Biografien & Erinnerungen
Bauchgefühl.

Bauchgefühl.

Wenn ich mein Bauchgefühl nicht hätte, wäre ich schon manches mal verloren gewesen und so höre ich auch darauf. Nur einmal wollte ich nicht darauf hören, obwohl es sich verstärkt bemerkbar gemacht hatte.

Es war an einem Freitagabend im September 1958, und freitags war unser Gruppenabend von der Gewerkschaftsjugend und der ging bis 22:00 Uhr und da durfte ich ausnahmsweise später heimkommen. Ansonsten hatte ich spätestens um 22:00 Uhr daheim zu sein. Denn damals wurde man ja erst mit 21 Jahren Volljährig und durfte nach dieser Uhrzeit ohne Begleitung einer erwachsenen Person nicht angetroffen werden.

Es war ein spannender und doch sehr lustiger Abend, denn ich hatte immer Dummheiten im Kopf. So auch an diesem Abend, denn ich besorgte mir für unsere männlichen Naschkatzen präparierte Pralinen, drei Stück davon waren statt mit Nugat, mit Salz gefüllt und die anderen waren normal. Was ich aber nicht wusste war, an diesen Abend kam ein Kriminalbeamter der einen Vortrag halten sollte und ausgerechnet er griff nach solch einer mit Salz. Wollte ihn davon abhalten, aber er wollte unbedingt diese und ich sagte zu ihm, bitteschön auf eigene Gefahr und grinste. Hans unser Gruppenleiter griff nach der zweiten und Lothar, die größte Naschkatze, erwischte die dritte. Hans und der Kriminalbeamte bissen rein und spuckten sie auch gleich wieder aus und liefen zum Wasserhahn. Lothar schluckte daraufhin vor Schreck die salzige Praline ganz hinunter. Dafür musste ich am nächsten Gruppenabend büßen, er kitzelte mich bis ich kaum mehr Luft bekam, denn Lothar hing die ganze Nacht, wegen dieser versalzenen Praline am Wasserhahn.

Nun aber zurück zu meinem Bauchgefühl.

Nach diesem Gruppenabend war ich nun auf dem Heimweg und musste immer wieder über Lothars entsetzten Blick grinsen. Durch meine präparierten Pralinen dauerte es etwas länger. Dadurch war ich auch später dran und wollte den kürzeren, aber dunkleren Weg, nehmen. Kurz bevor ich dann in den Hermann Kurz Weg einbog, zog sich mein Bauch zusammen und ich bekam beklemmendes Herzklopfen. Überlegte kurz ob ich nicht doch den viel längeren, dafür sehr hellen Weg gehen sollte, aber da ich wirklich sehr spät dran war entschied ich mich, entgegen meines Bauchgefühls, den kürzeren zu nehmen. Also ging ich weiter, doch meine Schritte wurden immer langsamer. Überlegte kurz ob ich doch den anderen Weg gehen sollte, denn meine innere Stimme sagte mir, gehe nicht den dunklen. Aber da ich ja kein Angsthase bin, unterdrücke ich diese beklemmende Angst und biege in den Weg ein und lief schnellen Schrittes in die Dunkelheit und die Angst wurde immer schlimmer.

Wollte nun doch umkehren, aber da war es schon zu spät, denn ich war auf einmal von einer Horde dunkel gekleideter Männern umzingelt. Sie packten mich und hielten mir gleichzeitig den Mund zu. Einer zischte mir ins Ohr, wehe du schreist, denn dann machen wir kurzen Prozeß mit dir. Hätte auch gar nicht schreien können, denn ich war wie gelähmt. Doch auf einmal hörte ich wie einer sagte; die Kleine gehört mir, denn auf die bin ich schon lange scharf und packte mich und schob mich vor sich her. Die anderen sagten zu ihm dass es in Ordnung wäre, aber die nächste würde ihnen gehören.  Er flüsterte mir ins Ohr ich solle still sein und machen was er sagt, denn dann würde mir nichts geschehen und schubste mich vorwärts. Auf einmal wurde ich komischer weise ganz ruhig, denn meine Angst war vorbei.

Er ging hinter mir, so konnte ich nicht sehen wer es war und er begleitete mich bis kurz vor dem Haus in dem ich wohnte. Er sagte ich solle ganz schnell rein gehen und ja nicht nach hinten schauen und schon war er in der Dunkelheit verschwunden.

Ich weiß bis heute nicht wer es war, aber ich werde ihm für immer dankbar sein, denn die nächste hatte nicht so viel Glück wie ich.

Seit damals höre ich grundsätzlich auf mein Bauchgefühl, denn es hatte mich immer gut beraten.

© Copyright MarianneK  21.09.2008

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