Vorwort
Manchmal ist es schon erstaunlich, wohin uns unsere Gedanken lenken.
Dieses Buch zum Beispiel. Ich hatte eigentlich gar nicht mehr vor gehabt irgendetwas auf Papier zu bringen, nein, eigentlich hatte ich vor mich in mein warmes Bett zu verdrücken. Und dann sass ich auf einmal da und schrieb diesen ersten Satz, den ihr vermutlich bald lesen werdet. Zügig folgte der zweite, und auch der dritte liess nicht auf sich warten. Ich wusste nicht wie, aber der Text nahm langsam Gestalt an, er wuchs und wurde immer länger.Das
Buch schrieb sich wahrhaftig selbst.
Ich fühlte mich wie in Trance, das passiert mir öfter. Plötzlich sitze ich da und schreibe, ohne die kleinste Idee zu haben, worüber. Es sprudelt einfach so aus mir hervor und ich kann es nicht zurückhalten. Es ist als würde jemand meinen Körper benutzen, um diese ganzen Gedanken zu Papier zu bringen, weil er selbst die so nötigen Hände dazu nicht besitzt. Ich liebe diesen Zustand. Ich liebe es einfach darauf los zu schreiben, meine Geschichte mit jedem Wort selbst das erste Mal zu lesen und zu erfahren. Ist das Inspiration? Oder will mir mein Unterbewusstsein nur etwas mitteilen?
Jean-Jacques Rousseau sagte angeblich mal: "Um einen Liebesbrief zu schreiben, musst Du anfangen, ohne zu wissen, was Du sagen willst, und endigen, ohne zu wissen, was Du gesagt hast." Gilt das auch für diese Art von Büchern? Oder drückt diese überraschende Lust zu schreiben nur die Liebe aus, die ich im Inneren für das geschriebene Wort hege?
Wenn ich mich später wieder lese, habe ich oft nicht das Gefühl, als wären diese Worte tatsächlich von mir, und doch erkenne ich meine Gedanken wieder. Sie gehören zu mir, wie eine lieb gewonnene Familie... sie sind ich. Sie führen mich jedesmal in eine Welt, derer Existenz ich
mir nicht immer bewusst bin und ich geniesse jede Reise dorthin.
Und diejenigen, die jetzt noch Lust dazu verspüren, möchte ich mitnehmen auf eine solche Reise. Eine Reise durch meine Gedanken. Zugegeben, es ist nur ein kleiner Trampelpfad, aber er ist da, und ich glaube es wäre schade ihn zuwachsen zu lassen. Ich lasse Euch ihn ein kleines Stück alleine erforschen und hoffe, dass es Euch bei mir gefällt.
Mehr kann ich jetzt nicht mehr tun.
Gedankengänge
Ich musste weitermachen, das war mir bewusst. Ich wusste zwar nicht, wohin ich mich wenden sollte, aber irgendwie würde es schon gehen. Irgendwie geht es doch angeblich immer weiter, jedenfalls sagte das jeder. Nur wie, das erzählt einem keiner. Und jetzt sitze ich hier, auf dieser Bank im Park, eine Zigarette in der Hand und sehe ihrem bläulichem Rauch hinterher. Inzwischen habe ich aufgehört zu weinen, es geht einfach nicht mehr. Wenn man solange geweint hat, ist man irgendwann einfach leer, wie ausgetrocknet. Und höllische Kopfschmerzen hatte ich noch dazu, das ist immer einer der
unangenehmen Nebeneffekte. Meine Wangen sind nicht mehr richtig nass, aber noch ein bisschen feucht. Während die salzige Flüssigkeit weiter trocknet, versuche ich immer noch meine nächsten Schritte zu planen.
Ich fühle mich als würde ich fallen. Ich falle in einen tiefen Abgrund, und bis jetzt kann ich den Boden noch nicht erkennen. Vielleicht ist es besser so - wer weiss das schon. Wer weiss, was mich dort erwartet. Ich frage mich unwillkürlich, wie lange ich schon falle. Ich habe nicht die leiseste Idee. Wann hat all das begonnen? Wann habe ich mich das erste Mal so verloren gefühlt? Oder gab es kein erstes Mal und ich fühle mich schon immer so? Wie lange kann man Gefühle und
Empfindungen zur Seite legen und ignorieren, bevor sie uns in einem unerwarteten Moment wieder überfallen? Und wieso verflucht, fühlte ich mich so allein?
