Die Nacht war kalt und liess die junge Frau frösteln. Sanft fielen die Strahlen des Mondes auf das schlafende Napoli, nur vereinzelt konnte man lautes Gelächter und Stimmengewirr ausmachen, das aus den Bordellen und Tavernen ertönte. Rasch setzte die junge Frau ihren Weg fort, zu beiden Seiten folgten ihr ihre Männer, alle gut gerüstet und jederzeit bereit ihre Herrin mit ihrem Leben zu schützen. Sie fühlte sich sicher, doch es kam ihr vor, als würde sie jemand beobachten. Doch so oft sie sich auch umdrehte und ihren
wachsamen Blick durch die Gassen, ja sogar über die Dächer schweifen liess, sie konnte niemanden erkennen. Vielleicht wurde sie ja nun verrückt, durch die ganze Geschichte mit den Assassinen, jenem unsichtbaren Feind, den sie mehr fürchtete, als das ganze französische Heer. Schnell tat sie diesen Gedanken wieder ab, Napoli war im Besitz der Templer, nicht des Feindes. „Signora, geht es euch gut?“, holte sie die Stimme von Francesco aus den finsteren Gedanken. Er musste wahrscheinlich den nachdenklichen Blick gesehen haben. „Sì Francesco es ist alles in Ordnung, ich war nur in
Gedanken versunken“, antwortete die junge Templerin schnell, bevor sie wieder in ihre Gedankenwelt abschweifte, ehe sie in eine Seitengasse einbog. Es waren nun schon vier Jahre vergangen, seit sie dem Templerorden beigetreten war. Es war ihr Vater, der sie dazu überredet hatte, das Familienerbe weiterzuführen und so für die Freiheit zu kämpfen, für jene Freiheit, die ihr in jungen Jahren genommen worden war, als man sie vertrieb. Vertrieben aus dem eigenen Land, das war eine bittere Erfahrung für Sendea gewesen. Ihre Mutter wurde als
Hexe angeklagt, ohne Grund und ohne jegliche Warnung wurde sie gefangen genommen und später verbrannt. Damals war sie noch fünf gewesen, doch dieses Ereignis hatte sich tief in ihr Gedächtnis gebrannt, bis zum heutigen Tag. Entschlossen und in funkelnder Rüstung schritt Sendea neben ihren Männern auf die Docks zu. Hier würde sie sich mit einem Kontaktmann treffen, der wichtige Informationen für ihren Meister hatte, dies zumindest stand in seinem Brief. Wachsam durchkämmten die grünen
Augen der Templerin das Hafengebiet, ihre Männer taten es ihr gleich und doch war weit und breit keine Spur von dem Informanten zu sehen. „Denkt Ihr, er wird noch kommen Signora?“, fragte Pietro nun ungeduldig zu ihrer Linken. „ Sì, das glaube ich. In all den Jahren habe ich erlebt, wie die meisten Informanten sind. Viele kommen zu spät oder warten bereits Stunden, aber sie vernachlässigen nie ihre Pflicht“, gab Sendea zur Antwort. Denn sie wusste: Kein normaler Mensch würde es wagen sich mit den Templern einzulassen, wenn er sich seiner Sache nicht ganz sicher war. Fröstelnd zog die junge Frau ihren blauen Umhang etwas enger an sich
und hoffte so etwas mehr Wärme zu finden. Jedoch ohne Erfolg, was auch nicht gerade ungewöhnlich war, da der Herbst begonnen hatte und sie zu alldem auch noch an einem kalten Gewässer stand. Sendea fluchte, wurde jedoch von einem ihrer Männer unterbrochen, der ihr auf die rechte Schulter tippte. „Ich glaube, er kommt.“ Sofort folgte ihr Blick dem ihres Soldaten und tatsächlich erblickte sie eine Gestalt in der Schwärze der Nacht. Doch etwas an dieser Person gefiel ihr ganz und gar nicht. Obwohl es dunkel war, konnte sie im Mondlicht erkennen, dass die Gestalt
eine Rüstung über einem Gewand trug, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Das Gesicht des Mannes, seiner Statur nach, musste er einfach ein Mann sein, wurden durch eine Kapuze verdeckt und so konnte sie nicht den geringsten Gesichtszug ausmachen. Doch allem voran ging von ihm etwas Bedrohliches aus, etwas das Sendea dazu veranlasste, den Griff ihres Schwertes zu umfassen. Der Mann kam nun zwei Meter vor ihrer kleinen Truppe zu stehen und schien der jungen Frau geradewegs in die Augen zu sehen. Kalt lief es ihr den Rücken hinunter, als er zu sprechen begann: „ Seid Ihr Sendea Kargun?“ Langsam beruhigte sie sich und
antwortete mit fester Stimme: „Da seid Ihr richtig. Und Ihr seid demnach Luigi Carvano?“ Ein leises Lachen vermischte sich mit dem Plätschern der Wellen, die sich an der Kaimauer brachen. „Mi dispiace Signora, aber ich bin nicht der, den ihr sucht. Ich bin sozusagen Euer schlimmster Albtraum.“ Noch nie hatte sie einen Assassinen gesehen, doch plötzlich wusste sie, dass er einer von ihnen sein musste. Die Gangart, das seltsame Gewand und nun die Eleganz, wie er seine Klinge führte. Sendeas Männer waren gut ausgebildet, doch Pietro hatte einfach nur Pech. Er stand dem Assassinen am Nächsten und
reagierte zu spät. Die Klinge glänzte rot, als sie aus seinem Körper gezogen wurde, um ein anderes Schwert abzuwehren. Der Assassine war flink, wich der Klinge eines Angreifers geschickt aus und schlug genau so schnell wieder zurück. Francesco stand schützend vor Sendea, während Tôto und Mattia sich dem Angreifer mit aller Kraft entgegenwarfen. Funken sprühten auf, als Metall auf Metall traf. Unbemerkt versuchte Tôto nun hinter den Assassinen zu kommen, doch der Mann war gewandter und intelligenter, als beide zusammen mit einem schnellen Satz nach vorne stürzte er sich auf den völlig überraschten Krieger, die freie
Hand von sich gestreckt. Mit einem leisen Klick glitt eine Klinge aus der Armschiene und bohrte sich tief in die Brust von Tôto. Mattia gab sein Bestes dem überlegenen Angreifer standzuhalten, fand nach einem kurzen Schlagabtausch, jedoch ebenfalls den Tod. Sendea war vor Erstaunen und Angst wie gelähmt und hatte das Kampfgeschehen wie durch einen Schleier beobachtet. Erst jetzt zog sie ihr Schwert, um zu kämpfen. Noch nie hatte sie solche Furcht verspürt, nicht einmal dann, als die Soldaten ihr Haus gestürmt hatten um ihre Mutter mitzunehmen und sie in
einem brennenden Raum zurückliessen. Francesco stand nun Seite an Seite mit der jungen Templerin und schlug zu. Zu schwach, zu unpräzise war der Schlag und glitt an der Armschiene seines Angreifers ab, während dieser ihm die Klinge bis zum Heft ins Brustbein stiess. Ein leises Stöhnen entwich seiner Kehle, dann sank auch der letzte Mann tot zu Boden. Sendea war nun ängstlich zurückgewichen, sie konnte den Blick nicht von ihren gefallenen Männern lösen, die in ihrem eigenen Blut lagen. Sie hatte schon viele Tote gesehen, doch die Männer, die für sie starben, waren mehr als nur ihre Soldaten gewesen, sie waren Freunde gewesen.
Richtige Freunde. Der Assassine schritt nun langsam auf sie zu, das Schwert von sich gestreckt. Die Angst wich nun der Wut und liess Sendea wachsam werden wie ein Wolf, zumindest für einen Augenblick. Geschickt fing sie die Angriffe ab und schlug selber zu, jedoch immer darauf bedacht ihm nicht zu nahe zu kommen. Nach einer Weile konnte sie jedoch spüren, wie ihre Muskeln anfingen sich zu verkrampfen und ihr Schwertarm schwerer und schwerer wurde. Darauf hatte der Assassine anscheinend nur gewartet. Er setzte seine ganze Kraft in den nächsten Schlag, der der jungen
Templerin das Schwert regelrecht aus der Hand schlug. Das Metall schlitterte in die Dunkelheit und somit verschwand auch Sendeas letzter Hoffnungsschimmer. Grob wurde sie an der Schulter gepackt und an die Löwenstatue hinter ihr gedrückt. „Bitte..., bitte tötet mich nicht“, flehte die junge Frau verängstigt und musste eine Träne unterdrücken. Sie fürchtete den Tod, sehr sogar. Ein feines Lächeln erschien auf den Lippen des Assassinen, als er zu sprechen begann: „Für heute muss ich Euch sogar am Leben lassen, bella.“ Mit diesen Worten zog er einen Brief hervor und drückte ihn in die zitternde Hand der Templerin. „Passt gut
darauf auf und überbringt ihn eurem Meister“, dann strich er ihr kurz über die Wange um eine Träne weg zu wischen, bevor er sich umdrehte und in der Dunkelheit verschwand. Tausende von Gedanken und Emotionen ergriffen von Sendea Besitz und drückten sie auf den Boden, wo sie zusammenbrach. Die Stille umschloss sie wie ein Nebelmeer. Die Emotionen überrollten ihren sonst so harten Willen und liessen sie in eine tiefe Ohnmacht fallen. Stille.
Langsam öffnete sie ihre Augen und schloss sie schnell wieder. Helles Licht blendete sie und Sendea musste sich zuerst an die Helligkeit gewöhnen, die den Raum durchflutete. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht mehr auf dem kalten Steinboden lag, sondern in einem warmen, kuscheligen Bett. Vorsichtig richtete sich die junge Frau auf und nahm, die ihr vertraute Umgebung in Augenschein. Sie war in ihrem Zimmer, daran gab es keine Zweifel, denn alles in diesem Raum wies darauf hin, dass hier eine Frau lebte.
Und sie war die einzige weibliche Person im örtlichen Templerorden. Trotz ihrer Müdigkeit stieg sie aus dem Bett um auf den grossen Balkon zu treten, wo sie sanft von der Herbstsonne wach geküsst wurde. Mit diesem sanften Erwachen kamen die Erinnerungen an den vergangenen Abend zurück, die sie sofort verdrängte. Sie musste sich jetzt zusammen reissen, das war ihr mehr als klar. Ihr Vater würde ein solches Verhalten nicht tolerieren und angesichts ihrer Niederlage durfte sie sich nun keinen Fehltritt mehr leisten. Lange starrte sie auf die Stadt, die sich vor ihr erstreckte, die langsam
zum Leben erwachte. Händler stellten ihre Marktstände auf und Kinder spielten fröhlich auf den Strassen, was das verträumte Napoli noch schöner zu machen schien. Ein lautes Klopfen holte sie zurück in die harte Realität. Sofort lief sie zur Tür und öffnete sie. Davor stand Philippe, mit seinen unverwechselbaren blauen Augen, die sie freundlich anblickten, als er zu sprechen begann: „Signora Euer Vater erwartet Euch. Er will mit Euch über Eure gestrige Mission reden und den Brief, den Ihr bei Euch getragen habt. Am besten meldet Ihr euch noch vor dem Mittag bei ihm.“ „Grazie
Philippe. Aber wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht mehr Signora nennen sollst.“ Er lächelte, als er zu einer Antwort ansetzte: „ So sind nun mal unsere Regeln und an die habe ich mich zu halten“ Lächelnd schüttelte Sendea den Kopf, als der junge Mann sich kurz verneigte und dann wieder in den Gängen verschwand. Nicht alle waren so zu ihr, viele beachteten sie gar nicht erst, da sie in den Augen der Männer nur eine Frau war, und das, obwohl sie die Tochter des ranghöchsten Templers in der Stadt war. Da sie ihren Vater nun jedoch nicht warten lassen wollte, zog sie schnell ihre
Uniform an, die sie nur anhatte, wenn sie nicht auf eine Mission geschickt wurde. Sie bestand aus einer schwarzen Hose, schwarzen Stiefeln, die mit Silber beschlagen waren, einem roten Korsett und einem braunen Mantel, der mit Goldstickereien verziert worden war. Ihr schwarzes Haar band sie zusammen und ihr Schwert liess sie auf dem Stuhl liegen. Dann trat sie in den Flur, der nicht einmal annähernd so hell war, wie ihr Schlafgemach und machte sich auf den Weg zum Arbeitszimmer ihres Vaters. Es war ein kurzer Weg dorthin und unterwegs traf sie nur einen Soldaten, der in eile zu sein schien und sie fast umgerannt
hätte. Das Herz der jungen Frau fing schneller an zu schlagen, als sie vor der eisenbeschlagenen Tür stand. Was dachte ihr Vater wohl von ihr? War er wütend auf sie, oder hatte er Verständnis mit ihr angesichts der unerwarteten Umstände? Tausende von Fragen schossen ihr durch den Kopf, als sie anklopfen wollte. Doch bevor ihre Faust das Holz berühren konnte, wurde die Tür aufgerissen und ihr Vater stand vor ihr, mit seinen strengen Gesichtszügen und dem schwarzen Haar, in dem sich langsam graue Stellen bildeten. Beide waren gleichermassen
überrascht worden und wichen ein wenig zurück. Dann aber ergriff ihr Vater das Wort: „Sendea, so früh habe ich dich gar nicht erwartet. Dann komm doch rein und setz dich“ Mit einer einladenden Geste wies er auf den gemütlichen Sessel, in dem, wie sie wusste, ihr Vater jeden Abend stundenweise las. Langsam liess sich die junge Frau in das gemütliche Polster sinken, während ihr Vater sich nun gegenüber ihr auf einer anderen Sitzgelegenheit niederliess und anfing zu sprechen: „Nun meine Tochter, ich bin erfreut, dass es dir gut geht, nach dem gestrigen “, er versuchte
die richtigen Worte zu finden, „Nach deinem gestrigen Misslingen“, schlussfolgerte er schliesslich. Sie wusste, dass sie einen Fehler begangen hatte, ja, aber das ihr Vater und zugleich Meister so reagierte, hätte sie nie gedacht. „Vater, ich und auch meine Männer, wir wurden völlig überrascht, wir sahen die Gefahr nicht kommen. Wie hätte ich mir auch denken können, dass sich der Feind mitten in unserem Gebiet befindet?“, fragte sie vorsichtig. Ein Seufzer erklang, dann sah sie, wie ihr Vater sich an die Stirn faste und leicht den Kopf schüttelte, er war offensichtlich verärgert. „Sendea“, setzte er an und sah ihr dabei in die
Augen, „ unser Feind ist nicht so wie du und ich. Er schleicht sich ein und verbreitet sich dann wie eine schleichende Krankheit, um im richtigen Moment zuzuschlagen. Das ist ihre Art zu kämpfen.“ Eine kurze unangenehme Stille trat ein. „Ich sehe du musst noch viel lernen über diesen neuen Feind meine Tochter. Sei dir stets bewusst: Dieser Gegner ist weitaus gefährlicher als alle Männer zusammen, die du je bekämpft hast. Sie sind keine einfachen Soldaten, die für einen Mann kämpfen. Nein, sie kämpfen für das Volk, in der festen Überzeugung die Welt zu verbessern, in dem sie uns
Templer vernichten. Doch das wird ihnen nie gelingen, dessen sei dir versichert Sendea.“ Die junge Frau verstand die Welt nicht mehr. Weshalb wusste sie erst jetzt, was ihr Feind, die Assassinen wollten? Weshalb hatte er sie nicht schon früher in diesem Gebiet unterwiesen? Verwirrt betrachtete sie ihre Finger, auf denen sich mehrere blasse Narben abzeichneten, die von ihrem früheren Schwertkampfunterricht stammten. Schliesslich konnte sie die Frage nicht mehr an sich halten: „Und weshalb erzählst du mir das alles erst jetzt Vater?“ Der Meister wich dem Blick
seiner Tochter aus, erhob sich, trat hinter seinen Schreibtisch und schien dort etwas zu suchen. „Ich wollte dich so lange wie möglich da raus halten, zu deinem Wohl“, antwortete er ruhig, während er bergeweise Bücher und Blätter auf die Seite legte. Sendea war aufgesprungen, eine unerklärliche Wut überkam sie, als sie anfing zu sprechen: „ Weisst du eigentlich, was mir deine Verschwiegenheit bis jetzt gebracht hat? Vier tote Freunde und auch ich würde nicht mehr hier stehen, wenn dieser Assassine nicht andere Pläne mit mir gehabt hätte.“ Ihre laute, hasserfüllte Stimme schreckte ihren Vater auf, der nun wütend und auch ein wenig
überrascht aussah, als er hinter dem Schreibtisch hervorkam, mit einem Brief in der Hand. Mit dem Brief, der ihr sozusagen das Leben gerettet hatte. Er knallte ihn vor Sendea auf den Tisch und schien sie mit seinen braunen Augen zu durchbohren, als versuchte er die Gedanken und Gefühle seiner Tochter zu ergründen. Hastig faltete sie den Brief auseinander und las. Mit jeder Zeile kamen neue Fragen auf und ein weiterer Schreck erfasste sie, als sie die letzten Zeilen las. Ihre Wut war verflogen und wich nun dem unguten Gefühl der Sorge. Ihr Onkel war ein Gefangener der Assassinen und würde nur durch den
Tausch eines gewissen Dokumentes freikommen, das ihr Vater anscheinend besass. Ihr geliebter Onkel, der ihr wie ein Vater war, schwebte in Lebensgefahr „Nein“, das war alles, was sie noch hervorbrachte, ehe sie erschöpft in den Sessel zurückfiel. Die ganze Welt schien ihr auf den Kopf zu fallen. Weshalb musste das Schicksal nur immer so gemein zu ihr sein. Wieso traf es immer sie? „Siehst du jetzt, was zu viel Wissen bringt Liebes?“, fragte er überraschend sanft und streichelte ihr über den Handrücken. Seine Hände waren rau von den vielen Kämpfen, doch diese kleine
Berührung war genau das, was sie jetzt brauchte. „Wirst du ihnen diese Dokumente überbringen Vater?“, fragte sie leise, sie musste sich nun wirklich zusammenreissen nicht wieder zu weinen. Sie wirkte so schwach und konnte es sich selber nicht mehr erklären. Brutale Kriege und Hunderte Tote hatten ihr nichts ausgemacht, sie nicht einmal zu einer Träne gerührt, doch nun, da ihr engster Freundes - und Familienkreis betroffen war, schien es ihr, als würde sie langsam aber sicher an der Last zerbrechen. „Sorge dich nicht darum Sendea, meine Männer werden sich darum kümmern. Versprochen.“ Langsam hob sie ihren
Kopf uns sah ihrem Vater in die braunen Augen, während sie ihm ein Lächeln schenkte. Sie wusste, dass wenn ihr Vater ein Versprechen gab, es auch halten würde. Das hatte er in all den Jahren auch getan und würde es auch jetzt wieder tun. „Eine Frage habe ich noch Vater: Wer hat mich eigentlich ins Quartier gebracht?“ Überrascht über den plötzlichen Themenwechsel sah er seine Tochter an und sagte dann zu ihr: „ Du wurdest auf dem Platz vor unserem Anwesen aufgefunden, eine Kurtisane hat dich entdeckt und kurzerhand die Wache informiert. Danach hat dich Philippe geholt und in dein Zimmer
gebracht. Wieso fragst du?“ „Ach nur so“, antwortete sie gedankenverloren. „Du kannst nun gehen Sendea. Ruhe dich etwas aus, wir sehen uns später“, riss sie die Stimme ihres Vaters aus den Gedanken. Die Templerin machte sich daran das Arbeitszimmer so schnell, wie nur möglich zu verlassen. Sie musste raus hier, unbedingt. Es stimmte so vieles nicht. Immer mehr Ungereimtheiten tauchten auf und warfen Fragen über Fragen auf, die sie wie eine Welle zu überrollen schienen. Sie war doch an den Docks in Ohnmacht gefallen, wer also war ihr unbekannter Helfer gewesen? Und was
wollten diese Assassinen mit diesem Dokument? Was war das überhaupt für ein Dokument? Der jungen Frau schien es, als würde ihr Kopf gleich platzen und um nicht die Beherrschung zu verlieren, eilte sie in den Stall, wo sie ihren schwarzen Araber sattelte. Eero war seit eh und je ihr bester Freund gewesen, als sie sich einsam und verloren gefühlt hatte. Sanft stupste er Sendea an und verlangte so nach Streicheleinheiten, die er zu genüge bekam. Zufrieden trabte der junge Hengst schliesslich durch die belebten Strassen von Napoli, während die junge Frau im Sattel sass und die verschiedenen Menschen musterte. Viele
Einwohner hier waren Händler und daher nicht arm, was man an ihren bunten Kleidern aus feinen Stoffen und ihren glücklichen Gesichtern erkennen konnte.Auf ihren Gesichtern spiegelte sich ihre Unbeschwertheit wieder, die Sendea in diesen zwei Tagen völlig verloren zu haben schien. Langsam ritt sie durch die Stadt, bis sie an den Hügel mit dem riesigen Olivenhain kam, an dem sie immer Zuflucht suchte, wenn sie alleine sein wollte. Hier kam fast nie jemand vorbei, manchmal jedoch war der Bauer, dem der Hain gehörte anwesend und prüfte die Oliven auf ihre Reife. Jetzt jedoch
war niemand ausser ihr und ihrem Pferd hier. Mit ein paar geschickten Handgriffen band sie Eero an einen der Bäume und legte sich in das saftige grüne Gras das frisch duftete und schloss ihre Augen, während sie ihrer Umgebung lauschte. Das leise zwitschern der Vögel erfüllte die Stille und vermischte sich mit dem Schnauben ihres Pferdes. Sendea genoss diesen Augenblick der Ruhe, der ihr erlaubte sich von den vielen Fragen und Zweifel zu lösen und einfach einmal frei zu sein. Frei, wie ein Vogel.
