Ich starrte wie gebannt auf den Spiegel, als würde ich erwarten das mir gleich irgendeine Gestalt erscheint. Zum Glück blieb das aus. Ich schüttelte den Kopf und wunderte mich über meine eigenen Gedanken. Jetzt hatte Jack mich schon angesteckt. Wahrscheinlich hatte er das selber eben gemalt, als ich auf der Toilette war, um mich zu erschrecken. Ich zog ein paar Kosmetiktücher aus der Box und wischte über den Spiegel. „Essen ist fertig!“ rief meine Mutter von unten. Ich nahm den Nagellack vom Bett und drehte den Verschluss extra fest zu. Dann legte ich ihn in meine
Schreibtischschublade. Meine Mutter saß schon am großen, runden Essenstisch. Es gab Nudel, mein Lieblingsessen. Mum fragte mich zwischen zwei schlucken Cola. „Schläft Jack heute hier?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht hat er Angst vor Werwölfen im Wald.“ Unser Haus hatte direkt einen riesigen Wald hinterm Haus. Als Kind hatten wir dort immer Verstecken gespielt. Die Reaktion meiner Mutter überraschte mich. Sie knallte das Glas auf den Tisch, sodass es zersprang. Ich sah sie mit erhobenen Augenbrauen
an. „Du und Jack, ihr kennt euch seid dem Laufstall! Ich will nicht das du so über ihn redest, nur weil er vielleicht anders ist, ansonsten sag ich ihm das er einfach nicht mehr kommen soll und dann ist das Problem gelöst! Hast du das verstanden, Melodie?“ Ich konnte nur nicken. Mum wurde nie laut, egal was ich anstellte oder verbrochen hatte. Sie musste wirklich wütend sein.Außerdem war das ihr Lieblingsglas gewesen war. Es hatte ihrer Großmutter gehört. Sie war für sie eine bessere Mutter gewesen, als ihre eigene. Sie hatte nur ihr Aussehen im Kopf gehabt. Selbst noch mit sechzig. Im
Wohnzimmer klingelte das Telefon. Ohne ein weiteres Wort stand Mum auf und verließ den Raum. Ich starrte ihr hinterher. Schuldgefühle nagten an mir. Mum liebte Jack wie einen Sohn, sie hatte immer einen Sohn gewollt. Das wusste ich, aber trotzdem fühlte ich mich mies wenn sie es mal wieder sagte. Natürlich nie direkt, sondern immer verschlüsselt. Seufzend aß ich auf, aber ich schmeckte kaum was. Es fühlte sich an wie Pappmasche. Danach kramte ich das Geschirr weg und schlurfte ins Wohnzimmer. Mum war noch am telefonieren. Sie lief nervös im Raum auf und ab. Eine ganz untypische Geste von ihr. Ich runzelte die Stirn.
„Mum?“ fragte ich leise. Sie drehte sich zu mir um und mir blieb zum zweiten mal am diesem Tag das Herz stehen. Sie weinte. Das letzte mal hatte sie geweint, als ich sie nach Dad gefragt hatte. Das war vor zirka einen Jahr gewesen. Mum war eigentlich unerschütterlich und selbst wenn etwas war, weinte sie nicht. „Ja, ich sag ihr Bescheid. Halt mich auf dem Laufenden. Bis dann.“ Mit zitternden Händen legte Mum auf und ließ sich auf die Couch fallen. Ich ging auf sie zu und setzte sich neben mich. Weitere Tränen liefen über ihr blasses Gesicht. Ihre schöne Olivfarbener Hautfarbe war komplett
verschwunden. „Was ist los?“ fragte ich mit matter Stimme. Nicht viel brachte sie aus der Fassung. Also war es schlimm. Sehr schlimm. Und ich behielt recht. „Aleks hat Jack eben abgeholt.Mit dem Auto.“ Mum stockte und schniefte. Ich erstarrte. „Sie wollten Lea bei einer Freundin abholen. Auf der Schnellstraße...sie hatten einen Unfall.“ Ihre Stimme war leise und Tränenerstickt. Mir lief es kalt den Rücken runter und eine eisige Hand schloss sich um mein Herz. „Jack und Aleks liegen beide im Krankenhaus. Die Ärzte sagen es sei ein Wunder, das sie noch
leben.“ „Oh mein Gott.“flüsterte ich. Jack hätte sterben können. Und wir hatten uns gestritten. Ich sprang auf und rannte in mein Zimmer und zog meine Jacke über. Ich riss die Haustür auf und rannte über den Hof. Ich hatte nur noch einen Gedanken. Ich musste sofort zum Krankenhaus. Zu Jack. Ich sprang auf mein Motorrad und sauste über die Straße. Eigentlich sollte mich die Geschichte lehren sich an Regel zu halten, beim Fahren, aber ich konnte nicht darüber nachdenken. Ich fuhr noch schneller als könne Jack jeden Moment tot umkippen. Am Krankenhaus angekommen, ging ich zum
Empfangsschalter. Alles in diesem Gebäude war weiß. Wirklich alles. „Ich wollte Jack Betron besuchen. In welchem Zimmer liegt er?“ „Sekunde, bitte.“ sagte die Frau desinteressiert und tippte etwas im Computer ein. „Zimmer 03, erster Stock.“ Ich bedankte mich schnell. Im Fahrstuhl überkam mich das Gefühl beobachtete zu werden, das erste mal.
