Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand
eines Bürgerkriegs steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Dunkle Energiebänder strömten aus den in der Luft gefangenen Körpern und Verbanden diese wie ein grausames Mobile mit dem in ihrer Mitte stehenden Großmagier. Kellvian Belfare musterte das geschehen teilnahmslos. Er hatte keine Ahnung, was mit ihm geschah. Der Strom der Magie, der durch seine Andern rann erstickte jeden Versuch seinerseits, einen klaren Gedanken zu fassen, oder auch nur zu handeln. Trotzdem sprach er. Ohne es zu
wollen. ,,Seit ihr so verzweifelt, kleiner Zauberer ?“ Quinn lachte. ,,Seit ihr überhaupt noch da Kellvian ? Oder ist da nur noch eine ausgebrannte Hülle? “, fragte er offenbar ohne eine Antwort zu erwarten. ,,Ich…“ Kellvian gelang es ein wenig den betäubenden Einfluss beiseitezuschieben, was immer es war. Es kostete ihn genau so viel Mühe, wie aus seiner Meditation aufzutauchen, wenn nicht mehr. Als schwimme sein Geist durch Sirup. Etwas Fremdes schien für ihn zu handeln… oder durch ihn. Und Kellvian hatte ohne es auch nur zu merken die Kontrolle
abgegeben. Du Narr, du brauchst mich. Die klanglose Stimme in seinem Kopf überraschte ihn. Das war kein Gedanke gewesen… Kellvian spürte, wie es versuchte, die Kontrolle zu behalten. Aber das war sein Körper und sein Geist. So mächtig dieses Ding auch war, es konnte sich seinem Willen nicht lange wiedersetzen. Noch nicht, korrigierte ihn die fremde Stimme. ,, Verschwinde…“ Es überraschte ihn selbst, dass er die Worte laut sagte. ,, Nicht sehr angenehm was ?“ , unterbrach Quinn seinen inneren Monolog.,, Keine Sorge, ihr werdet euch
nicht lange damit auseinandersetzen müssen.“ Die dunklen Energiebänder, welche den Großmagier mit den Toten im Raum verbanden lösten sich auf und die reglosen Körper fielen zu Boden. Kellvian konnte spüren, wie sich die Luft um den Zauberer aufzuladen schien. Die restliche Lebensenergie der Toten der Toten zu stehlen… Melchior hatte einmal gesagt Niemand wäre Wahninnig. Offenbar hatte sich der Seher geirrt. ,, Ihr seit ja Krank.“ Kellvian schüttelte de Kopf, während er Quinn musterte. ,, Was erklärt, wieso man mich geschickt hat, meint ihr nicht auch ? Oh sie wussten was ihr seit… Das müssen sie
gewusst haben. “ Die letzten Worte schien er mehr zu sich selbst zu sprechen. Die ganze Haltung des Zauberers zeugte von Schmerz, während die bedrohliche Aura um ihn fast greifbar zu werden schien. Magie forderte immer einen Preis… Und in diesem Fall war der Magier vielleicht einen Schritt zu weit gegangen. Kellvian wusste, was einem Magier blühte, der seine Reserven überbeanspruchte. Die Folge war der Tod. Aber was richtete ein Strom toter Energie an? ,, Beenden wir dieses Spiel, ja ?“ Der Großmagier des Sanguis-Ordens ließ zum wiederholten Mal Flammen in seiner
Handfläche auflodern. Doch diesmal loderte grün-blaues Feuer in die Höhe, ein Farbton, wie ihn nur Magie erzeugen konnte. Kellvian konnte spüren, wie es trotz der sich sammelnden Funken im Raum kälter zu werden schien. Das unheimliche Feuer spiegelte sich auf den Marmorverzierungen von Wänden und Böden wieder. Was sollte er tun? Es mir überlassen. , meinte jene Fremde Stimme, die er noch nicht ganz aus seinem eist verbannt hatte. Aber fast. Es wäre ein leichtes den Eindringling in seinem Geist völlig auszuschließen. Wieso sollte ich dir trauen? , fragte Kellvian. Weil du sterben wirst, wenn
nicht. Zyle wich unbeholfen einige Schritte zurück, als die magischen Flammen aufloderten. Als wäre es nicht genug, dass dieser Zauberer mit den Toten sein Spiel trieb, jetzt schien er es darauf anzulegen, sie alle zu verbrennen. Er konnte die Hitze des Feuer zwar spüren, gleichzeitig bildeten sich aber kleine Eiskristalle in seinem Fell. Das war mehr als nur unnatürlich, das war völlig verkehrt. Kaltes Feuer… Das wohlvertraute Taubheitsgefühl in den Füße war diesmal kaum mehr zu ignorieren. Auch Kellvian zauderte, als der