Noch immer lag Sendea in dem weichen Meer aus grünem Gras und verfolgte den Wandel des Wetters. Wo vorhin noch die Sonne an einem makellosen, blauen Himmel gestanden hatte, nahmen nach und nach Wolken aus dem Norden ihren Platz ein und verdrängten die letzten warmen Strahlen der Herbstsonne. Auch das friedliche Pfeifen der Vögel verschwand mit dem aufkommenden Wind und Eero musste das Unwetter ebenfalls gespürt haben, da er nun unruhig hin und her tänzelte. Die junge Templerin hatte keineswegs
Lust in das aufkommende Unwetter zu geraten und so machte sie sich daran Eero den Sattel wieder aufzusetzen und ihm einen Apfel aus der Satteltasche zu verfüttern. Gierig frass der junge Hengst die Frucht und wieherte fröhlich als Sendea sich in den Sattel setzte, um mit ihm zurück zur Stadt zu reiten. Der Ritt dauerte nicht lange, da der Olivenhain keine fünf Minuten von der Stadt entfernt und über die Hauptstrasse einfach zu erreichen war. Unterwegs traf sie nur eine Gruppe Kinder, die ausserhalb der Stadt verstecken gespielte hatten und sich nun ebenfalls auf den Heimweg
machten. Sendea war froh, dass sie vor dem Unwetter das grosse Stadttor passierte und machte sich sogleich auf den Weg zum Hauptquartier, das östlich der Stadt lag, in der Nähe einer riesigen Piazza. Doch bis dahin musste sie zuerst den grossen Marktplatz überqueren, an dem sich die Stände dicht aneinanderreihten und jeder etwas anderes feilbot. Edle Stoffe, teurer Schmuck und prächtige Waffen wurden nebst Lebensmittel und Heiltinkturen auf dem Marktplatz angeboten. Sendea sah, wie sich viele Händler daran machten ihre Stände abzubrechen, um ihre Ware in Sicherheit
zu bringen. Doch einige standen weiterhin dort und priesen ihre Ware zu "günstigen" Preisen an. Aufmerksam beobachtete die junge Frau das Treiben auf dem Platz, bis ein Marktstand sie in ihren Bann zog. Geschickt stieg sie von ihrem prächtigen Pferd und hielt es an den Zügeln, während sie den Stand begutachtete. Auf rotem Tuch waren prächtige Dolche und fein geformte Schwerter dicht aneinandergereiht, eine Klinge schöner als die andere. Doch Sendea hatte nur Augen für einen schlanken, silbernen Dolch, dessen Heft in der Form von Flügeln geschmiedet worden war. Der
Griff war mit feinstem Leder umwickelt und ein roter Rubin glitzerte am Ansatz der schlanken Klinge. „Gefällt Euch, was ihr seht Signora“, vernahm sie die freundliche Stimme des Waffenhändlers. Lächelnd sah sie den Mann vor sich an und sagte dann: „Die Klingen sind von guter Machart Signor und wunderschön anzusehen, habt ihr sie geschmiedet?“ „No, no Signora, die habe ich nur erworben, als ich in Konstantinopel war. Die Schmiede dort verwenden nur die besten Materialien dafür. Und für eine Schönheit wie Euch, so finde ich, ist nur das Beste gut genug.“ Kurz daraufhin wechselten Dolch und
Geld ihren Besitzer. Glücklich über den guten Kauf ritt Sendea ohne weiteren Zwischenhalt ins Quartier zurück. Der Hauptsitz der Templer in Napoli war eigentlich nichts anderes, als eine gut befestigte Kaserne, die man nur durch ein kleines Tor betreten konnte, vor der immer ein paar Wachen postiert waren. Auch auf den niedrigen Mauern konnte sie die roten Gewänder von Soldaten ausmachen, die die Kaserne vor Angriffen schützen sollten. Doch ausser den Assassinen hatten die Templer in Napoli keine Feinde, in Frankreich war das anders gewesen. Dort hatten einige Lords den Mut besessen den Templerorden als eine Sekte,
wahnsinniger Mörder zu bezeichnen und das, obwohl Rodrigo Borgia, der ehemalige Papst, der Oberste des Ordens gewesen war. Nur das wussten natürlich viele nicht, oder zumindest nicht jene die es hätten wissen müssen. Nach diesen Anschuldigungen kam es dann in Frankreich zu blutigen Kriegen und viele Lords unterwarfen sich dem Orden, als sie sahen, was für eine Streitmacht die Templer besassen. Sendea hatte dort vieles erlebt und der Krieg hatte sie zu einem völlig anderen Menschen werden lassen. Kriege waren nichts für Frauen, so sah es jedenfalls jeder Mann im ganzen Land,
nur ihr Vater nicht. Anstatt ihr beizubringen, wie man sich an einem Hof richtig benahm, brachte er ihr bei, wie man ein Schwert führte und in einem Krieg strategisch den Sieg errang. Viele Mädchen verspotteten sie als sie noch klein gewesen war und bezeichneten sie als Strassenjunge, wenn sie wieder einmal dreckig und mit blauen Flecken vom Training nach Hause zurückkehrte. Doch Sendea störte sich nie daran und war stolz darauf gewesen sich verteidigen zu können. Die Templerin hatte Glück. Kurz nach ihrer Ankunft im Hauptquartier begann es aus heiterem Himmel zu regnen, so
heftig, dass der Regen gegen die Fensterscheiben trommelte. Da ihr Vater noch eine Sitzung abhielt, konnte sie nun unmöglich mit ihm sprechen und so machte sie sich auf den Weg zur Küche. Dort angekommen bat sie Bran den Küchenjungen mit seinen freundlichen, braunen Augen, die sie geradewegs anzulächeln schienen ihr etwas zu kochen. Kurze Zeit später bekam sie ein köstliches Mahl aufgesetzt, welches sie gierig ass. Während des Essens überlegte Sendea, wie es nun wohl weitergehen würde. Würde ihr Vater sie nach Frankreich zurückschicken, oder würde er sie hierbehalten, obwohl sich die Lage in Napoli zugespitzt hatte? Die
junge Frau hoffte, dass sie in der Stadt bleiben durfte, da sie im vergangenen Jahr bereits zweimal gereist war und Sendea hasste lange Reisen über alles. Als die junge Frau wieder in ihrem Schlafgemach war, zog sie den neu erworbenen Dolch aus der schwarzen Scheide, die sie dazu gekauft hatte. Im Schein der Kerzen, die ihr Zimmer schwach beleuchteten, funkelte der rote Rubin, als würde ihm ein Feuer inne wohnen. Auch der Stahl glänzte wie flüssiges Mondlicht und machte diese tödliche Waffe wunderschön. Etwas an dieser Klinge schien Sendea zu verzaubern, doch sie wusste nicht genau
was es war. Noch lange betrachtete sie die Waffe,als etwas weisses in ihrem Blickfeld ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Etwas steckte in der Tasche ihres braunen Mantels, den sie achtlos über den Stuhl geworfen hatte. Schnell erhob sie sich von ihrem Bett und zog das weisse Etwas aus ihrem Mantel, das sich als Brief herausstellte. „Nicht schon wieder ihr“, entfuhr es Sendea, als sie das Siegel sah. Ein rotes Wachssiegel mit dem Emblem der Assassinen verschloss den weissen Brief. Jemand musste ihr das Schriftstück auf dem Marktplatz untergeschoben haben und Sendea hatte
von alldem nichts bemerkt, was ihr wieder einmal schmerzlich klar machte, wie verletzlich sie war. Die Templerin liess sich wieder zurück in ihr Bett fallen und fragte sich, was in aller Welt, wieder von ihr verlangt wurde. Hatten sie wieder jemanden entführt, oder war ihr Onkel vielleicht nicht mehr von Nutzen? Bei diesem Gedanken zuckte sie zusammen und brach das Siegel. In feiner Schrift stand da: ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Signora Kargun Wir bitten Euch um ein friedliches
Gespräch in unserem Quartier. Wir versichern Euch, dass Euch kein Leid wiederfahren wird. Ein Ordensbruder wird Euch am Stadttor, bei Einbruch der Nacht erwarten. Es ist Euch freigestellt, ob Ihr erscheinen wollt, oder nicht, doch wir denken, dass dieses Treffen sowohl Euch, als auch uns von Nutzen sein wird. Respektvoll die Bruderschaft der
Assassinen ------------------------------------------------------------------------------------------------------- Mit grossen Augen las Sendea den Brief, dann noch einmal. Sie konnte kaum fassen, was sie da sah. Zuerst besassen sie die Unverschämtheit ihre Männer zu töten, dann ihren Onkel zu entführen und nun baten sie, sie um ein friedliches Gespräch. Anderseits war es die Gelegenheit etwas mehr über die Bruderschaft zu erfahren, zu der ihr Vater sich kaum äussern wolle, so wie die Chance an ihren Onkel ran zukommen. Es konnte eine Falle sein,
das war ihr bewusst, doch hätte die Bruderschaft sie nicht schon längst aus dem Weg räumen können, wenn sie gewollt hätten? Sendea wusste die Antwort und ihr Entschluss stand fest. Ein lautes Klopfen riss sie aus ihren Träumen und die Templerin schreckte aus ihrem Bett hoch. Sie musste eingeschlafen sein, den in ihren Händen hielt sie immer noch den Brief. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, das bald die Abenddämmerung einsetzen würde, was bedeutete, dass sie sich auf den Weg zum Stadttor machen musste. Wieder klopfte es und Sendea stopfte den Brief schnell in ihren Mantel, bevor sie die Tür
öffnete. Philippe stand davor und sagte, dass ihr Vater sie zu sprechen wünschte. „Kannst du ihm nicht sagen, dass wir das auf Morgen verschieben sollten. Mir geht es nicht so gut“, log sie, verzog dabei das Gesicht als hätte sie Schmerzen und hielt sich dabei den Bauch. Verständnisvoll nickte der junge Soldat und meinte dann: „Ich werde es Eurem Vater ausrichten Signora. Gute Nacht und eine gute Besserung wünsche ich Euch“ Die Templerin bedankte sich und schloss dann schnell die mit Eisen beschlagene Holztür. Es war dunkel geworden, als Sendea das Quartier verliess und im Schutz der
Nacht durch die Stadt eilte. Niemand hatte ihr verschwinden bemerkt, da sie das Seitentor benutzt hatte, um aus der Kaserne zu gelangen. Die junge Frau hatte sich ganz in Schwarz gekleidet und anstelle ihres Mantels trug sie nun einen dunkelblauen Umhang deren Kapuze sie sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Auch ihr Schwert hatte sie im Quartier gelassen und stattdessen ihren neuen Dolch umgeschnallt, bevor sie den Brief verbrannt hatte. Keiner brauchte von diesem Treffen zu wissen, da ihr Vater sonst noch auf die Idee käme, dass sie gemeinsame Sachen mit dem Feind machen würde und das war das Letzte, was sie momentan
gebrauchen konnte. Sendea erreichte das imposante Stadttor nach wenigen Minuten und kaum hatte sie davor haltgemacht trat eine Gestalt aus dem Schutz der Dunkelheit und kam auf sie zu. Im Gegensatz zu dem Assassinen, den sie in jener verhängnisvollen Nacht kennengelernt hatte, hatte dieser eine beinahezu beruhigende Ausstrahlung und ein Lächeln zierte sein Gesicht, als er sie grüsste: „Ihr seid also gekommen Signora Kargun. Das wird meinen Meister, so wie euren Onkel gleichermassen erfreuen.“ Die junge Frau nickte nur und schenkte dem Mann
ein sanftes Lächeln um ihre Nervosität zu verbergen. Als hätte er ihre Gefühle gelesen, fuhr der Mann fort: „Ihr habt nichts zu befürchten Signora. Ich muss Euch allerdings die Augen verbinden, da Ihr sonst Bescheid über unseren Aufenthaltsort wisst und ein solches Risiko können wir nicht eingehen. Ich hoffe Ihr versteht das.“ Obwohl es ihr nicht behagte, dem Feind zu vertrauen, so musste sie diese Hürde nun nehmen, ob sie wollte oder nicht. „Ich verstehe, dass Ihr kein Risiko eingehen dürft, an Eurer Stelle würde ich genau so handeln Signor“, antwortete sie knapp und mit fester Stimme. Der Assassine nickte nur, zog dann ein schwarzes, weiches
Tuch aus einer seiner vielen Gürteltaschen und verband ihr sanft die Augen, dann fasste er sie an der Schulter und führte sie durch die verwinkelten Gassen der Stadt. Sendea liess sich führen und vertraute dem Fremden. Vertraute dem Feind.
Die Nacht war ungewöhnlich ruhig, als Sendea von dem Assassinen durch die schmalen Gassen der Stadt geführt wurde. Mit jedem Schritt ins Ungewisse wurden ihre Zweifel grösser. Hatte sie das Richtige getan, oder würde sie durch ihre gewagte Aktion dem Orden nur noch mehr Schaden bereiten? Was auch immer kommen würde, zum Umkehren war es nun zu spät, das war der jungen Frau mehr als bewusst und doch verspürte sie ungewöhnlicherweise keine Furcht. Sie vertraute darauf, dass die Assassinen Wort hielten und es bei einer friedlichen Aussprache belassen
würden. „Wir sind da Signora“, riss die tiefe Stimme ihres Begleiters sie aus ihren finsteren Gedanken. Im selben Augenblick löste sich das schwarze Tuch und Sendea musste zuerst ein paar Mal blinzeln, bevor sie sich an den hellen Schein der Fackeln gewöhnt hatte, die die Gasse erleuchteten. Die junge Frau sah sich um und entdeckte kleine, so wie grössere Häuser, die dicht aneinandergereiht waren, jedoch keine besonderen Merkmale aufwiesen, die auf einen bestimmten Stadtteil deuteten. Enttäuscht musste sie feststellen, dass dieser Ort ihr unbekannt war. Der
Assassine hatte inzwischen die schwere Eichenholztür geöffnet vor der sie stehen geblieben waren und bat Sendea ebenfalls einzutreten. Helles, warmes Licht empfing sie, als sie den grossen Raum betrat, welches von steinernen Kohlebecken ausging, die die Wände säumten. Der Boden, sowie die Mauern bestanden aus hell, geschliffenem Sandstein der den Raum noch grösser wirken lies, wobei Letzteres noch von roten Bannern mit dem Emblem der Bruderschaft geziert wurde. Nebst zwei gemütlichen Sofas und ein paar bequem aussehenden Sesseln standen grosse Bücherregale in
dem riesigen Saal, der von einer Feuerstelle gewärmt wurde. Auf einer der bequem aussehenden Sitzgelegenheiten, sass eine junge, hübsche Frau mit blondem Haar, das wie Gold glänzte. Alles an ihr schien perfekt zu sein: Ihr Gesicht, ihre Ausstrahlung, selbst ihr Assassinengewand war makellos. Sie schenkte Sendea einen kurzen prüfenden, jedoch nicht unfreundlichen Blick ehe sie sich wieder mit dem Buch beschäftigte. Ihr Begleiter indes führte sie in ein Arbeitszimmer, das am Ende eines langen Flurs lag. „Setzt Euch doch Signora, ich werde dem Meister Bescheid geben, dass ihr
hier seid“, sagte der junge Mann freundlich, während er auf einen Stuhl wies, der gegenüber eines grossen Schreibtisches stand. Sendea kam der Anweisung nach und setzte sich, wobei sie sich in dem Arbeitszimmer umsah. Im Gegensatz zum grossen Saal strahlte dieser Raum eine gewisse Wärme aus, mit dem schönen Dielenboden und der Kassettenvertäfelung aus hellem Holz. Der Schreibtisch war dem ihres Vaters sehr ähnlich, nur, dass dieser aus hellerem Holz gefertigt war und keine Verzierungen an der Seite aufwies und um einiges aufgeräumter war. An der Rückwand konnte sie wieder einmal mehr Bücherregale ausmachen, was
darauf hindeutete, dass die Assassinen sehr belesene Feinde sein mussten. Auch wenn sie den Raum interessiert musterte, so waren ihre Gedanken nur bei ihrem Onkel, sie hoffte sehr, dass es ihm gut ging und die Assassinen ihn nicht schlecht behandelt hatten. Gerade wollte sich Sendea weiter mit dem Gedanken befassen, als plötzlich jemand den Raum betrat. Es war ein Mann mittleren Alters, mit einem markanten Gesicht, das von einem freundlichen Lächeln und zwei strahlend, blauen Augen geziert wurde, die sie musterten. Sein Haar war so schwarz wie ihr eigenes und fiel ihm auf
die Schultern, die von silbernen Platten geschützt wurden, die einen krassen Gegensatz zu seinem schwarzen Assassinengewand darstellten. „Buonasera bella donna, es freut mich sehr, dass Ihr gekommen seid. Ihr habt wirklich sehr viel Mut für eine Frau“ grüsste er sie freundlich, als er sich auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch niederliess und sie dabei anlächelte. „Nun, wer sagt den, dass Frauen nicht auch mutig sein können Signor?“ Der Meister der Assassinen lachte und antwortete dann: „Ich habe nie behauptet, dass Frauen nicht mutig sein können, viel mehr ist es die Gesellschaft, die gegenüber den Frauen
solche Vorurteile hat. Ist dem nicht so?“ „Da habt ihr wohl recht Signor. Nun weshalb habt ihr mich also herbestellt?“, fragte Sendea leicht genervt, da sie nicht zum Scherzen hergekommen war. Überhaupt wunderte sie sich, weshalb er so freundlich zu ihr war, wie ein Feind benahm er sich keineswegs, eher wie ein alt bekannter Freund. Der Assassine wurde wieder ernster, als er den Gesichtsausdruck der Templerin sah. „Bevor wir weiter reden, wollt ihr vielleicht ein Glas Sorni, den besten Wein aus Trentino, Signora?“ Die Begeisterung für den Wein konnte sie
wortwörtlich aus dem Gesicht des Mannes ablesen. „Nein, danke. Lieber wüsste ich Euren Namen“, antwortete sie trocken und verschränkte dabei ihre Arme vor der Brust. „Meinen Namen?“, fragte er offensichtlich überrascht, „nun gut, wenn ihr ihn wissen wollt: Mein Name ist Emanuel Cazzeta und ich komme ursprünglich aus Lecce.“ Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen erhob er sich und ging auf einen kleinen Tisch zu, der Sendea erst jetzt auffiel. Auf ihm standen ein paar schöne Kelche und viele Flaschen , aus denen er nun eine grosse, schwarze Weinflasche heraussuchte und drei der silbernen Trinkgefässe in die Hand nahm, die er
alle sorgsam auf den Tisch stellte. „Weshalb Drei, Signor?“, fragte die junge Frau offensichtlich verwirrt und betrachtete dabei die glänzenden Kelche. „Ich hole nun euren Onkel, damit wir eure Fragen klären können. Bitte entschuldigt mich kurz“, ging er nicht weiter auf die Frage ein und verliess mit grossen Schritten das Arbeitszimmer. Wieder war sie allein, allein mit ihren Gedanken, ihren Sorgen und Problemen. So wie sie es schon ihr ganzes Leben lang gewesen war: allein. Sendeas Herz machte einen Sprung, als sie ihren Onkel sah, der offensichtlich unverletzt in den Raum trat, sie nun
herzlich umarmte und sie liebevoll auf die Stirn küsste. „Geht es dir gut, Onkel?“ Die Sorge um ihn stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. „Sì Sendea, es ging mir nie besser“ gab er ihr zur Antwort und klopfte ihr beruhigend auf die Schulter, bevor er sich auf dem Stuhl neben ihr niederliess. Die Templerin war mehr als nur verwirrt, vor sich sah sie keineswegs einen Gefangenen, der zerschunden und mit zerrissenen Kleidern da sass. Nein, vor sich sah sie einen Mann, der aussah, als würde er direkt von einem Treffen mit wichtigen Persönlichkeiten kommen. Ihr Onkel trug schwarze Hosen, ein ebenso
schwarzes Wams aus Leder, unter dem er eine weisse Tunika trug und eine silberne Halskette, die aus dicken Kettengliedern geschmiedet worden war. Der Meister lachte, amüsiert über die offensichtliche Verwirrtheit, die von jeder Faser ihres Körpers auszugehen schien, und wandte sich dann an ihren Onkel, : Danilo, ich denke du solltest sie nun über die ganzen Missverständnisse aufklären.“ Die Sache wurde langsam aber sicher immer spannender und Sendea musste sich regelrecht zusammenreissen, die beiden Männer nicht mit Fragen zu überhäufen. „Das denke ich auch Emanuel, aber zuerst“, mit diesen Worten beugte ihr
Onkel sich über den Schreibtisch und füllte die drei Kelche mit dem roten Wein, „brauche ich etwas von diesem wunderbaren Tropfen.“ „So und nun kommen wir zum Wesentlichen, meine liebe Sendea. Es wird eine lange Geschichte sein, die ich dir zu erzählen habe und vieles davon wird nicht sehr schön sein“, fing ihr Onkel das Gespräch mit ernster Stimme an. „Wie dir sicher aufgefallen ist, bin ich keineswegs ein Gefangener, vielmehr ein guter Freund der Bruderschaft. Diese Freundschaft reicht soweit zurück bis zu meinem Beitritt in den Templerorden, musst du wissen, wenn
nicht sogar noch weiter.“ Überrascht begutachtete sie ihren Onkel, der den Kelch nun wieder auf den Arbeitstisch stellte. „Du bist also ein Assassine? Das verstehe ich nicht, wieso?“ „Ich weiss dass es nicht leicht ist, für dich das zu verstehen, aber ich habe mich einem Ziel verschrieben, dem ich mit gutem Gewissen treu sein kann“ „Was ist den an unserem Ziel nicht in Ordnung“, fragte sie nun leicht aufgebracht. Sie war enttäuscht von ihrem Onkel, sie hatte ihn immer für den treusten Mann im Orden gehalten. Er hatte stets überzeugt vom Wirken und
den guten Taten der Templer gesprochen, dass er ihr manchmal fast wie ein Prophet vorgekommen war und nun stellte sich heraus, dass all die Überzeugung nur gespielt war „Sendea, dein Vater hat dir nie die eigentlichen Ziele preisgegeben. In all den Jahren hat er dich nur belogen, ja er hat dir wohl gesagt, dass die Templer für den Frieden kämpfen, aber hat er dir auch gesagt, wie er diesen Frieden erschaffen will.“ „Er hat mich nicht belogen Onkel, dass solltest du am Besten wissen, er wollte nur das Beste für mich“, antwortete sie mit bestimmter Stimme und betonte dabei
jedes Wort. „Lass mich ausreden, Kind, er hat dir nie gesagt, dass er den Frieden durch Kontrolle erschaffen will. Er will eine Welt, in der die Templer alles und jeden kontrollieren.“, er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort, „Hat er dir jemals etwas über deine Mutter erzählt?“ Ein Blick in die grünen Augen der jungen Frau verriet ihm die Antwort. „Nein, hat er nicht“, schlussfolgerte er, „wieso hätte er es dir auch sagen sollen? Deine Mutter war eine von uns. Sie war eine Assassine.“ Scheppernd landete der Kelch auf dem Boden, den Sendea vor lauter Erstaunen fallen gelassen hatte. Wie konnte das
sein? Wieso hatte ihr das niemand erzählt? Sie atmete ein paar Mal tief durch, fasste dann den Mut und fragte: „Und weshalb erfahre ich all das erst jetzt, Onkel? Wieso hast du mich die ganze Zeit eine Lüge leben lassen. Wieso?“ Bei dem letzten Wort fingen ihre Augen wieder an zu brennen, sie fühlte sich verraten. Verraten von ihrem Vater, von ihrem Onkel, einfach von jedem. Sanft legte er eine Hand auf ihren Arm und meinte dann: „Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen, bevor der Zeitpunkt da ist, es dir zu sagen. Du kannst mir glauben, Sendea ich hatte in all den Jahren ein schlechtes Gewissen, dir gegenüber. Wenn ich gekonnt hätte,
hätte ich es dir früher gesagt, doch dein Vater und seine Männer haben überall Augen und Ohren. Die Gefahr war einfach zu gross.“ Er machte eine kurze Pause und nahm nochmals einen grossen Schluck des roten Weins, ehe er fortfuhr: „ Die Männer, die du gestern verloren hast, waren nichts anderes als Spione deines Vaters, meine Liebe. Dein Vater wusste, dass die Assassinen dich früher oder später finden würden und dir die Wahrheit erzählen könnten und deshalb musste er über jeden deiner Schritte Bescheid wissen.“ Es war alles so klar und je mehr Sendea erfuhr, desto mehr wusste sie, dass ihr
Onkel nicht log. Nun wurde ihr klar, weshalb ihr Vater nie, mit ihr über die Bruderschaft gesprochen hatte, weshalb er sich nie zu ihrer Mutter äussern wollte. Alles war so klar, als wären die schwarzen Wolken aus ihrem Gedächtnis vertrieben worden um dort der Sonne, der Wahrheit platz zu machen. Und doch erfüllte sie eine tiefe Traurigkeit, den ihr wurde bewusst, dass ihr Vater sie nur für seine Zwecke missbraucht hatte. Es war ihm egal gewesen, ob sie die Wahrheit wusste, oder nicht. Er hatte sie in all den Jahren eine Lüge nach dem anderen Leben
lassen. „Etwas ist mir unklar Onkel: Weshalb die ganze Geschichte mit deiner Entführung und dem Austausch?“, fragte Sendea, nach dem sie sich langsam wieder beruhigt hatte. „Eine Gegenfrage Sendea: Hättest du mir unter normalen Umständen geglaubt, was ich dir nun erzählt habe?“ Er blickte sie fragend an und lächelte dabei leicht, weil er die Antwort bereits erahnen konnte. „Ich glaube nicht Onkel, ich hätte dich ausgelacht und dich wahrscheinlich für eine Zeit lang für verrückt gehalten“, gestand sie ein wenig beschämt und senkte den Blick,
ehe sie sich wieder zu ihrem Onkel wandte:„Und was wird nun aus dem Dokument, dass die Bruderschaft benötigt?“ „Lass das meine Sorge sein, Sendea. Emanuel und ich haben bereits einen Plan.“ Emanuel war die ganze Zeit still da gesessen und hatte das Gespräch schweigend mitverfolgt, nun jedoch stellte er die alles entscheidende Frage: „Wollt Ihr hier bleiben Signora und das Vermächtnis Eurer Mutter weiterführen, oder möchtet Ihr weiterhin die Lügen Eures Vaters leben?“
Der Himmel war wolkenverhangen und grau, als zwei Gestalten sich am frühen Morgen auf den Dächern Napolis trafen. Völlig ruhig standen die beiden Frauen da und betrachteten die verschlafene Stadt zu ihren Füssen. Während Valencia die Strasse unter ihnen nach Soldaten absuchte, bestaunte Sendea ihre Meisterin, die ihr vor zwei Monaten zugeteilt worden war, als sie sich für die Bruderschaft entschied. Valencia war eine ausgesprochen hübsche Frau und ihre sanften, makellosen Gesichtszüge, mit den dunkelbraunen Augen und dem Haar, das wie Gold
glänzte, täuschte über ihre Gerissenheit sowie über ihren kämpferischen Charakter hinweg. Die Assassine war eine wahre Kämpfernatur mit einem eisernen Willen, das hatte Sendea in den zwei Monaten, des harten Trainings mehr, als nur einmal schmerzlich zu spüren bekommen, wenn Valencia sie in den Kampftechniken der Bruderschaft unterwies, oder sie dazu gezwungen hatte Hunderte Male an den Fassaden verschiedener Häuser hochzuklettern. Nie hätte sich die junge Frau träumen lassen, dass sie eines Tages auf der anderen Seite des Konflikts stehen würde und dabei Gefallen an dem neuen Leben finden
könnte. „Sendea, wir laufen jetzt beide weiter über die Dächer bis zum Bezirk San Ferdinando, dort haben wir beide eine Aufgabe zu erledigen und ich möchte, dass du dieses Mal deine Umgebung gut im Auge behältst und mir berichtest, was du alles während unserer Reise festgestellt hast. Va bene?“, erklärte ihr Valencia, während sie die Novizin unter ihrer Kapuze aufmerksam musterte. „Sì maestra, wie ihr wünscht“. Sendea neigte respektvoll ihr Haupt und erntete dafür ein freundliches Lächeln der Blondine, bevor diese sich bereits auf den Weg zum Hafen machte. Der
Stadtteil San Ferdinando war etwa zwanzig Minuten Fussmarsch von ihrem Quartier entfernt und war im Grunde genommen der Haupthafen von Napoli, wo es ebenso viele Geschäfte gab, wie Kneipen und Bordelle.Was ihren Auftrag betraf, so hatte ihr Valencia nichts verraten, was sie im Grunde genommen nie tat. Das war ihre Art, ihre Schülerin zu prüfen, das wusste Sendea, sie wollte sehen, wie oft und wie stark sie ihr Gedächtnis und ihre Sinne einsetzte, was nicht immer einfach für eine ehemalige Templerin war, die ihr ganzes Leben lang nur auf den offensiven Kampf ausgebildet worden
war. „Verdammt!“ Sendea war gerade über eine Gasse gesprungen und auf dem gegenüberliegenden Dach gelandet, als sich ein Ziegel unter ihren Füssen gelöst hatte. Fast wäre sie ausgerutscht und mehrere Meter in die Tiefe gefallen, hätte sie Valencia nicht im letzten Augenblick am Ärmel festgehalten. „Grazie“, bedankte sich Sendea völlig ausser Atem, der Schock hatte ihr regelrecht die Luft geraubt. „Ich sage es dir immer und immer wieder: Du darfst dein Gewicht bei einem weiten Sprung nicht zu sehr auf dein Sprungbein verlagern, sonst passiert
genau das“, tadelte die Assassine ihre Schülerin und deutete dabei auf die Gasse hinter ihr, „ Das nächste Mal, Kleine werde ich dir nicht mehr helfen. Vielleicht brauchst du zuerst ein paar gebrochene Knochen, bevor du den Sinn dieser Worte verstehst“ Wie Sendea, es hasste, wenn sie „Kleine“ genannt wurde, denn die Blondine benutzte das Wort nur dann, wenn sie mit ihrer Schülerin nicht zufrieden war, genau wie jetzt. Die junge Frau schnaubte leicht verärgert über ihre Ungeschicklichkeit, ehe sie ihrer Meisterin folgte und dabei nun die Stadt vor ihr in Augenschein nahm.