Plötzlich erinnere ich mich an einen Satz, den ich irgendwo einmal gelesen habe. Er behauptete, dass das Wertvollste, das man im Leben finden konnte, Liebe war. Doch ist dem wirklich so? Gibt es nichts wertvolleres als Liebe? Was ist mit Gesundheit? Oder Glück? Ist Glück nicht eigentlich das, nachdem alle streben? Ich würde in diesem Moment einiges dafür geben, glücklich zu sein. Mich zu erheben und fröhlich pfeifend loszumarschieren, mich nicht darum zu kümmern, wohin mich dieser Weg diesmal
führt. Leider empfinde ich keinerlei Motivation dazu. Nicht jetzt. Und pfeifen, selbst das kann ich nicht anständig.
Kann man ohne Liebe glücklich sein? Oder, kann man lieben ohne glücklich zu sein? Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr drängt sich in mir der Verdacht auf, dass derjenige, der diesen fragwürdigen Satz verfasst hatte, eigentlich keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Wahrscheinlich ist es wie mit allem im Leben, man braucht eben von allem etwas. Das Positive ebenso wie das Negative, denn wenn man nie gelitten hat, wie sollte man das Glück dann erkennen, wenn es schliesslich an die Türe klopfte? Wie sollte man es richtig wertschätzen können?
Während ich meine Gedanken schweifen lasse, vergeht eine weitere Stunde. Eine weitere Stunde, in der ich nur dasitze und nachdenke. Zeit ist etwas merkwürdiges, und irgendwie wirkt sie beängstigend auf mich. Wir sind ständig von ihr umgeben, alles scheint sich um Zeit zu drehen. Mit jeder Sekunde, die verstreicht nähern wir uns unweigerlich dem Ende. Mit jeder Sekunde, die verstreicht haben wir etwas weniger Zeit zum Leben. Und trotzdem verschwenden wir so viel von ihr mit unnützen Dingen. Ist es wirklich so sinnvoll, sein ganzes Leben von morgens bis abends hart zu arbeiten, damit man einen schönen Lebensabend verbringen kann? Wer gibt uns denn die Garantie dafür, dass wir diesen Lebensabend jemals erreichen? Was, wenn
wir vorher gehen müssen? Haben wir unser Leben dann nicht mit Dingen verschwendet, die uns im Grunde nicht glücklich gemacht haben? Ist es nicht sinnvoller sich für die Dinge Zeit zu nehmen, die wirklich wichtig sind? Und was ist, wenn wir tatsächlich ohne finanzielle Sorgen in den wohlverdienten Ruhestand gehen können, und dann bemerken, dass wir die Zeit, in der wir noch jung waren, falsch verwendet haben? Was ist, wenn wir es bereuen?
Geld macht nicht glücklich, und das liegt einfach daran, dass man nicht alles kaufen kann. Hat schon mal jemand versucht Gesundheit zu kaufen? Aufrichtige Liebe? Glück? Und selbst wenn man diese Dinge kaufen könnte, was wären sie denn dann
noch wert?
Ich glaube, das Einzige, das ich mir gerne kaufen würde, ist Zeit. Sie vergeht so schnell und kommt nie zurück. Deswegen ist es so wichtig sie richtig zu nutzen.
Und ich sitze nur hier herum und denke bloss nach. Aber gleichzeitig gibt es so vieles, das einen gründlichen Gedankengang wert ist. Es gibt so viele Fragen - und so wenige Antworten. Ob man sie irgendwann einmal erfährt? Müssen wir erst am Ende unseres Lebens ankommen, um den Sinn all dieser Dinge zu begreifen? Ist es das, was man weise nennt? Und wie viele Erfahrungen muss man sammeln, bevor man weise wird? Kann jeder weise werden? Es gibt so vieles, das ich
heute verstehe und trotzdem gibt es noch so vieles, dass ich vielleicht nie verstehen werde...
All diese Gedanken haben im Grunde nur einen Sinn für mich, jedenfalls in diesem Moment - sie lenken ab. Sie lenken mich von denen ab, an die ich im Moment auf keinen Fall denken will. Ich kann es immer noch nicht fassen, nein ich will es nicht fassen. All das darf nicht wahr sein, es erscheint mir so... ungerecht.
