bilder der seele
Wie ihr euch denken könnt, beginnt unsere Geschichte mit etwas das ich sehr gern habe, dem Herbst, der sich seinem Ende zu neigte. Es war ein deprimierender Tag. Der Himmel weinte still und der Wind heulte sanft klagend zwischen den Häusern der Stadt. Nun, Stadt ist ebenfalls eine falsche Bezeichnung. Ich lebte ich einem Dorf dessen Name wohl so unwichtig ist wie die Tatsache das es das letzte Kaff war! Niemand verirrte sich dort hin und man traf dort immer die selben Gesichter. Es gab bestimmt kaum einen Menschen dem der Name dieses Dorfes bekannt war. Es
war auch einer dieser Namen die so unwichtig und belanglos sind, das man sie sofort vergisst. Genauso würde man sich nicht mehr an ein Dörfchen erinnern, an dem man zufällig vorbei gefahren ist. Man würde sich nur denken, da gab es einige Dörfer und Städte…. Es war ohne Belang. Genauso war dieses Dorf ohne Belang für mich. Mich band nichts daran. Es gab keine wertvollen Erinnerungen oder Gefühle, geschweige denn eine glückliche Kindheit die mich dieses Dorf lieben ließ. Es war der Ort an dem ich zuhause war. Nicht mehr und nicht weniger. Es gab nur wenige Orte und Dinge die ich liebte aber das machte mir das Dorf auch
nicht gerade sympathischer. Zurück zu der Stelle mit der glücklichen Kindheit. Nun versuchst du vielleicht mich als Kind vor zu stellen. Vielleicht gelingt dir das sogar ganz gut. Ich bin jetzt nicht anders als damals auch. Meine Mutter hatte mich damals, als ich im Alter war meine ersten Worte zu sprechen, immer mit allem was sie tat und erlebte, zu getextet, weil sie dachte ich wüsste noch zu wenige Worte um zu sprechen. Da weil wollte ich einfach nicht. Ich fand es unnötig zu reden. Natürlich war das als Kleinkind nur eine Phase die irgendwann vorüber war, aber als ich ins Gymnasium kam fand ich meine Liebe für die Stille wieder. Es gab
sowieso niemanden mit dem ich ein Wort hätte wechseln können. In der Schule stieß ich nur auf Fäuste und zurück gebliebene Kinder die es bevorzugten ihren Selbsthass in Form von Prügel umzuwandeln. Zuhause war da meine Mutter die schon immer gern geredet hatte und sich immer eine innigere Beziehung zu mir gewünscht hatte, aber ich wusste dass es diese nie geben würde. Alles was in mir tobte, meine Gedanken, meine Gefühle und mein Leben, nichts davon ließ sich in Worte umwandeln. Auch nicht meine Bilder. Ich hatte mir in all der Zeit eine ganze Galerie zusammen gestellt. Jede Oberfläche die sich in irgendeiner Weise
zum anmalen eignete, hatte ich bereits mit obszönen und kranken Krakellein überzogen, für die einige Psychologen wahrscheinlich viel Geld hinlegen würden. Vielleicht war ich besser in einer Klinik aufgehoben. Das ist zumindest das was mir die Jungs aus der 3. eingebläut hatten bis ich es beim selbstaufsagen glaubte. Das war es immer was sie mir nachgeschrien hatten wenn wir im Kunstunterricht mal selbstständig arbeiten konnten. Perverser, Psychopath, Irrer, Schlitzer. Irgendwann bekam ich sogar den Namen Hannibal, den sie mir dann bis zur 4. nachsagten. Ich weiß noch wie der Paul Schreder mal im Englisch Unterricht auf
die Frage der Lehrerin geantwortet hatte, wer nun mit lesen dran sei: „ Der Hannibal.“ Sie hatte ihn erst verständnislos und dann verärgert angesehen und der Paul Schreder war auf einmal ganz still. Ich weiß auch noch wie ich vor mich hin geschmunzelt hatte. Ja, der Paul Schreder war schon lustig, auch noch nachdem sein Vater gestorben war, seine Schwester an Krebs erkrankte und er letztes Jahr sitzen blieb. Das hatte seinen Humor kein bisschen getrübt wie seine neun Klassenkameraden feststellen durften. Und nun nochmal zurück zu meinen Bildern. Perverser, nannten sie mich weil ich gern dazu neigte meine Liebe