Vereinzelnd konnte sie Menschen ausmachen, die sich Richtung Hafen oder Innenstadt bewegten, wo der alltägliche Markt stattfand, sowie eine Gruppe Kinder die gerade Verstecken spielten. Auf der anderen Seite der Gasse nahm Sendea aus dem Augenwinkel eine Katze wahr, die gerade einer Taube hinterherjagte während eine kleine Gruppe Soldaten sich mit schnellen Schritten fortbewegte. Abrupt blieb die Novizin stehen und duckte sich leicht, als sie die Soldaten genauer betrachtete. Es waren die Männer ihres Vaters, ohne Zweifel, den jeder von ihnen trug das Wappen seines Hauses auf ihren
Wämsern: Ein Falke mit weit ausgebreiteten Flügeln, der von einem brennenden Lorbeerkranz umgeben war. „Was machen die bloss hier?“, fragte sich Sendea, während ihre Gedanken ein paar Tage zurückwanderten: Zwei Tage nach Sendeas Beitritt hatte ihr Onkel das Versteck der Bruderschaft verlassen, um als Spion der Assassinen in die Kaserne der Templer zurückzukehren. Er hatte sich vorher einen Plan zurechtgelegt, wie er ihren Vater glauben machen konnte, dass er den Assassinen entkommen war. Ebenso hatte er dafür gesorgt, dass der Templermeister dachte, dass Sendea von der örtlichen Banditengruppe verschleppt
worden war, um so ihren Tod vorzutäuschen. Was also taten die Männer ihres Vaters hier? „Sendea, wirst du wohl deinen Hintern bewegen, verdammt“, herrschte sie Valencia wütend an, während sie ihre Schülerin mit einem bösen Blick anstarrte und sie hochzog. „Scusi maestra. Aber ich habe nur den Auftrag, den Ihr mir gegeben habt, versucht umzusetzen.“ Schuldbewusst starrte Sendea auf ihre Füsse, als die Assassine ihr Kinn mit dem Zeigefinger anhob, damit sie ihr in die braunen Augen sehen musste. „Ich habe dir aufgetragen dich umzusehen, deine Umgebung zu
beobachten und wahrzunehmen Sendea. Nicht anzuhalten und jedes Detail zu hinterfragen. Wenn du erstmals Training darin hast, deine Umgebung im groben Ausmass wahrzunehmen, dann werden wir uns um die Details kümmern“ All dies hatte ihr Valencia mit ruhiger, jedoch bestimmter Stimme und innert Sekunden vermittelt, ehe sie ihrer Schülerin beinahe freundschaftlich auf die Schulter klopfte und sie anwies, ihren Weg über die Dächer fortzusetzen. Je näher die beiden Frauen dem Hafengebiet kamen, desto niedriger wurden die Häuser und Sendea konnte den salzigen Geschmack des Meeres
ausmachen, das sie bereits erkennen konnte. Den ganzen Weg über hatte die Schwarzhaarige geschwiegen und ihre Umgebung begutachtet, ohne stehen zu bleiben. Ihr war aufgefallen, dass heute besonders viele Leute auf den Strassen waren und ebenso viele Stadtsoldaten. Doch vereinzelt konnte sie auch das Wappen ihres Vaters auf den Wämsern der Soldaten erkennen, die sich alle mit aufmerksamen Blicken umsahen. Diese Soldaten bestätigten ihre Befürchtung: Sie suchten definitiv nach ihr, was bedeutete, dass ihr Vater doch nicht so ein grosser Narr war, wie sie anfangs gedacht hatten. Ihr Onkel würde sich
bezüglich Sendeas Verschwinden also einen neuen Plan zurecht legen müssen. Die Novizin zog sich gerade an einem Dach hoch, als ihre Muskeln anfingen zu protestieren und sich schmerzhaft verkrampften. „Nicht schon wieder, verdammt noch mal“, fluchte die junge Frau genervt, als sie endlich auf dem Dach stand, wo Valencia sie bereits erwartete. Sendea hasste die Muskelkrämpfe wie die Pest, die sie nun schon seit dem Beginn ihrer Ausbildung zur Assassine quälten und ihr zeigten, wie schlecht trainiert sie doch gewesen war. Valencias Training war hart, sehr hart sogar, sie trieb ihre Schülerin immer
wieder an die Grenzen ihrer Kräfte und versuchte alles aus ihr herauszuholen. Anfangs war Sendea von dem Verhalten ihrer Meisterin nur genervt gewesen und hatte dabei lautstark protestiert, wenn sie keine Lust auf das Training hatte, doch Valencia hatte ihr schnell klar gemacht, wer das Sagen hatte. Seitdem hatte sich die junge Frau nicht mehr widersetzt und gab ihr Bestes den Anforderungen der Bruderschaft, die nicht gerade niedrig waren, gerecht zu werden. „Du wirst besser Sendea“, bemerkte Valencia erfreut, als sich die Schülerin neben sie stellte, „Mach weiter so und du wirst sehen, dass sich deine harte Arbeit bezahlt machen wird.“
Und dann rannte die Blondine los und sprang ohne Vorwarnung vom Dach. Erschrocken eilte Sendea an den Rand und sah auf die breite, jedoch menschenleere Gasse unter ihr, wo Valencia unverletzt aus einem Heuwagen hüpfte. „Und jetzt du“, rief sie zu ihr hoch und verschränkte dabei erwartungsvoll ihre Arme vor der Brust. „Da runter sollte sie springen? Das Haus, auf dem sie stand war sicher an die sieben Meter hoch, wenn nicht sogar noch höher. Das war Wahnsinn! Auf was hatte sie sich da bloss eingelassen“, dachte Sendea nur, doch sie konnte deutlich erkennen, das die Assassine es
ernst meinte. „Und vergiss nicht dich auf den Rücken zu drehen“, vernahm sie die Stimme von Valencia, während sie zwei Schritte auf dem Dach zurücktrat. Die Schwarzhaarige holte noch einmal tief Luft, rannte, sprang und schien zu fliegen, als sie ein lautes „dreh dich endlich!“ wahrnahm, dass sie in letzter Sekunde zu erreichen schien. Schnell kam Sendea dem Befehl nach und drehte sich im letzten Moment, ehe sie im Heuwagen landete. Die Landung war unerwartet sanft und sie musste sich erst von dem plötzlichen Adrenalinstoss erholen, ehe sie aus dem Wagen sprang. „Mach das noch einmal“, forderte sie Valencia
auf. Bei der einmaligen Wiederholung des Todessprunges, wie die Assassinen ihn auch nannten, war es nicht geblieben und so musste Sendea sich noch fünfmal in den Heuwagen stürzen, ehe Valencia vollends zufrieden war. Völlig erschöpft sank die Schülerin auf die Bank in der Ecke einer schäbigen Taverne und stützte dabei ihren Kopf auf ihre Hände, während sie ihre Meisterin betrachtete, die ihre Kapuze zurückstreifte und dabei ihr goldenes Haar freilegte, dass sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. „Ist etwas Sendea“, fragte Valencia, als
sie den Blick ihrer Schülerin bemerkte. „Nein, es ist nichts. Verzeiht“, räumte sie schnell ein, bevor sie sich in der verrauchten Taverne umsah, die völlig leer war. Der Raum in dem sie sass, war vollständig aus Holz gebaut und auch das Mobiliar bestand aus dem gleichen, braunen Material, nur der Kamin unterbrach die öde Farbe mit seinen grauen Steinen. Erst jetzt bemerkte die Schwarzhaarige, dass Valencia aufgestanden war und an den Tresen wartete, hinter der eine dicke, unfreundliche Frau stand und die Kupfermünzen an sich nahm, ehe sie zwei Holzbecher über die Ablagefläche
schob. „Ich hoffe es schmeckt dir“, sagte die Assassine während sie einen Becher vor Sendea hinstellte und einen Schluck aus ihrem Trinkgefäss nahm. „Vielen Dank“, bedankte sich die Schwarzhaarige knapp, bevor sie selber eine grossen Schluck nahm und den vertrauten, süsssauren Geschmack von Orangensaft schmeckte. „Nun Sendea kommen wir doch zu deinem Auftrag.“ Fast hätte sich die junge Frau verschluckt, ehe sie erstaunt fragte: „Zu meinem Auftrag? Ich dachte es wäre eine gemeinsame Mission, maestra.“ Valencia lächelte leicht, ehe sie ruhig
fortfuhr: „ Du wirst die Mission selber ausführen, weil es Emanuels Wunsch ist. Er will, dass du deine Treue zur Bruderschaft beweist und somit das Leben als Templerin vollständig hinter dir lässt“ „Was soll ich tun? Sagt es mir!“, bat die sie nun ungehalten. Valencia hob beschwichtigend ihre Hand uns sah Sendea prüfend an. „Bevor ich dir mehr über die Mission verrate, will ich zuerst hören, was du in der Stadt beobachten konntest.“ Ungeduldig erzählte Sendea ihr von den Männern ihres Vaters, sowie von den vielen Menschen. „Soweit so gut. Nun meine Frage weisst du weshalb so viele Menschen nach Napoli gekommen
sind?“ Mit einem Kopfschütteln verneinte die Novizin. „Unser Stadthalter und König, Alfons der Fünfte feiert heute seinen vierzigsten Namenstag und deine Templerfreunde planen einen Anschlag auf ihn. Wenn sein Schiff am Mittag eintrifft, ist entweder dein Freund, Philippe tot oder Alfons“, erklärte die Assassine ruhig, bevor sie einen weiteren Schluck Orangensaft nahm. „Was?. Aber wieso wollen sie ihn ermorden? Ich verstehe nicht.“ „Sendea, hat dein Vater dich den nie in seine Pläne eingeweiht?“ Die Gesichtszüge der jungen Frau verzerrten
sich, bevor sie lautstark anfing zu fluchen. „Hört mir bitte auf mit diesem figlio di puttana, diesem Arschloch, diesem...“, rief die Schwarzhaarige nun aus, wofür sie einen völlig erschrockenen Blick, der Wirtin erntetete. Valencia erschrak als sie den plötzlichen Wutausbruch ihrer Schülerin sah, und versuche sie zu beruhigen, was ihr jedoch eher schlecht als recht gelang. „Gut, ich deute das einmal als ein deutliches Nein. Wie dem auch sei Sendea, dein Vater braucht die Kontrolle über den Herrscher Napolis um seine Pläne fortzusetzen, allerdings ist Alfons nicht gerade ein Freund der Templer und
hat jegliche Verhandlungen mit dem Orden auf Eis gelegt. Und der einzige Weg, ganz nach oben zu kommen ist nun die Ermordung des momentanen Stadthalters“, schlussfolgerte die Assassine und legte dabei ihre Hand auf den Arm, der noch immer aufgebrachten Schülerin. Die Blondine lies der Novizin genug Zeit um sich zu beruhigen, bevor sie ihr den Auftrag genaustens erklärte. Sendea hatte die Aufgabe, Philippe zu ermorden, der während ihrer Abwesenheit befördert worden war und nun die Templersoldaten in der Hafengegend anführten und somit den
Anschlag auf Alfons verüben, würde. Sie müsste den Auftrag noch vor dem Mittag ausführen. Laut Valencia machte Philippe jeden Tag zur elften Stunde einen Spaziergang, der Kaimauer entlang, was hiess, dass sie ihn dort überraschen konnte. „Hör zu Sendea, eigentlich bekommen Novizen noch keine Aufträge von ganz oben und vor allem nicht so schwere, wenn du dich der Herausforderung also nicht gewachsen fühlen solltest, sag es mir jetzt und ich werde einen anderen Auftrag für dich finden, deine Treue zu beweisen“ Valencias Stimme war leise geworden, so, dass nur Sendea die Worte hören könnte. Die Schwarzhaarige
sah ihre Meisterin ernst an und erwiderte entschlossen: „Ich werde Euch nicht enttäuschen Maestra, mein ehemaliger Templerfreund wird sterben!“ Aufmerksam beobachtete sie Philippe, wie ein Wolf seine Beute. Der junge Mann trug nun die Uniform eines Offiziers: eine glänzende Plattenrüstung und einen dunkelblauen Umhang mit dem Wappen ihres Vaters, seine einzige Waffe war ein französisches Schwert mit schmaler Klinge, das nicht sehr stabil wirkte und ihr nur auf Distanz gefährlich werden konnte. Sendea folgte ihrem Attentatsziel und beobachtete dabei jede seiner Bewegungen und konnte
erkennen, dass der Templer nichts von seiner Verfolgerin wusste. Freundlich grüsste er eine hübsche Frau mit einer üppigen Oberweite, die gerade an ihm vorbei ging und ihn dabei kokett anlächelte. Sendea indes bewegte sich weiter unauffällig durch die Menge und behielt dabei ihre Umgebung im Auge, immer darauf bedacht Philippe nicht aus den Augen zu verlieren, der nun in eine Seitengasse einbog. Das war der Moment, auf den sie gewartete hatte und so folgte sie ihm leise in das dämmrige Licht der Gasse. „Bonjour Philippe“, grüsste Sendea den Templer mit gespielter Freundlichkeit,
der sich nun erschrocken umdrehte und zeitgleich von Sendea an die Hausmauer gedrückt wurde, wo sie ihm die versteckte Klinge an die Kehle drückte. Der Templer wollte die Schwarzhaarige von sich stossen, wobei er kläglich scheiterte und einen heftigen Tritt in seine Kronjuwelen kassierte. Philippe jaulte gequält auf und sog scharf die Luft ein. „Verdammt noch mal... Wer seit ihr“, keuchte der Templer vor Schmerz, „und was wollt ihr?... cazzo!“ Sendea lächelte leicht und fragte dann unschuldig: „Erkennst du den die Signora nicht wieder Philippe? Mein Vater sucht doch nach mir, nicht
wahr?“ Der Schmerz in seinem Gesicht wich der Erkenntnis, als er einen Blick unter die Kapuze wagte und dort zwei funkelnde, grüne Augen ausmachen konnte. „Sendea...Ihr..., was zum Henker soll das werden?“, fragte er entsetzt, wobei seine Augen nun gross wurden, vor Angst. „Ist es den nicht offensichtlich, oder seit Ihr so einfältig Philippe? Ich bin hier um Euch zu töten!“ Sendea wollte ihm gerade die Kehle aufschlitzen, als er sie mit verzweifelter Stimme bat: „Wartet Sendea, bitte. Dann beantwortet mir wenigstens eine letzte Frage.“ Mit einem
Nicken gab sie ihm, ihr Einverständnis, hielt ihn jedoch eisern an der Schulter fest um jegliches Gefühl der Hoffnung auf Rettung oder Flucht in Philippe ersterben zu lassen. „Wieso habt Ihr die Seite gewechselt Sendea? Was hat Euch dazu getrieben?“ Seine Stimme hatte nichts mehr von Autorität oder Bestimmtheit, sie war nun leise geworden, wie die eines verängstigten Kindes. „Mein Vater hat mich all die Jahre belogen“, erklärte Sendea bitter und ihr Hass auf ihn wuchs mit jedem Wort, „und mich eine Lüge nach dem anderen
Leben lassen. Und dafür wird er büssen, ihr alle werdet büssen. Ich werde nicht ruhen bis ich die ganze Wahrheit kenne, Philippe!“ Die Gesichtszüge des Templers waren keineswegs überrascht oder verwundert, was Sendea dazu veranlasste ihn mit gefährlich, leiser Stimme zu fragen: „Du hast es gewusst, nicht wahr? Du hast mich ebenfalls für meinen Vater ausspioniert und kontrolliert... Nicht wahr?“ Ein knappes Nicken und der ängstliche Blick des Mannes bestätigten ihre Vermutung. Jegliches Mitgefühl war von Sendea gewichen und anstelle des Mitleids trat nur der ungebändigte Hass auf ihren Vater und die Templer, welche sie einst
Freunde genannt hatte. „Lebt wohl mein Freund und geniesst die Stille“, beendete Sendea mit emotionsloser, jedoch fester Stimme die Unterhaltung, bevor sie ihm die scharfe Klinge ins Herz bohrte. Entsetzt sah der Templer auf das glänzende Metall in seiner Brust sowie auf das Blut, das nun aus der Wunde floss. Kraftlos sank er an die Wand gelehnt auf den Boden, wo ein letzter, gequälter Atemzug seine Lippen streiften, dann brach er tot in Sendeas Armen zusammen. Behutsam legte sie den jungen Mann auf den Pflasterstein der dämmrigen Gasse und schloss ihm die eisblauen Augen, wie es sie Valencia gelehrt hatte. „Requiescat in pace“,
flüsterte sie leise an Philippe gewandt, bevor sie die dunkle Gasse hinter sich lies und mit der Menge verschmolz.
