Titel
Jonathan starrte mich an. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert.
„Na los, Mason, frag schon. Frag mich, warum ich das alles gemacht habe. Warum ich dich fast in den Knast gebracht hätte. Warum Lina sterben musste. Warum ich von Tylers Entführung wusste.“
Eigentlich war ich derjenige sein, der ihn anschreien sollte. Aber eines war mit klar. Egal, was ich ihm entgegen brachte, es würde sein Verhalten nicht mehr rückgängig machen. Alles, was in meinem Kopf herum schwebte waren
Dexters Worte. Ich klammerte mich so sehr daran, dass Tyler noch lebte, dass ich eigentlich nur noch hier raus wollte.
Ich schaute hinunter zu der Waffe, die ich mit meiner Hand fest umschlossen hielt. Es war allein meine Entscheidung, ob sie zum Einsatz kam oder nicht. Und ich hatte meine Wahl getroffen.
„Weißt du was, Jon? Ich will es nicht wissen. Ich möchte kein Wort mehr von dir hören. All das, was du zerstört hast, kann man nicht mehr gut machen. Man kann deine kranke Seele nicht mehr reparieren und genau deswegen, wirst du das, was du mir so gern erzählen willst, einfach mit ins Grab nehmen.“
Ich wartete Jons Reaktion nicht mehr ab.
Es war mir zuwider, noch eine Sekunde länger ihm gegenüber zu sitzen. Also drückte ich ab.
Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür öffnete und Dexter im Raum stand. Ich war mir nicht sicher, ob ich das Richtige tat, in dem ich ihm vertraute. Aber nachdem ich Jonathans Verhalten erleben durfte, bestand kein Zweifel mehr.
„Hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht!“ sagte er, während er mir die Fesseln löste und die Waffe abnahm.
„Warum? Warum wurde ich mit Jonathan hier in diesen Raum gesperrt? Warum das Alles?“
Dexter atmete tief
durch.
„Ich möchte, dass du über meine nächste Frage gründlich nachdenkst, Mason. Wenn dir irgendjemand erzählt hätte, und sei es der Polizeipräsident persönlich gewesen, dass Jonathan ein kleiner Psychopath ist. Wie wäre deine Antwort gewesen?“
„Niemals!“ sagte ich ernüchternd.
„Und genau das ist der Punkt, Mason. Du hättest Niemandem geglaubt. Also haben wir dich zur Wahrheit geführt.“
„Du wusstest, dass Jonathan und ich Beweise gefälscht haben und dennoch hilfst du mir. Ich versteh das nicht.“
„Es ist einfacher, als du denkst. Ich wollte nicht derjenige sein, der die
Entscheidung fällt, ob Jonathan weiterleben darf oder nicht. Sonst hätte ich ihn mir auch auf offener Straße schnappen können. Ich denke, dass hier war eine gute Wahl.“
„Du wolltest dir nicht die Finger schmutzig machen!“ stellte ich fest und Dexter lächelte leicht.
„Und Tyler?“ wollte ich wissen.
„Er war ein Lockmittel. Eine Art Anreiz, um deine Wut noch ein wenig zu steigern. Es hat funktioniert, wie du siehst.“
Dexter reichte mir die Hand und ich nahm dankend an. Ich fühlte mich wie erschlagen, als ich wieder auf zwei Beinen stand.
„Tyler wartet im Wohnzimmer auf dich.“ sagte er.
„Wie konntest du sicher sein, dass ich dir glaube? Ich meine, ich habe Tyler in meinen Armen sterben sehen.“
„Ich wahr ehrlich zu dir. Das ist alles. Du hast dir die Frage gestellt, warum ich es ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gesagt habe. Vielleicht wollte ich einfach, dass du wieder einen klaren Kopf bekommst.“
Das leuchtete mir ein, denn nachdem er diese Worte aussprach, fühlte ich mich etwas lebendiger. Für mich gab es in diesem Moment endlich wieder einen Sinn in meinem Leben. Und das war
Tyler.
Allein schon der Gedanke an ihn gab mir wieder neue Kraft.
„Tyler wartet im Wohnzimmer auf dich!“ sagte Dexter.
Langsam betrat ich das Wohnzimmer. Tyler saß am Boden vor dem Kamin, mit dem Rücken zu mir gewandt. Ich erblickte Nathan, der mir zunickte. Insgeheim wusste ich, dass seine Sorgen um mich nur gespielt waren in der Hütte. Hätte er mich einfach so ziehen lassen, wäre er ungläubig geworden. Aber ich zweifelte stark daran, ob mir das je aufgefallen wäre.
McDavon trat an meine Seite und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Auch wenn wir einige Verluste einstecken mussten, Jennings, ist es immer noch gut zu wissen, dass man nicht allein ist!“ sagte er.
„Ich hätte ihn nie so eingeschätzt. Ich meine Jonathan.“
„Ja. Ja ich weiß. Du hättest auch Dexter niemals so eingeschätzt.“
„Er hat das bekommen, was er wollte. Ein bisschen Gerechtigkeit.“
McDavon nickte.
„Vielleicht!“
Er verließ den Raum und ich ging auf Tyler
zu.
„Hey!“
Ich berührte ganz leicht seinen Kopf und er drehte sich um.
„Dad!“ sagte er und das Glitzern in seinen Augen war nicht zu übersehen.
Er stand auf und schlang seine Arme um mich. So fest hatte er mich in den letzten vierzehn Jahren nicht gedrückt.
„Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
Aber Tyler sagte keinen Ton mehr. Er war einfach nur froh, dass ich da war.
„Gehen wir endlich nach Hause!“ sagte ich und zum ersten Mal war ich froh darüber, dass dieser Alptraum ein Ende hatte.