Sicher, es gibt so viele Menschen, die schlimmer dran sind als ich. Ich bin mir dessen vollkommen bewusst, und trotzdem... manchmal habe ich das Gefühl die Einzige zu sein, die diese Leere spürt. Die Einzige, die
vergeblich auf der Suche nach sich selbst ist, nach einem Ort zum Ankommen, einem Ort an dem man sich endlich zu Hause fühlt. An dem man diesen ganzen Mist einfach hinter sich lassen kann und sich auf jeden Tag freut.
Wann habe ich mich das letzte Mal richtig auf den nächsten Tag gefreut, weil ich keine Angst vor dem hatte, was er mir bringen würde? Ich weiss es nicht. Oder halt - doch, ich glaube es zu wissen. Als Kind, ja, da war ich glücklich. Bevor dieses ganze Verantwortungs- und Sorgending begann. Als ich einfach in den Tag hinein leben konnte, ohne mir bewusst zu sein, wie schwer das Leben manchmal sein würde. Als ich jeden Tag draussen bei den Pferden war, manchmal von Freunden begleitet, meistens
aber allein. Würde mir jemand sagen, ich solle mir Glück kaufen, dann würde ich mir wohl Pferde anschaffen. Das ist für mich fast dasselbe.
Ich liebe bis heute die Gesellschaft von Pferden. Ich liebe ihr Gemüt, sie haben so etwas unglaublich beruhigendes an sich, etwas, das meiner Seele einfach gut tut. Jede Minute, die ich in der Gesellschaft meines Pferdes verbringe ist eine glückliche. Es fühlt sich immer an, als hätte ich eine Wärme in mir, die glüht und mich vor diesen dunklen Gedanken bewahrt, diese Gedanken, die ich gar nicht haben möchte. Es gibt eigentlich nichts schöneres für mich, als einfach ihre Anwesenheit zu geniessen. Im hohen Gras
und unter dem blauen Himmel sitzend kann ich ihnen stundenlang beim gemütlichen Grasen zu sehen. Nur mit dem genüsslichen Mahlen ihrer Kiefer in den Ohren und dem fröhlichen Vogelgesang. Vögel sind im Allgemeinen nie weit, wenn Pferde in der Nähe sind, diesen Eindruck habe ich jedenfalls. Es sind hunderte Kilo schwerer Muskeln und Knochen die sich da einfach friedlich über die Wiese bewegen, sie haben etwas magisches an sich. Langsam setzen sie einen Huf vor den anderen, während sie das saftig grüne Gras rupfen. Ein tiefes Schauben von Zeit zu Zeit. Und dieser Geruch - eine Mischung aus Pferdehaar, frischem Gras und Erde. Nichts rieche ich lieber. Sie sind einfach da, und ich fühle mich einfach zufrieden.
Vielleicht ist das Glück. Vielleicht bedeutet Glück einfach, dass man die schönen Dinge im Leben erkennt und schätzt, so klein sie auch erscheinen mögen.
Das heisst sicherlich auch, dass Glück nicht für jeden dasselbe bedeutet. Ich fühle mich glücklich, wenn ich in diese grossen, dunklen Augen blicke, die mich vertrauensvoll ansehen. Wenn ich mit einem leisen Wiehern schon von weitem begrüsst werde, wenn ich das weiche Fell streichle und abends total verdreckt nach Hause komme und mich unter die Dusche stelle. Aber auch wenn ich bereits öfter die Erfahrung machen durfte, dass selbst Menschen, die mit Pferden vorher nichts am Hut hatten, ihre erste Begegnung mit Pferden im Allgemeinen als sehr positiv
empfinden, so zweifle ich doch daran, dass alle dabei genauso fühlen wie ich. Glück ist wahrscheinlich etwas subjektives, etwas, das jeder für sich selbst erfahren und definieren muss. Das ist wohl auch der Grund, wieso es keine Karte dorthin gibt.
Man soll man selbst sein, auch das habe ich nur zu oft gehört. Doch wer akzeptiert einen schon so, wie man nun einmal ist? Wer kann damit leben, wenn ich ehrlich und geradeheraus sage, was ich denke? Viele können das nicht, diese Erfahrung musste ich bereits mehrmals auf schmerzhafte Weise machen. Wie soll man sich selbst treu sein, wenn einen anderen nicht so akzeptieren, wie man ist? Wie soll man seinen eigenen Weg
finden, wenn einem andere dauernd davon abbringen wollen?
Du kannst nicht damit leben, das konntest Du noch nie. Du hast mir immer das Gefühl gegeben etwas schlechtes, nein etwas böses zu sagen, wenn ich nur ehrlich war. Im Grunde hast Du nie verstanden, was ich wirklich brauchte, wonach ich mich sehnte. Vielleicht war es Dir auch einfach egal.