Sendea liess sich von der Menge zum Hafen treiben, wo Valencia auf sie wartete. Ihre Meisterin würde sicher stolz auf sie sein, dachte Sendea, während sie stets darauf achtete zwischen den Menschen unterzutauchen, wenn ihr die Soldaten ihres Vaters über den Weg liefen. Obwohl man Ihre Gesichtszüge, dank der Kapuze schlecht ausmachen konnte, so bestand noch immer die Gefahr erkannt zu werden, da sie mit vielen Männern der Truppe Kontakt gehabt und mit manchen sogar trainiert hatte. Und
nun, da sie ihr erstes Attentat mit Bravour gemeistert hatte, wollte sie es nicht verderben, weil sie Ihre Umgebung nicht gut beobachtet hatte. Sendea war am Anfang ihrer Ausbildung genau das am Schwersten gefallen, oft hatte sie die Gefahr zu spät oder gar nicht erkannt, was dazu geführt hatte, dass sie jeden Tag mit Valencia auf ein Dach steigen musste, um dort ihre Umgebung zu begutachten und so die Gefahren, so wie mögliche Vorteile bei einer Flucht zu erkennen. Mittlerweilen wusste die junge Frau, das eine gute Beobachtungsgabe der Schlüssel zum Erfolg war, ob man nun ein Attentat ausführen musste oder auf der Flucht
war. Plötzlich umfasste jemand Sendeas linke Schulter. Völlig erschrocken wirbelte die junge Frau herum und zog im selben Moment ihren Dolch, um zu zuschlagen. Doch sie kam nicht weit, den die andere Hand hatte sich nun eisern um ihr Handgelenk gelegt, so, dass sie die scharfe Klinge fallen lassen musste. Mit einem metallischen Laut landete der kunstvoll geschmiedete Dolch auf dem harten Steinboden. „Nicht so hastig Kleine, sonst stichst du dir am Schluss noch ein Auge aus“, mahnte sie eine nur all zu vertraute Stimme und der harte Griff um ihr
Handgelenk löste sich im selben Augenblick. „Maestra“, keuchte Sendea erschrocken, „ für was, war das nun wieder gut? Ihr habt mich beinahe zu Tode erschreckt!“ Doch Valencia lächelte nur und bückte sich um den Dolch auf zu heben und ihn ihr mit dem Heft voran in die Hand zu drücken. „Wenn ich ehrlich bin, wollte ich dich nicht erschrecken Sendea, sondern lediglich deine Reaktion testen.“ Eine kurze Pause folgte und die beiden Frauen setzten ihren Weg am Pier fort. „Gute Arbeit vorhin. Nur eines musste du dir merken: Beim nächsten Mal solltest du keine all zu langen Gespräche
führen, da du sonst die Aufmerksamkeit der Mitmenschen auf dich ziehen könntest. Wenn du also keine Informationen von deiner Zielperson brauchst, erledige deine Arbeit schnell und lautlos. Aber für dein erstes Attentat warst du nicht schlecht“, lobte sie Valencia anerkennend, jedoch mit gesenkter Stimme, so, dass nur ihre Schülerin die Worte hören könnte. „Ich danke Euch maestra. Aber weshalb seid Ihr überhaupt schon hier, ich dachte, Ihr hättet ebenfalls etwas zu erledigen.“ Die Assassine blieb nun stehen und sah die Novizin ernst an: „Wir haben ein Problem Sendea. Ein richtig grosses obendrein. Alfons ist noch nicht ausser
Gefahr, es wurde ein weiterer Anschlag aufgedeckt und es scheint als würde dein Vater dabei eine wichtige Rolle spielen.“ Es hatte zu Regnen begonnen, als Sendea und Valencia am Haupthafen ankamen, wo sie sich mit ein paar anderen Assassinen treffen würden. Die Laune der jungen Schülerin war im Keller, als sie von ihrem Vater hörte und nun auch der Regen auf sie niederprasselte und ihr Assassinen Ornat, das im Gegensatz zu den Gewändern ihrer Meisterin, die aus Leder bestanden, aus Stoff war, durchtränkte. „Schlecht geschlafen
Kind?“, fragte der hochgewachsene Mann, der offenbar als Erster eingetroffen war und sich als Markus herausstellte. Er war einer der Wenigen gewesen, der Sendea von Anfang an vertraut hatte und sie unter seine Fittiche genommen hatte, wenn Valencia einen Auftrag zu erledigen hatte. „Nein Meister. Der Regen stört nur und die Tatsache, das der verräterische Mistkerl von einem Vater hier ist“, murrte Sendea schlecht gelaunt und blieb auf dem Dach neben Valencia stehen. „Ich verstehe“, antwortete Markus verständnissvoll und lächelte dabei, ehe sein Blick nach rechts
wanderte. Zwei weitere Assassinen, ein Meister und sein Schüler betraten ebenfalls das geziegelte Dach, das nun gefährlich rutschig geworden war, und gesellten sich zu ihnen. „Die Zeit drängt. Wir müssen nun schnell handeln Brüder und Schwestern. Mein Plan sieht Folgendes vor“, begann Valencia ihr Vorhaben zu erklären, „Markus du kümmerst dich mit Ivo um die Soldaten der Templer, die sich auf der Piazza befinden. Ich werde die Bogenschützen auf den Dächern ausschalten“ Die beiden Männer nickten und machten sich auf den Weg um sich
unter die Menge zu mischen und so die Templersoldaten unbemerkt mit ihren versteckten Klingen zu töten. „Und ihr zwei werdet hier oben Stellung halten, beobachten und lernen. Solltet ihr etwas Verdächtiges entdecken, gebt ihr mir ein Zeichen, aber ihr unternehmt nichts auf eigene Faust. Verstanden?“ Beide Schüler nickten kurz, zur Bestätigung, dass sie verstanden hatten, ehe Valencia im Regen verschwand. Der Schüler von Ivo stellte sich als freundlicher, junger Mann heraus, der offenbar sehr gesprächig war und immer über alles, genau Bescheid wissen wollte. Ricardo wollte vieles über
Sendeas Vergangenheit erfahren, wie das Leben als Templerin gewesen war und was sie in dieser Zeit für Aufträge erledigen musste. Doch die junge Frau hielt sich zu diesem Thema bedeckt und gab ihm nur wenig Auskunft, wobei sie darauf achtete, nichts von den schlimmen Taten zu erzählen, die sie in ihrem früheren Leben verübt hatte. „Schau mal da“, sagte Ricardo nun und deutete durch den Regen auf die breite Strasse unter ihnen, die voller Menschen war, obwohl es wie aus Strömen regnete. Auf einem braunen Hengst konnte sie ihn erkennen: Alfons der Fünfte, ein aragonesischer Herrscher, der beim Volk sehr beliebt
war und vor allem für seine gerechte und milde Art des Herrschens geliebt wurde. Selbst jetzt, bei diesem tristen Wetter konnte sie den Mann lächeln sehen, während er dem Volk zu winkte und Geld in die Menge warf, die es ihm mit einem lauten: „Lang lebe Alfons der Fünfte!“, dankte. Der Mann, der neben ihm ritt war das pure Gegenteil von Freude und Gutmütigkeit: Es war ihr Vater der auf seinem schwarzen Reittier sass und von seinen Soldaten, so wie von der Leibgarde des Herrschers flankiert wurde. Offenbar schien er mit Alfons zu reden. Über was sie sprachen,
konnte sie allerdings nicht verstehen, doch sie konnte deutlich, das falsche Lächeln ihres Vaters ausmachen. Das Lächeln, mit dem er ihr all die Lügen erzählt hatte und sie in dem Glauben gelassen hatte die Wahrheit zu kennen. „Du bist ein toter Mann, Vater“, meinte Sendea leise zu sich selber und ballte ihr Fäuste vor Wut. „Mach keine Dummheiten!“, herrschte sie Ricardo an, der sie nun an der Schulter zu sich zog und ihr lange in die Augen sah, als würde er mit ihr in Gedanken sprechen. Dann wandte er sich ab und lief auf die gegenüberliegende Seite des Daches, wo er sich in geduckter Haltung umsah, wie ein Löwe auf der Jagd. Sendea tat es ihm
nach. Ihre grüne Augen durchstreiften das Gewirr von Menschen und just in diesem Augenblick konnte sie Ivo erkennen, der gerade eine unaufmerksame Wache tötete und die Leiche auf die Bank setzte, so, dass es aussah, als würde er im sitzen schlafen. „Clever, clever dein Meister“, gab die Novizin beeindruckt von sich, wofür sie ein herzliches Lachen des jungen Mannes erntete. „Schon bald können wir das auch Sendea, du wirst sehen.“ Alfons war inzwischen auf der Piazza
eingetroffen und wurde hier ebenso freudig von der Menge bejubelt, wie auf der Strasse zuvor. Der für sein Alter gut aussehende Herrscher stieg nun von seinem Pferd und stand auf ein kleines, jedoch reich geschmücktes Podest, wo er beide Hände leicht anhob, um die Menge zum Verstummen zu bringen. „Ich danke euch meine Freunde. Ich danke euch für diesen herzlichen Empfang, für die lieben Worte und ganz besonders für eure Treue, die ihr mir in all den Jahren entgegen gebracht habt. Kein Gold auf der Welt könnte mich glücklicher machen, als eure Loyalität und deshalb möchte ich mich bei euch allen bedanken. Kommt heute in mein
Castello und feiert mit mir, feiert mit mir, als wären wir eine grosse Familie. Jeder soll heute mein Gast sein.“ Alfons Ansprache hallte auf der Piazza wieder, ehe die Menge erneut anfing zu jubeln. Dieses Mal lauter und wilder als zuvor. Etwas stimmte nicht, das konnte Sendea deutlich spüren und ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Eine Sekunde später löste sich ein Mann ohne Wappen oder Rüstung aus der Menge und rannte mit bei nahezu übermenschlicher Geschwindigkeit auf den Herrscher zu, der die Situation offenbar noch nicht erfasst hatte. Durch die Schreie und den euphorischen Jubel der Menge hindurch,
sahen auch die Leibwache von Alfons den Attentäter offenbar zu spät, der bereits auf das Podest gesprungen war und den Dolch nun zum tödlichen Stoss anhob. Doch die Klinge sollte niemals das Blut des Herrschers zu kosten bekommen, denn der Angreifer ging zu Boden, zwei Wurfmesser im Rücken. All dies hatte sich innert Sekunden abgespielt und nun brach heillose Panik aus. Noch bevor der Mann tot auf dem Boden aufprallte, umkreiste die Leibwache den völlig perplexen Herrscher und brachten ihn in Sicherheit, während die Menge das Weite suchte. Sendeas Vater hingegen
sass noch immer auf seinem Pferd, doch er war alleine, den seine Soldaten durchkämmten nun die fliehende Menschenmenge nach weiteren Attentätern. Zumindest taten sie so, als würden sie nach ihnen suchen, doch Sendea wusste, dass sie nach dem Mörder des Mannes fahndeten, der ihren Plan vereitelt hatte. Die junge Frau überlegte nicht lange und vollführte einen Todessprung in einen nah gelegenen Heuwagen, ehe sie flink heraussprang und auf ihren Vater zuging, der offenbar nichts von ihr ahnte. Jetzt hatte sie die Chance, das für ein und allemal zu beenden, dies war der Moment, auf den sie gewartete hatte.
Sendea löste ohne zu zögern ihre versteckte Klinge aus, die an ihrer Armschiene befestigt war und nun mit einem leisen Klick hinaus glitt. „Neeeein“, vernahm sie den lang gezogenen Schrei hinter sich, der Ricardo gehörte, und drehte sich um, als sich plötzlich eine Speerspitze in ihre Seite bohrte. Überrascht sah sie auf das Blut, das nun aus der Wunde quoll und auf den Soldaten, den sie durch ihren Rachedurst nicht wahrgenommen hatte. Mit einem schnellen Hieb ihrer versteckten Klinge zahlte sie es dem Mann heim, der nun zu Boden ging und nach Luft schnappte, während das Blut
in seine Lungen floss. Sendea sank neben dem Sterbenden zu Boden, die Hand auf die Wunde gepresst und mit vor Schmerz vernebeltem Blick konnte sie ihren Vater ausmachen, der sein Pferd gewendet hatte und ihr nun direkt in die Augen sah. In die unverwechselbaren, grünen Augen ihrer Mutter. „S..Sendea, was... was machst du den hier?“, fragte er offensichtlich überrascht, als sein Augenmerk sich auf ihre Kleidung richtete. „Nein..nein“, er schien diese Worte förmlich zu schreien, „das kann nicht sein, nein das... das ist nicht
möglich!“ „Doch ist es... du“, die junge Frau rang um Atem, „du dreckiger Lügner. Ich kenne nun die Wahrheit. Die...echte Wahrheit.“ Der Templergrossmeister wollte gerade etwas erwidern als Ricardo sich schützend vor Sendea stellte, einen Dolch und sein Kurzschwert gezogen: „Verschwindet Templer, solange Ihr noch könnt!“, schrie der Novize den Mann an und hob drohend sein Schwert, was den Grossmeister dazu veranlasste zu Lachen „Diesen Übermut, den ihr Assassinen immer habt, erstaunlich“, gab
Sendeas Vater belustigt zur Antwort. Die Männer von Sendeas Vater hatten die Situation erfasst und traten nun neben ihren Meister, während Markus und Ivo neben Ricardo in Stellung gingen und dabei ihre Waffen zogen. Die junge Frau spürte wie das Leben mit jedem Schlag, den ihre Freunde parierten langsam aus ihr wich und eine eisige Kälte sich in ihr auszubreiten begann. Erschöpft sank sie auf den nassen Boden, während der Regen auf ihr Gesicht tropfte, doch dies war Sendea gleich, sie bereute nur eines: Ihren Vater nicht vor ihr ins Grab geschickt zu haben. Sie hatte ein Leben
genommen und würde nun ihres hergeben müssen, welch Ironie des Schicksals, dachte die junge Frau während sie den Kampfesslärm nur noch wage ausmachen konnte. Der Schmerz fiel langsam von ihr ab, so wie die Angst vor dem Tod und das Letzte was sie sah, war der besorgte Blick von Valencia, bevor sie ihre Augen schloss.
Ein weisses Licht, heller als die Sonne umgab Sendea und gerade als sie sich der Quelle näher wollte, verschwand es wieder und hinterliess eine gähnende Leere. War dies der Tod? War das, das Ende der Reise? Sie wusste es nicht. Schmerzen verspürte sie keine und doch waren ihre körperlichen Empfindungen noch alle da. Sie hörte, sie sah und allem voran, sie dachte. Ein Lichtstrahl, so sanft, wie die Strahlen des Mondes durchbrachen die
endlose Finsternis und fiel auf eine engelsgleiche Gestalt. Mit ihren blonden, gelockten Haaren, die ihr bis über ihre Brüste fielen, ihrem schlanken Körper und den strahlend grünen Augen sah ihre Mutter aus, wie sie, sie zuletzt in Erinnerung gehabt hatte. „Mutter!“, schrie Sendea und wollte los rennen, doch sie konnte sich nicht bewegen. Unsichtbare Fesseln schienen sie an Ort und Stelle festzuhalten und boten ihr keinen Weg ihre Mutter zu umarmen, sie zu küssen und endlich wieder bei ihr zu sein. Ein liebevolles Lächeln zierte, das hübsche Gesicht der engelsgleichen Gestalt, ehe sie mit sanfter Stimme zu
sprechen begann: „ Ich liebe dich Sendea, immer und überall. Welche Wege du auch beschreiten magst, ich bin bei dir.“ Mit diesen Worten verschmolz ihre Mutter mit dem Licht und war weg. „Nein, bleib hier!“, schiere Verzweiflung sprach aus ihrer Stimme, als sie sich ein weiteres Mal versuchte von den unsichtbaren Fesseln zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Gespenstische Stille erfüllte die alles verzehrende Finsternis und Sendea kam sich vor, wie in einem schlimmen Albtraum, aus dem sie nicht entfliehen konnte. Wie lange sie nun da stand, konnte die junge Frau nicht sagen, als
plötzlich ein blaues Feuer, nicht unweit von ihr entflammte und einen grossen Kreis um sie zu bilden begann. Die Flammen waren nicht heiss, wie die eines normalen Feuers, sie waren kalt, kalt wie Eis und wurden von Sekunde zu Sekunde höher, bis sie eine riesige Feuerwand bildeten. Völlig überrascht und zugleich verwirrt sah sich die junge Frau um und wünschte sich, sie hätte es nicht getan. Vor ihr stand plötzlich Philippe mit einem hämischen Grinsen, sein Gesicht von Blut verschmiert. Noch immer trug er die Rüstung und den Umhang, die er getragen hatte, als Sendea ihn getötet hatte. „So sieht man sich wieder Signora. Ich muss zugebe,
so früh hätte ich Euch nicht erwartet“, meinte er, bevor er fast schon freundschaftlich eine Hand auf die Schulter der Schwarzhaarigen legte. „Dann bin ich also wirklich tot?“ „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wer weiss? Es könnte ja auch Euer Verstand sein, der Euch einen bösen Streich spielt, nicht wahr?“, gab er lächelnd zur Antwort während er Sendea umkreiste, wie ein wildes Tier seine Beute. Wenn das der Tod war, so hatten die Lehren und der Glaube ihres Vaters keineswegs der Wahrheit entsprochen. Dann wäre all das Gerede von einem Gott und dem
Paradies eine weitere Lüge gewesen, eine weitere Illusion ihres Vaters. „Wieso so verwirrt Signora? Gefällt es Euch hier denn nicht? Ich meine, diese Stille“, bei diesen Worten breitete er die Hände aus, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, „ sie ist doch wunderschön. Nicht wahr?“ Ein irres Lachen ertönte und was auch immer Philippe daran lustig fand, es schien ihn mehr zu amüsieren, als ein guter Witz es vermocht hätte . Als er sich wieder beruhigt hatte, lächelte er noch immer und verschwand ohne Vorwarnung, um hinter ihr wieder zu erscheinen. Sendea lief es kalt den Rücken hinunter, als er
ihr leise ins Ohr flüsterte, : „ Sucht die Wahrheit, die ihr finden wollt, Signora und kommt erst wieder, wenn ihr sie gefunden habt!“ Ein weiteres Lachen folgte, erfüllt von Häme, Hass und einem Gefühl, dass Sendea nicht deuten konnte, als sich etwas in ihr Brustbein bohrte. Langsam sah sie an sich hinunter und konnte eine durchsichtige Klinge erkennen, die aussah als bestünde sie aus Glas und nun anfing schwach zu leuchten. Aus der Wunde floss kein Blut, sondern helles Licht, das sich nun ausbreitete, das irre Lachen ausblendete und das blaue Feuer vertrieb. Sendea fing an zu schreien und schrie, bis das weisse Licht sie
vollständig verschluckte. „Per carità Sendea, beruhige dich, es ist ja alles gut“ , erreichte sie die völlig überraschte Stimme von Ricardo, der ihr beruhigend durch ihr schwarzes Haar strich und sie sanft auf das Bett zurückdrückte, da sie sonst aufgesprungen wäre. Sendea zitterte am ganzen Körper, während sie panisch ein und aus atmete. Sie lebte, doch wie konnte das sein? Sie war doch tot gewesen... , oder doch nicht? „Aber... aber ich war doch tot...“, teilte sie ihre Bedenken ihrem Ordensbruder mit, der sie nun überrascht ansah und leicht den Kopf schüttelte. „Nein, nein Sendea, du
warst nicht tot“, meinte er und lächelte sie dabei beruhigend an, „Du warst nur ohnmächtig, aber der Arzt hat gesagt, dass du es überleben wirst und er hat recht behalten. Zum Glück.“ Sendea wusste nicht mehr, was sie glauben - , ja sie wusste nicht einmal mehr, was sie von alldem denken sollte und so beschloss sie, zu schweigen. Sie war noch zu verwirrt und zu schockiert um einen klaren Gedanken fassen zu können. „Wie lange war ich den weg“, erkundigte sie sich mit leiser Stimme. Ihr Hals war trocken und rau und sie konnte nun den süssen Geschmack von
Honig wahrnehmen, der sich in ihrem Mund festgesetzt zu haben schien. „Drei ganze Tage“, gab er zur Antwort und nahm nun einen Becher in die Hand, der auf einem Tisch stand, der mit Phiolen, Bandagen und Salben überhäuft war. „Wir mussten dich mit Honig ernähren, während du weg warst, wie dir sicher aufgefallen ist“, fügte er hinzu, „Du hattest wirklich mehr als nur Glück Sendea. Ein paar Zentimeter mehr nach rechts und dir wäre nicht mehr zu helfen gewesen.“ Die junge Frau erwiderte Nichts und starrte nur gedankenverloren an die Decke, auf der sich feine Risse durch den Sandstein zogen, noch immer war
sie schockiert über die seltsame Begebenheit, die sich während ihrer Ohnmacht zugetragen hatte. „Du musst etwas trinken“, holte sie Ricardo aus den Gedanken und half ihr sich langsam aufzusetzen, wobei sie schmerzhaft das Gesicht verzog, da sich die Wunde nun bemerkbar machte. „Verdammt tut das weh“ , zischte die Schwarzhaarige gequält und vergrub ihre Finger in der Decke, um so die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen. „Ich weiss Sendea. Es tut mir leid, aber du musst da jetzt leider durch!“, meinte er bedauernd und hielt ihr den Becher an den Mund. Mit langsamen Schlucken
trank sie das kühle Wasser und fühlte sich danach ein bisschen besser. Doch Ricardo hielt ihr bereits auffordernd einen Zweiten an die Lippen. „Ich denke, das hat gereicht. Danke.“, sagte Sendea und sah ihn dabei an. „Das ist kein Wasser, meine Liebe, das ist deine Arznei. Der Arzt hat dir ein Kräuterelixier verschrieben, um deine Schmerzen zu lindern. Wenn dir aber Wein lieber ist, werde ich Emanuel darum bitten, dir eine Flasche zu überlassen.“ „Bloss keinen Wein“, entgegnete die Novizin hastig und leerte den Becher mit einem Zug. Die Tinktur war bitter und hinterliess einen öligen Film auf ihrer
Zunge, was sie dazu veranlasste, um ein weiteres Glas Wasser zu bitten, damit sie den Geschmack der Arznei hinunterspülen konnte. „Wie geht es den Anderen?“, wollte die junge Frau nun wissen und sorgte sich gleichzeitig um ihre Freunde, die sie alle in Gefahr gebracht hatte, weil sie so unbesonnen gehandelt hatte. „Denen geht es gut. Ivo, mein Meister hat sich zwar eine Wunde am Arm zugezogen, aber die ist nicht weiter schlimm.“, gab er zur Antwort, „Die Männer deines Vaters hatten, da nicht so viel Glück.“ Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln während er Sendea half sich
wieder hinzulegen, was sich für die junge Frau als schmerzhafte Prozedur herausstellte. „Wenigstens eine gute Nachricht“, keuchte sie völlig erschöpft von den starken Schmerzenswellen, die ihren Körper durchliefen. „Ruhe dich nun etwas aus, ich bleibe bei dir, bis Valencia wieder da ist“, meinte Ricardo nur, während er sie zudeckte. Die Worte schienen sie im letzten Augenblick zu erreichen, als die Arznei ihre Wirkung tat und die junge Frau in einen tiefen, -traumlosen Schlaf fiel. „So geht das nicht weiter, Alberto!“ Die Stimme des ranghöchsten Templers hallte
in dem grossen Gewölbe der Halle wieder, die nur schwach von einem farbigen Butzenglasfenster, so wie ein paar Fackeln beleuchtet wurde. Und als wäre der Raum nicht schon düster genug, wurde die Anspannung im Hinterzimmer der Basilica da Santa Chiara von Sekunde zu Sekunde grösser. Alberto, der Ordensführer von Napoli zuckte unter den harten Worten seines Meisters zusammen und senkte seinen Blick auf die steinerne Tischplatte vor ihm. Noch nie hatte Danilo seinen Bruder so gesehen, er sass da, wie ein geschlagener Hund, was gar nicht zu seiner sonst so stolzen Art passte. „Ich habe Euch einen einfachen Auftrag
gegeben!“, wetterte der Grossmeister weiter, während seine hellbraunen Augen vor Zorn blitzen. „Ist es denn so schwer, einen all zu selbstsicheren Herrscher zu stürzen, der blind für Gefahren ist? Und als wäre das schon nicht schlimm genug, seit ihr noch nicht einmal fähig Euer eigen Fleisch und Blut vor dem Einfluss des Feindes zu schützen!“ Die anderen fünf Männer, die ebenfalls dem inneren Kreis des Ordens angehörten, waren unruhig geworden und tauschten besorgte Blicke aus, als sie sahen, welch Zorn ihren Meister ergriffen hatte. Und wenn Sir Edwin, der
Grossmeister der Templer verärgert war, war es das Beste zu schweigen, oder sich eine gute Entschuldigung einfallen zu lassen, den dieser Mann konnte Niederlagen bis auf den Tod nicht ausstehen. „Nun antwortet mir endlich Alberto, oder ist Euch das Sprechen vergangen!?“ Die Stimme des Grossmeistern schnitt wie Eis durch die erdrückende Stille, die schliesslich von dem Angesprochenen durchbrochen wurde. „Es tut mir wirklich leid mein Herr“, er machte eine kurze Pause und sah dann in die kalten Augen seines Vorgesetzten, „ Ich habe versagt, das weiss ich und doch habe ich mein Bestes...“ Weiter kam er nicht, den Sir
Edwin war nun aufgesprungen und schrie ihn wütend an, während er seine Faust auf die Steinplatte knallte: „Euer Bestes getan?! Haltet Ihr mich für so dumm, dass ich gute Arbeit nicht von schlechter unterscheiden kann? Ich bin mehr als nur enttäuscht von Euch, Alberto!“ „So lasst mich doch ausreden Meister. Ich bitte Euch“, bat Danilos Bruder mit ruhiger Stimme, stets darauf bedacht, die richtigen Worte zu wählen um den Grossmeister nicht noch mehr zu verärgern. Danilo konnte zu seiner Erleichterung erkennen, dass sich Sir Edwin wieder auf seinen Stuhl setzte und
sich offensichtlich zu beruhigen versuchte, ehe er dem Templer das Wort erteilte. „Hört mein Herr, ich habe mich, wie Ihr mir aufgetragen habt, doppelt abgesichert. Mein Kommandant, der meine Männer am Hafengebiet führte, wurde hinterhältig gemeuchelt. Und auch den Attentäter, den Besten, den wir in Italien finden konnten, wurde von diesen Ausgeburten der Hölle ermordet“, Alberto verzog das Gesicht, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen, ehe er die nächsten Worte regelrecht auszuspucken schien, „von diesen
Assassinen.“ „Was meine Tochter betrift, so kann ich nicht sagen, was um alles in der Welt in sie gefahren ist. Schliesslich war ihr Onkel“, mit diesen Worten deutete er auf Danilo, der auf der andern Seite des langen Tisches sass, „ ein Gefangener von ihnen. Und wie ich selber weiss, liebt sie ihren Onkel genau so sehr wie mich, wenn nicht sogar noch mehr.“ Alberto seufzte und fuhr dann fort: „Es gibt nur eine Möglichkeit, die sie zu diesem Verrat treiben konnte, sie muss die Wahrheit über ihre Mutter erfahren haben, anders kann ich mir ihr Verhalten
nicht erklären. Nur weiss ich nicht, wie viel sie wirklich weiss, oder gewusst hatte.“ Ein Murmeln ging durch die kleine Menge, bis sie Sir Edwin mit einer Handbewegung wieder zum Verstummen brachte. „Gewusst hatte? Wie meint Ihr das Alberto?“, hakte der Grossmeister offensichtlich interessiert nach. „Meine Tochter hat versucht mich anzugreifen und wurde dann schliesslich selber von einem meiner Männer tödlich verwundet. Ich kann also nicht sagen, ob sie noch lebt...“, gab er schliesslich zur Antwort und nahm dann einen grossen Schluck aus seinem versilberten
Kelch. Danilo konnte erkennen, das ihn der Verrat von Sendea schmerzte, oder war es doch die Tatsache, dass seine Tochter tot sein konnte? Der Spion der Assassinen wusste es besser, einer seiner Informanten hatte ihm die Nachricht überbracht, dass sie überleben würde. Doch dieses Wissen konnte er unmöglich mit seinem Bruder teilen, wenn er nicht selber als Verräter enttarnt und für seinen Eidbruch bestraft werden wollte. Er hatte schliesslich immer noch die Aufgaben in Besitz des Dokumentes zu kommen, das den Templern anscheinend sehr wichtig war und so durfte er Nichts riskieren, nicht solange er nicht wusste, wo sich
dieses Schriftstück befand. Sir Edwin schien zu überlegen, was man nur unschwer an seiner Körpersprache erkennen konnte, alles an ihm schien nachzudenken, bis er sich schliesslich nach der Meinung der anderen erkundigte. „Was denkt Ihr, meine treuen Freunde, sollen wir Alberto noch eine Chance geben?“ Fragend blickte er in die Runde. „Sì Signor, ich denke er hat sich eine zweite Chance verdient. Wir alle sind schliesslich nur Menschen und voller Fehler“, meinte der ältere Priester zu seiner rechten und lächelte dabei selig, als er das Templerkreuz auf seiner Brust fest umschloss. „Wieso
auch nicht“, entgegnete ein weiterer Mann mit französischem Akzent den Danilo als Louis d'Ambois erkennen konnte. Auf seinen reich, verzierten Gewändern konnte er das Gold, Rot- gestreifte Familienwappen ausmachen, das seine rechte Seite zierte. Auch die anderen waren der Meinung, dass sich Alberto eine zweite Chance verdient hätte, da er dem Orden all die Jahre über gute Dienste geleistet hatte. Danilo konnte erkennen, wie sich die Gesichtszüge seines Bruders entspannten und er erleichtert die Luft ausstiess. „Gut, da wir das nun geklärt haben,
müssen wir uns über die Suche nach dem Artefakt unterhalten“, meinte der Templergrossmeister und trank einen Schluck von seinem Wein, ehe er fortfuhr, „Frederico, was konntet Ihr über den Standort des Tempels herausfinden? Gibt es bereits neue Anhaltspunkte?“ Der Angesprochene rutschte nervös auf seinem Stuhl umher, bevor er anfing zu sprechen: „ Nun ja, das Einzige, was ich herausfinden konnte, ist das sich der Tempel in Francia befinden muss. Leider habe ich noch keine genauen Angaben, wo er ist und das Land ist ziemlich gross.“ Der junge Mann musterte seinen Vorgesetzten ängstlich, als fürchte er,
der Nächste zu sein, der gescholten werden würde, doch die Antwort die folgte lies ihn beruhigt aufatmen. „Das ist mehr, als ich mir erhofft hatte. Ich dachte schon, diese ganzen Zeichen, auf den Steintafeln würden nichts weiter bedeuten. Umso besser, das dem nicht so ist.“ Und zum ersten Mal seit dem Beginn des Treffens lächelte Sir Edwin. Danilo war hellhörig geworden, als der Grossmeister von einem Artefakt zu sprechen begann. Emanuel hatte ihm vor einigen Jahren erzählt, das die Templer verzweifelt nach den verlorenen Schätzen suchten, die unbeschreibliche Macht besassen, Macht ein ganzes Land
zu unterwerfen. Die Templer glaubten, das diese sogenannten Artefakte, die auch Edensplitter genannt wurden, ein Geschenk der Götter an die Menschheit waren, bevor sie die Erde verliessen und für immer verschwanden. Die Assassinen wussten genau so gut um die Macht, dieser Artefakte, wie ihre Feinde und doch würden sie diese niemals einsetzen, denn in den falschen Händen, konnten die Edensplitter unbeschreibliches Leid und Zerstörung hervorrufen. Dies war ein weiterer Grund, weshalb die Templer aufgehalten werden mussten, da sie die Artefakte ohne zu zögern für ihre Zwecke nutzen würden. Und dann hätten sie, was sie
wollten: Eine Welt unter ihrer Kontrolle. Das Gespräch um das Artefakt wurde nicht mehr weitergeführt, als sie an einem toten Punkt angelangt waren, da keiner weitere Informationen besass. „In genau einem Monat treffen wir uns wieder hier. Und Danilo Ihr habt bis dahin noch einen Auftrag zu erledigen“, sagte Sir Edwin mit gebieterischer Stimme, bevor er sich an Danilo wandte, der mit einem Nicken zu erkennen gab, das er verstanden hatte. Der Grossmeister lächelte nun, als er aufstand, sein Schwert zog und es vor sich auf die steinerne Tischplatte richtete. Die anderen Ordensbrüder taten
es ihm nach und jeder legte das Schwert auf die Klinge des Grossmeisters. Das Klirren von Metall auf Metall war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. „Möge der Vater des Verstehens uns leiten!“ Wie aus einem Mund stimmten die Templer in den Leitspruch ihres Glaubens ein und die Worte hallten in der Halle wieder, die so finster war, wie ihre Pläne.