zum weiblichen Körper auf Leinwand fest zu halten. Hier möchte ich nochmal anmerken dass ich kein perverses Arschloch bin. Ich liebe den weiblichen Körper, wie ein Künstler die Formen eines Kreises. Denn genauso ist der weibliche Körper in meinen Augen. Wunderschön und perfekt. In jeglicher Form. Von Kreisen und Kurven geprägt und vollkommen. Gerlinde Tribatt, unsere Kunstlehrerin bis zur Oberstufe, war auch immer hellauf von meinen Bildern begeistert. Psychopath war wieder ein Spitzname der meine Persönlichkeit und mein ganzes Weltbild besser traf. Ein Psychologe hätte mit meinen Bildern, die mehr aus Langeweile
entstanden waren und doch einen Blick in meine Seele waren, sicher viel anfangen können. Immer wenn ich nichts mit meiner Zeit an zu fangen weiß, nehme ich meine Geldbörse und fahre zum Boesner in der nächsten Stadt, kaufe mir eine Leinwand und lege los. Ich male einfach drauf los. Ich setze den Pinsel an und ziehe ihn über die Leinwand wie es mir beliebt und am Ende kommend Dinge heraus, wie die die in meinem Zimmer hängen. Mit 10 malte ich einen Pfau, dessen Federn braun und verwelkt waren und schlaff zu Boden hingen, wie tote Blumen und dessen Augenhöhlen schwarz und leer waren. Mit 12 malte ich einen Hasen der
einen Fuchs ausweidete und sein Fell mit dessen Innerrein rot färbte. Mit 13 einen dunklen Wald, von dessen Bäumen überall Gehängte baumelten. Mit 14 zwei Jungen, die vom Nabel ab zusammengenäht waren und sich auf Händen gegenseitig tragen mussten. Mit 15 malte ich meinen ersten Engel.
Ja, meine Engel. Ich liebte Engel. Es war die perfekte Vereinigung von holder Schönheit und Macht. Nur ein Schrank beanspruchte eine Wand in meinem Zimmer. Ringsherum hingen verschiedene Bilder. Man konnte alles Mögliche auf ihnen erkennen. Menschen die aufgeschlitzt in einer Blutlache lagen und deren Gedärme sich über ihren
Körper ausbreiteten. Gesichtslose Männer. Freier die ihre Muse erstochen hatten. Blumen die aus den Wolken wuchsen. Menschen die zerflossen als seien sie Zuckerskulpturen die man in den regen gestellt hatte. Doch vorwiegend waren es Engel. Nackte Engel mit schneeweißer Haut und goldschimmernden Flügeln. Ans Kreuz genagelte Engel, deren Flügel schlaff und tot zu Boden hingen. Engel mit pechschwarzen Flügeln, die vom Feuer der Hölle verzehrt wurden. Hätte mir heute jemand gesagt, ich würde irgendwann all meine Bilder in den Müll schmeißen, hätte ich ihn für verrückt erklärt aber Tatsache ist das das alles
bald etwas viel Wichtigerem und Größerem Platz machen musste. Doch bis dahin lebte ich weiter in meinem kleinen Zimmer im ersten Stock unseres Hauses, mit abgeschlossener Tür, umgeben von Bildern des Grauens, des Leides, des Schmerzes und der Schönheit. Aber was war für mich Schönheit? Waren es diese beflügelten Wesen mit göttlichen, sanften Gesichtszügen, die im goldenen Licht der Hoffnung badeten? Ja. Waren es die Ausgeburten der Hölle, an deren Lippen das Blut der Menschen hing und dessen Federn rußschwarz zu Boden fielen? Ja. Waren es die Leidensmienen, der Opfer die ich so gern groß und detailliert auf
meine Leinwände brachte? Ja, auch die. Sie aber fand Schönheit in ganz anderen Dingen wieder.