Die sprechende Rose teil 2
Mein Abenteuer mit der sprechenden Rose lag nun schon eine Weile hinter mir, ich war nun schon 12 Jahre alt, aber diese Frage, die ich ihr damals stellte und deren Beantwortung offen blieb, die bewegte mich immer noch, wenn auch auf andere Weise. Waren meine Eltern wirklich `meine´Eltern?
Inzwischen hatte sich aber der Blickwinkel geändert, denn es ging nun nicht mehr um meine Angst, sie könnten es nicht sein, als vielmehr um den Wunsch, sie mögen es nicht sein.
Das klingt hart, aber aus meiner Sicht gab es einige Gründe dafür, mir das zu
wünschen, zu wünschen, es möge sich als entsetzlicher Fehler herausstellen, als Verwechselung im Krankenhaus oder so und eines Tages würde ich meine wahren, liebenden Eltern kennen lernen.
Da war so vieles, dass für mich zum Verhalten von Eltern, wie ich sie mir vorstellte, nicht passte, zu vieles.
Allein schon die Tatsache, dass meine Mutter mich, bei meinen kindlichen, nicht nachlassenden Versuchen, etwas Nähe von ihr zu erschleichen, mich stets beiseite schob, wie in lästiges Insekt, sie mich mit den Armen von sich strich, um jeder Berührung aus dem Weg zu gehen. Allein das nährte diese Wunsch, das alles möge sich als tragisches
Missgeschick heraus stellen.
Allein schon die Tatsache, dass meine Mutter mir suggerierte, sie müsse meinen Vater über mein wahres Tun und Handeln belügen, weil er die Wahrheit niemals würde billigen und ertragen können, das nährte meinen Wunsch.
Wie schrecklich musste ich denn sein, wenn sie die moralische Last der Lüge gegen ihren Ehemann auf sich nehmen musste, wegen mir, zu meinem Schutz.
Ihre stetige Position zwischen mir und meinem Vater lernte sich mich als Schutz vor ihm zu deuten, womit er zum schwarzen Mann wurde, vor dem man sich in Acht nehmen musste. In den seltenen Momenten einer direkten
Begegnung war er so weit von allem entfernt, was in seinem Hause hinter seinem Rücken geschah, dass er gar keine Chance hatte, sich irgendwie passend zu verhalten. Er war draußen. Er war draußen, war weg, war distanziert, was ich als Kind nur deuten konnte als mangelnde Liebe.
Erst recht spät habe ich die Rolle meiner Mutter in diesem bösen Spiel erkannt, einer Mutter, die sicher niemandem etwas Schlechtes wollte, sondern selbst Opfer ihrer eigenen Befindlichkeiten war.
Aber welche Möglichkeit hatte ich als Kind, diese ganzen Verflechtungen zu erkennen? Ich erlebte nur die sich aus
all dem ergebende Kälte, die mich ständig umgab.
Und was habe ich nicht alles getan, um etwas daran zu ändern, um ein klitze kleines bisschen Wärme zu erhaschen ?
Kinder sind von dieser Nähe und Geborgenheit abhängig, soll sie doch das an Sicherheit in ihnen aufbauen, das sie brauchen, um sich alsbald in kleinen Schritten in ein eigenes Leben zu begeben, ohne dabei von Furcht und Minderwertigkeitsgefühlen herum geschubst und behindert zu werden.
Aber nun zurück, zurück zu den Jahren, in denen mir naturgemäß jegliche Einsicht in diese Zusammenhänge fehlte.
Wenn diese beiden Menschen tatsächlich
meine Eltern wären, dann hätten sie doch auch merken müssen, dass sich in mir seit einer ganzen Weile etwas verändert hatte. Aber - das war nicht geschehen !
Damals, als ich, gerade mal 8-jährig, an diesem ganz speziellen Tag zu spät nach Hause kam, da hatte ich mangels anderer Vokabeln und immer noch verwirrt vom Geschehenen gesagt, der Mann habe mich aufgehalten und mich….geküsst. Hatte er ja auch, aber er hatte dabei nicht aufgehört. Doch, was sollte ich sagen und wie ? Mir fehlte alles, was ich dazu gebraucht hätte, die passenden Worte und das nötige Vertrauen. Ich hatte nur Angst, jetzt auch noch wegen
meiner Verspätung Ärger zu bekommen.
Statt dessen wurde ich darüber belehrt, wie verwerflich es sei, gegenüber Mitmenschen solch böse Anschuldigungen zu erheben. Meine Mutter verstieg sich auch noch zu einem beschwichtigenden, `dann müsse der Mann mich ja recht lieb haben, wenn er mir einen Kuss gegeben hätte´.
Das hat sich sehr fest eingeprägt in meinem Kopf. Sehr fest. Sie fragte nicht nach meinen Empfindungen, die waren auch in diesem Moment offensichtlich nicht von Belang, sie brachte mir, mit nicht absehbaren Folgen, bei, alles immer aus den Wünschen und Bedürfnissen des Gegenübers zu
betrachten.
Das Signal war glasklar : Erfühle das Gegenüber, nur das zählt. Schöpfe deine Erfüllung daraus, dem Gegenüber zu dienen.
Sicher, die Fähigkeit sich in andere hinein zu versetzen ist etwas sehr wertvolles, aber das Unvermögen sich selbst wahr zu nehmen ist letztendlich tödlich.
Ihr seht, der Wunsch, es mögen irgendwann von irgendwo meine wahren Eltern erscheinen und mich liebend in die Arme schließen, dieser Wunsch entstand nicht aus dem Nichts.
Aber für den nächsten Schritt brauchte ich wiederum ein paar Jahre eigener
Entwicklung, von der ich aber später berichten werde.