Graue Wolken waren aufgezogen und hatten einen sanften Nieselregen mit sich gebracht, als Danilo sich auf den Weg zum Treffen mit dem Kontaktmann machte. Wie jede Woche traf er ihn auch heute, am siebten Tag um ihn über die Pläne seines Bruders und des Templerordens aufzuklären. Die Informationen, die Danilo besass, würden in den nächsten paar Tagen über das Schicksal der Stadt bestimmen, so wie über den weiteren Verlauf des Krieges, der im Verborgenen geführt
wurde. Der Kampf zwischen Templer und Assassinen. Als der hochgewachsene Mann an der Certosa di San Martino ankam, war sein schwarzes Haar bereits durchnässt und klebte ihm unangenehm im Nacken. Angewidert verzog Danilo sein Gesicht und suchte Schutz unter einem Dachvorsprung, während er die Piazza vor sich aufmerksam musterte, die sich nach und nach zu leeren begann. Dort wo vorhin noch Menschen waren, war jetzt nur noch ein grosser Springbrunnen aus weissem Stein zu erkennen, dessen Wasser sich mit dem Regen vermischte, der immer heftiger
wurde. Mit jeder Sekunde wurde es kälter und mit jeder Minute fielen mehr Regentropfen auf den bemoosten Pflasterstein, welcher den Vorhof der Kirche bedeckte. Danilo begann zu frösteln und zog seinen braunen Stoffmantel enger an sich um etwas mehr Wärme zu finden, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Erschrocken wirbelte der Mann herum und hätte den Kontaktmann um ein Haar eine Faust verpasst, wenn dieser nicht schnell einen Schritt zurückgewichen wäre. „Ich freue mich auch Euch zu sehen Danilo“, meinte der Neuankömmling überrascht, während er
seine Kapuze zurückstreifte und dabei seine strengen Gesichtszüge enthüllte. Sein blondes Haar hatte Markus kurz geschnitten, welches wunderbar mit seinen hellbraunen Augen harmonierte. Einzig eine blasse Narbe, die sich quer über sein rechtes Auge zog, tat dem perfekten Gesicht einen Abbruch. „Wollen wir nicht lieber reingehen? Ich denke dort drin ist es einiges wärmer, als hier draussen“, sagte Markus nun und deutete dabei mit einer Kopfbewegung in Richtung des grossen Kirchenportals. Noch immer ein wenig beschämt über seine übertriebene Reaktion, stimmte Danilo dem Assassinen schliesslich mit einem Nicken
zu. „Also, was gibt es Neues aus dem feindlichen Lager?“ Danilo spähte durch das feine Holzgitter, welches die beiden Kabinen voneinander trennten, dabei aber genug Sichtkontakt boten, um den Augenkontakt beizubehalten. Die Beichtstühle, wie sie bei den Katholiken genannt wurden, waren der perfekte Ort für ein ungestörtes Gespräch zwischen Markus und ihm. „Nun es gibt nicht viel zu erzählen, dafür aber sehr wichtiges“, entgegnete der Schwarzhaarige, während er seine noch immer kalten Finger aneinander rieb. „Dann schiess
los“ „Ich denke ich beginne beim Treffen des inneren Kreises“, sagte Danilo eher zu sich selbst, als zu seinem Zuhörer. „Das Einzige, was für uns von Belangen ist, ist das die Templer ein Artefakt in Francia vermuten, allerdings wissen sie nicht, wo sie es finden können.“ Danilo konnte erkennen, wie Markus seine Lippen zu einem feinen Lächeln verzog, bevor er ihn ansah und meinte: „ Das ist gut. Sehr sogar. Endlich sind uns unsere Feinde mal keinen Schritt voraus. Ich denke, sobald wir dieses verschlüsselte Dokument besitzen, werden wir ihnen um Längen voraus
sein.“ „Das Dokument habe ich bis heute nicht zu Gesicht bekommen Markus. Denkt Ihr, es existiert wirklich? Auch Informanten...“ Wollte Danilo einwenden, als er jäh von seinem Ordensbruder unterbrochen wurde: „Dieses Schriftstück existiert mein Freund. Es wurde uns im Kampf gegen die Borgia entwendet, ohne das wir es mitbekommen haben. Es muss irgendwo in den Reihen der Templer zu finden sein. Ganz sicher.“ „Aber wieso hier? Ich meine es gibt noch andere Hauptsitze“, entgegnete Danilo nun etwas verwirrt, während er
seinen Gegenüber fragend ansah. Der Assassine seufzte, ehe er antwortete: „ Mein Freund, denkt Ihr wirklich wir würden Euch in eine Schlangengrube schicken um Euch etwas finde zu lassen, das nicht existiert? Vertraut Ihr uns den nicht mehr? Überrascht über die Frage antwortete Danilo hastig: „Nein, natürlich vertraue ich der Bruderschaft. Ich bin selber ein Teil unseres Ordens und würde niemals unsere Ziele, geschweige den die Absichten unseres Meisters in Frage stellen.“ Er legte eine kurze Pause ein bevor er weitersprach, „Ich war nur
verunsichert, weil noch keiner dieses Dokument erwähnt hat.“ „Ich verstehe Euch. Wenn man keinen Beweis hat oder lange nach etwas sucht, ohne einen Anhaltspunkt zu finden, wird man verunsicherte. Aber genau das ist es, was das Ganze ausmacht: Wenn Ihr Geduld habt Bruder, werdet Ihr Euer Ziel erreichen, wenn nicht, wird Euch der Schatten seine Geheimnisse nicht preisgeben. Markus schenkte ihm nun einen vielsagenden Blick, während er sein weisses Assassinenornat am Ärmel zurecht zupfte, um seine Armschiene mit der darin eingebauten Klinge zu
verdecken. „Habt Ihr noch mehr herausgefunden?“, wollte der Assassine nun wissen. „Ja. Meinem Bruder, Alberto wurde eine Frist von einem Monat gesetzt, in der er es schaffen muss den Herrscher zu stürzen“, antwortete Danilo mit ruhiger Stimme, „Er versucht es nun mit Gift. Aber wann und wer zuschlagen wird, kann ich leider nicht sagen.“ Ein abschätziges Lachen erklang und der Schwarzhaarige konnte erkennen, wie Markus seinen Kopf schüttelte. „Diese Narren, wollen es einfach nicht begreifen“ Wieder lachte der Blonde, dieses Mal aber theatralisch, was Danilo
regelrecht verwirrte. „Ja, ja, diese Narren“, meinte der Assassine noch ein Mal, wobei er bei diesen Worten auf den Vorhang vor sich deutete und dann mit einem Satz aus der Kabine sprang. Danilo konnte ein leises Fluchen hören und dann hastige Schritte, die auf dem marmornen Steinboden widerhallten. Der Schwarzhaarige war nun ebenfalls aus dem dämmrigen Gebetskabinett gesprungen und folgte den beiden Männern, die in den Westflügel der Kirche rannten, in welchem die Messen abgehalten wurden. Danilo hatte den ungebetenen Zuhörer nicht bemerkt und
war nun um so glücklicher, dass Markus eine gute Ausbildung genossen hatte, denn von seiner Zusammenarbeit mit der Bruderschaft, durfte niemand je etwas erfahren. „Bleib stehen, du kannst mir nicht entkommen “, zischte Markus wütend während er den Mann, der die Gewänder eines Priesters trug, verbissen verfolgte. „Gott ist mit mir Assassino. Haltet Euch fern von mir!“, schrie der Mann hysterisch über seine Schulter hinweg, seine Angst konnte man deutlich aus seiner Stimme erkennen. Der Priester hatte alle Mühe den Abstand zwischen sich und seinen Verfolgern beizubehalten.
Sein langes Gewand erschwerte seine Flucht mit jedem Schritt, den er tat, was ihm in dem Moment bewusst wurde, als Markus auf ihn sprang und ihn zu Boden warf. Dumpf schlug der Kopf des Mannes auf dem harten Steinboden auf, während er bereits von seinem Verfolger hochgerissen und in einen leeren Gebetssaal gezerrt wurde. „Was sollte das werden sacerdote?“ Die Augen des Assassinen funkelten den Priester böse an, als er den Mann an die Mauer knallte und ihn dabei wütend anstarrte. Der junge Mann lächelte höhnisch, als er mit einem bissigen Unterton meinte: „Das Gleiche könne ich
Euch fragen, Assassino. Was gibt Euch das Recht im Hause Gottes, Eure hinterhältigen Intrigen zu schmieden?“ Auf diese Worte folgte eine schallende Ohrfeige, die in dem Gewölbe des Gebetssaals widerhallte und dem Priester sein Lächeln aus dem Gesicht wischte. „Passt auf, wie Ihr mit mir redet, mein Freund“, zischte Markus nun gereizt und kam dem Gesicht des Priesters gefährlich nahe, „Wenn Ihr wahrlich ein Mann Gottes seid, weshalb habt Ihr uns dann belauscht?“ „Ich habe Euch nicht belauscht, ich kam nur zufälligerweise an dem Beichtstuhl vorbei, Assassine“, log der junge Mann
mit trotziger Stimme und hielt dem harten Blick von Markus stand. Eine weitere Ohrfeige folgte, dieses Mal aber heftiger. „Lügt nicht! Ich habe Eure Präsenz schon die ganze Zeit über wahrgenommen. Wenn Ihr ein Priester wärt“, mit diesen Worten deutete er auf das Kreuz, das der Mann trug, „ würdet Ihr es niemals in Erwägung ziehen, falsche Worte auszusprechen. Und wenn Ihr unschuldig wärt, hättet Ihr nicht die Flucht ergriffen. Ihr braucht mir also nichts mehr vorzuspielen mein Freund, Eure Taten sprechen die Wahrheit, Eure Worte hingegen nicht.“ Der angebliche Priester wirkte mit einem
Mal verunsichert und zuckte in sich zusammen. Ihm wurde erst jetzt bewusst, das er sich gerade selber eine Falle gestellt hatte, aus der er nun nicht mehr entkommen konnte. „Also, was ist nun?, wollte der Blonde ungeduldig wissen, „Sagt Ihr mir endlich wer Ihr seid und für wen ihr wirklich arbeitet, oder muss ich Euch erst dazu bringen?“ Mit diesen Worten löste Markus seine versteckte Klinge aus, die aus der Armschiene glitt und nun ein paar Zentimeter vor dem entsetzten Gesicht des jungen Mannes schwebte. Der Angesprochene schluckte schwer und konnte seine grossen Augen kaum von dem glänzenden Metall lösen, als er
zu sprechen begann: „Ihr wollt wissen, wer ich bin? Nun gut, was habe ich schon zu verlieren...?" Eine kurze Pause folgte, in der die Zeit stillzustehen schien. „Ich bin einer von Ser Edwins Männern.“ „Ser Edwin hat Euch geschickt? Das kann nicht sein, er ist seit mehreren Tagen nicht mehr in der Stadt“, wandte Danilo nun ein und ging einen Schritt auf den jungen Mann zu, der seine offensichtliche Verwirrtheit genoss. „ Ach Signor, Ihr seid ein Tor, wenn ihr glaubt, dass Ser Edwin Eurem Bruder vertraut.“ Er lächelte schwach, als er fortfuhr: „ Mein Meister vertraut Alberto
nicht, genau so wenig wie Euch. Nur leider hatte er den falschen in Verdacht.“ „Was hatte er in Verdacht? Die Stimme von Markus wurde nun laut, er war offenbar genervt darüber, dass der angebliche Priester in Rätseln sprach. „Immer mit der Ruhe Assassino. Ser Edwin hat Männer in der ganzen Stadt abgestellt um Alberto und seinen Bruder zu beobachten“, mit diesen Worten wandte er sich wieder an Danilo, „Er hatte Euren Bruder in Verdacht ein Komplott gegen ihn zu schmieden. Er glaubte zu wissen, dass er ihn stürzen und so den Templerorden für sich gewinnen
wollte.“ Der Schwarzhaarige konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als er weitersprach „Ich denke Ser Edwin sieht Geister, wo gar keine sind. Mein Bruder ist wahrscheinlich der loyalste Mann aus seinen Reihen und würde es niemals wagen ein falsches Spiel mit ihm zu spielen.“ „Das mag zwar sein Signor, aber wieso ist seine Tochter dann plötzlich eidbrüchig geworden?“ Nun war es an Markus, zu lachen. „Ihr seid einfältiger als ich dachte Templer. Ihr Onkel hat sie zu uns geführt. Ihr die Wahrheit über Eure hinterhältigen Pläne
erzählt. Das ist der Grund, weshalb sie den Eid gebrochen hat.“ „Das erklärt natürlich einiges“, meinte der junge Mann zu sich selbst, als er gedankenverloren an seinem Gegner vorbei sah. „Ihr sagtet es gäbe noch mehr Männer, die meinem Freund und seinem Bruder hinterher spionieren?“, hackte Markus nun nach. Der angebliche Priester nickte nur, während das Läuten der Kirchenglocke in dem Gewölbe widerhallte, die zur Messe rief. „Aber ich werde Euch ihre Namen nicht verraten, Assassio“, sagte der junge Mann und hatte im nächsten
Moment einen Dolch aus seinem Ärmel gezogen, den er Markus um ein Haar in den Bauch gerammt hätte. Doch der Assassine war schneller und hatte die Klinge im letzten Augenblick an der scharfen Schneide zu fassen bekommen, die ihm tief in seine Finger schnitt. Wütend riss er dem Mann die Waffe aus der Hand und liess sie zu Boden fallen, während er ihn mit seiner blutenden Hand fest gegen die Wand drückte. Der Templer flehte nun um Gnade, in seinen Augen war Angst zu erkennen. Grosse Angst „Das war Euer letzter Fehler“, ging Markus nicht weiter auf sein Bitten ein
und beendete das Leben des jungen Mannes mit einem kräftigen Stoss seiner versteckten Klinge. Das Metall glänzte rot, als es aus der Brust des Toten gezogen wurde, während der Assassine ihm die Absolution erteilte und seine Augen schloss. „Gebe Gott Euch Frieden, Templer“, sagte er kalt. Dann erhob er sich und lief auf Danilo zu, um ihm freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. „ Lasst uns gehen Bruder, wir haben noch viel zu tun.“, meinte der Assassine erschöpft, ehe er die Tür öffnete und in den lange Flur trat. Und so verliessen die beiden den heiligen Ort um sich den Intrigen der Templer zu widmen, die von Tag zu Tag
grösser zu werden schienen.
Tränen bannten in ihren Augen, als das Feuer den Raum zu verzerren begann. Überall waren sie, diese roten, heissen Flammen, die sich gierig einen Weg durch das Holz zu ihr durch frass. Doch das Mädchen konnte sich nicht rühren, zu gross war der Schock für sie und so sass sie einfach da, die kleinen Beine an sich gezogen, während sie bittere Tränen weinte. Ihre Mutter war weg, für immer fort. Noch vor wenigen Minuten hatte sie mit ihrer geliebten Mutter in dem kleinen Garten die Rosen gepflegt und mit ihr
gelacht, war ohne Sorgen und Angst gewesen. Nun sass sie da, in stiller Trauer, ein Mädchen von gerade einmal fünf Jahren inmitten brennender Möbel, während sie tief in ihrem Inneren wusste, dass sie ihre Mutter nie wieder sehen würde. Das sie ihr fröhliche Lachen nie mehr hören und sie nie wieder halten werden würde. Dann kamen sie wieder hoch, die schrecklichen Gedanken: Ohne Vorwarnung war eine kleine Truppe von
Soldaten in ihr kleines Haus am Rande der Stadt eingedrungen und hatten ihre Mutter beschimpft. Sie als böses Weib und Hexe bezeichnet, während sie in ihr wunderschönes Gesicht schlugen und sie misshandelten. Ihr einfach weh taten, was das Mädchen nicht begreifen konnte. Das kleine Mädchen musste all das mitansehen und jede Sekunde, die
verstrich fragte sie sich: Wo ist mein Vater? Wo ist er? Ihre Mutter schrie, schrie vor Schmerz und ihre Tochter schlug um sich während sie versuchte sich aus dem harten Griff des Mannes zu befreien. Die Antwort auf ihr Verhalten war eine heftige Ohrfeige, die sie zu Boden stürzen liess, während sie um ihre Mutter weinte. Umnebelt von einem tiefen Schmerz, der ihr bisher unbekannt war und nun tief in ihr kleines Herz stach.
Doch all das Schreien, das Flehen oder Weinen hatte ihr nichts gebracht. Nun sass das Mädchen alleine da, weinte noch immer, während der beissende Qualm sie zu ersticken drohte. Aber sie blieb stark, kämpfte an, gegen die Ohnmacht und die Angst, die sich in ihr auszubreiten begann, während ihr die Flammen nun gefährlich nahe kamen. Sie blieb tapfer und verlor ihre Hoffnung nicht, denn das würde ihre Mutter nicht wollen. Nein sie hatte ihr beigebracht, dass das Leben nicht immer nett und freundlich war, es gab auch Tage da waren die Stunden so
dunkel, wie die Schwärze der Nacht. Und ein solcher Tag war heute. Die Flammen waren nun nahe, sehr nahe und frassen sich weiter durch den Raum auf sie zu, während die Augen des Mädchens vor Trauer und Rauch tränten. Nichts und Niemand würde ihr helfen, sie würde hier ganz alleine sterben, verbrennen in den heissen Flammen, dachte sich das Kind. Doch die Hoffnung wollte sie nicht aufgeben, es war zwar ein kleiner Funke, doch er
brannte noch immer in ihr und bewahrte sie davor los zuschreien wie eine Wahnsinnige. „Sendea, petite princes ou es tu?“ Die laute Stimme war das Schönste was das kleine Mädchen je gehört hatte und zugleich liess es sie weiter hoffen. Trotz des dichten Rauchs holte sie tief Luft und schrie: „Ich bin hier oben.Ich bin hier!“
Kaum hatten die Worte ihre Lippen verlassen musste sie heftig husten, während ihre kleinen Lungen sich weiter mit dem Rauch füllten. Dann ohne Vorwarnung löste sich der brennende Balken dicht neben ihr und stürzte mit einem lauten Knacksen durch die Decke in den Wohnbereich hinunter. Das kleine Mädchen nun völlig losgelöst von jeglicher Vernunft, schrie so laut sie nur konnte, als genau in diesem Moment die Tür eingeschlagen wurde.
Durch den dichten Rauch konnte sie nicht erkennen wer es war, doch der Mann kämpfte sich ebenfalls hustend durch den Raum auf das Kind zu. „Es wird alles gut" , meinte er dann sanft, während er sie hochhob und aus dem Raum trug. Auch der Flur stand in Flammen und die teuren Wandteppiche die einst das Entree geziert hatten waren vollständig verbrannt. Auch der teure Holzstuck stand gänzlich in Flammen, während die goldenen Ornamente rot glühten wie ein Lavastrom. Diese Verwüstung und Zerstörung raubten dem Mädchen den letzten Funken ihres
Willens und liessen es in eine tiefe Schwärze fallen, währen der Mann das Kind weg trug. Weit weg von ihrem brennenden Haus und den finsteren Erinnerungen.
