totenstille
Wenn ich jetzt zurück denke, denke ich das die letzte Chance mich zu retten schon längst verspielt worden war. Die Chance mich auf zu halten gab es nicht mehr. Weder gestern, noch vor einem Monat als man Benny in seinen Innerrein badend im Graben gefunden hat, noch vor einem Jahr als Melisa mit eingeschlagenem Kopf im Tankstellenklo gefunden wurde. Vielleicht hätte man mich vor ein paar Jahren noch retten können. Nein. Stimmt. Ich war schon immer so. Als ich klein war wünschte ich mir eine Katze aber meine Eltern schenkten mir
stattdessen ein Kaninchen. Biene hieß es. Es war ein Kaninchen mit hellbraunem Fell und weißem Gesicht. Mama sagte immer es sei so niedlich gewesen. Keine Ahnung ob Biene das war. Ich fand sie erst dann richtig schön als ihr weißes Gesicht in ihrem Wassernapf lag und das Wasser rot färbte. Auch heute noch kann ich mich gut an das Geräusch erinnern, das Biene von sich gegeben hat als ich ihr den Kopf vom Körper abtrennte. Erst gab es ein Quieken und sie hat versucht zu fliehen, dann gab es ein RATSCH und dann war es wieder still. Ich glaube das ist es was ich daran so mag. Der Lärm und die Stille danach. Es ist so
entspannend zuerst das Schreien und Weinen zu hören und dann Totenstille. Ja, Totenstille. Welch, auf tragische Weise, passendes Wort. Es begann mit Biene. Als ich danach für einige Monate in psychiatrischer Behandlung war, tötete ich die Fische im Aquarium des Therapeuten, in dem ich Spülmittel ins Wasser kippte. Mit 6 Jahren, gab ich dem Hund der Nachbarn Wasser mit Glassplittern zu trinken. Seine Musik war ganz besonders und ich hörte sie nachher nur mehr einmal. Nachdem er das Wasser geschluckt hatte, röchelte er ganz heiser, hustete und rang nach Luft, dann kippte er um, winselte noch ein bisschen und dann war Stille. Totenstille.
Noch im selben Jahr warf ich die Nachbarskatze so oft mit dem Kopf gegen die Hauswand, bis sie sich nicht mehr bewegte. Den Fleck mussten sie übermalen. Mit 8 Jahren tauschte ich den Hustensaft meines Onkels gegen Putzmittel. Er gab nicht allzu beeindruckende Musik von sich aber er war sehr unterhaltsam. Er rannte panisch ins Badezimmer und trank so viel Wasser bis er sich übergeben musste, dann flehte er mich an die Rettung zu rufen. Ich schloss ihn im Badezimmer ein und wartete bis es wieder still war. Mit 9 Jahren fuhr meine Mutter mit dem Auto in den Graben. Das machte mich traurig. Sie war ohne meine Erlaubnis
gestorben. Erst mit 11 erfuhr ich dass sie es mit Absicht getan hatte, seid dem schlief mein Vater auch mit einem Hammer unter dem Kissen und sperrte stets die Zimmertür ab. Also half ich ihm dabei und verbarrikadierte die Tür und die Fenster. Es dauerte fast vier Tage bis er nur mehr Totenstille von sich geben konnte. Mit 12 erwürgte ich meine Zimmergenossin in der Psychiatrischen Anstalt. Ihre Musik war nichts besonderes aber etwas völlig neues für mich. Es hörte sich an als würde sie innerlich ertrinken. Dann trat Schaum aus ihrem Mund und es war wieder totenstill. Mit 15 schaffte ich es ein Messer aus der Küche mit gehen zu
lassen, erstach ein paar Wärter und floh aus der Anstalt, lief zurück in mein altes Haus, wo ich die Familie aufschnitt, die mittlerweile dort wohnten. Ich verschanzte mich erst mal ein paar Tage in dem Haus und hängte die Gedärme der Mutter und des Kindes im Garten an die Wäscheleine, das machte dann doch die Nachbaren aufmerksam und ich landete in einer Gummizelle. Mit zwei Mahlzeiten am Tag, ohne natürlichem Licht, Plastikbesteck und Langeweile ohne Ende. Dann an meinem 17. Geburtstag schaffte ich es so zu tun als währe ich so krank, das sie mich sofort ins Krankenzimmer schafften. Meine Wärter schaltete ich mit ein paar Tritten
in die Magengegend aus und der Krankenschwester steckt heute noch ein Teil der Spritzennadel im Auge. Mit 20 fand ich eine gute Freundin, Melisa. Sie war nett, ich weiß nicht wieso sie mit mir hier war. Wir redeten mit einander, konnten uns aber nicht sehen. Unsere Zellen lagen nah beieinander. Eines Nachts schaffte sie es aus zu brechen und öffnete meine Zelle. Sie sagte mir nicht wie sie es geschafft hatte aber später erfuhr ich durch die Nachrichten, dass sie ihrem Wärter mit ihren Nägeln selbst die Haut vom Gesicht gezogen hat. Um so mehr tat es mir dann leid als ich sie an der Tankstelle am Stadtrand niederschlug und im Klo liegen ließ. Mit
21 war ich in einer anderen Stadt, weit weg, ohne Zuhause, ohne Liebe, ohne Wärme, ohne Freunde aber mit viel Spaß. Ich lernte einen Jungen kennen. Benny. Er war nett und auch sein Herz hat gut geschmeckt. Am Tag zuvor hat er gesagt, es gehörte mir. Vielleicht war es deshalb so gut.