Kurzgeschichte
Als das Herz noch Laute malte...

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"Jemand der nicht sprechen kann, hat einem kleinem Mädchen viel zu sagen."
Veröffentlicht am 06. April 2014, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

https://www.facebook.com/pages/Lovemetal/383007108462303 Darf konstruktiv und abartig kritisiert werden. Macht nur leider keiner.
Jemand der nicht sprechen kann, hat einem kleinem Mädchen viel zu sagen.

Als das Herz noch Laute malte...

Man muss kein Wortkünstler sein, um lautmalen zu können, im Gegenteil sind die Künstler unter den Lautmalern meist ohne Worte, sondern reihen Silben aneinander, sprechen somit eine, nur ihnen eigene Sprache, die einer Phantasiesprache gleicht, und die niemand außer ihnen versteht, da sie ja ihrer Phantasie entspringt. Diese Phantasie begabten Menschen sind oft geistig behindert oder geistig minderer Intelligenz und so war auch der erste Lautmaler, dem ich in meinem Leben begegnete geistig ein völliger Vollnarr. Zudem konnte der jugendliche Knabe nicht gehen und seine Hände und Mundwinkel neigten sich wie welke

Blätter gen Erde. Scheinbar war er lange nicht gegossen worden, denn unentwegt stieß er die Laute „Ma“ hervor, die in einem Zweitakt Verschen mal fordernd, mal flehend, ja sogar teilweise wütend seinen sabbernen Mund entglitten. „(to) float“ heißt auf englisch schweben oder gleiten, und ich merkte mir diese Vokabel mit der Flut Speichel und den Silben, die dem Lautmaler damals entglitten und gen Himmel schwebten, gefolgt von seinen gen Horizont verdrehten Augen. Damals kannte ich die Vokabel nicht mal in meiner Muttersprache, denn erstens drückten sich meine Eltern wenig vielfältig aus und zweitens war

ich erst acht. Freilich hätte ich sie kennen können, aber erstens bekamm ich erst ein halbes Jahr später zu meiner Kinderkommunion Bücher geschenkt und zweitens gaben meine Gesprächsparnter, in Form zweier Schwestern, die einmal körperlich und einmal geistig im Kleinkindalter waren, wenig In-put. Wir Geschwister spielten nicht unweit des Lautmalers, der in seinem Rollstuhl neben zwei Frauen stand, mit dem Skatboard meiner älteren kleinen Schwester und obwohl ich immens interessiert mit dem fahrbaren Untersatz beschäftigt war, zeigte ich durchaus Interesse an der Unterhaltung der beiden Frauen mittleren Alters und

dem jungen Burschen. Der Junge hielt des Frauen Hand, die unmittelbar neben ihm stand. Diese schaute auf ihn herab und schüttelte öfter den Kopf, während die Zweite eifrig vor sich hin plapperte. Der Junge malte „Ma – Ma“, Pause „Ma -Ma“ Laute in den aufgeklärten Himmel, betonte stark, sang mit Gefühl und Sekret tropfte von seinen Lippen im Takt dieses Liedes. Einige Tropfen besprenkelten die Hand, die er lose ergriffen hatte, sammelten sich dort bis eine gewisse Menge beisammen war und dann floss dieser Mundmatsch wie Tränen die Finger entlang bis sie letztendlich wieder auf der Hose des Spenders landeten.

Wenn eine Träne floss, spannte sich das Gesicht der Frau an und das stetige Lächeln zuckte kurz bis es wieder in Position gebracht wurde. Diese Frau sagte nicht viel, sie sagte „Nein!“, „Ja?“ und „Ach Gott“ und obwohl sie ebenfalls ihre Worte stark betonte und wenige Silben sprach, war sie kein Lautmaler, und würde es niemals sein. Das würde mir plötzlich ganz bewusst. Mehr noch, sie war weder fähig die Schönheit der Laue, die jetzt „Mmm“ und „Hhh“ in ein Wort verflochten, und mir ein viertel Jahrhundert später beim Liebesakt mit einem, ebenfalls diese Laute rufenden, Mann wieder begegneten, zu erkennen, noch

verstand sie die Bedeutung der Phantasiesprache, was freilich nicht jeder kann, da es die Sprache des Herzens ist. Da ich die Frau gut kannte, wusste ich das sie Fremdsprachen nicht beherrschte, erst recht nicht die Sprache des Herzens. Die andere Frau schien ebenfalls diese Sprache nicht fließend zu beherrschen, denn sie hätte ihre Ausführungen über das Schicksal des Jungen, der ebenso wie meine Schwester kein Besucher dieses Ortes war, sondern es ihr „Heim“ nennen mussten, ansonsten nicht an die Lächelne verschwendet. Als wir zum Wagen zurück gingen, wo mein Vater bereits wartete, wie immer

war er unsichtbar geblieben, waren ausnahmsweise nicht irgendwelche Familienkonstrukte das Thema, sondern der „ekelhafte Krüppel“.

Ich hingegen lächelte jetzt, hatte mein Herz wieder verschlossen, da niemand mehr seine Sprache sang und wusste seit dem, dass sie nicht die schlimmste ihrer Gattung war.

Der Lautmaler hatte es mir erzählt.

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Darf konstruktiv und abartig kritisiert werden.

Macht nur leider keiner.





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Sealord Gut beobachtet und berührend geschrieben!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
Lovemetal Vielen lieben Dank, es freut mich so sehr, dass es euch berührt hat.
Eure Komplimente machen mich sehr stolz.
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Danke für diese Gedanken! Du hast mich auch betroffen gemacht, weil ich daran denken musste, dass sich die Kids heutzutage - in der Smartphonegeneration - immer seltener die Zeit für Derartiges nehmen oder nehmen können. Beim Online-Chatten verstümmeln die Sensoren dann endgültig.
lg SF
Vor langer Zeit - Antworten
Karindolittle Du Liebe, ich bin völlig hin und weg von dieser wunderbaren Geschichte, die mir zu real scheint ,um reines Ergebnis einer Fantasie zu sein. Ich habe mich definitiv in diesen Text verliebt, denn es stimmt so sehr, Kinder sprechen und verstehen diese Sprache, aber es gibt nur sehr, sehr wenige, die sich das bis ins Erwachsenenalter erhalten können oder überhaupt wollen. Vielen Dank für dieses kleine Kunstwerk. Ganz liebe Grüße von Karin
Vor langer Zeit - Antworten
matgy Das ist eine extrem gute, starke Erzählung. Wirklich genial in ihrer klaren Aussage. Dein Schreibstil ist enorm gut, vielfältig, berührend!
Lieber Gruss, Matthias
Vor langer Zeit - Antworten
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