Als Sendea die Augen aufschlug, war es noch immer dunkel in ihrem Zimmer und am liebsten wäre sie liegen geblieben, doch sie wusste, dass es bereits Morgen war. Also stieg die junge Frau langsam aus ihrem weichen Bett, ein Privileg, das nicht jedem vergönnt war, da viele in Betten aus Stroh schliefen. Trotz der Renaissance, der Zeit in der Kunst und Wissenschaft zu erblühen begannen, war der Mensch noch immer so barbarisch, noch immer so naiv. Alles lief immer nur auf das Eine hinaus - zu überleben, in einer Welt, in der jeder der Gewinner sein wollte. „Wer gewinnen will, muss
zuerst über seinen eigenen Schatten springen und sich seine Fehler eingestehen, bevor er sich auf dem Pfad des Siegers fortbewegen will“, die Worte von Valencia hallten in Ihrem Kopf wieder während sie sich vor dem hohen Spiegel begutachtete. Die kurze Zeit bei den Assassinen hatte sie verändert, es schien ihr nun, als würde eine neue Sendea vor ihr stehen. Ihre grünen Augen zeigten keine Furcht mehr, sie strahlten nun Selbstsicherheit und eine Ruhe aus, die sie sich selbst nie zugetraut hätte. Auch ihre Körperhaltung zeigte, dass sie trotz ihrer Verletzung an Gewandtheit gewonnen hatte, die sich mit einer
gesunden Prise von Entspanntheit vermischte. Sendea war stolz auf sich und das konnte sie sich ohne zu zögern eingestehen, während sie sich daran machte ihr Assassinengewand überzustreifen. Doch bevor sie den weissen Stoff überzog begutachtete sie ihre Wunde und konnte zu ihrer Zufriedenheit feststellen, dass die Verletzung langsam zusammenwuchs, ein Zeichen dafür, dass ihr die Ruhe sehr gut getan hatte. Doch für Sendea war jetzt erst einmal Schluss mit der Bettruhe und Valencia hatte angeordnet, dass ihr Training diese Woche
fortgesetzt wurde, eine gute Idee, wie sie fand. Die junge Frau war mehr als froh am Leben zu sein und Stunden der Bewusstlosigkeit und Tage, die von heftigen Fieberschüben begleitet wurden überstanden zu haben. Das harte Training würde also nichts im Vergleich zu der schlimmen Zeit sein. Wie jeden Morgen versammelte sich auch heute die ganze Assassinengilde zum Frühstück in der grossen Halle. Auch wenn das Gebäude von aussen weniger imposant aussah, so konnte der Innenraum mit den grossen Räumen nur wenig die Schönheit und den Glanz verstecken, dem ihm innewohnte. Auch
der lange Flur, der an den Wänden von geschichtsträchtigen Wandteppichen gesäumt wurde, hatte eine ganz persönliche Anziehungskraft. Fast schon andächtig schritt die junge Frau über den steinernen Flur, stets ein Auge für die Szenen auf den Teppichen. Viele zeigten Könige, Eroberer und hohe Geistliche, aber es gab auch welche mit wunderschönen Landschaften, die ferne Länder zeigten. Länder die Sendea gerne einmal mit eigenen Augen sehen wollte, grosse Wüsten, weite Steppen und faszinierende Berglandschaften gespickt von endlosen Wäldern. „Buongiorno
Sendea.“ Überrascht drehte sich die junge Frau um, sie war der festen Überzeugung gewesen alleine zu sein, nun jedoch sah sie Markus hinter sich. „Guten Morgen Signor. Es ist schön Euch wiederzusehen“, antwortete sie ebenso freundlich, wobei sie den Mann eindringlich musterte. Etwas an ihm schien anders zu sein als sonst und nach genauerem Hinsehen bemerkte sie auch was. Der Assassine war nicht wie üblich in seiner weissen Montur gekleidet, sondern in einer tiefschwarzen, wie sie nur für Missionen am Abend getragen wurde,
auch an seinem Waffengurt fehlten zahlreiche Wurfmesser und sein gebogener Dolch war blutverschmiert. Alles deutete daraufhin, das er wohl einen Auftrag für die Gilde ausgeführt hatte. „Die Freude ist ganz meinerseits. Nun wie geht es dir? Ist deine Verletzung bereits am bessern?“, wollte er nun wissen, während sie die Treppe zum Eingangsbereich hinunterstiegen. „Sì es wird jeden Tag besser und ich darf nun endlich mit meinem Training fortfahren“, gab Sendea zur Antwort und blieb dann stehen, während sie dem Assassinen tief in die Augen sah, „Ich
verdanke Euch mein Leben Meister und... und ich weiss nicht, wie ich diese Schuld wieder gut machen könnte. Es...“ Sendea konnte es einfach nicht mehr an sich halten, sie war diesem Mann so viel schuldig, ebenso den anderen, die sie vor dem sicheren Tod bewahrt hatten. Nun war es der hochgewachsene Mann, der ihr mit einer Handbewegung Einhalt gebot und mit einer Stimme fortfuhr, als hätte er ihre Gedanken gelesen: „ Du bist mir Nichts schuldig Sendea, überhaupt nichts. Es ist meine Pflicht als dein Ordensbruder und Meisterassassine dich zu beschützen und dich unseren Weg zu lehren. Du
hättest das selbe für mich getan, wenn du gekonnt hättest, dessen bin ich mir sicher.“ Seine Worte liessen keinen Zweifel aufkommen, dass er ihr vollends vertraute, ein Gefühl das ihr genau so fremd, wie bekannt war. Sendea war erstaunt, dass er sie nicht für ihr Fehlverhalten an dem Tag ihres Misslingens zurechtgewiesen hatte und es ihm nebenbei eine Freude gewesen war ihr zu helfen, ohne dabei eine Gegenleistung zu erwarten. Der überraschte Gesichtsausdruck war dem Mann wohl nicht entgangen und so lächelte er sie nur kurz an, während er ihr freundschaftlich auf die Schulter
klopfte: „Sendea, wir sehen uns sicher noch später. Wie dir wohl kaum entgangen ist, hatte ich etwas zu erledigen und nun ist es an der Zeit, dass ich mich ein wenig ausruhe. A presto.“ „A presto maestro“, entgegnete Sendea und verneigte sich respektvoll, während der Assassine bereits davon rauschte. Als die junge Frau die grosse Halle betrat, waren bereits viele mit dem Essen fertig und verliessen den Raum. Allem Anschein war die Novizin wieder eine der Letzten, wie sie es in letzter Zeit so oft gewesen war. Sendea war wie immer auch heute von den
römischen Säulen fasziniert, die wie vier dicke Baumstämme die hohe Decke trugen, die mit wunderschönen Reliefs verziert war. Auch das grosse Glasfenster war eine Augenweide, vorallem an Tagen an denen die Sonne am Zenit stand und den ganzen Raum hell erleuchtete. Doch heute sorgten überwiegend Kerzen dafür, dass der Saal nicht zu düster war, was dem ganzen eine nur halb so freundliche Atmosphäre schenkte. „Guten Morgen kleine Träumerin“, begrüsste sie Valencia, als sie sich zu ihrer Lehrmeisterin setzte und ihr dabei zunickte. „Du solltest wirklich ein
bisschen weniger Löcher in die Decke starren Kleine, dafür hattest du in den letzten Tagen reichlich Zeit, oder etwa nicht?“ Das verschmitzte Lächeln entging Sendea nicht und ihr wurde unwillkürlich klar, dass Valencia sie erwischt hatte, als sie den Saal begutachtet hatte. „Da habt ihr Recht, verzeiht“, gab sie zur Antwort, während sie in den roten Apfel biss. Der süsse Saft rann ihr über das Kinn, welcher sie mit einer beiläufigen Bewegung wegwischte. „Du brauchst dich doch nicht bei mir für das zu entschuldigen Sendea. Mir wäre es viel lieber, wenn wir über den Vorfall reden
könnten.“ Die Schwarzhaarige hatte es geahnt, dass sie auf das Thema zurückkommen würde und sie hatte oft darüber nachgedacht, was sie sagen sollte. Doch nun im Augenblick der Wahrheit wusste sie nicht, wie sie die Situation erklären konnte ohne sich dabei selber in den Finger zu schneiden. Auch wenn sie es Anfangs nicht wahr haben wollte, so wusste sie nun, dass sie eine Närrin gewesen war, die sich nur nach einem gesehnt hatte: Vergeltung! Sie hatte es nur geschafft sich beinahezu in den Tod zu stürzen und dabei die anderen zu
gefährden. „Ich weiss nicht wie ich meine Taten entschuldigen sollte Valencia. Ich weiss es wirklich nicht...“, begann Sendea das Gespräch, wobei sie es vermied ihrer Meisterin direkt in die Augen zu sehen. Sah man ihr zu tief in die Augen, so schien es als würde sie die Gedanken und Emotionen eines Menschen lesen, um ihn besser zu verstehen. „Hör zu ich will nicht, dass du dich entschuldigst, ich möchte das du dich erklärst, damit wir gemeinsam an dir arbeiten und eine Lösung finden können. Ich weiss das du deinem Vater böse bist Sendea, aber sich deswegen wie ein
Geier auf seine Beute zu stürzen ist nun mal nicht sehr weise. Also sag mir, was hat dich in dem Augenblick bewegt, was hast du gefühlt?“ Die Stimme von Valencia war keineswegs streng oder gar von Zorn erfüllt, nein sie hatte etwas beruhigendes, was der Novizin den Anstoss gab um Mut zu fassen. „Ich fühle mich verraten und ich habe das Gefühl als hätte ich nur eine Lüge gelebt in all den Jahren, in denen ich für den Templerorden kämpfte und Leben nahm. Es waren Unschuldige die ich getötet habe, ihr ganzes Blut klebt an meinen Händen... Verdammt!“, Sendea war zum weinen zu mute und doch riss
sie sich angesichts der Lage zusammen, doch die Schuld lastete schwer auf ihr und hinzu kam, das sie noch immer nicht wusste, wer für den Tod ihrer Mutter verantwortlich war. Valencia schien die Traurigkeit ihrer Schülerin mitbekommen zu haben und sah sie mitfühlend an, während sie dann meinte: „ Ich verstehe dich ja, aber aus Rache zu handeln widerspricht unserem Kodex, Kleine. Wir handeln alle nicht aus Vergeltung, wir kämpfen für das Gute und für eine Freiheit, die unter der Herrschaft der Templer nicht existieren kann. Und deshalb ist es wichtig, dass du lernst die Menschen und ihre Taten zu verstehen. Dein Vater ist nicht durch
und durch schlecht, auch er besitzt etwas Gutes in sich auch wenn du es in diesem Moment nicht wahrhaben willst.“ Sendea hatte ihrer Meisterin zugehört und mit jeder Sekunde die verstrich wurde sie wieder ruhiger und gefasster. Jedes Wort machte Sinn und doch war es schwierig für sie, sich einzugestehen, das die Blondine nicht ganz unrecht hatte. „Versprich mir eines Sendea“, holte sie die sanfte Stimme wieder in die Realität zurück, „ handle nie wieder so unbesonnen. Und lass nicht Rache dein Wegleiter sein. Schwöre es mir bei unserer
Bruderschaft.“ „Ich schwöre es bei der Bruderschaft“, gab ihr die Novizin zur Antwort, während sie nun den Kopf anhob und in die braunen Augen sah, „und bei meiner Ehre.“ Ein sanftes Lächeln umspielten die Lippen von Valencia, als sie sich erhob und meinte: „Ich nehme dich beim Wort.“ Nachdem das Frühstück beendet war, gingen die beiden Frauen in den Westflügel des Hauptquartiers, wo sich die Bibliothek befand, ein kleiner Raum vollgestopft mit jeglicher Literatur.
Angefangen von Geschichte bis hin zu Heilpflanzen, Giften und Tagebüchern von bekannten Persönlichkeiten, wie etwa Marco Polo. Auch wenn die junge Frau nicht sonderlich gerne las, so war sie doch fasziniert von der Vielfalt der Themen. „Wähle dir ein Buch aus Sendea, etwas was dich interessiert und was dir deiner Meinung nach weiterhilft. Ich möchte, dass du mir jede Woche ein Buch liest und mir dann erzählst, was du gelernt hast.“ Der jungen Frau stand der Mund offen, als sie den Auftrag ihrer Meisterin vernahm. „Das ist nicht Euer ernst, oder?“ Völlig unbeeindruckt zog Valencia ein
Buch über die Mongolei aus dem Holzregal und meinte dann: „Natürlich ist das mein Ernst. In Sache Ausbildung beliebe ich nie zu scherzen Kleine und glaub mir du wirst es mir noch danken, das ich dich dazu gezwungen habe, dich ein wenig mit der Literatur zu befassen.“ Sendea sah sich hilflos in dem Raum um fragte sich wie sie um alles in der Welt ein ganzes Buch in einer Woche fertig lesen konnte, es schien ihr wie ein Ding der Unmöglichkeit. Nach wenigen Minuten und endloser Suche nach dem richtigen Buch sank die Novizin schliesslich in den gepolsterten
Sessel, wo Valencia bereits auf sie wartete. „Und was hast du dir ausgewählt?“, wollte sie nun wissen, wobei sie sich nicht die Mühe machte, von ihrem Buch aufzusehen. „Ich habe gedacht ich fange am Besten mit der Heilkunde an, nur für den Fall, dass mir demnächst wieder ein Speer durch den Leib gerammt wird.“ Die Stimme von Sendea hatte einen gewissen Sarkasmus angenommen, der Valencia bisher unbekannt war, was diese mit einem erstaunten Blick zu verstehen gab. „Gut. Dann darfst du jetzt zu Emanuel gehen er wartet in den Ställen auf dich. Wir sehen uns später Kleine“ „Arrividerci maestra“, verabschiedete
sich schliesslich auch Sendea und machte sich auf den Weg zum Treffen mit Emanuel. Was sie erwartete, konnte sie schon jetzt erahnen, wahrscheinlich würde er ihr eine regelrechte Moralpredigt halten, nur deshalb war Valencia so zurückhaltend gewesen. Anders konnte sie sich die Situation nicht erklären. Als die Schwarzhaarige den Stall nicht unweit vom Hauptquartier betrat, war noch keiner anwesend. Gemächlich schritt Sendea an den Boxen für die Pferde vorbei und begutachtete jedes von ihnen, wobei sie einigen sanft über die Schnauze strich. Unwillkürlich
musste sie an Eero denken, der ihr seit geräumiger Zeit fehlte, doch ihr war klar gewesen, dass sie dieses Opfer bringen musste. Wäre das Pferd plötzlich aus dem Stall verschwunden, wäre das ganze zu offensichtlich gewesen und doch hoffte sie das der jetzige Besitzer ein tierlieber und guter Mensch war. Sendea blieb vor einem schwarzen Pferd, wie ihres es war stehen uns streichelte es sanft, als plötzlich Emanuel neben sie trat. „Wunderschöne Tiere für wahr, ein Geschenk Gottes“, meinte er und begutachtete das Reittier mit seinen blauen Augen, bevor er sich der Novizin zu wandte. „So wie jedes Leben ein
wunderbares Geschenk ist“, er lies die Worte in der Stille wirken, bevor er ihr zunickte.„Sei gegrüsst Sendea.“ Die Schwarzhaarige zwang sich zu einem Lächeln und legte ihre Faust auf die Stelle, wo ihr Herz lag, bevor sie sich leicht verneigte. Der traditionelle Gruss eines Assassinen, der sowohl für Respekt als auch für Verbundenheit stand. „Seid gegrüsst Meister“, ihre Stimme war fest und doch hatte eine unerklärliche Nervosität ihr Innerstes erfasst, es schien ihr als würde ein Feuer in ihr brennen. Die Ungewissheit was nun kommen würde, war das Schlimme und doch wollte sie es sich
nicht anmerken lassen, auch wenn sie wusste, dass es bei einem Meister wie Emanuel schwer wurde jegliche Emotionen zu verbergen. Doch der Assassine wollte den Grund, auch wenn er sehr offensichtlich war, noch nicht preisgeben, denn er Schritt nun auf eine Pferdebox zu und führte das Pferd zu Sendea. „Mach dein Tier reit fertig.“ Ein kurzer, knapper Befehl, den die junge Frau sogleich ausführte, während auch Emanuel sein Pferd, ein braunes Halbblut sattelte und das Zaumzeug umlegte. Nach wenigen Minuten des Schweigens sassen schliesslich beide auf ihren Pferden. Der Assassine wandte
sich noch ein mal an Sendea und hieb dann seinem Reittier die Ferse in die Seite, das sich sogleich in Bewegung setzte. Die Novizin folgte dem Ordensführer und beobachtete dabei seine Haltung. Er war angespannt und abweisender als üblich, er war nicht mehr der freundliche Weinliebhaber, mit dem man friedlich über Gott und die Welt plaudern konnte, nun sprach aus ihm der Assassine, unnahbar und eine gewisse Kälte zeigend. Dieser Emanuel war Sendea bisher unbekannt gewesen und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Der Ritt in den südlichen Teil der Stadt
verlief ebenso schweigend wie Ereignislos ab. Sendea konnte erkennen, dass die Häuser immer niedriger und die Gassen immer breiter wurden, desto Näher sie dem südlichen Bezirk kamen und sie konnte bereits den vertrauten salzigen Duft des Meeres ausmachen. Als sie schliesslich die letzten Häuser hinter sich gelassen hatten eröffnete sich Sendea ein wunderbarer Anblick, der ihr beinahe den Atem raubte. Vor ihr erstreckte sich eine weite grüne Wiese bedeckt mit Klee und gelben Blumen, die ihr unbekannt waren. Auch die Bäume, wunderschöne Pappeln und mächtige
Ahornbäume verliehen dem Szenario mit ihren gelb-orangen Blättern eine unvergleichliche Schönheit. Hinter der grünen Wiese waren Felsen zu erkennen, auf die der Assassine nun zuritt und schliesslich abstieg. Sendea tat es ihm nach und band ihr Pferd an einen tief liegenden Ast bevor sie ebenfalls auf den grossen Felsbrocken stieg. Unter ihr ging es steil in die Tiefe und vereinzelnd konnte sie spitze Felsen erkennen, die aus der Wassermasse aufragten, sobald sich die Wellen ein wenig zurückzogen. Wie spitze Dornen ragten sie aus dem tiefen Blau empor und Sendea wurde es augenblicklich
mulmig zumute. „Es gibt drei einfache Grundsätze in unserem Orden Sendea“, durchbrach der Assassine die Stille währen er die weisse Kapuze zurückschlug und die aufgehende Sonne betrachtete, die langsam über den Horizont kroch. „Der erste Grundsatz und einer der Wichtigsten überhaupt ist, dass du niemals einem Unschuldigen schadest, direkt oder indirekt“, fuhr Emanuel mit fester Stimme fort, „Der zweite Grundsatz verlangt, dass du für deinen Feind ein unsichtbarer Schatten bist und das du dich ihm nie zu erkennen gibst. Sie dürfen nicht wissen wer oder was du
bist, bis du dein Ziel erledigt hast.“ Der Ordensführer zeigte noch immer keine Emotionen und er hatte es bisher vermieden Sendea anzublicken. Nun jedoch wandte er sich direkt an die Angesprochene und meinte dann ernst: „Den dritten Grundsatz hast du gebrochen Sendea und wer unsere Regeln bricht, muss zur Rechenschaft gezogen werden!“ Das Entsetzten stand ihr wortwörtlich ins Gesicht geschrieben, denn sie fühlte sich als hätte man ihr einen heftigen Schlag verpasst. Doch das Entsetzten wich urplötzlich der Angst und Sendea befürchtete das Schlimmste, nun da sie
vor einer Klippe stand alleine mit einem Mann, der sich im Töten verstand wie kein anderer. Ihr Puls beschleunigte sich ins Unermessliche und sie gab sich nun nicht mehr die Mühe ihre Furcht zu verbergen, es hatte sowieso keinen Zweck. Innerlich bereitete sie sich bereits auf das Schlimmste vor, als sie plötzlich die Hand von Emanuel auf ihrer Schulter spürte. Ohne es zu merken, hatte sie ihre Augen geschlossen, die sie nun langsam öffnete und dabei den Assassinen ansah, der mit seiner Moralpredigt fortfuhr: „ Die Letzte Regel fordert von uns, dass wir niemals unsere Brüder oder Schwestern unnötig
in Gefahr bringen. Du hast die letzte Regel gebrochen auch wenn unwissend und nicht mutmasslich und doch bin ich gezwungen zu handeln.“ Beim letzten Satz wäre Sendea am liebsten schreiend davongerannt sie fühlte sich wieder wie in jener Nacht, als der Assassine ihre Männer getötet hatte und sie nichts weiter gewesen war als die Beute eines wilden Wolfes. Sie war genau in der gleichen Situation nur stand sie dieses Mal auf derselben Seite und ihr war klar das es kein Entkommen gab, wenn Emanuel es so wollte. Sendea spürte, wie der Meister sie an der Schulter fasste und mit ihr auf den
Rand der Klippe zuging, immer näher kam der Abgrund und immer grösser wurde die Angst. Jene Angst, die sie zu besiegen geglaubt hatte. „Fürchtest du dich?“, das leise Flüstern war nicht mehr als ein Windhauch in der Stille des Morgens. Sendea nickte nur, unfähig ihren Blick von den gefährlichen Felsen unter ihr zu lösen. Die junge Frau merkte, wie sich die Hand vor ihrer Schulter löste und der Assassine nun hinter sie trat, wobei er ihr leise ins Ohr flüsterte: „Du brauchst keine Angst zu haben. Fliegen ist Freiheit und Freiheit ist ein unbezahlbares Privileg.“ Sendea entgegnete nichts, sie war nun
ruhig und blickte auf die aufgehende Sonne die immer wieder hinter einer dicken Wolkendecke verschwand als würden diese ihre Schönheit verbergen wollen. „Es... es tut mir leid Meister“, brachte die junge Frau schliesslich leise hervor, die Furcht war nicht zu überhören. Es kam keine Antwort und Sendea wagte es nicht sich umzudrehen. Dann erklang ein feines Rascheln, so leise, dass ein unachtsamer Zuhörer es niemals gehört hätte und im selben Augenblick schoss ein Vogel knapp vor Sendeas Augen in die Höhe. Erschrocken wich die junge Frau zurück und begutachtete dabei das majestätische
Tier, das weite Kreise über ihnen zog, während es seine grossen, schwarzen Schwingen ausbreitete. „Ein Weisskopfadler Sendea, er lebt schon seit unserer Niederlassung in Napoli in einer kleinen Höhle über der unwirtlichen Klippe“, die Stimme von Emanuel war nun fast schon freundlich und als er fortfuhr lag ein nachdenklicher Blick in seinen Augen, „Nimm dir ein Beispiel an diesem Vogel, er ist stark und trotzt den heftigsten Windböen. Doch das Wichtigste ist, dass sich dieses Tier stets treu bleibt und ist einmal ein Artgenosse in Gefahr so hilft er
ihm.“ Die junge Frau wusste nicht, ob sie auf Emanuel wütend sein sollte, oder nicht, denn der Assassine hatte sich allem Anschein einen Spass daraus gemacht ihr eine Lektion der harten Sorte zu verpassen. Vergessen würde sie diesen denkwürdigen Augenblick auf jeden Fall nicht. „Ich dachte wirklich, dass Ihr mich töten wolltet Meister“, gab Sendea zu, wofür sie ein verschmitztes Lächeln des Angesprochenen erntete. „Dann hat die Schauspielerei also geklappt. Ich hoffe es war dir eine Lektion Sendea und fortan hoffe ich, dass ich solche Dinge nicht wiederholen muss, denn es behagt
mir nicht dich so zu ängstigen.“ Mit diesen Worten drehte sich das Oberhaupt der Assassinen um und liess Sendea alleine zurück, damit diese Zeit zum Nachdenken hatte. Die junge Frau sass danach noch lange auf dem Felsen und begutachtete den Adler, ein Tier, das sie beneidete. Grenzenlose Freiheit war ihm geschenkt worden. Eine grenzenlose Freiheit, für die die Assassinen und auch Sendea kämpften.
