Wie ich zum Schreiben kam
Marita lernte ich bei einer Reha kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Auf unseren langen Spaziergängen auf dem Deich von St. Peter Ording hatten wir lange Gespräche , die über das Allgemeine hinweg gingen, Und stellten so viele Übereinstimmungen fest.
Sie war Lehrerin, immer gut gelaunt, ein wenig verrückt,und ermunterte mich, zu meinem Interessengebiet Literatur , und dazu selbst darin kreativ zu werden.
Da ich ihr viel aus meinem nicht gerade langweiligem Leben erzählte, hatte sie die Idee, ein Buch über verschiedene Frauen in ihrem Freundeskreis zu
schreiben.
Nun bat sie mich, doch alles mal aufzuschreiben, was ich ihr erzählt hatte.
Was für eine Aufgabe ! Entsetzt lehnte ich ab. Wie sollte ich kleines unbedarftes Würstchen denn so etwas zu Papier bringen !
Doch nach einigem Nachdenken, als ich wieder zu Hause war, ließ mir der Gedanke keine Ruhe. Wenn Marita mir so etwas zutraut, warum denn nicht. Ich könnte es ja mal versuchen !
Und als ob es so sein sollte, las ich in der Zeitung , dass ein Wochenendkurs bei der VHS „Schreibwerkstatt „ angeboten wurde. Sollte ich es wagen
?Kurzentschlossen meldete ich mich an.
Das Wochenende kam. Natürlich hatte die Straßenbahn mal wieder Verspätung. Ist doch immer so, wenn man was vor hat. 10 Minuten zu spät !
Na endlich ! Schnell stieg ich ein und sah mich um. Da war noch ein Platz frei.
Mir gegenüber saß eine Dame mit sehr weißem Haar. Sie lächelte mich mit ihren sehr blauen Augen an. Dieses Blau hatte die Farbe eines tiefen Bergsees.
Ihr Gesicht war eine Landschaft gelebten Lebens, gütig und weise.
Passend zur Farbe ihrer Augen eine blaue Wolljacke mit Kapuze, und eine blaue Baskenmütze.
„Ganz schönes Schietwetter, was ?“
sagte sie. Ich nickte und lächelte zurück.
Nach 3 Haltestellen, dort, wo auch ich hin wollte, stand sie auf. Sie trug Stiefel, die man zu Röcken trägt. Die Haltestelle war die VHS. Draußen nieselte es so vor sich hin. Ich bot ihr an, sie ein Stück unter meinem Regenschirm mitzunehmen, was sie dankend ablehnte. „Ich liebe den Regen“ sagte sie, „er ist gut für die Haut.“
Sie lief vor mir her. Ihr Gang war schwingend. Das rechte Bein schwang nach außen , das Linke geradeaus. So konnte ich ihre Behinderung erkennen.
Und sie lief in den gleichen Eingang, in den ich hinein wollte.
Wir betraten gemeinsam den Fahrstuhl
und drückten beide auf die 2. Etage.
„Wie schön,“ dachte ich „eine Mitschülerin“. Sie sah sie mich an. „Na, wollen sie auch zu der Schreibwerkstatt?“ fragte sie mich spitzbübisch grinsend. Irritiert schaute ich sie an. „Ja, sie auch ?“ Der Fahrstuhl hielt. „Na, dann wollen wir mal“ Ihre Augen blitzten mich an und ich glaubte etwas Schalkhaftes in ihnen zu erkennen.
Gemeinsam steuerten wir den Klassenraum an, in dem sich schon 8 andere Leute befanden. Mit schwingenden Schritten steuerte sie auf die Mitte der Tische zu, die im Raum zu einem Rechteck angeordnet waren. „Dann
möchte ich mich doch erst einmal vorstellen“ sagte sie „mein Name ist Eva und ich werde in den nächsten 2 Tagen ihre Lehrerin sein.