Ich frage mich immer wieder, wie es sein kann, dass eine Mutter und eine Tochter so grundlegend verschieden sind. Wir sind einfach nicht kompatibel. Ich weiss, dass Dich diese Worte verletzen. Aber auch diese Worte spiegeln nur das wider, was ich tief in meinem Inneren denke. Es tut mir leid, aber ich kann
Dich nicht anlügen und so tun als wäre alles in Ordnung, damit es Dir besser geht. Ich will nicht mehr so tun, als wäre alles in Ordnung, denn das ist es nicht. Schon lange nicht mehr. Unsere Wege haben sich irgendwann getrennt, wir haben es nur einfach nicht bemerkt. Ich vertraue Dir nicht mehr, und Du vertraust mir nicht. Wahrscheinlich haben wir uns einfach zu oft gegenseitig enttäuscht. Ich weiss nicht, wie ich so geworden bin, aber ich habe mich verändert. Oder bist Du diejenige, die sich verändert hat? Es ist ja auch nicht wichtig. Es tut einfach weh und ich frage mich oft, ob Du Dir dessen bewusst bist. Ob Du eine Ahnung hast, wie sehr es mich eigentlich zerreisst, dass ich Dir nichts erzählen kann. Wie sehr es mich verletzt, dass Du mich nicht
verstehst. Ich weiss nicht wie, aber wir sind uns fremd geworden. Manchmal denke ich, dass es das Beste für uns beide wäre, wenn einfach jede ihren eigenen Weg ginge, wenn wir uns hier, wo wir uns beide noch fern erkennen können, auf Wiedersehen sagen. Du hast mich gross gezogen, dessen bin ich mir bewusst. Ich weiss, dass es nicht immer einfach war. Dass ich sicher nicht immer einfach war. Aber Du hast nicht die aus mir gemacht, die ich bin. Denn dann hättest Du vermutlich alles darangesetzt aus mir jemanden zu machen, mit dem Du leben kannst. Ich bin Dir sehr dankbar für alles, was Du für mich getan hast - und Gott weiss, das ist eine ganze Menge. Aber so sehr ich es auch versuche, ich kann nicht so sein, wie Du
mich gerne hättest. Ich bin nicht die, die Du gerne als Tochter hättest. Ich bin nur ich. Und das ist gut so, auch wenn es mir manchmal so falsch erscheint. Ja, ich gebe mir oft die Schuld. Ich hätte in vielen Situationen vielleicht einfach meinen Mund halten sollen, aber ich konnte nicht. Ich kann es immer noch nicht. Wahrscheinlich werde ich es nie können.
Du hast mir so oft gesagt, dass ich mich entschuldigen sollte - aber für was? Wieso sollte ich mich dafür entschuldigen, das zu sagen, was ich denke, dafür, dass ich schlichtweg ehrlich bin? Nur weil es nicht dasselbe ist, das Du denkst? Es tut mir leid, aber das kann ich nicht. Nicht mehr. Ich habe mich zu lange selbst verraten. Und dabei wird
man nicht glücklich.
Wie Du weisst bin ich inzwischen selber Mama. Seit zwei Jahren. Ich weiss, dass Du das bis heute nicht nachvollziehen kannst, aber er kommt jetzt vor Dir. Ja, er ist mir wichtiger als Du. Ist das nicht das Recht, nein, die Pflicht jeder Mutter ihr Kind vor alles andere zu stellen? Es tut mir leid, aber ich fühle so. Ich weiss auch, dass Du nicht verstehen kannst, wieso ich so viele Entscheidungen anders treffe als Du es getan hättest. Aber ich bin nicht Du. Ich habe das Recht frei zu entscheiden, ohne in Deine Fussspuren treten zu müssen, das gefällt Dir zwar nicht, aber damit kann ich leben. Warum kannst Du das nicht?
Und jetzt haben sie es wieder geschafft. Wieder haben meine Gedanken mich überrumpelt, sind einfach so in mein Bewusstsein geschlichen, ohne dass ich es bemerkt habe. Die wievielte Zigarette rauche ich eigentlich?
Langsam wache ich auf, langsam werde ich mir meines Umfeldes wieder bewusst. Es dämmert bereits, ich sollte nach Hause gehen, bevor es kalt wird.