Sendea betrachtete sich vor dem grossen Spiegel und musste zu ihrem Missfallen feststellen, dass das Kleid, welches sie trug einen freizügigen Blick auf ihr Dekolleté freigab. Auch der üppige Goldschmuck konnte nicht davon ablenken und sie kam nicht darum herum ihre Meisterin wütend anzustarren. Doch Valencia belächelte sie nur, während sie ihr eigenes Kleid, welches in einem wunderschönen Kobaltblau gefertigt worden war am Ärmel zurecht
zupfte. „Ach Sendea zieh doch nicht so ein Gesicht, man könnte meinen du gehst zu einer Trauerfeier und nicht zu einem Ball“, zog sie die Blondine auf. „Ihr habt gut reden maestra, bei Euch sieht man wenigstens nicht die Busen. Und ausserdem hasse ich Kleider. Ich habe keines mehr getragen, seit ich sieben war und ich denke das war auch gut so. Seht mich doch nur an“,
jammerte sie weiter und deutete dabei auf den tiefen Ausschnitt, „ Ich sehe aus wie eine Dirne“ Freudlos liess sich Sendea auf das Bett hinter ihr fallen und versuchte dabei das Kleid etwas hochzuziehen. „Oh mio dio, jetzt mach doch nicht so ein Theater “, meinte die Blondine, ehe sie in die grosse Truhe neben sich fasste und eine Stola herauszog , „ Für jedes Problem gibt es eine Lösung.“
Mit einer eleganten Bewegung, die an die einer Dame erinnerte hielt ihr Valencia den silbernen Stoff hin, welchen sie dankbar über ihre Schulter warf und so nach belieben den grosszügigen Blick etwas verdecken konnte. „Siehst du, alles nur halb so schlimm.“
Eine Stunde zuvor hatte die Meisterassassine sie in ihren Plan eingeweiht, der dem Schutz von Alfons diente. Ihr Onkel hatte herausgefunden, das irgendjemand den Herrscher vergiften wollte und es war naheliegend, das der Täter schon bald zuschlagen würde. Valencia und Sendea würden Ivo und Riccardo heute ablösen und wache halten, während der grosse Tanzball gefeiert wurde. Doch dazu mussten sich die beiden erst einmal in die passende Aufmachung werfen, es wäre zu auffällig
gewesen, wenn zwei Frauen mit ihren langen weissen Assassinengewänder zwischen den festlich gekleideten Gästen aufgetaucht wären. Valencia hatte mit Emanuel schon eine Woche zuvor alles genaustens geplant und Sendea war froh, dass die beiden stets wussten was zu tun war. Beide würden sie sich als die weiblichen Angehörigen einer einflussreichen französischen Adelsfamilie ausgeben –
als Mutter und Tochter, die auf Wunsch des Stadthalters eingeladen worden waren. Im Allgemeinen hatten die Assassinen Glück, dass Alfons selbst in schlechten Zeiten gerne grosse Feste veranstaltete um die Freundschaft der Adligen und Einflussreichen Bewohner Italiens für sich zu gewinnen. Bisher war dies dem ansehnlichen Herrscher mehr als nur
gelungen und die Bewunderung des Volkes stieg von Tag zu Tag, da er auch den unteren Schichten gegenüber stets tolerant war. Konnte ein Bauer die monatliche Steuer nicht entrichten, da die Ernte zu schlecht war entliess er sie diesem und sorgte dafür, dass die Familie mehr Land bekam um mehr für ihr eigenes als auch für das Wohl der Stadt anzubauen. Dies war mitunter einer der vielen Gründen, die die Sympathie der Bruderschaft für den aragonesischen Herrscher gesteigert hatte. Bis vor
wenigen Tagen hatte Alfons noch nicht einmal gewusst, das es die Assassinen überhaupt gab und er war umso glücklicher gewesen, als Emanuel ihm die Freundschaft anbot. Natürlich schlug er diese Beziehung nicht aus und entlohnte den Orden mit Gold, was der Meister zwar schlichtweg ablehnte, schlussendlich trotzdem annehmen musste um den Stadthalter nicht zu beleidigen. Dieses Gold war ihnen nun im Zuge der Vorbereitung zugute gekommen, da der Schneider und vor allem die edlen Stoffe
nicht gerade die billigsten gewesen waren. „Ecco Sendea zieh deinen Rock etwas hoch.“ Die Angesprochene wandte sich ein wenig verwirrt an ihre Meisterin und zog dann gehorsam den schweren Rock
über ihre Knie, während sie sich fragte was Valencia nun wieder vor hatte. Dann schritt Valencia auf sie zu und streckte ihr eine Waffe zu, welche sie sich um das linke Knie band. Das kleine Messer steckte in einem schwarzen Futteral und schützte sie so davor sich selbst zu verletzten. „Das ist ja gut und recht“, meinte Sendea und liess den roten Stoff wieder fallen, „aber wieso benutzen wir nicht
einfach unsere versteckten Klingen, das wäre doch viel praktischer?“ „Praktischer ja, aber die Klingenhalterung würde unter diesen Ärmeln etwas zu sehr auffallen. Und ausserdem wollen wir doch nicht den schönen Stoff beschädigen. Es wäre ein Jammer.“ Die Entgegnung der Schwarzhaarigen zauberte Sendea ein feines Lächeln auf ihre rot gefärbten Lippen: Sie hörte sich
nun wirklich an wie eine hochwohlgeborene Dame und so fragte sie sich, woher sie das gelernt haben mochte. Die restlichen Vorbereitungen für den Ball verliefen schweigend und als der erste Mondstrahl auf die kleine Stadt fiel, begaben sich die zwei Assassinen zur Piazza östlich ihres geheimen Unterschlupfs. Dort wartete bereits ein
älterer Herr mit schütternem grauen Haar und braunen Augen die nur so von Leben strotzten mit einer Kutsche auf sie. Der Kutscher war ein alter Bekannter von Emanuel, der ihn während seiner Reise nach Konstantinopel begleitet hatte und aus anfänglichem Misstrauen war eine lange Freundschaft zwischen den beiden Männern entstanden. „Buongiorno signorinas“, meinte er fröhlich und half den beiden herausgeputzten Damen in die gemütliche Kutsche, bevor er sich auf
den Kutschbock setzte und die zwei vorgespannten Schimmel in Bewegung setzte. Die Reise zum Palazzo in dem Alfons zur Zeit residierte war kurz und holperig. Sendea wankte sogar etwas als sie aus der Kutsche stieg, was angesichts der Tatsache, dass sie noch nie in einer solchen Fahrgelegenheit gereist war auch nicht weiter
verwunderlich war. Der Palazzo war im nördlichen Stadtteil nach der toskanischen Architektur erbaut worden. Die Aussenwände waren weiss gekalkt und die hohen Ziegeldächern wurden von konischen Säulen aus weissem Marmor gestützt. Das prunkvolle Anwesen wurde nur noch durch den perfekt angelegten Garten übertroffen, durch der sich ein kleiner Fluss schlängelte. Die Blumenbeete waren gepflegt und auch die grasgrünen Zypressen boten einen herrlichen
Anblick. Sendea fühlte sich wie in einem Traum, ganz im Gegensatz zu ihrer Meisterin, die offenbar unbeeindruckt den gepflasterten Weg entlanglief ohne grosse Augen zu machen. Auch hier schien es der jungen Frau fast so, als hätte Valencia ihr halbes Leben nicht mit Auftragsmorden, sondern mit edlen Damen in feinster Gesellschaft verbracht.
Vor dem grossen Portal hielten sie zwei Wachen an, die sie darum baten die Einladungen des Gastgebers vorzuweisen. Mit einem verführerischen Lächeln und einem geschickten Handgriff in ihre kleine Tasche zauberte Valencia die zwei Einladungen hervor, die der König höchstpersönlich unterzeichnet hatte. Während der eine Wachmann nur Augen für die Blondine hatte, besah sich der andere die Einladungen und öffnete ihnen daraufhin das Portal.
Was sie hinter der Tür erwartete liess Sendea nur noch mehr staunen und sie musste sich regelrecht bemühen nicht wie angewurzelt zwischen Tür und Angel stehenzubleiben. Der ganze Vorraum war bereits angefüllt mit Gästen aus aller Welt. Allesamt waren es Politiker, Diplomaten, Adlige, ja selbst reiche Händler waren anzutreffen die miteinander über belanglose Dinge plauderten, während sie süssen
Honigwein und teuren Champagner tranken. Sendea schien es fast so, als würde sie auf eine der Wandteppiche, die sie in ihrem Quartier aufgehängt hatten blicken. Der Raum, die Gäste, die Dekoration selbst das Kerzenlicht schien perfekt zu sein, alles war miteinander im Einklang und jeder versuchte den anderen um Schönheit und Prunk zu übertreffen.
„Madam Antoinette de Bourbon und ihre wunderschöne Tochter Marie de Bourbon“, verlautete nun ein Redner der offenbar die Aufgabe besass jeden neu eintreffenden Gast anzukündigen. Ganz in ihrer Rolle setzte ihre Meisterin ein bezauberndes Lächeln auf und fasste Ihre Tochter bei der Hand um mit ihr die Treppen zum Saal hinabzusteigen.
Viele wandten sich nun den Neuankömmlingen zu, lächelten freundlich und hier und da verneigte sich ein Adliger vor den Damen als sie sich unter die Menschen zu mischen begannen. Völlig überfordert von der ganzen Situation schlenderte Sendea ihrer Meisterin nach, die sich bereits daran machte die Gäste zu beobachten und sich in ein Gespräch mit einer Gruppe englischer Ladys zu verwickeln begann. Valencia gab ihr mit einem einzigen Blick zu verstehen, dass sie das
selbe tun sollte und so wandte sich die Schwarzhaarige hilflos von der kleinen Damengruppe ab. „Oh Verzeiht Signora.“ Ein junger Herr, der vielleicht zwei Jahre älter als Sendea war hatte sie leicht angerempelt, wofür er sich nun demütig entschuldigte. „Keine Ursache Monsieur“, entgegnete Sendea mit einem leichten Lächeln auf den
Lippen. Der junge Mann entgegnete das Lächeln und seine grünbraunen Augen blitzten freundlich, als er sich leicht verneigte und sich dann genauso elegant vorstellte: „Ich sehe schon Ihr seid eine äusserst umgängliche Persönlichkeit. Erlaubt mich, mir Euch vorzustellen. Ich bin Ezio Auditore da Firenze. Aber nennt mich doch einfach nur Ezio meine Schöne.“
Ezios Stimme war fest und doch hatte sie einen charmanten Unterton, als er sich mit Sendea zu unterhalten begann. „Ich bin Marie de Bourbon aus Francia. Es freut mich Bekanntschaft mit einem“, die junge Frau suchte nach den passenden Worten, „ Gentleman wie Euch zu machen.“
Beide standen nun da und wussten nicht so recht, ob sie die Konversation weiterführen oder einfach jeder seines Weges gehen sollte. Doch Ezio schien von der jungen Dame angetan und so bat er sie darum etwas mit ihm durch die Eingangshalle zu schlendern. Sendea hatte alldem nichts entgegenzubringen und so machte sie sich daran dem unbekannten Adligen zu folgen, während sie darauf achtete, dass sie ihren tiefen Ausschnitt mit der Stola so gut wie nur möglich
verdeckte. „Ihr seid also aus Florenz Monsieur?“, begann die Assassine das Gespräch und nutze ihren Gesprächspartner um sich etwas unbemerkter Umzusehen. Es waren mindestens an die fünfzig Besucher anwesend, aus aller Welt und alle auf den ersten Blick harmlose Männer und Frauen. Aber wenn sie etwas gelernt hatte dann, dass nicht immer alles so war, wie es auf den ersten Blick schien.
„Und Ihr kommt woher, aus Francia Signora?“ Die Stimme von Ezio riss sie aus ihrer Konzentration und ihr verwirrter Gesichtsausdruck zeigte wohl, dass sie mit ihren Gedanken wo anders gewesen war und ihm gar nicht richtig zugehört hatte. Sendea hoffte nur, dass ihr Gesprächspartner nicht beleidigt sein würde. Doch ganz im Gegenteil, er grinste sogar ein wenig, als er Ihre Mimik
vernahm. „Ich komme ursprünglich aus Canes. Ein bezaubernder Ort Monsieur, ich bin mir sicher er würde Euch gefallen.“ „Zweifellos würde er das“, bestätigte der junge Adlige ihr und zerrte sie nun in eine kleine
Nische. Sendea hatte gar nicht richtig bemerkt wohin sie gegangen waren, anscheinend hatte Ezio sie auf eine Amphore über der Halle geführt. Etwas verwirrt von der groben Geste versuchte sich die Assassine loszureissen, was ihr schlecht gelang, da der Mann sie an die Wand drückte, nicht fest zwar, aber trotzdem gerade so, dass sie ihm nicht entschlüpfen
konnte. Erst jetzt wurde ihr klar, dass der anfänglich charmante Ezio einen schmalen Dolch auf ihr Herz gerichtet hatte. Verzweifelt versuchte die junge Frau an ihren eigene Waffe zu kommen, doch ohne Erfolg. Innerlich verfluchte sie sich, dass sie so unachtsam gewesen war – ein Novizenfehler würde Valencia da nur sagen.
„Seid Ihr es, der den Herrscher vergiften soll?“, die Stimme des jungen Mannes war nun leise und bedrohlich geworden, der Charme war wie weggewischt. „Was? Ich würde nie so etwas verwerfliches tun Monsieur.“ Die ganze Sache verwirrte die junge Frau, denn sie war es ja, die nach dem Täter zu suchen hatte und nicht dieser Ezio. Und woher
wusste der Adlige von dem Vorhaben der Templer? „Wieso sollte ich Euch glauben schenken Signora. Wir sind uns schon einmal begegnet und da habt Ihr genau das gleiche Theater gespielt wie jetzt. Nur das Ihr heute der Täter sein werdet .“ Ezio musste sich wohl regelrecht beherrschen, denn in seiner Stimme schwang nun eine gewisse Verachtung mit, die mit seinem Hass auf die Templer gepaart eine explosive Mischung ergab.
„Wir sollen uns gesehen haben?“ Fast so, als könnte er Sendea nicht richtig verstehen schüttelte er den Kopf und meinte dann mit bissiger Stimme: „ Bitte tötet mich nicht Signor... Erinnert Ihr Euch Templerin, wie Ihr da standet und mich angebettelt habt Euch, Euer erbärmliches Leben zu schenken?“ Sendea wusste nicht, ob sie nun lachen
sollte oder nicht, es war einfach zu komisch angesichts der Tatsache, dass sie nun ebenfalls eine Assassine war. Und doch war sie froh endlich zu wissen, wer dazu beigetragen hatte, dass sich ihr komplettes Leben so drastisch verändert hatte. „Also was ist nun? Erinnert Ihr Euch?“
„Ja ich glaube, das tut Sie Ezio und nun steckt Eure Klinge weg“, erklang es hinter dem jungen Mann und Valencia trat aus dem Schatten. Offenbar hatte Ihre Meisterin schon länger zugehört, was Sendea anhand des amüsierten Gesichtsausdrucks ausmachen konnte. Nun war es an Ezio verwirrt zu sein, während er beschämt die Klinge einsteckte, als er die Dame erkannte „Was ist hier los Valencia, könnt Ihr mir erklären, was Ihr mit dieser Templerin
am Hut habt?“ „Ach Auditore Ihr seid zwar schlau aber eins und eins könnt Ihr wohl nicht zusammen zählen. Diese Templerin“, und damit deutete sie beiläufig auf Sendea, „ ist nun eine Assassine und mein Schützling.“
Ezio schien es nirgends mehr recht sein, denn er entschuldigte sich nun schon das vierte Mal, während sie sich wieder zu den Gästen hinunter begaben. „ Ich war in Firenze und wusste nicht, dass man Euch das Angebot unterschlagen habt. Bitte verzeiht mir. Ich...“ „Es ist gut Ezio ich denke Sie hat es nun begriffen“, unterbrach Ihn Valencia genervt während Sie sich dieses mal mit Sendea unter die Damen zu mischen begann und den beschämten Assassinen
zurückliess. Nach ein paar Minuten belanglosem Geplauder mit den englischen Ladys dachte Sendea Ihre Ohren würden gleich platzen. Noch nie hatte sie so viel unwichtiges und oberflächliches gehört wie an diesem Abend und schon fast taten ihr diese Frauen leid. Diese reichen Damen mussten sich zwar nie mit den alltäglichen Sorgen der Bürger
herumschlagen, aber doch schien es der jungen Frau als wären diese ärmer als jeder Bettler der Strasse. Sie hatten keine Erfahrungen mit alltäglichen Situationen die jeder Normalsterbliche der Stadt kannte und würde man diese Frauen einen Tag ohne ihr Gefolge in ein fremdes Land schicken wären sie wohl auf eine gewisse Weise verloren. Sie kannten sich zwar aus mit Edelsteinen, Stoffen, Mode und auch in gewisser Hinsicht der Politik, aber würde man sie fragen wie ein Pferd richtig zu satteln sei würden sie es wohl nicht wissen. „Man kann zwar wissen aber Wissen hat man doch keines, wenn man die Dinge nicht als Ganzes
betrachtet“, pflegte Valencia oft zu sagen. Wahrscheinlich dachte sich ihre Meisterin genau das, während sie von zwei schwarzhaarigen Ladys über den französischen Hof ausgefragt wurde. Gerade war Sendea dabei sich mit Lady Anabell von Wales über die englische Mode zu unterhalten, als die Fanfaren des Königs erklangen und das grosse Tor zum Speisesaal geöffnet wurde.
„Seine Majestät, König Alfons der Fünfte lädt nun zum gemeinsamen Mahl ein und wünscht seinen Ladys und Lords einen angenehmen Abend voller Freude“, kündigte der Redner feierlich an und machte dann platz um die Gäste durch das Portal zu lassen. Wie ein Blatt im Fluss liess sich Sendea von der parfümierten Menschenmenge in den Saal treiben. Das erste was Ihr ins Auge stach war die lange Tafel auf denen alle nur erdenklichen Leckereien standen, angefangen von Wildschwein in einer Weinsosse bis hin zu Desserts mit flambierten tropischen Früchten gab es alles, was das Herz eines jeden Feinschmeckers erfreute. Am Ende des
langen Tisches stand Alfons in einem königsblauem Hemd über die er eine goldene Weste gezogen hatte. Sein Haar das teilweise von grauen Strähnen durchzogen war wurde von einem goldenen Reif zusammengehalten. Neben ihm sass seine Frau in einem blauen Kleid, das mit silbernen Stickereien verziert worden war. Genau wie Ihr Ehemann trug sie einen goldenen Reif, der ihren Stand symbolisierte
„Meine Freunde seid willkommen. Esst und trinkt so viel Ihr nur mögt und fühlt Euch wie zu Hause, es soll heute an Nichts fehlen“, begrüsste der Aragonesische Herrscher sie fröhlich, während er das Weinglas hob, „Auf Euch meine Freunde, möge unsere Freundschaft nie enden.“ „Auf Euch mein König“, rief nun ein älterer Herr und viele taten es ihm nach, ebenso Valencia die ihre Rolle makellos spielte. Die Blondine hatte sich nicht
weit von Ihrer Schülerin mit zwei Damen niedergelassen und Lady Anabell sass nun neben Sendea. Die englische Adlige war im Grunde genommen eine sehr willkommene Gesprächspartnerin, obwohl sie etwas scheu war und den Anschein machte in gewisser Hinsicht verschlossen zu sein. „Auf unsere Freundschaft Lady Marie“, meinte die Dame mit zarter Stimme, als sie ihrer Gegenüber zu prostete. „Auf unsere Freundschaft.“
Das Mahl verlief ziemlich ereignislos und außer die Diener die umher liefen um die Gläser nachzufüllen war jeder Gast ganz mit dem Essen und den Gesprächen beschäftigt. Auch jetzt gab es keine Anzeichen auf einen Attentäter und König Alfons schien es bestens zu gehen, was darauf hindeutete, das der Giftmischer nicht das Essen vergiftet hatte, oder das er gar nicht zugegen war. Letzteres wäre zwar besser, jedoch
würde es auch heissen, dass ihre Vorbereitungen für Nichts gewesen wäre. Sendea schluckte gerade den letzten Bissen des zarten Rindfleisches hinunter, als bereits die Ebenholztore zum Ballsaal geöffnet wurden und einige sich erhoben. Auch Anabell war fertig mit ihrem Mahl und so machten sich die zwei jungen Frauen auf den Weg zur Tanzfläche. „Es ist herrlich hier“, meinte Sendea, als sie den weiss getäferten Saal erblickte der mit wunderschönem Parkett ausgelegt war. „Oh yes it's
overwhelming“, stimmte ihr ihre neue Freundin zu. Der imposante Raum war erfüllt von Licht und der ausgelassenen Stimmung der klassischen Musik. Sendea fühlte sich nun durch und durch wie eine Dame, als sie von mehreren Männern zum Tanz aufgefordert wurde, denen sie freudig zustimmte.
Auch Lady Anabell genoss die männliche Gesellschaft. Es waren alles gutaussehende junge Lords, die sie zum Tanz aufforderten, darunter auch ein Kaufmann, der ihr ununterbrochen in ihre grünen Augen starrte und oft ein liebes Wort für sie übrig hatte.Er lobte ihre Ausstrahlung, ihre Schönheit und zu guter Letzt ihre freudige Art, was Sendea zeigte, dass nun auch sie ihre Rolle gut zu spielen begann. Doch ihre Anspannung wuchs von
Sekunde zu Sekunde und als auch Alfons in den Saal trat um zu tanzen hatte sie stets ein Auge auf ihn, wobei sie stets genaustens auf seine Tanzpartnerinnen achtete. Auch Valencia hatte das Vergnügen mit dem König tanzen zu dürfen und Sendea konnte erkennen, dass sie mit ihm sprach, über was, das konnte Sendea nur erahnen. „Dürfte ich mit Euch tanzen, meine
Gnädigste“, flüsterte eine bekannte Stimme in ihr Ohr, was ihr einen leichten, nicht unangenehmen Schauer einjagte. Sendea neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite und konnte die unverkennbaren Augen von Ezio ausmachen. „Wie kommt Ihr darauf, dass ich mit Euch tanzen würde Ezio?“, fragte die Novizin leicht verspielt, wobei sie den Assassinen ein wenig aufziehen wollte. „Carra mia, Ihr seid die erste die Einwände hat. Euer eigensinniges Denken gefällt mir“, entgegnete Ezio süffisant und fasste Sendea sanft an den Händen. Die junge Frau liess es geschehen und schon bald tanzten die beiden wie ein junges Paar
durch den Saal. „Und wie gefällt es Euch in Napoli Monsieur?“, wollte Sendea wissen. „Nicht schlecht, nur das Wetter lässt etwas zu wünschen übrig. Aber die Damen hier sind wirklich bezaubernd“, meinte er mit einem Blick in die feiernde Menge. Ezio machte offenbar keine Hehl daraus, dass er ein Casanova war und wahrscheinlich schon einige Frauen um
den Finger gewickelt hatte, nur bei ihr würde das nicht klappen. Nun war es Ezio, der von Sendea wissen wollte: „ Wisst Ihr ich habe mich schon die ganze Zeit gewundert was Euch dazu getrieben hat den Templerorden zu verlassen? War das die Begegnung mit mir, oder doch etwas Anderes?“ Sendea verdrehte leicht genervt die Augen und entgegnete dann: „Das war
zweifellos das Werk meines Vaters.“ „Wie meint Ihr das?“, wollte der Adlige nun wissen, der offenbar keine Ahnung von ihren früheren Leben hatte. Sendea schwieg und nach ein paar weiteren Tanzschritten stach ihr plötzlich eine unscheinbare Frau ins
Auge die mit einem grossen Strauss Rosen auf den Gastgeber zu schritt. Ihre Schritte waren schnell, fast ein wenig zu schnell und als sie Alfons erreichte machte sie einen höflichen Knicks vor ihm, ehe sie ihm die Blumen überreichte. „Ezio, da stimmt was nicht!“ Sendea hatte sich nun von ihrem Tanzpartner abgewandt und eilte auf das Geschehen zu. Alfons, offenbar geschmeichelt von dem schönen, jedoch ungewöhnlichen Geschenk roch an den zarten Blumen und bedankte sich dann bei der
unbekannten Dame, die einen eleganten Knicks ausführte und in der Menge verschwand. Ein weiteres Mal sog er den süsslichen Duft der Blumen ein, ehe er sie einem Bediensteten übergab, der sie in eine grosse Vase stellte. Doch dem Herrscher schien es gut zu gehen und Sendea begann sich zu fragen, ob sie nun verrückt wurde. Es waren ja nur Blumen, mehr nicht...
Gerade wollte sich die Schwarzhaarige umdrehen, als sie sah, wie Alfons sich an einer Säule abstütze, die andere Hand auf sein Brustbein gepresst, während er einen heftigen Hustenanfall erlitt. Es eilten bereits Bedienstete herbei und aus dem Augenwinkel konnte Sendea erkennen, dass Valencia hinzu schritt um dem König zu helfen. Ein Glas Wasser wurde gebracht und der Gepeinigte trank das Kühle Nass, wobei sein Husten nur noch heftiger wurde. Valencia, nun offenkundig besorgt, öffnete ihr Täschchen und zog eine kleine Phiole mit Gegengift hervor,
welches sie Alfons einflösste. Sofort wollten einige Soldaten ihre Meisterin davon abhalten, doch der Herrscher gebot ihnen mit einer Handbewegung Einhalt. Gerade als alle dachten, das Schlimmste sei überstanden, brach er in Valencias Armen zusammen, die Ihn auffing und versuchte seinen Husten zu stoppen, der nun in ein beängstigendes Röcheln überging. „Diese... verfluchten …. Blumen!“, presste der Mann Luft schnappend hervor, ehe er Blut spuckte.
Daturapuder, schoss es Sendea durch den Kopf. Eine Möglichkeit war es, denn die Symptome stimmten mit jenen, die auf die toxische Wirkung zutrafen, überein. Ein natürliches Gift, gewonnen aus einem Nachtschattengewächs der Stechäpfel,neutral im Geschmack und absolut tödlich. So zumindest hatte sie die Worte von Markus im Kopf, der sie unterrichtet hatte, als Valencia auf eine Mission geschickt worden war. Auch wenn die Bruderschaft nur in äussersten Notfällen auf Gift zurückgriff, so war es doch Pflicht die verschiedenen Gifte genaustens zu
kennen. Sollte Alfons wirklich mit Datura vergiftet worden sein, würde er diese Nacht nicht überstehen, so viel stand fest. Inzwischen hatte sich ein grosser Kreis um das Geschehen gebildet und die Leibärzte des Königs mussten sich regelrecht hindurchkämpfen, bevor sie neben ihm in die Knie gingen und ihn untersuchten. Nach wenigen
Augenblicken stand die Ursache fest: Gift! Zwar nicht im Blut, aber in den Atemwegen, was hiess, dass man Nichts mehr für ihn tun konnte. Diese Aussage schockierte sowohl Sendea, als auch alle Gäste und ein heilloses Chaos brach aus. Eine ältere Dame fiel sogar in Ohnmacht, die glücklicherweise von ein paar Männern aufgefangen wurde. Doch die leidtragende war ohne Zweifel die Ehefrau von Alfons, die weinend neben ihrem Geliebten in die Knie ging und ihn festhielt. Tränen flossen ungehalten über
ihre rosigen Wangen und tropfen lautlos auf die goldene Weste ihres sterbenden Mannes. Valencia indes versuchte noch immer Alfons am Leben zu halten, während die Ärzte die Hoffnung offenbar bereits aufgegeben hatten. Doch als der Atem des Herrschers immer flacher und quälender wurde sah auch ihre Meisterin ein, dass dieses mal die Templer den Sieg davontragen würden und so wollte sie sich erheben um ihn mit seiner Frau alleine zu lassen. Doch Alfons legte seine schwache Hand um das Handgelenk der Assassine und meinte dann mit schwacher Stimme: „Ihr habt getan was Ihr konntet. Rettet die Stadt vor...der Finsternis.“ Valencia
nickte und antwortete ihm : „ Das werden wir tun. Das verspreche ich Euch mein König, Euer Tod wird nicht umsonst gewesen sein.“ Valencia war wie losgelöst von dieser Welt, als sie zu Sendea und Ezio schritt. „Das ist nicht gut... Alles umsonst, alles vergebens“, wandte ihre Meisterin leise ein und schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht verstehen wie das alles
passieren konnte. „Kopf hoch Valencia“, munterte Ezio sie auf und klopfte ihr sachte auf die Schulter, „ noch ist Nichts vergebens. Wir werden die Dame einholen und sie befragen. Vielleicht bringt uns das ja einen Vorteil.“ „Vielleicht habt Ihr recht Ezio, aber wisst Ihr denn, wie die vermeintliche Dame aussieht und wo sie lang gerannt ist?“ Der Angesprochene überlegte kurz und
sagte: „Sie hatte blondes Haar, hochgesteckt und ein ziemlich markantes Gesicht. Ihr Kleid war rot und mit einem aufwändigen Goldmuster bestickt. Wo sie lang gelaufen ist, kann ich allerdings nicht sagen.“ Es gab zwei Wege, die aus dem Saal führten das grosse Portal zur Dinierhalle und ein kleiner Nebenausgang, der offen stand. Da er sich nicht sicher waren, empfahl sich Ezio und lief in Richtung Portal, während Valencia und ihre Schülerin sich daran machten den Raum durch den kleinen Nebenausgang zu
verlassen. In Valencias Augen war wieder das gefährliche Glitzern getreten, dass an einen Wolf auf der Jagd erinnerte. Nur das dieses Mal die Gejagte eine geschickte und gefährliche war. Eine, die wusste, was sie tat...
