Beitrag zum Forumsbattle 31
Thema: Umwege
Wortvorgaben:
Schürzenjäger
straucheln
Schnupfen
Zauberzone
gewichtig
welk
Krieg und Frieden
Klangspitzen
Sturm
Kirschblütenblatt
Sahnehäubchen
Philosophie
„Danke, mein Kind.“ Lächelnd schaue ich der Kleinen nach, die mir soeben eine Tasse ‚Beste Bohne serviert hat. Wirklich hübsch, das Engelchen.
Also dieser Duft, einmalig, und erst das Sahnehäubchen obenauf. Ja, Kaffee kochen können sie, die Wiener. Ein sauberes Lokal, dieses ‚Cafe Wien, werde öfter hier her kommen, zumal auch die Aussicht sehr verlockend ist und damit meine ich nicht die sogenannten Zauberzonen der holden Weiblichkeit. Darüber bin ich hinweg, obwohl… egal, ich habe jedwedem Laster abgeschworen, Luzifer in die Hand versprochen, mich in Zukunft an die Gesetze des Himmels zu halten. Er hätte mich
ansonsten nie gehen lassen, doch nach so langen Jahren im Fegefeuer - bei zweihundert habe ich aufgehört zu zählen - war es an der Zeit, mich etwas zu verändern. Ich denke, ich habe genug gebüßt für meine kleinen, amourösen Abenteuer.
Schürzenjäger waren im gesamten Saunabereich nicht gerne gesehen, immer wieder verdonnerte er uns zur Strafarbeit in den Wäldern oder zum Feuer schüren nah am Herd. Ob er vielleicht gar neidisch war, denn mit einem Teufel lässt sich vermutlich kein Mädchen freiwillig ein, oder doch? Mir hat es immer Spaß gemacht und den Damen auch, denn es hat sich, soviel ich weiß, nie eine ernsthaft beschwert. Den kleinen Umweg über das Fegefeuer nehme ich gerne
in Kauf, denn es hat sich gelohnt.
Nun bin ich endlich im Himmel.
Muss sagen wirklich ein tolles Etablissement. Man hat uns nicht zu viel versprochen, damals in Venedig. Die indirekte Beleuchtung, die Farbspiele, die Freundlichkeit des Personals und nicht zuletzt die Verpflegung, alles erstklassig. Vor allem das Sternenballett, jedes Sternchen eine wahre Augenweide. Ich muss unbedingt die Primaballerina nach ihrer Zimmernummer fragen, natürlich aus reinem Kunstinteresse.
Gut, diese ewige Musikberieselung durch die Engelschöre ist nicht unbedingt mein Fall, diese hohen Klangspitzen der Sopranistin beim "Ave Maria" schmerzen zuweilen, sind sie doch nicht immer lupenrein, um nicht zu
sagen eine Beleidigung meiner Ohren. Für einen ehemaligen Orchestergeiger eine Katastrophe.
Ich nehme einen kleinen Schluck aus meiner Tasse und rücke den Stuhl näher an das große Panoramafenster.
Genießerisch lasse ich jeden Tropfen dieses köstlichen Getränkes auf der Zunge zergehen.
Natürlich gab es auch im Fegefeuer Kaffee. So ganz rückschrittlich ist man auch dort nicht mehr. Doch das fiel eher unter die Bezeichnung ‚Blümchenkaffee, es enthielt Gerste und Zichorie und wurde zur Strafverschärfung oft noch mit Bittersalz versetzt, es schmeckte schauderhaft.
Wie lustig die kleinen Menschlein da unten
hin und her wieseln, immer dem Geld hinterher. Wenn es wenigstens Gold wäre, aber so… ich kann es nicht begreifen.
Für mich gab es nur eine Macht auf Erden und das war die Liebe. Ihr habe ich alles untergeordnet, sogar mich selbst.
- Liebe das Leben und lebe die Liebe - das war meine Philosophie.
Ich durchwanderte tiefe Täler der Verdammnis, um bald darauf wieder auf den höchsten Gipfeln der Lust zu verweilen. Trotz vieler Umwege auf verschwiegenen Pfaden, erfreute ich mich an jedem Kirschblütenblatt am Wegesrand.
Sicherlich gab es auch weniger lustige Ereignisse. Als ich einmal als angehender Priester in der Kirche San Samuele betrunken
von der Kanzel fiel, löste das einen Sturm der Entrüstung aus. Bald darauf gab ich den Priesterberuf auf.
Ich wollte die Welt erkunden, interessante Menschen kennen lernen, ja vielleicht sogar unsterblich werden. Und wenn ich heute so zurück blicke, ist es mir ja auch gelungen.
Soeben fliegt Rom am Fenster vorüber. Der Vatikan…der Papst…Erinnerungen steigen hoch. Ob sich wohl Papst Benedikt XIV. noch an unsere amüsante Plauderei erinnert. Er erlaubte mir sogar verbotene Bücher zu lesen, was einige wesentliche Bildungslücken für immer schloss.
Holland, Deutschland, die Schweiz, England, Russland, all diese Länder habe ich einmal bereist. Die Welt scheint sich immer schneller
zu drehen und meine Gedanken tauchen immer tiefer in die Vergangenheit ein.
Katharina, die Große, ihres Zeichens Zarin, war zwar schon etwas verwelkt, doch durchaus eine interessante Frau, als ich sie kennen lernen durfte. Leider hatte sie keine Verwendung für mich, so dass ich nach Polen weiter reisen musste, um dem dortigen König meine Dienste anzubieten. Ein Fehler, wie sich hinterher herausstellen sollte.
Denn hier holte mich die Liebe wieder einmal ein, und ich wurde bei einem Duell um eine Frau schwer verwundet. Gott sei es gedankt, es dauerte nicht lange und ich erholte mich gänzlich. Wer einmal aus den Bleikammern Venedigs geflüchtet ist, der kommt nicht so leicht ins Straucheln.
Obwohl ich in meiner Kindheit an allerlei Krankheiten litt, hat sich meine Gesundheit im Laufe meines Lebens durchaus zum Positiven entwickelt. Ein Schnupfen konnte mich schon lange nicht mehr aus der Bahn werfen, obwohl er mir in jungen Jahren oft zu schaffen gemacht hatte.
Was mich nun doch einigermaßen traurig stimmt ist, dass sich in manchen Dingen nichts, aber schon gar nichts, seit damals geändert hat. Noch immer gibt es Krieg und Frieden zwischen den Völkern, wobei der Frieden, wie sie sagen, immer erkämpft werden muss.
Meine letzte Hoffnung liegt da auf der Jugend, denn die spricht englisch. - Make love not war - das war auch immer mein
Motto.
Gedankenverloren blicke ich auf die Großen dieser Welt hinunter. Ob sie es schaffen werden, den Planeten auch weiterhin im Gleichgewicht zu halten? Gewichtig halten sie lange Reden, fliegen im Eiltempo von Land zu Land und was bleibt, sind meist leere Worte.
Nachdenklich knabbere ich an einem Stück Sachertorte, das mir mein kleines Engelchen vorsorglich bereit gestellt hat.
Ob ich nicht doch noch an meinen Memoiren weiter schreiben sollte, die ich vor Jahren begonnen habe? Ich hätte noch so vieles zu erzählen.
Ach, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt?
"Gestatten, Cavaliere Giacomo Casanova,
Schriftsteller und Herzensbrecher,“