Großmagier scheinbar seine ganzen Reserven in den Zauber legte, der alle wärme aus dem Raum vertrieb. Nur Melchior sah zwar mit besorgter, aber eben auch gespannter Mine zu. Wenn Zyle aus dem Seher auch nicht schlau wurde, so schien er zumindest auf ihrer Seite zu sein. Wobei Seite… Er stand auf keiner Seite hier, dachte Zyle. Er sollte die Beine in die Hand nehmen und rennen, solange er konnte. Aber er hatte seine Entscheidung doch schon getroffen, als er den Patrizier nicht getötet hatte. Den Mann, der jetzt trotzdem langsam auskühlend auf dem Boden der Halle lag. Kellvian war in Ordnung, aber in Ordnung genug um hier
zu warten, was geschehen mochte? Ja. Der Mensch hatte sein Leben gerettet, das sollte etwas Wert sein. Gleichzeitig Verstand er immer noch nicht, was eigentlich vor sich ging, davon abgesehen, das dieser Magier versuchte Kellvian zu töten. Und er konnte kaum etwas dagegen unternehmen. Die Kälte war schon vom Rand der Halle aus, wo er und Melchior standen kaum mehr erträglich. Und der Mensch stand dem Großmagier fast gegenüber. Das kalte Feuer flackerte auf, als der Zauberer beide Hände vorstreckte. Wie eine Flüssigkeit liefen die grünen Flammen über seine Finger, bis sie sich an den Spitzen sammelten
und als schillernde Bolzen auf Kellvian zurasten. Einen Augenblick lang blendete gleißend helles Licht alles aus und eine neue Welle aus Kälte raste durch den ganzen Saal. Der Marmorboden sprang stellenweise durch den plötzlichen Temperatursturz auf und Eisblüten bildeten sich an den Überresten der Fenster. Schneeflocken aus gefrorener Luftfeuchtigkeit rieselten herab, als das Licht schließlich verlosch. Nebel trieb um die eine Gestalt, die nach wie vor auf den Beinen stand. Der Großmagier grinste düster. Frost hatte seine Kleider mit einer Schicht aus weißen Kristallen
bedeckt. ,, Ich stimme zu. Beenden wir das hier.“ Das Lächeln verschwand schlagartig von seinem Gesicht. Im nächsten Moment wurde der Mann von den Füßen gerissen und prallte ungebremst gegen die in Trümmern liegende Treppe. Kellvian trat scheinbar unverletzt aus dem eisigen Nebel. Der Großmagier versuchte sich derweil wieder aufzurichten. Grauer Staub hatte sich zu den Eiskristallen auf seinem Umhang gesellt. Die ganze Gestalt des Zauberers zitterte und die Aura aus Magie um ihn war längst verschwunden. Was blieb war ein Mann, der wusste, dass er sich verschätzt hatte. Langsam
stand er auf, ein gequältes Grinsen im Gesicht. ,, Schön.. schön…“ Der Zauberer hustete Blut und nahm die Hände über den Kopf. Die Geste wirkte beinahe lächerlich und vermutlich war Quinn das auch klar. Selbst jetzt spottete er noch über sie alle. ,, Ihr habt gewonnen. Kein Grund gleich…“ Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, bevor er erneut in die Luft gerissen wurde. Kellvian hatte keine Kontrolle darüber, er sah mehr zu was geschah, als das er noch selber eingreifen konnte. ,, Ihr habt versucht uns alle zu töten.“ Und bei den meisten war ihm das sogar
Gelungen. Götter, der Mann hatte nicht einmal auf seine eigenen Leute Rücksicht genommen. Und Markus… Er wollte diesen Kerl sterben sehen. ,,Wie gesagt das war nichts persönliches…“ , erklärte der Zauberer. Ein hässliches Kacken war die Folge, als eine seiner Rippen brach. Immer noch in der Luft schwebend gefangen konnte er nur aufschreien, als sich der gesplitterte Knochen in sein Fleisch bohrte. ,,Kellvian…“ Melchior machte einen unbeholfenen Schritt auf den Menschen zu und diesmal war es an Zyle, ihn zurück zu halten. ,,Ich fürchte das ist nicht mehr Kell…“ Kellvian überging das Streitgespräch.
