem Wald mit zu trauern und weinte der Sonne und Vergangenem nach. Hier war er aufgewachsen, zusammen mit dem Wald, vor dreihundert Jahren doch in den letzten Vollmonden hatte er gemerkt dass seine Glieder steif wurden, seine Augen trübe und seine Krallen stumpf. Das Fell hatte an Glanz verloren und schimmerte nicht mehr in seiner kupferfarbenen Pracht, wie einst immer. Manchmal erlaubten es seine Glieder nicht mehr so schnell durch die Natur zu
preschen, wie vor geraumer Zeit noch. Und der Wolf begann sich zu sorgen, nicht über sein Wohlergehen, seine Sorge galt dem Wald und dem Leben dass er barg. Etwas schien den Strom zu stören und nicht nur ihm war das aufgefallen. Innerhalb kurzer Zeit waren zwei Wölfe des Rudels im Westen verstorben und große Unruhe hatte sich breit gemacht. Das Rudel im Osten hatte es wohl noch nicht zu Ohren bekommen doch auch bei ihnen, so vermutete der Wolf, war es bald eben so weit. Er stieß einen leisen Klagelaut aus, als er plötzlich den Kopf herum drehte, als ihm der Wind einen Geruch mit brachte. Ein junger Wolf mit grau-silbrigem Pelz
stürmte über die Wiese zu ihm und bremste abrupt. Leicht hechelnd blieb er knapp vor seiner Schnauze stehen und schnappte nach Luft. „ Sei gegrüßt, Sil. Ist alles in Ordnung? Du scheinst mir sehr aufgebracht.“ Begann der Wolf mit dem kupferfarbenen Pelz und dabei sah er ihm kühl in die Augen. Nachdem Sil zu Atem gekommen war erwiderte er seinen Blick und erklärte sich: „ Ich grüße dich ebenfalls, Mucah. Ich habe schlechte Nachrichten zu überbringen.“ Mucahs Blick fand seine Sorge und Dunkelheit wieder: „ Was hast du denn zu berichten?“ Sil schaute betrübt und sprach mit gesenktem Kopf: „ Heute, zum Morgengrauen hat uns Fil´er
verlassen.“ Mucahs Ohren stellten sich überrascht und entsetzt auf: „ Nein! Wie dass?“ „Gestern bereits, schien sich Fil´ers Zustand zu verschlechtern. Er wollte nichts mehr essen, klagte über große Schmerzen und konnte sich, als sich der Mond zeigte, nicht mehr rühren, kaum sprechen. Heute Morgen fand ich ihn, als ich ihn zum fressen bewegen wollte, auf seinem Schlafplatz, halbtot. Er sagte er könnte die Schnauzen unserer Ahnen spüren, sie würden ihm die Schmerzen mit ihrer Berührung entziehen und er wollte zu ihnen.“ sagte Sil „ Kurz darauf wich der letzte Atemzug aus seinem Körper und er schien sich in Luft auf zu lösen, wie
Nebel zu verblassen, bis nicht mal mehr sein Geruch zurück blieb.“ Sils Stimme klang leicht gereizt doch in seinen Augen sah Mucah seinen Schmerz. Als Mucah lange nichts mehr erwiderte, fügte Sil leise hinzu: „ Bleicher Rabe, Shakta und ich haben ihm geholfen den Pfad zu unseren Ahnen zu finden.“ Mucah nickte knapp: „ Gut. Ich werde ihm später ein Gebet schicken.“ Sein kühler Blick richtete sich wieder dem Wald zu, dessen Baumriesen sich im stärker gewordenen Wind bogen und ächzten. „ Du spürst es ebenso wie ich, nicht wahr, Sil?“ sprach er nach einiger Zeit.
Sil nickte ernst: „ Wir alle spüren
es.“