Ich stehe auf und fange an zu laufen. Während ich einen Fuss vor den anderen setze, höre ich plötzlich einen Vogel zwitschern. Ich halte inne und hebe meinen Kopf ein Stück weit dem leichten Wind entgegen, der langsam aufkommt. Ja tatsächlich, ich vernehme Vogelgesang. Und
dann bemerke ich das Rauschen des Flusses, der nur einige Schritte von mir entfernt dahin fliesst. Ich rieche die frische Luft und spüre wieder, dass ich lebe. Dass ich leben will. Dass das Leben mir auch noch schöne Dinge zu bieten hat, ich muss sie nur erkennen und festhalten. So wie in diesem Moment. Einfach mal inne halten und das Leben geniessen.
Einige Minuten später gehe ich weiter. Ich fühle mich wie aufgepumpt mit lauter neuer Energie, ja vielleicht auch ein bisschen mit Glück. Und ja, wenn es eine Zukunft gibt, dann will ich sie.
Zu Hause angekommen ziehe ich singend meine Jeansjacke aus. Ja, ich singe leise vor
mich hin. Über diesen Gedanken schmunzelnd, betrete ich die Küche. Überrascht und im selben Moment schockiert, beende ich mein fröhliches Gesumme. Fassunglos bemerke ich den Zettel auf dem Tisch. Wie konnte ich ihn nur so völlig vergessen? Wie konnte ich bloss glauben, dass doch noch alles besser werden würde? Das würde es vielleicht, irgendwann, aber sicher nicht heute. Ich war in einer kurzen Illusion gefangen gewesen, wie in einer Seifenblase, die nun qualvoll zerplatzt war.
Es ist der Zettel, der mich vorhin völlig aufgelöst das Haus verlassen liess. Augenblicklich habe ich wieder Tränen in den Augen. Ich ergreife das bereits zerknüllte Papier und werfe es in den Müll. Ich will und
ich kann es nicht mehr lesen, nicht noch einmal. Die Nachricht, die meine Schwester mir unter Tränen aufgeschrieben hatte, weil sie nicht fähig war sie laut auszusprechen, verändert sich dadurch nämlich nicht mehr. Gewisse Dinge können wir nicht ändern, so sehr wir uns das auch wünschen. Diese zwei kurzen Sätze noch einmal zu lesen würde nichts an meinem Schmerz ändern. Mit diesem würde ich alleine fertig werden müssen, mutterseelenallein.
Denn Du bist nicht mehr da.
Nachwort
Für Alle, die bis hier hin durchgehalten haben: Ich hoffe, dass es eine angenehme Reise war, nicht zu holprig und mit ein paar schönen Aussichten am Horizont. Und wenn nicht, dann tut es mir aufrichtig leid, ich glaube, ich habe mein bestes gegeben.
Der ganze Text beruht direkt auf meinen tatsächlichen Gedankengängen, die ich ab und an wieder entlang wandere, um hier und dort eine Weile stehen zu bleiben und zu verweilen. Manchmal entdecke ich so neues, das
zwischenzeitlich gewachsen ist, und wenn nicht gehe ich eben noch ein Stück weiter. Aber so real - und vielleicht auch persönlich - dieser Text auch ist, ich möchte doch zu guter letzt darauf hinweisen, dass das Ende, jedenfalls im Moment, noch rein fiktiver Natur ist. Meiner Mutter geht es gut, soweit ich das beurteilen kann. Natürlich hoffe ich es auch. Wenn man nicht vernünftig mit einander sprechen kann, ist das schwer zu beurteilen, doch sie lebt. Vielleicht spiegelt dieser Text einfach nur meine Angst wieder, dass sie eines Tages gehen könnte, ohne dass wir uns je wirklich unterhalten hätten. Ohne dass ich sie mit in meine Welt nehmen konnte, um ihr zu
zeigen, was ich tief in meinem inneren fühle - und wer ich eigentlich bin.
Ohne ihr sagen zu können, wie sehr ich sie trotz allem liebe.
Ich glaube, dies gehört zu den wichtigen Dingen, seinen Liebsten auch mal zu sagen, dass man sie liebt. Ich glaube, das tun wir viel zu selten, weil es wohl so selbstverständlich erscheint. Aber das ist es nicht.
Also nutzt jede Sekunde ihnen zu sagen, was sie Euch bedeuten, damit Ihr es nicht irgendwann bereut.Denn noch sind sie da. Noch ist es nicht zu spät. Aber vielleicht ist es das schon bald.