Seine ganze Aufmerksamkeit ruhte auf dem sich vergeblich gegen den Zauber stemmenden Magier. Dieser Mann war für alles verantwortlich. Jeden einzelnen Toten heute. Für Markus Tod. So wie er verantwortlich für jeden einzelnen Toten in Lore war… Und Kellvian konnte nur sich die Schuld geben, das er Jiy nicht früher die Wahrheit gesagt hatte. Alles um ihn war in wenigen Stunden zu Asche zerfallen wie es schien. Was tat er hier eigentlich? Ein weiteres Leben nehmen. Götter, Quinn mochte ein Bastard sein, aber er war keine Gefahr mehr… ,, Das bin nicht ich. Verschwindet, bevor ich es mir anders überlege Quinn.“ Er
wollte den Zauberer loslassen, fand sich aber unfähig dazu. Töte ihn endlich, wies ihn die Fremde Stimme an. Er konnte den Energiestrom in seinem Blut spüren. Mehr Magie, als er haben sollte… Ein Wort, ein Gedanke und Quinn würde sterben. Hilflos, ohne eine Möglichkeit sich zu wehren. Nein, das würde er nicht tun. Niemals. Kellvian drängte jenen Fremden Einfluss, der ihn überzeugen wollte, den Magier zu töten zurück. Das war nicht er, das würde er nie sein. Was immer es war, das ihn kurzfristig beherrscht hatte, es zog sich langsam zurück und nahm den Energiestrom mit sich, die ihn fast übermannt hatte. Sofort
brach eine Welle aus Schwäche über ihn herein, als die Magie ihren Preis forderte. Quinn stürzte sich überschlagend zu Boden und blieb liegen. Im gleichen Moment gaben Kellvians Beine nach. Er spürte nur noch, wie ihn jemand auffing. Melchior… und Zyle, der den gefallenen Großmagier nicht aus den Augen ließ. Also hatte er heute zumindest ein Leben gerettet… ,, Er ist immer noch Bewusstlos.“ , sagte Melchior. ZYle nickte nur, während er ungehalten auf die morgendämmrigen Straßen hinausspähte.
Sie hatten sich in das kleine Gasthaus zurückgezogen, in dem sie sich vor zwei Tagen bereits einquartiert hatten. Das Chaos in Vara, als man von dem Angriff auf die Universität erfuhr, war beinahe perfekt. Die wenigen Adeligen, die den ganzen Zwischenfall überlebt hatten, gaben sich gegenseitig die Schuld. Und mit dem Tod des Patriziers… Zyle seufzte. Er konnte fast hören, wie sich die Mühlen der Politik drehten. Und bis jemanden auffiel, das an dem fraglichen Abend ein seltsamer alter Mann, ein Gejarn der definitiv nicht aus Canton war und jemand, der seltsamerweise wie der Sohn des Kaisers aussah, anwesend waren, wären sie besser längst fort. Das
hing allerdings davon ab, wann genau Kellvian wieder zu sich kam. Momentan lag der Mensch schlafend in seinem Zimmer und der Seher und Zyle sahen abwechselnd nach, ob sich sein Zustand änderte. ,, Was stimmt nicht mit ihm ?“ , wollte der Gejarn wissen. Soweit er sagen konnte, war der Mensch völlig unverletzt, nur das seine Haare neuerdings dutzende graue Strähnen aufwiesen. Melchior saß ihm gegenüber an einem Tisch und trank eine Tasse honigfarbenen Tee. Mehrere kleinere Schnittwunden verunstalteten das ohnehin abgehetzt wirkende Gesicht des
Sehers. Vermutlich sah er selber kaum besser aus, dachte Zyle. Auch wenn Kellvian seine lebensbedrohlichen Verletzungen geheilt hatte, jeder Atemzug machte sich nach wie vor schmerzhaft bemerkbar. Ein paar Prellungen und oberflächliche Wunden, die sicher in ein paar Tagen Geschichte sein würden. Aber er war dem Tod noch nie so nahe gewesen… Die rothaarige Wirtin der Taverne schien sich glücklicherweise nicht wirklich um ihre seltsame Erscheinung zu kümmern und stellte auch keine Fragen, als sie den nicht ansprechbaren Kellvian hereingetragen hatten. ,, Ihm fehlt vor allem Ruhe. Ich weiß ja,
