Nachts in Regensburg Das Gedächtnis der Steine
Manchmal nachts
wenn es still wird
kann man die Mauern sprechen hören
anfangs dachte ich
es ist der Wind
der sich durch die Gassen quält
heute weiß ich
es sind die alten Häuser
viele sind traurig weil ihnen keiner zuhört
oder ihre Sprache niemand mehr versteht
auch ich kapier nicht alles
mein Latein ist lausig
und Französisch nicht mein Ding
aber was ich auf die Reihe bringe
ist Stoff für einen guten Film
geliebt und gehasst wurde in ihnen
geboren
gestorben
geweint
gelacht
in guten Zeiten
haben Musiker und Poeten
sie bewohnt
in schlechten
Nazis mit rohen Stiefeln sie geschändet
Päpsten und Henkern haben sie gelauscht
Heiligen und Huren
Feiglingen und Helden
und glaubt mir
Steine haben ein verdammt gutes Gedächtnis
die vergessen nichts
und ab und zu
wenn Luft aus Süden über die Alpen schwappt
und es so ein bisschen nach Italien in den Altstadtgassen riecht
dann fangen die echt an zu summen