Der Fahrstuhl hatte sich noch nicht richtig geöffnet, das sprang ich schon heraus. Ich sprintete den Flur entlang und riss die Tür auf. Der Raum war voll, aber Jacks Eltern waren natürlich nicht da. Nur Lea und ihre fünf Brüder. Lea tat mir leid. Das einzige Mädchen unter sieben Jungs. Aber konnte man als Mädchen sicherer sein, als mit sieben älteren Brüdern? Konnte ich mir nicht vorstellen. Als Lea mich sah kam sie auf mich zu und fiel mir in die Arme. Ich kannte sie seid ihrer Geburt. Die jüngste der Familie, mit dreizehn. Sie hatte die selben dunklen Haare wie alle in der
Familie, außer Aleks. Er hatte das dunkelblond, seiner Mutter bekommen. In Leas Moosgrünen Augen schimmerten Tränen. Sie glichen so sehr Jacks Augen, das meine ebenfalls verdächtig anfingen zu brennen. „Jack hat es schlimmer erwischt als Aleks. Die Ärzte können nicht sagen, wie er mit der Verletzung überleben konnte.“ flüsterte Julien. Lea schniefte und ich zog sie enger an mich. Sie hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Jack. Ich fand es unfair, das es Jack schlimmer erwischt hatte. „Sehr nett.“ flüsterte eine schwache Stimme von einem der Betten. Ich verzog angewidert denn Mund. Aleks
war also schon wach, während Jack noch kämpfen musste. Ich sah Aleks an. „Ja und ich würde dich sofort gegen ihn eintauschen.“ Aleks schloss wieder die Augen, als ich ihn mit Blicken durchbohrte. Ich wusste das es nicht nett war ihn so zu behandeln, aber ich konnte nicht anders. Es fühlte sich für mich so an, als wäre das seine Schuld. Ich wusste nicht warum. Aleks hatte mir nie was getan, aber ich mochte ihn einfach nicht. Vielleicht lag es daran, das er mich, obwohl er nur zwei Jahre älter war als ich, also neunzehn, behandelte wie ein Kleinkind und mich bevormundete. „Melodie, du kannst Aleks wann anders
anfauchen, das ist jetzt nicht angebracht.“ meldete sich Luk zu Wort. Ich sah ihn überrascht an. Er redete nie mit mir. Er konnte mich nicht leiden, weil er das Gefühl hatte ich würde ihn seinen Bruder klauen. Seinen Zwillingsbruder. Aber so ähnlich sahen sich beiden auch nicht, außerdem was konnte ich dafür wenn Jack lieber bei mir war, als zu Hause? Ich holte tief Luft und trat zu Jack ans Bett. Er war an unzählige Monitore angeschlossen und hatte einen dicken Verband um den Kopf. Sein beiden Beinen waren geschient. Seine Lippe war genäht worden. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und die Tränen
liefen über. Jemand legte mir die Hand auf die Schulter. Ich drehte den Kopf und sah in Lukes Augen. Auch er hatte das Moosgrün, das alle Betrons hatten. Er sah mich Mitfühlend an. Ich war mal zwei Monate mit Lukes zusammen gewesen. Hatte aber nicht geklappt. Jetzt war er nach Jack mein bester Freund. Ich drückte mein Gesicht an seine Schulter und lies den Tränen freien lauf, bis sein T-shirt ganz nass war. In der Zwischenzeit kam eine Schwester rein und redete mit Luk. Ich konnte durch mein schlunzen nicht viel hören, aber ich bekam so was mit wie „hoher Blutverlust“ und „Koma“. Ich wollte das nicht hören. Aleks konnte sie
schließlich nicht meinen. Er war wach. Ich sah zurück zu ihn und goldene Augen erwiderten meinen Blick. Nicht grün. Strahlendes Gold. ~~~~~~ Ich hatte es geschafft. Ich konnte es nicht fassen, nach fünfhundert Jahren suche, einen Körper gefunden zu haben. Der Junge war nach dem Autounfall sofort tot gewesen und ich war in der Nähe. Und ich hätte es schlimmer erwischen können. Der Junge hatte dunkelblonde Haare, wie ich sie auch gerne gehabt hätte und das Gold meiner
Augen hatte ich übernommen. Ich sah das Mädchen an, was sich an einer Schulter meiner „Brüder“ die Augen aus heulte und mich gelegentlich böse anstarrte. Sie hatte diesen „Aleks“ wohl nicht gemocht. Schade. Sie war verdammt hübsch. Sie erinnerte mich an Juliane, meine Frau, die von einen Dämon getötet wurde, bevor ich selber einer wurde. Das war ein Schlag gewesen. Mehrfach hatte ich versucht mich umzubringen. Hatte irgendwann geklappt. Nur leider wurde ich dann zu einem Körperlosen Geist. Also würde ich lieber leben. Das Mädchen, das alle, Melodie nannten, fing wieder an zu weinen und ich schloss die Augen.
Warum auch immer, es machte mich traurig sie weinen zu hören. Ich musste mich erst mal wieder an Emotionen gewöhnen.