wie in Laos mit Magiern umgesprungen wird, also ist es nicht verwunderlich, dass euch sein Zustand unbekannt ist. Zauber nutzen die Lebensenergie des Wirkenden. Normalerweise nutzen die meisten Magier verschiedene Speicherkristalle um die ihnen zur Verfügung stehende Energie zu steigern und sich nicht… nun selbst zu Schaden. Kellvian hier hatte leider nur seinen eigenen Lebensfunken zur Verfügung. Die Folgen davon seht ihr jetzt. Keine Sorge, er erholt sich wieder.“ ,, Ich mache mir keine Sorgen um ihn. Geschweige denn um euch.“ ,, Natürlich, deshalb seit ihr bisher auch noch nicht weggerannt, ja ?“ , fragte der
Seher ironisch, aber ohne jede Schärfe. ,, Nein. Laos, ich weiß nicht wirklich, warum ich noch hier bin. Alles hier ist anders als ich es erwartet hatte. Kellvian ist… in Ordnung. Und ihr Seher, geht mir zwar auf die Nerven aber… man kann wohl das gleiche über euch sagen. Und Jiy… tja, ich fürchte, das hat sich sowieso erledigt, wie? “ ,, Wir werden sehen. Wisst ihr ich kenne Kellvian länger, als er das weiß. Er hat immer Angst, irgendjemanden zu verletzen und doch scheint genau das immer wieder dazu zu führen… Ich habe keine Ahnung, was mit ihm in dieser Halle passiert ist.“ ,, Der Großmagier nannte ihn einen
Seelenträger.“ Melchior nickte. ,, Ich weiß zwar, was er meinte… aber das ist schlicht unmöglich. Es gibt durchaus auch andere Erklärungen. Kellvian wäre nicht der erste, der seine Fähigkeiten schlicht unterschätzt hat.“ ,, Wieso wäre das Unmöglich ?“ ,, Ein Seelenträger ist jemand, in dem eine Seele aus dem alten Volk halt gefunden hat. Die mächtigsten ihrer Zauberer konnten ihren geist offenbar vom Körper trennen und es ist anzunehmen, das einige von ihnen das auch während des Untergangs ihrer Zivilisation getan haben. Normalerweise hätten diese Seelen sich dann neue
Körper gesucht, nur fanden sie in diesem Fall natürlich keine mehr vor. Den so ähnliche Menschen dem alten Volk auch sein mögen, wir sind nun einmal mal keine Mitglieder ihrer Art, auch wenn ihr Blut in einige von uns weiterlebt.“ ,, Wie kann dann…“ ,, Ein bisschen Geduld.“ , erwiderte der Seher. ,, Seelenträger mögen mächtig sein, aber sie sind auch unkontrollierbar. Meist sind die Seelen des alten Volkes zu schwach um wirklich Kontrolle auszuüben, außer unter Extrembedingungen oder… wenn man es ihnen erlaubt. Aber wir reden hier von Wesen, , die seit Jahrtausenden im Zwischenreich existieren. Viele von
ihnen sind nach all der Zeit schlicht Wahnsinnig. Und wenn einer von ihnen einen Zauberer übernimmt… Ihr könnt es euch denken. Tod, Zerstörung und jede Menge unschöne Sachen. Glücklicherweise reicht es nicht einfach nur einen Teil des Bluts des alten Volkes zu besitzen. Ein Seelenträger müsste schon fast ein Mitglied des alten Volkes sein. Das heißt beide Elternteile müssten über das Erbe des alten Volkes verfügen. Übrigens ein weiterer Grund, aus dem der Orden bemüht ist, alle Zauberer unter seiner Fuchtel zu halten und keine außerhalb seiner Reihen duldet. Niemand möchte Wahnsinnige Zauberer.“ ,, Ich verstehe nicht
genau…“ ,, Der Kaiser trägt zwar das alte Blut in seinen Adern, es ist also klar, woher Kellvian seine Begabung hat.“ ,, Nun ja…“ , setzte Zyle an. Wenn Stimmte, was der Patrizier ihm erzählt hatte, dann sah die Sache doch etwas anders aus. Seltsam, das Melchior das nicht wusste… Es war ein wenig erleichternd, mal etwas zu Wissen, das dem Seher unbekannt war. ,, Markus hat mir gestern kurz vor seinem Tod etwas erzählt. Von einer Frau namens Silvia Belfare.“