„Verdammt, du sollst doch nicht so fest zuschlagen Riccardo“, giftete Sendea ihren Freund an, wobei sie sich die schmerzende Hand hielt. Schon wieder hatte ihr der Jungspund das Trainingsschwert aus der Hand geschlagen, dieses Mal jedoch eine Spur zu fest. Ihre Hand fühlte sich an, als wäre sie gerade von einem riesigen Felsbrocken zermalmt worden. „Ach komm schon, du hast definitiv schon schlimmeres wegstecken müssen“, verteidigte sich der junge Mann gekonnt, während er ihr das Schwert zuwarf. Trotz den Schmerzen wollte die
junge Frau nicht einfach so aufgeben, was sie ihrem Kampfpartner deutlich machte, als sie ohne Vorwarnung angriff. Doch der Assassine war ein gelehriger Schüler und so machte er einen fliessenden Schritt zur Seite, während er seinerseits das Trainingsschwert hob um seine Flanke zu schützen. „Süss Sendea, aber das kannst du besser“, reizte er sie mit einem charmanten Lächeln und stiess sie ein wenig zurück. Trotzig starrte sie ihren Gegner an und Riccardo hätte schwören können, das er ein leises Murren vernommen hatte. Wieder griff die Novizin an, dieses Mal jedoch geschickter und um einiges schneller als
zuvor. Mit einem dumpfen Laut krachten die beiden Holzschwerter aufeinander und noch ehe der junge Mann angreifen konnte, holte sie bereits zum nächsten Schlag aus, der dieses Mal seitlich kam und von Riccardo im letzten Moment pariert wurde. Offensichtlich überrascht ging er weiter in die Defensive und beobachtete den Kampfstil der jungen Frau, der zwar sehr gut war, aber eben halt doch zu gradlinig. Für einen Ritter war das eine reife Leistung, aber für einen Assassinen war es nur die Grundbildung. Der Kampfstil der Bruderschaft umfasste mehr als nur den Schlag mit dem Schwert, geschickte Beinarbeit, schnelles Denken und auch
eine gewisse Gerissenheit verfeinerte ihre Kampfweise. Noch waren sie beide Schüler und hatten viel zu lernen, soviel stand fest. Sendea griff noch immer an, doch Riccardo entschloss sich das Blatt zu wenden, in dem er unter einem Schlag hinweg schlüpfte und sein Schwert selber nach oben stiess. Den Überraschungseffekt hatte er auf seiner Seite und so war er wenig erstaunt, als seine Kampfgefährtin für einen kurzen Augenblick aus dem Konzept geriet. Doch sie fasste sich schnell wieder und wehrte den nächsten Hieb ab während sie ein paar Schritte zurück ging und das
Trainingsschwert schützend vor sich hielt. Einmal mehr versuchte Riccardo sie mit einem Lächeln zu provozieren, bevor er geschickt Angriff und Sendeas Defensive zerschlug. Der Kampf endetet wie so oft zu Gunsten des jungen Mannes, der der Novizin mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck das Holzschwert an die Kehle setzte, während die Besiegte ihn genervt ansah. „Ach komm schon, du warst schon viel besser als letztes Mal“, meinte er aufmunternd, während er Sendea freundschaftlich umarmte. „Ja genau ich bin unfähig, dass wolltest du doch sagen, oder?“ Noch ehe Riccardo etwas erwidern konnte platzten ihre beiden
Meister in den Innenhof, wo sie gerade trainiert hatten. Auch Ezio, der charmante Florentiner war dabei, der Sendea ein freundliches Lächeln schenkte und sie zu sich winkte. „Wir brechen in einer Stunde auf“, eröffnete Ivo die Unterhaltung, bevor er sich an die Schwarzhaarige wandte, „ du reist per Schiffsweg mit Valencia und Ezio nach Francia um die Attentäterin zu suchen. Informanten haben uns berichtete, das sie mit der Santa Isabella geflohen ist. Und du mein Schüler wirst mit mir hierbleiben um die Templer in Schach zu halten. Begeistert war Sendea von diesem
Unterfangen keinesfalls, denn sie verabscheute Reisen wie die Pest, aber wie sie schon bald feststellen würde, war dies ein weiterer Aspekt im Leben als Assassine. Der eigentliche Grund für ihr Missfallen war jedoch, dass Riccardo hierbleiben würde, denn langsam begann sie sich an den Spanier zu gewöhnen. Vor allem seine freundliche und witzige Art würde sie vermissen auf dem Weg nach Frankreich. Zurück zu ihrem Heimatland, wo alles angefangen hatte. „Ach schade“, bestätigte Riccardo ihren Gedanken, als die drei Assassinen verschwunden waren, „ gerade bist du
wieder auf den Beinen und schon trennen sich unsere Wege wieder. Ich werde dich vermissen.“ Danach folgte eine lange Umarmung, die sie befürchten liess, dass er sie gar nicht mehr loslassen würde. Doch auch das verging und bevor er sich umdrehte holte der Spanier etwas aus einer seiner Seitentasche. „Die habe ich gefunden und da musste ich an dich denken, wie du wie ein Vogel vom Dach abgesprungen bist. Genau so mutig und entschlossen.“ Der junge Mann hatte ihr eine Kette gemacht aus einer wunderschönen hellbraunen Feder, die weiss gesprenkelt war und nun an einem Lederband hing. Dankend nahm sie das
Geschenk an und wusste nicht, wie sie sich revanchieren sollte. „Pass auf dich auf Sendea“, meinte er lächelnd und drehte sich um, um zu gehen. „Du auch“, rief sie ihm noch hinterher, bevor sich die Tür hinter ihm schloss und sie alleine zurückblieb. Die junge Frau war danach eilends in ihr Zimmer gerannt um sich reisefertig zu machen, wofür sie, wie sie aus Erfahrung wusste immer zu lange brauchte. Sich vor dem Spiegel betrachtend begann sie ihre Haare zu einem Zopf zu flechten, der ihr nun seitlich über die Schulter viel. Danach prüfte sie ihre Wunde, die zu ihrer
Zufriedenheit gut verheilte und ab und zu nur noch leicht ziepte. Geschickt strich die Novizin ihr weisses Ornat zurecht und band sich das rote Tuch um die Hüfte, das bei den Assassinen symbolisch als Zeichen des Sieges getragen wurde. Als nächstes steckte sie ihr Schiovana ein und prüfte den Dolch auf seine Schärfe, bevor sie auch diesen in einem Futteral verschwinden liess. Als letztes prüfte sie ihre wichtigste und liebste Waffe: die versteckte Klinge. Ordnungsgemäss glitt das tödliche Metall aus der Armschiene und schnappte genau so schnell wieder zurück, als sie ihr Handgelenk ruckartig nach vorne bog. Die versteckte Klinge
war ohne Zweifel die interessanteste Waffe, die Sendea je gesehen hatte und noch immer fragte sie sich, wer auf eine solch geniale Idee gekommen war. Die Waffe ermöglichte es einem ungesehen und schnell zu töten, ohne dabei verdächtig zu wirken und das war es, was sie zu einem der wichtigsten Gegenstände der Bruderschaft machte. Zufrieden mit ihrer Ausrüstung schnappte sich Sendea den Lederbeutel auf ihrem Schreibtisch und verstaute ihr Buch, die Salbe für die Wunde, so wie ein paar Kleinigkeiten darin. Einen letzten Blick auf ihr Zimmer werfend schloss sie die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg zur
Eingangshalle, wo bereits Ezio und ihre Meisterin auf sie wartete. „Dann wollen wir mal“, meinte die Blondine, als sie ihre Schülerin erblickte, setzte ihre Kapuze auf und trat auf die bevölkerte Strasse. „Frauen bringen Unglück Kapitän. Wenn diese Weiber an Bord kommen, segle ich nicht mehr mit Euch.“ Der Quartiermeister der Princess hatte sich bedrohlich vor seinem Vorgesetzten aufgebaut und wetterte nun so gut er konnte. Er liess keinen Moment den Zweifel aufkommen, dass er ein absoluter Schwachkopf war, der an Legenden und Märchen glaubte. Wie
sonst würde er auf die Idee kommen, dass Frauen auf hoher See Unglück brachten? Genervt schüttelte Sendea den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie den alten Mann unterer ihrer Kapuze hervor musterte. Der Quartiermeister, der einen beachtliches Arenal an Fluchwörtern besass war nicht mehr der jüngste und doch machte er einen sehr aufgeweckten Eindruck. Auf seiner sonnengegerbten Haut, zogen sich tiefe Falten, wie Täler durch eine Berglandschaft und sein grauer Bart stand zu allen Seiten ab, genau, wie seine braun-grauen Haare. Seine Garderobe hingegen glich eher der eines
reichen Kaufmanns als der eines einfachen Mannes, der die Stellvertretung des Kapitäns spielte. „Verdammt Ristoro halt deine Klappe und geh zurück an Bord“, befahl ihm der junge Mann und fast schien es so, als würde sich der Alte widersetzen - schliesslich gab er nach und verschwand, jedoch nicht ohne Valencia einen finsteren Blick zuzuwerfen. „Wie Ihr seht meine Dame haben wir ein Problem.“ Der Kapitän hob fragend die Hände als suchte er nach einer Lösung, während er der Blondine einen entschuldigend Blick zuwarf. „Durchaus haben wir ein Problem, allerdings nur dann wenn Euer Mann nicht den Mund
hält.“ Etwas verunsichert sah der junge Kapitän die Frau an: „ Ich verstehe nicht recht. Wie meint Ihr das.“ „Wenn ich meine Kapuze nicht abgenommen hätte, wäre Euer Quartiermeister sicher nicht auf die Idee gekommen, dass ich eine Frau bin. Zumal es ziemlich ungewöhnlich sein sollte, dass eine Person des weiblichen Geschlechts bewaffnet durch die Strassen zieht.Seht Ihr das nicht auch so?“, verlangte Valencia zu wissen, die langsam aber sicher ungeduldig wurde. „Da habt Ihr wohl recht, aber wie soll ich Ihn dazu bringen zu schweigen. Er ist immer so sturr und...“ Die Assassine
unterbrach den jungen Mann ungestüm: „ Oh ich bin sicher da fällt Euch etwas ein Kapitän. Anderseits“, ihre Stimme wurde nun leiser, blieb jedoch honigsüss,wie die einer charmanten Lady, „ löse ich das Problem auf meine Art.“ Der junge Kapitän schien das Problem in den Griff bekommen zu haben, denn als Sendea mit ihrer Meisterin am späten Nachmittag auf das Deck trat um frische Luft zu schnappen, wurden sie kaum von der Crew wahrgenommen. Vielmehr waren sie wie unsichtbare Schatten, die mit ihnen an Bord lebten jedoch nichts mit ihnen zu tun
hatten.Valencia war noch immer sehr schweigsam und in ihren braunen Augen spiegelte sich ein nachdenklicher Blick, der stets auf den Horizont vor ihnen gerichtete war und nun langsam einen orangen Farbton annahm. Auch Sendea wurde von unzähligen Fragen geplagt und je länger sie versuchte eine plausible Erklärung zu finden, desto mehr verfing sie sich in dem Netz voller Intrigen und Geheimnissen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie all die Jahre über blind gewesen war für die Wahrheit - all die Zeit, die sie bei den Templern verbracht hatte hatte sie nicht gemerkt, dass sie mitten in einem Krieg gesteckt hatte. Einem Krieg der im
Untergrund geführt wurde ohne, dass das normale Volk nur etwas davon ahnte. „Buonasera Sendea“, grüsste Ezio sie, als er sich zu ihr gesellte. „Salute. Was führt Euch zu mir, wenn ich fragen darf?“ Der Angesprochene lächelte belustigt, als er sich vor die Novizin stellte, die es sich am Schiffsbug gemütlich gemacht hatte. „Ich sehe, Ihr habt mir meinen Fehltritt noch nicht verziehen Signora. Nun wer kann es Euch auch übel nehmen.“ Obwohl die Worte direkt an sie gerichtet waren kam es Sendea eher so vor, als würde der Assassine mit sich selbst sprechen und nicht mir ihr. Es
war ihr ohnehin gleich, denn ihr war nicht nach Reden zumute und doch war Ezio ein angenehmer Gesprächspartner mit spannenden Themen und abenteuerlichen Geschichten. Etwas an ihm zog sie magisch an, auch wenn sie sich das nicht eingestehen wollte. Die Frage war doch nur: Was machte diesen Mann so interessant? Sendea beschloss vorerst den charmanten Ezio noch im Ungewissen über ihre persönliche Meinung zu ihm zu lassen und schwieg. Die Stille zwischen ihnen war nicht unangenehm, es war vielmehr wie eine Unterhaltung die aus freundlichen Blicken und lächelnden
Lippen bestand, während um sie geschäftiges Treiben herrschte. Die Seeleute riefen einander Anweisungen zu und kletterten die Takelage hoch, lösten das Kleinsegel und machten sich daran dieses zu sichern. Jede Aufgabe lief Hand in Hand ab und die Crew war ohne Zweifel ein gutes Team wie Sendea für sich befand. Während die Zeit verstrich und die Sonne langsam hinter dem glühenden Horizont versank wurde es kälter und dunkler um sie herum. Die ersten Laternen wurden angezündet und schenkten ein wenig Licht. Sendea jedoch begann langsam zu frösteln und überlegte sich ihren Reiseumhang aus der
Kajüte zu holen. Doch diese Entscheidung wurde ihr abgenommen, als sie Ezios Hände sah, die ihr sanft seinen warmen Umhang über die Schultern legten. Ein wenig überrascht wandte sie sich an den Florentiner und dankte ihm während dieser sich bereits erhob. „Gerne geschehen Signora. Wir wollen ja nicht das ihr Euch eine Erkältung holt und ausserdem war ich sowieso gerade dabei uns etwas zu essen zu holen. Entschuldigt mich also bitte kurz“, meinte er während er eine Verbeugung andeutete und sich unter Deck zur Kombüse begab. Kurze Zeit später erschien Ezio mit dem
Abendessen: Eingelegter Fisch und Schiffszwieback. „Buon appetito Signora. Last es Euch schmecken.“ Mit einem abschätzigen Blick betrachtete sie das Essen welches sie entgegengenommen hatte und gestand sich zu, das ein Leben auf See nichts für sie war. Ezio musste herzhaft lachen, offenbar hatte er ihren Blick bemerkt als er meinte: „ Nicht gerade das was ihr gewohnt seid, ich weiss. Aber immer noch besser als Nichts.“ „Da habt ihr wohl recht“ bekannte Sendea bitter und nahm einen Bissen vom salzigen Fisch, bevor sie fortfuhr, „ Was ist eigentlich mit Valencia? Habt Ihr sie zufällig
getroffen?“ „Nicht getroffen eher gefunden. Sie ist bereits zu Bett gegangen. So kenne ich sie zwar nicht aber jeder hat mal einen schlechte Tag.“ Kopfnickend stimmte Sendea ihm zu und konnte sich gut vorstellen wieso ihre Meisterin sich zurückzog. Das Ableben von König Alfons hatte sie tief getroffen und gepaart mit dem Misserfolg ihrer Mission ergab diese keine gute Mischung die der Laune förderlich war. Auch für Sendea war die Situation nicht leicht gewesen doch sie hatte sich damit abgefunden, das nicht immer alles nach Plan laufen konnte. „Sie wird sich bald wieder gefangen
haben“, versicherte ihr Ezio, „ Ich kenne Valencia schon seit ihrer Ausbildung musst du wissen. Wir wurden sogar ein Jahr lang gleichzeitig von meinem Onkel ausgebildet und ich kann Euch sagen sie war mit Abstand einer der Besten und gelehrigsten Schüler. Das hat sogar mein Onkel gesagt, auch wenn Valencia oft etwas eigenwillig war.“ Bevor der junge Mann fortfuhr ass er noch etwas von seinem Schiffszwieback, den Sendea deutlich besser mochte als den salzigen Fisch. „Nun Valencia ist kein Mensch der an Misserfolge gewöhnt ist . Schon während Ihrer Ausbildung bekam sie
stets die schwierigsten Aufträge und kein einziges Mal versagte sie. Ausser bei einer eintigen Mission...“ Der Adlige schien sich zu entsinnen denn sein Blick wurde nun nachdenklich und Sendea lauschte gespannt seinen nächsten Worten. „Es war an einem warmen Sommertag als Valencia den Befehl erhielt einen Templeradmiral in seiner eigenen Kaserne zur Strecke bringen. Kein einfacher Auftrag. Man muss dem Mann auch zu Gute reden, dass er wusste wie man sich versteckt und verteidigt. Valencia hat mir nie viel drüber erzählt, ausser das sie es bis in die zweite Etage geschafft hatte ohne bemerkt zu werden,
als sie schliesslich von einer Schar Soldaten bemerkt wurde. Trotz ihren guten Kampffähigkeiten wurde sie verwundet und musste dann flüchten ohne den Auftrag zu Ende gebracht zu haben.“ „Hat sie den nicht noch eine Chance bekommen die Mission zu erfüllen?“, hackte die Novizin interessiert nach. Ezio lächelte traurig und schüttelte verneinend den Kopf: „ Mein Onkel übertrug mir die Aufgabe den ich dann auch zu Ende führen konnte. Ich glaube Valencia ist deswegen noch heute ein wenig sauer auf mich. Sie hat Ehre, Sendea, eine Ehre die so gross ist wie Ihr Stolz. Und wenn ich eines gelernt
habe dann, dass man niemals den Stolz einer Frau verletzen sollte.“ „Das kann ich nur bezeugen Ezio“, versicherte sie ihm und zog den Umhang etwas enger um ihren Körper. Je dunkler es wurde, desto kälter wurde der Wind und auf offener See war der Windgang ungemein heftig. Erst jetzt fiel Sendea auf, wie ruhig es geworden war. Ausser dem Steuermann und ein paar Männern, die auf leeren Fässern sassen und Rum tranken, war es auf dem Deck leer.„Ezio wie kommt es eigentlich, dass ein so junger Mann wie Ihr bereits ein Meisterassassine ist?“ Diese Frage hatte die Schwarzhaarige schon lange
interessiert, zumal Ezio jünger war als so manches Mitglied des Ordens. „Eine gute Frage Signora. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass es alles nur eine Frage des Willens ist. Praktisch mein ganzes Leben lang habe ich als Assassine meine Pflicht getan. Der Weg wurde mir vorgezeichnet und ich habe mich meiner Bestimmung angenommen und von jenem Tag an wollte ich das Beste aus mir herausholen. Vielleicht war es aber auch nur die Veranlagung die ich habe und es mir so ermöglicht hat schwere Dinge als einfacher zu empfinden. Um ehrlich zu sein ich weiss es nicht genau. Aber eines weiss ich bestimmt“, mit diesen Worten sah er Sendea an jedes
einzelne Wort das nun folgte war für sie wie Seelenbalsam, „Ihr werdet es genau so weit bringen wie ich, wenn nicht sogar noch weiter. Ihr müsst es nur wollen, aus dem tiefsten Eures Herzens.“ Der junge Adlige liess die Worte wirken und sah schweigend in den von Sternen übersäten Himmel. Es war ein bezaubernder Anblick, wie die kleinen Lichter zu Tauenden das Firnament schmückten und den kalten Abend erleuchteten. Und als Sendea in Gedanken verloren in den Himmel sah, fragte sie sich ob ihre Mutter irgendwo da oben war und auf sie hinabblickte. Sie fragte sich, ob sie wusste was sie tat
und ob sie stolz auf sie war. War sie überhaupt irgendwo? Dies waren Fragen ohne Antworten... Sendea dachte seit ihrem Beitritt in die Asassinenbruderschaft oft über ihre Mutter nach und sie fragte sich oft was geschehen wäre, wenn ihre Mutter noch leben würde. Hätte sie sie ebenfalls in ihr Geheimniss eingeweiht, oder hätte sie ihr die Chance gegeben ein unabhängiges Leben weit weg von diesem Krieg zu führen? Vielleicht würde sie eines Tages die Antwort darauf erhalten, aber sie bezweifelte, dass sie die Antwort in diesem Leben erhalten
würde. Vielleicht fragte sich Ezio das gleiche, denn als sie ihn ansah glänzten seine Augen verräterisch. Doch im Gegensatz zu ihr verbarg er seine Tränen gut, was die junge Frau nicht konnte und so rann ein einziger Tropfen ihre Wange hinab ohne, dass sie es wollte. Der Florentiner sah sie mitfühlend an und streichelte ihr sanft über ihre Schulter, bevor er sie umarmte und Sendea fest an sich drückte um ihr ein wenig Halt zu schenken. „Es tut mir Leid, das du deine Mutter verloren hast... Sendea“, wisperte Ezio ihr nach einiger Zeit ins Ohr und zum ersten Mal sprach er sie
nicht an, wie eine Dame, sondern wie eine gute Freundin. Und auch wenn die Nacht kalt und von einer plötzlichen Traurigkeit überflutet war, so hatte sie etwas gutes an sich. Ezio war da, er war für sie da...
Ital.) Signora - Dame Ital.) Mi dispiace - Es tut mir leid. Ital.)Va bene? -In Ordnung? Ital.)Sì maestra. -Ja Meisterin. Ital.) Figlio di puttana -Hurensohn/Scheisskerl Ital.) Cazzo – Scheisse Lat.) Requiescat in pace – Ruhe in Frieden. Ital.) per carità - Um Himmels Willen Ital.) sacerdote - Priester
Franz.)Sendea, petite princes ou es tu? - Sendea, kleine Prinzessin, wo bist du?
Ital.) a presto - bis bald
Ital.) Arrividerci - Auf wiedersehen
Engl.) Oh yes it's overwhelming! - Oh, ja es ist grossartig/umwerfend!
PorterThomson Die Geschichte erinnert mich bis jetzt positiv an Sakrileg The da Vinci Code von Dan Brown, außer vielleicht, dass die Geschichte in einer ganz anderen Zeitepoche spielt. Ich bin gespannt ob und wie sich die Geschichte in das Gebiet rund um die Gralsfrage enwickelt. |
Estefania Hallo Porter Vielen Dank für deinen Kommentar! Bisher habe ich das noch gar nie mit Sakrileg verglichen, aber jetzt wo du es sagst sehe ich die eine oder andere Paralele. Ich gebe mir auf jeden Fall Mühe schnell weiterzuschreiben, aber da ich halt in der Lehre bin gibt es Tage, wo ich keine Chance habe meinem Hobby nachzukommen. Aber du darfst auf jeden Fall gespannt sein, wie es weitergeht- denn wir kommen der ganzen Sache langsam aber sicher immer näher :) Vielen Dank! GLG Estefania |
PorterThomson Die Geschichte fängt ja schon mal sehr gut an! Ich habe ein Lesezeichen gesetzt und es zu meinen Favoriten hinzugefügt. Auf jeden Fall werde ich es weiter lesen! LG Thomas |
holgerklein Sehr schöne aus der tiefe des Herzens kommende Worte.Gefällt mir sehr. nur weiter so. Ganz liebe Grüsse...Holger |